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1.3 Studierende und AbsolventInnen an österreichischen Universitäten

1.3.2 Studienverhalten und Studiendauer

Den stärksten Einfluss auf die Studiendauer und indirekt auch auf das Abschlussalter hat die absolvierte Studienrichtung: Mit Abstand am raschesten werden

Rechtswissenschaften, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften und die technischen Naturwissenschaften studiert (14 bis 15 Semester). Die längste Studiendauer findet sich mit 18,6 und 18,7 Semestern im Durchschnitt beim Architekturstudium und bei dem Studium der Veterinärmedizin.77 Aber auch überdurchschnittliche Noten bei der Matura sind ein Indikator für eine kürzere Studiendauer.

Die nachfolgende Tabelle listet die durchschnittliche Studiendauer der für die Studie relevanten Studienfächer auf:

77 Vgl. Rene Dell'Mour / Frank Landler 2001.

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Tabelle 12: Durchschnittliche Studiendauer in Semester in den interessierenden Studienfächern 2006/07, absolut

Studienfach Studienart durchschnittliche

Studiendauer Mindeststudiendauer Diplomstudium 12 Innsbruck: 10 (4+6) Bachelorstudium 7,3 6

Technische

Mathematik Masterstudium 4 4

Diplomstudium 13,6 Wien: 10 (2+5+3) Bachelorstudium 5,9 6

Technische Physik Masterstudium - 4

Diplomstudium 13,2 Linz: 10 (5+5) Bachelorstudium 7,4 6

Technische Chemie Masterstudium - 4

Diplomstudium 13,6 Innsbruck: 10 (2+6+2) Wien: 6

Bachelorstudium 24,8 Graz: 4 Bauingenieurwesen Masterstudium - 4

Diplomstudium 15,3 Graz: 10 (2+5+3) Bachelorstudium 10,1 6

Elektrotechnik Masterstudium 3,3 4

Diplomstudium 13,3 Graz: 10 (2+5+3) Bachelorstudium - 6

Maschinenbau Masterstudium - 4

Diplomstudium 10,3 Wien: 10 (4+6) Bachelorstudium 6,6 6

Mathematik Masterstudium 4,5 4

Wien: 10 (2+5+3) Diplomstudium 12,2 Graz und Innsbruck: 10

(2+4+4) Bachelorstudium - 6

Physik Masterstudium - 4

Diplomstudium 12,4 Innsbruck: 10 (6+4) Bachelorstudium - 6

Chemie Masterstudium - 4

Quelle: BMWF/ Abt. I/9 (Hochschulstatistik, Frauenförderung), Anfrage Juli 2008 und BMWF/AMS Ö 2007.

1.3.3 Studienwahlmotive

Bildungsentscheidungen sind zentrale „biografische Weichenstellungen“ im Leben eines Menschen, da sie den Weg für zukünftige Gesellschaftspositionen ebnen und zudem nicht so leicht revidiert werden können. Spätere Korrekturen sind mit zusätzlichen Investitionen (zum Beispiel Kosten und Zeitaufwand für die Ausbildung,

Einkommensausfall etc.) verbunden und werden daher vergleichsweise selten vorgenommen.78

Die Übergänge von einer Bildungsinstitution zu einer anderen sind außerdem mittels gesetzlicher Rahmenbedingungen geregelt. So ist etwa der positive Abschluss einer Bildungsetappe notwenige Voraussetzung für den Übertritt in die nächsthöhere Stufe.

78 Vgl. Richard Breen/ John H. Goldthorpe 1997, Seite 278.

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Bildungsentscheidungen sind daher biographische Festlegungen, die den gesamten Lebenslauf strukturieren.

Den Entscheidungen über das Ergreifen eines Hochschulstudiums, der Wahl zwischen Fachhochschule und Universität sowie der Auswahl einer bestimmten Studienrichtung gehen eine Reihe anderer (Bildungs-)Entscheidungen voraus.

