• Keine Ergebnisse gefunden

3. FÖRDERUNG DER PHONETISCHEN KOMPETENZEN DURCH MUSIK

3.3 Musik im Fremdsprachenunterricht

3.3.5 Förderung phonetischer Kompetenzen durch den Einsatz von Musik im DaF-Unterricht

3.3.5.2 Didaktische Ansätze in Unterrichtsmaterialien

92 Auch sie bemerkt zum Singen mit Erwachsenen: „Nach meiner Erfahrung können auch erwachsene Lerner das gemeinsame Singen ‚akzeptieren’, insbesondere, wenn – wie hier – ein messbarer sprachlicher ‚Nutzen’ deutlich wird“ (ebd. 114).

Insgesamt ist zu berücksichtigen, dass im Rahmen eines integrativen Ausspracheunterrichts die Verknüpfung von Aussprache mit allen anderen Fertigkeiten und Kenntnissen von Bedeutung ist und somit eine Vielfalt an Arbeitsformen auch zur Ausspracheförderung mit Musik möglich ist.

93 Hinweise zum Singen im Unterricht:

„Bei allen Liedern genügt es im allgemeinen, das Lied den Schülern zweimal vorzuspielen und sie zum Mitsingen zu ermuntern. Spätestens beim dritten Vorspielen singt die Klasse mit, vorausgesetzt, es gibt keine Barrieren im Textverständnis oder aufgrund von Ausspracheschwierigkeiten. Hier empfiehlt es sich, den Text strophenweise im Chor zu lesen und dann zu singen.“ (ebd. 6-7)

Daneben finden sich zu jedem Lied umfangreiche Hinweise (Sprechintentionen, Grammatik, Vorschläge zum Unterricht) für die Lehrkraft. Im ersten Lied steht die Aussprache im Vordergrund. Die Lernenden sollen zum ersten Mal eine längere Passage deutscher Wörter sprechen und singen (vgl. ebd. 12). Beim Einsatz mit dem Fokus auf Aussprache wird folgender Aufbau vorgeschlagen:

1. Liedtext sprechen: vorlesen/mitlesen/nachsprechen (Aussprache und Liedinhalt) 2. Lied hören und leises Mitlesen

3. Mitsingen (nach und nach, spätestens beim dritten Mal alle)

4. Transferphase: Varianten sprechen (Texte variieren, Dialoge spielen, Rollenspiele, neue Texte mit grammatischen und textlichen Mustern schreiben und singen)

5. Abschluss: Lied singen = Einstieg in der nächsten Stunde als Wiederholung

Wagner & Zeigler variieren den Aufbau der Unterrichtssequenzen in den anderen Liedern und geben zahlreiche detaillierte Anweisungen für Anfänger und Fortgeschrittene, auch zum Singen und zur Aussprache. Liedtexte werden hier meistens nicht sofort ausgehändigt, sondern erst nach einer Einführungsphase zum Liedinhalt (thematische Einführung; lexikalische Vorentlastung; Hörverständnis), wie beispielsweise in:

• Lied 2: Liedinhalt durch Pantomime und Hörverständnis (2x Hören des Liedes) erschließen – Mitlesen des Textes - ohne Tonträger Aussprache üben: gruppen- und strophenweises Lesen, Chorlesen - Singen

• Lied 3: strophenweises Vorspielen des Liedes – lexikalisches Erarbeiten ohne Text – aus Mosaikwörtern Gesamtinhalt erschließen – Liedtext vorlesen

• Lied 4 und Lied 7: Einführung in das Thema mit Bildern – Fragen zum Hörverständnis – Liedtext austeilen (Lexik, Grammatik) und singen (Aussprache)

Zur Aussprache finden sich vor allem in den ersten Liedern umfangreiche Anweisungen:

• Lied 1: „A. [...] Der Lehrer liest zunächst selbst den Text vor; man kann einzelne Strophen auch von einzelnen Teilnehmern vorlesen lassen, die Gruppe kann dann den Refrain im Chor lesen. Anschließend den ganzen Text im Chor lesen lassen, eventuell Sprechergruppen bilden, d. h. jede Strophe wird von einer Gruppe gelesen, der Refrain vielleicht von den Schülern mit den größten Ausspracheschwierigkeiten. B. Anschließend spielt der Lehrer das Lied vor, ermuntert die Schüler von Anfang an den Refrain mitzusingen. Beim zweiten Vorspielen sollten alle versuchen, das ganze Lied mitzusingen. C. Zur Abwechslung können zwei Gruppen gebildet werden. Die einen singen nur die Strophen, die anderen den Refrain. Dann werden die Rollen vertauscht, und beim nächsten Durchgang singen alle die letzte Strophe gemeinsam.“ (ebd. 12-13)

