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Empirische Studien zum Einsatz von Musik im Fremdsprachenunterricht

3. FÖRDERUNG DER PHONETISCHEN KOMPETENZEN DURCH MUSIK

3.3 Musik im Fremdsprachenunterricht

3.3.1 Empirische Studien zum Einsatz von Musik im Fremdsprachenunterricht

Bereits Murphey (1990) beschreibt die geringe Anzahl von wissenschaftlichen Forschungsarbeiten zu Musik und Liedern im Fremdsprachenunterricht:

„There has been little controlled research, to my knowledge, on the actual use of songs in language teaching and their effectiveness as compared to other means of teaching. Mostly, teachers have strongly expressed their beliefs, after experiencing the effect that songs can have on their classes“ (Murphey 1990: 147)

Auch bis heute hat sich die Situation kaum geändert. Eine systematische Aufstellung und Analyse empirischer Studien im Zeitraum von 1937 bis 2007 zur Rolle von Musik im Zweitsprachenunterricht wurde inzwischen von Sposet (2008) vorgenommen. Es wurden zwar auch Übertragungsfehler in der Arbeit gefunden, dennoch stellt die Studie meines Wissens bisher die einzige Bibliographie empirischer Studien im Bereich Musik im Zweitsprachenunterricht dar und gibt zumindest einen guten Überblick. Wesentliche Ergebnisse sollen daher kurz vorgestellt werden. Laut Sposet (2008) wurden in 23 Studien die Wirkungen von Musik auf den Zweitspracherwerb untersucht. Diese werden chronologisch mit folgenden Angaben in einer Übersicht (vgl.

Sposet 2008: 83-85) dargestellt:

• untersuchte Sprache

• Anzahl der Probanden

• untersuchte Variable

• Forschungsdesign

• Zeitumfang der Studie

• Alter der Probanden

Zusammengefasst wurden demnach 14 Studien mit Erwachsenen (18+) durchgeführt, die restlichen neun mit Kindern (5-14 Jahre). Der Schwerpunkt liegt auf den Erwerb von Englisch als L2 (11 Studien); es liegen aber auch drei Studien im Bereich DaF vor (vgl. Van Asselt 1970; Hahn 1972; Gassner-Robert 1982) sowie weitere Studien im Bereich Spanisch (5), Französisch (2), Niederländisch (1) und Japanisch (1). Untersucht wurde der L2-Erwerb generell (10 Studien), der Vokabelerwerb (7 Studien), die Kultur (2 Studien) sowie in je einer Studie Speicherung (retention), phonemisches Wiedererkennen (phonemic recognition), Textabruf (text recall) und Spaß (enjoyment). Ausschließlich Karimer (1984) hat explizit die Fertigkeit Aussprache mit 25 erwachsenen

72 asiatischen Lernenden mit Englisch als L2 über einen Zeitraum von zwei Wochen48 untersucht und dabei positive Wirkungen zwischen der Integration von Musik und dem phonemischen Wiedererkennen festgestellt.

Die Länge der 23 Studien umfasste eine Zeitspanne von einem Tag bis zu acht Monaten, die Anzahl der Probanden von 4 bis 692. Die Studien sind größtenteils nicht-experimental angelegt. Zehn Studien nutzten Pre-Post-Testtechniken, sieben Studien Analysetechniken wie t-Test und ANOVA, zwei Studien Fragebögen sowie vier Studien multiple Mittel. Insgesamt belegen 15 der 23 Studien – größtenteils mit nicht-experimentalem Design – eine positive Wirkung von Musik auf die jeweils untersuchte Variable (inkl. der drei DaF-Studien).

Dagegen wurde bei der Mehrheit der experimentalen Studien eine negative bzw. unwesentliche Wirkung von Musik festgestellt. Je länger eine Studie dauerte, desto geringer war im Durchschnitt die Anzahl der Studien mit positivem Effekt von Musik. So wurde bei Studien, die mehr als drei Monate umfassten, in vier Studien ein positiver sowie in vier Studien ein unwesentlicher Effekt festgestellt, während bei bis zu dreimonatigen Studien in elf Studien positive Effekte sowie in nur vier Studien unwesentliche Effekte beobachtet wurden (vgl. Sposet 2008: 87). Unter anderem wurden folgende weitere Einzelergebnisse festgestellt (vgl. ebd. 53-81; 83-92):

• Lernen mit Musik bereitet den Lernenden mehr Spaß als Lernen ohne Musik (in 20 von 23 Studien)

• Singen ist im Vergleich zu Sprechen bei Männern erfolgreicher als bei Frauen (vgl. Van Asselt 1970;

Hahn 1972; Huy Le 1999)

• Zwar gibt es ein immer ein Zeitproblem im Unterricht, aber:

„music in the second language classroom can maximize student performance in ways that transform them from passive to active learners [...] without ignoring their development in the accuracy and complexities of the language to be used.“ (Sposet 2008: 92)

• „the students did not use ready-made phrases as much as anticipated but did use them as a springboard to create their own unique statements (Biron 2006: 290)“ (Sposet 2008: 74)

Sposet kommt abschließend auf Grundlage der Daten der 23 Studien zur Feststellung, dass Musik vor allem auf die Aussprache positive Wirkung hat: „the use of music does have a positive effect on second language acquisition particularly on various aspects of pronunciation“ (ebd. 91). Insbesondere betreffe dies den Rhythmus, die Intonation, die verbesserte Sprechflüssigkeit und eine verringerte Fehlerproduktion (vgl. ebd.).