Helmut Guggenberger (1991) weist darauf hin, dass die Entscheidung für ein Studium spezifischen Beschränkungen unterliegt:

„Der Terminus ‚Entscheidung’ kann dazu verleiten, ein souveränes Individuum, das allseitig und informiert ist, eigener Bedürfnisse, Interessen, Fähigkeiten, Grenzen bewusst und über Folgen seines Handelns aufgeklärt ist, anzunehmen. Dieses Individuum stünde vor einem Universum prinzipiell zur Verfügung stehender

Möglichkeiten, vor einer ihm offenstehenden Welt; autonom in seinen Entscheidungen wählte es aus. Doch sind die in der sozialen Umwelt angelegten Möglichkeiten nicht für alle gleichermaßen wahrnehmbar (kognitiv wie im Sinne von

Realisierungs-möglichkeiten), sondern nach bestimmten Mustern gestaltet und eingeschränkt.

Wahrnehmung von Möglichkeiten ist von Situation und Lage, Erfahrungen und Lernchancen abhängig und beruht möglicherweise auf einer unangemessenen,

irrtumsbehafteten Sicht von einem/einer selbst und der Umwelt. Schließlich wird nicht jede Entscheidung gleichermaßen geschätzt und begrüßt; positive/negative Sanktionen aus der sozialen Umwelt sind ungleich verteilt.“79

Dies bedeutet, dass die Möglichkeiten sowohl gesellschaftlich-historisch vorgeformt sowie sozialen Normen und gesellschaftlichen Zwängen unterworfen sind, die individuell nicht unmittelbar beeinflusst werden können. Die Vorstellung von der Machbarkeit der eigenen Zukunft kann zwar Orientierung geben, beruht aber letztlich auf

unvollständigen Informationen.

Die folgenden drei Faktoren ((1) Vorbildung und soziale Herkunft, (2) Studienmotive und (3) Geschlecht, vgl. nachstehende Ausführungen) werden in der Fachliteratur als wichtige Einflussfaktoren („Motive“) auf die Studienwahl genannt:

(1) Vorbildung und soziale Herkunft80

Die Vorbildung eines Individuums ist ein wesentlicher Bestimmungsfaktor dafür, ob ein Studium aufgenommen wird oder nicht.81 Die Studienwahl ist eine vor allem durch Strukturen des nationalen Bildungssystems prädeterminierte Entscheidung, die durch den bisherigen Bildungsverlauf und die Form des Erwerbs der Hochschulreife beeinflusst wird.82

Da nicht alle Schulen gleichermaßen den Weg zur Hochschulreife ebnen, ist hier vor allem die Gestaltung des ersten Übergangs (von der Volksschule in eine nächst höhere Stufe) von Relevanz. Mit der Entscheidung für den Besuch entweder von Hauptschule, Realschule oder Gymnasium ergeben sich jeweils sehr unterschiedliche

Anschlussoptionen – hinsichtlich Bildungsinvestitionen – und damit wird die Bildungslaufbahn zu einem sehr frühen Zeitpunkt vorstrukturiert.83

Belege dafür ergeben sich auch anhand der Errechnung von Übergangsraten:84 Rund zwei Drittel aller österreichischer SchülerInnen (69%) besuchen nach der Volksschule eine Hauptschule und 30% entscheiden sich für den Besuch einer AHS-Unterstufe. 61%

dieser SchülerInnen bleiben nach der 8. Schulstufe ihrem Schultyp treu und absolvieren auch die Oberstufe an einer AHS. 38% wechseln in eine BHS und 2% in eine BMS (Berufsbildende Mittlere Schule). Keine/r der AHS-UnterstufenschülerInnen wechseln im Anschluss an eine Polytechnische Schule. Ganz anders bei den HauptschülerInnen: 29%

der HauptschülerInnen entscheiden sich im Anschluss an die Hauptschule für eine

79 Helmut Guggenberger 1991, Seite 59.

80 Indikatoren für soziale Herkunft: Schulbildung, Beruf und Einkommen der Eltern.

81 Vgl. unter anderem Arthur Schneeberger / Wolfgang Stagel 1983; Ulrich Heublein et al. 2001.

82 Vgl. Arthur Schneeberger/ Wolfgang Stagel 1983, Seite 186.

83 Vgl. Cornelia Kristen 1999, Seite 39.

84 Vgl. Gudrun Biffl 2002.

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Polytechnische Schule, 29% für eine BHS, 17% für eine BMS und nur 5% für eine AHS-Oberstufe. 12% absolvieren unmittelbar danach eine Berufsschule.85