• Lied 2: „Der Text wird gruppen- und strophenweise gelesen [...] Hier sollte der Lehrer den Liedtext als phonetische Übung benutzen. Damit wird gleichzeitig erreicht, daß der Text und die Redewendungen im Gedächtnis haften bleiben. Der Lehrer sollte sich auch nicht scheuen, den Text auch von der ganzen Klasse im Chor lesen zu lassen, da dabei zum einen ein Heranführen an die Liedmelodie und den Liedrhythmus erreicht wird, zum anderen gerade schwache Schüler ihre Scheu vor dem Sprechen im Schutz der Gruppe ablegen. [...] Man sollte die Schüler anregen mitzusingen, ohne den ganzen Text zu lesen, um so langsam eine Loslösung vom Text zu erreichen. [...] das Lied als Hausaufgabe auswendig lernen“ (ebd. 17)

• Lied 4: „Da der Refrain besonders leicht zu singen ist, kann man auch mit dem Refrain alleine beginnen und bei den einzelnen Strophen zuhören.“ (ebd. 28)

• Lied 5: „Besonders kompakte Äußerungen werden zunächst langsam, dann in gesteigertem Sprechtempo geübt, zuerst von einzelnen Sprechern, dann im Chor“ (ebd. 34) (Arbeitsschritte: 1. Mitsingen; 2. Singen ohne Tonträger:

mit Musikinstrument oder rhythmischem Händeklatschen)

• Lied 6: „Da es sich bewährt hat, den Refrain auswendig zu singen, kann er im Chor gelesen werden, bevor die Teilnehmer ihn beim nächsten Vorspielen des Liedes auswendig mitsingen.“ (ebd. 40)

Trotz der detaillierten und vielfältigen methodisch-didaktischen Ansätze wird dieses Liederheft von Wagner &

Zeigler (1982) in der Fachliteratur kaum erwähnt. Im Gegensatz dazu stehen die recht populären bis heute erhältlichen Materialien von Kind, die einen weiteren Ansatz der 1980er Jahre zum zielgerechten Einsatz von Liedern im FSU (Materialien für Deutsch, Englisch sowie Spanisch als L2) darstellen. Bei der von Kind

94 entwickelten SingLing-Methode für Kinder, Jugendliche und Erwachsene werden bereits in der Grundstufe (A1-A2) einfache Texte (Monologe oder Dialoge) auf bekannten Melodien gesungen (siehe Kind 1983: Eine kleine Deutschmusik). Hierbei wird von Kind folgender Aufbau vorgeschlagen (vgl. Kind 1983: 8). Zunächst werden Assoziationen zum Liedoriginal gesammelt. Dann beschreibt der Lehrende kurz den Inhalt des neuen Textes und lässt die Studierenden die Wörter und Ausdrücke des Liedes nachsprechen. Danach wird genauer auf den Liedinhalt und die jeweilige Sprachfunktion eingegangen. Erst dann hören die Studierenden das Lied einmal vom Tonträger ohne mitzusingen. Anschließend wird das Lied mehrmals mit, später ohne Tonträger gesungen.

Bei Dialogen wird die Klasse dabei in Gruppen aufgeteilt. Dann wird die gesprochene Version vom Tonträger gehört und wie bei der gesungenen Variante mehrmals mitgesprochen. Verschiedene Sprechstile können verwendet werden. Eine englische Übersetzung wichtiger Wörter und Ausdrücke wird jeweils angeboten.

Anschließend folgen zu jedem Lied schriftliche Übungen als Wiederholung und zusätzliches Training, die sich vor allem auf die Memorierung des Liedtextes konzentrieren. So werden immer wieder Lückentexte mit Anfangsbuchstaben oder Teilen des Liedtextes angeboten sowie eine Wortjagd, bei der aus Buchstabenketten der komplette Liedtext herausgesucht werden muss. Transferübungen mit Variationen des Textes folgen abschließend.

Diese Methode wurde später durch die SingRap-Methode erweitert, bei der Texte auf einem Beat rhythmisch gesprochen (gerappt) werden. So existiert unter anderem eine LingoTrack-CD (Kind & Schaffel 2005), die neun

‚Instrumentals’ enthält. Auch hier basieren die Musikstücke:

„auf bereits bekannte Melodien, andere sind reine Rhythmussegmente. Zu jedem Musikstück gibt es drei oder vier Texte, die in die Instrumentals ‚hineingerappt’ werden sollen. Die Texte enthalten grammatikalische Strukturen, Redensarten sowie nützliche Sprechakte. Zu diesen Instrumentals können auch neue Lieder bzw. Sprechgesänge gedichtet werden“ (ebd. 2)

Zur Vorbereitung und zum Einsatz der LingoTracks im Unterricht werden den Lehrenden folgende Anweisungen gegeben:

1. Hören Sie sich die Melodien mehrere Male an. (Beachten Sie Rhythmus und Musikstruktur.)

2. Wählen Sie einen Text aus. Singen Sie bzw. sprechen Sie den Text rhythmisch in die entsprechende Melodie ein.

3. Üben Sie zuerst allein.