Nach eigener Recherche konnten nur wenige weitere empirische Studien zum Thema gefunden werden, was auch von anderen Verfassern immer wieder beklagt wird (vgl. Badstübner-Kizik 2006: 24; Allmayer 2008: 122;

Lensch 2010: 263.). Zusammengefasst lassen sich Studien im Fremdsprachenunterricht dabei wie folgt unterteilen:

a) empirische Studien zur Wirkung von Musik auf Fremdsprachenerwerb (siehe Kap. 3.2):

Hierbei wurden zur Zielgruppe der erwachsenen Lernenden insbesondere Studien mit asiatischen Lernenden durchgeführt, zunächst vor allem im Bereich Englisch als L2 (siehe Karimer 1984; Nakata 2002; Tanaka & Nakamura 2004; Slevc & Miyake 2006), in den letzten Jahren folgten auch Studien im Bereich Deutsch als L3 (siehe Lin-Liu 2007). Meistens wurde die Wirkung von Musik auf die Aussprache untersucht. Lin-Liu (2007) nutzt das Singen auch im Bereich Landeskunde innerhalb eines Semesterkurses und führt dazu Evaluationen mit Studierenden durch, in denen sich der persönliche Zugang zur deutschen Kultur und Geschichte durch Lieder (vgl. Lin-Liu 2007: 582) sowie der Spaß am Lernen dabei (vgl. ebd. 583) deutlich widerspiegelt. Daneben gibt es weitere empirische Untersuchungen zu anderen Zielsprachen, allerdings mit Schulkindern: beispielsweise von Gilleece (2006) zur Verbindung von musikalischen und fremdsprachlichen Fähigkeiten mit 149 Schulkindern (Secondary School) sowie von Klemm (1987) mit 308 Schulkindern über die gegenseitige Beeinflussung musikalischer und sprachlicher Fähigkeiten. Nach Klemm verbessert musikalische Vorerfahrung die musikalische und sprachliche Wahrnehmungsfähigkeit. Das fremdsprachliche Singen unterstützt hierbei den Erwerb der neuen Intonationsmuster und des phonologischen Systems als Grundvoraussetzung für ein akzentfreies Sprechen. Das an Takt und Metrum gebundene Singen trainiert das flüssige Sprechen und die Speicherkapazität des Gehirns kann durch Aktivierung unbewusster Bereiche der Psyche erhöht werden (vgl. Klemm 1987: 41ff; zit.n. Lensch 2010: 264).

Zudem erhöht das eigene Singen und musikalische Gestalten eines Liedes im Vergleich zum Hören oder Lesen eines Liedes die Merkfähigkeit für Wortschatz und grammatikalische Muster erheblich (vgl.

48 Laut Sposet (2008: 83): acht Wochen.

73 Lensch 2010: 264).

b) diverse Einzelbeiträge zu Unterrichtserfahrungen mit Musik in Fachzeitschriften (wie beispielsweise Fremdsprache Deutsch; Deutsch als Fremdsprache; Praxis Fremdsprachenunterricht; Info DaF; Die Unterrichtspraxis) und Büchern (wie beispielsweise Blell & Kupetz 2010a):

Die Schwerpunkte liegen hier eher auf Unterrichtserfahrungen und konkreten Vorschlägen für die Unterrichtspraxis. Es handelt sich nur selten um wissenschaftlich ausgerichtete empirische Studien mit Ergebnissen, sondern mehr um nützliches Praxiswissen als Grundlage für konkrete Unterrichtsvorschläge. Es existieren in diesem Rahmen aber auch einige wenige empirische Studien zur Musik generell. Rumianowska (2009) führte beispielsweise über sechs Monate eine qualitative empirische Studie mit 34 Germanistikstudierenden zum Einsatz von Populärkultur im FSU am Beispiel von Musikvideoclips auf Grundlage des lauten Denkens durch. Summer (2010) untersuchte die Rolle von Popsongs bei Lernenden mit Englisch als L2. Sie analysiert bei einer Untersuchung mit 400 Schülerinnen und Schülern (11-16 Jahre) vorrangig quantitativ, wie viel Zeit sie damit verbringen, englischsprachige Musik zu hören und wie beliebt oder unbeliebt englischsprachige Musik ist. Wie erwartet kommt sie zum Ergebnis, dass Popmusik eine größere Rolle im Klassenraum spielen sollte (vgl. Summer 2010: 326). Blell & Kupetz (2010a: 24) wenden dazu kritisch ein, dass Pop und Rock bezüglich des Musikgeschmacks jedoch schnellen Trendschwankungen unterliegen, was den motivationalen Einsatz im Unterricht nicht unbedingt erleichtere.