4. Singen/rappen Sie mit Ihrer Klasse.

5. Dichten Sie mit Ihren Schülern neue Lieder oder LingoRaps. (ebd.)

Die von Kind und Schaffel entwickelte SingTech-Methode wird von den Autoren selbst wie folgt beschrieben:

„LingoTech is music that fuses melody, rhythm, drama, movement, and language phrases into a total experience that inspires young people to acquire languages. LingoTech builds on the premise that music helps language students with memorization, intonation and pronunciation.“ (Internetquelle 4)

Auf diese Weise werden die LingoTechTunes mit eigens dazu komponierter Musik mit Bewegung und Gesten sowie einer dramatischen Geschichte verknüpft, die Spaß und Lernen kombinieren soll. Professionelles Marketing haben die Methoden von Kind weltweit durch Medien, Aufführungskonzerte und Workshops bekannt gemacht. So sind die Materialien von Kind auch nach 30 Jahren immer noch aktuell und begeistern auch heute noch Studierende.51

Aktuell schlägt Wiesnerová (2008) folgende Arbeitsschritte zur Ausspracheschulung mit Liedern vor:

„Schüler sollten zuerst das Lied mindestens einmal hören, damit sie sich die Aussprache, Intonation und alle anderen Aspekte des Gesungenen merken. Ein möglicher (folgende) Fortgang:

• jeder liest den Text des Liedes für sich selbst durch und konzentriert sich auf die Aussprache

• die ganze Klasse liest laut den Text des Liedes zusammen mir dem Lehrer

• der Reihe nach lesen die Schüler einzelne Zeilen laut

• alle singen das Lied zusammen mit dem Interpreten

51 So hatte die Verfasserin die Gelegenheit, im Sultanat Oman 2008 selbst an einem vom Goethe-Institut initiierten Workshop für Lehrkräfte mit Kind teilzunehmen und die Begeisterung der Studierenden (und Lehrenden) noch lange nach dem Open-Air-Konzert mitzuerleben.

95

• der Lehrer kann die Klasse in Gruppen teilen und diese Gruppen wechseln sich dann untereinander im Singen usw“ (Wiesnerová 2008: 8)

Daraus folgen die methodisch-didaktischen Konsequenzen (vgl. ebd.):

• das Lied sollte zunächst als Ganzes, als rhythmische Einheit erfahren werden

• der Zusammenhang sollte nicht durch wörtliches Übersetzen zerrissen werden

• die Schüler müssen nicht jedes einzelne Wort verstehen

• unbekannter Wortschatz, der zum Verständnis nötig ist, sollte vorher geübt werden (Vorentlastung des Textes)

• einzelne Elemente des Liedes sind außerhalb dieses Kontextes nicht als abrufbar vorauszusetzen, die Anwendung in einem anderen Kontext muss geübt werden

Lernziel kann auch das Lied selbst und damit die auswendige Beherrschung des Liedes sein:

„In diesem Fall sollten die Schüler zusammen mit dem Lehrer und mit dem Interpreten das Lied mehrmals in der Stunde singen, damit sie es auswendig lernen. Solche Lieder sollten nicht zu lang und auch nicht zu kompliziert sein. Jemand könnte einwenden, dass die Schüler beim Auswendiglernen eines Liedes eigentlich nicht lernen, was sie in der Sprache weiter schiebt. Das stimmt aber gar nicht, weil die Lieder genauso wie Gedichter und die gesamte Literatur ein Bestandteil des Volksgutes sind und in diesem Fall zu der Aneignung der Sprache integrierend gehören. Überdies ist diese Metode für das Ausspracheüben sehr nützlich.“ (ebd. 42-43)

Sicherlich lassen sich daneben diverse individuelle einzelne Unterrichtsvorschläge finden, konzipiert von regionalen Arbeitsgruppen mit Berücksichtigung der jeweiligen L1 (wie Ehlers 1996; Suzuki et al. 2006; Hägi 2009; Arbeitsgemeinschaft DaF-Musik / Japan 2014: siehe Internetquelle 5) oder Einzelbeiträge in Fachzeitschriften, die beim Thema Aussprache in Verbindung mit Musik oft den Schwerpunkt auf den Schulunterricht mit Kindern und Jugendlichen legen. Es existiert jedoch bisher kein allgemein etabliertes, theoretisch fundiertes und methodisch-didaktisch aufgebautes Konzept zur Förderung der L2-Aussprache durch Lieder bei Erwachsenen.