c) aktuelle empirische Studien zum Einsatz von Musik im Unterricht DaF mit Erwachsenen in der Grundstufe:

Es wurden drei aktuelle Studien im Bereich DaF von der Verfasserin gefunden, allerdings keine zur Förderung phonetischer Kompetenzen.49 Allmayer (2008) erforscht innerhalb einer qualitativ ausgerichteten longitudinalen empirischen Studie mit 60 Lernenden in drei Sprachgruppen (B1) die Grammatikvermittlung mit Popsongs. Sie entwickelt basierend auf kognitionspsychologischen Erkenntnissen und empirischen Ergebnissen ein Modell zur Grammatikvermittlung mit Popsongs.

Wiesnerová (2008: 28-40) führt im Rahmen ihrer Diplomarbeit eine kurze Untersuchung mit 38 tschechischen Schülern (12-22 Jahre, ab Niveau A2, teilweise Musikstudierende) und 26 Lehrern zum Einsatz von Liedern im Deutschunterricht mithilfe von Fragebögen durch. Die Schüler werden dabei nach dem Unterricht mit Liedern quantitativ und qualitativ dazu befragt. Während zur einmaligen Unterrichtssequenz mit einem Lied nur positive Kommentare erfolgen, sind die Lernenden zum häufigeren Einsatz von Liedern wesentlich vorsichtiger bei der Beantwortung (vgl. Wiesnerová 2008:

30-31). Die Lehrkräfte finden Musik im FSU zu 92% gut, setzen sie zu 82% aber nur ab und zu ein.

Nur 9% benutzen sie öfters. 92% sind jedoch der Meinung, dass Musik die Motivation zum Lernen erhöhen kann. Meistens wurden Lieder von Rammstein, den Prinzen, Nena und Christina Stürmer sowie verschiedene Kinder- und Weihnachtslieder aus den Lehrbüchern von den befragten Lehrkräften verwendet (vgl. ebd. 36). Schmidt (2013) führt weiterhin eine qualitative Studie mit 10 Lehrkräften in Integrationskursen (A1-B1) zum Einsatz von Musik in Form eines Fragebogens durch und gibt theoretisch fundiert konkrete Unterrichtsbeispiele (mit selbst komponierter Musik) für den Einsatz von Musik in Integrationskursen zur Förderung der sozialen Kompetenz.

Insgesamt existieren somit nur wenige empirische Studien mit Erwachsenen zum Einsatz von Musik im Unterricht DaF und noch weniger darauf aufbauende methodisch-didaktische Modelle zum Einsatz von Musik.

Die meisten Publikationen in Fachzeitschriften konzentrieren sich auf individuelle Vorschläge für die Unterrichtspraxis basierend auf der jeweiligen Unterrichtserfahrung des Lehrenden als Verfasser, welche jedoch nicht innerhalb eines wissenschaftlichen Forschungsdesigns ausgerichtet sind. Im Bereich Aussprache gibt es einige empirische Studien mit asiatischen Lernenden, welche sich vor allem mit der Wirkung von Musik im Unterricht auf die Ausspracheleistung (Schwerpunkt: segmentale Merkmale) befassen, nicht aber damit, wie Musik im Unterricht zur Förderung der Aussprache effektiv eingesetzt werden könnte. Zudem mangelt es an longitudinalen Studien. Somit findet man zusammengefasst eine Fülle von einzelnen Unterrichtsvorschlägen zum Einsatz von Musik im DaF; dagegen mangelt es an wissenschaftlichen Belegen in Form von theoretischen und empirischen Studien, wie Musik im Unterricht mit Erwachsenen effektiv eingesetzt werden kann sowie

49 Siehe die nach Abgabe der vorliegenden Dissertation veröffentlichte empirische Längsschnittstudie von Wild (2015) zum L2-Wortakzenterwerb durch den Einsatz von Musik bei britischen Studierenden.

74 anschließenden Modellen zum Einsatz von Musik im Unterricht DaF (vgl. Badstübner-Kizik 2006: 24; Allmayer 2008: 122; Lensch 2010: 263). Die vorliegende Arbeit soll daher ein Versuch sein, diese Lücke im Bereich Musik zur Förderung fremdsprachlicher phonetischer Kompetenzen ein wenig zu schließen und die eigene Praxiserfahrung sowie die anderer Lehrender mit theoretischen Ansätzen und empirischen Ergebnissen zu verknüpfen.