Hält man sich in einem nächsten Schritt die Übergangsraten an die Hochschulen vor Augen, wonach rund 70% aller AHS-SchülerInnen und rund 30% der BHS-SchülerInnen an eine Hochschule überwechseln sowie lediglich ein minimaler Prozentsatz der

StudienanfängerInnen über eine andere Hochschulberechtigung als die Matura verfügt, wird deutlich, dass die höchste Chance, ein Hochschulstudium aufzunehmen, jene zu verzeichnen haben, die bereits eine AHS-Unterstufe absolviert haben.

Die besuchte Schulart steht wiederum in einer engen Beziehung mit der sozialen Herkunft der Eltern.86 Nach der sozialen Herkunft (gemessen an der Schulbildung des Vaters) sind Studierende aus bildungsferneren Schichten87 an den FH-Studiengängen überproportional vertreten: rund 42% der Väter von FH-Studierenden haben

Pflichtschul- oder Lehrabschluss. Bei Uni-Studierenden beträgt dieser Anteil 35%, in der Gesamtbevölkerung 66%.

Bei 14% der FH-Studierenden verfügt der Vater über eine akademische Ausbildung, bei den Studierenden an Universitäten liegt der Anteil bei 25% (an der Gesamtbevölkerung beträgt der Anteil der Väter mit Hochschulabschluss 9%).88 Diese Tendenz hat sich in den letzten Jahren nur wenig verändert.

(2) Studienmotive

Eine Studie des ÖIBF (2004) zu den Motiven für die Wahl eines bestimmten Studienfachs zeigt, dass für Studierende aller untersuchten Studienrichtungen das Interesse am Fachgebiet ein ausschlaggebender Grund bei der Studienfachwahl ist (vgl.

Tabelle 13). Die Ausübung eines „Wunschberufs“ ist vor allem unter den MedizinerInnen ein wichtiges Motiv. Arbeitsmarktbezogene Gründe („um bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu haben“) haben insbesondere unter den TechnikerInnen herausragende Bedeutung. Gute Verdienstmöglichkeiten spielen erwartungsgemäß bei den

Geisteswissenschaften eine eher untergeordnete Rolle.89

Nach den Ergebnissen der ÖIBF-Studie ist unter den StudienanfängerInnen das Motiv, die Arbeitsmarktchancen durch ein Studium zu verbessern bei jenen, die sich für ein Fachhochschulstudium entschließen, deutlich stärker ausgeprägt als bei jenen, die sich für eine (wissenschaftliche) Universität entscheiden. Am seltensten wird dieses Motiv erwartungsgemäß unter StudienanfängerInnen an Universitäten der Künste genannt.

Für FH-Studierende sind Motive wie „meine FreundInnen studieren ebenfalls“ oder „als StudentIn kann ich leben wie ich will“ keine ausschlaggebenden Gründe, um ein Studium zu beginnen.90 Für sie ist das FH-Studium eine berufliche Qualifizierung für einen Beruf, der ihnen bessere Arbeitsmarktchancen bringt.

85 Vgl. ebenda, Seite 380ff.

86 Vgl. Ulrich Heublein et al. 2001, Seite 44.

87 Bildungsfern bedeutet in diesem Zusammenhang, dass der Vater über keine Matura verfügt.

88 Vgl. Martin Unger / Angela Wroblewski 2006, Seite 22ff.

89 Vgl. ÖIBF 2004.

90 Vgl. Martin Unger / Angela Wroblewski 2006, Seite 212.

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Tabelle 13: Arbeitsmarktbezogene und andere Gründe für die Studienfachwahlentscheidung, Mittelwerte*

Quelle: ÖIBF 2004, Frage: „Aus welchen Gründen haben Sie sich grundsätzlich für ihr Studium entschieden?“

*Tabellierte Werte sind Mittelwerte auf einer Skala von 1 = entscheidende Rolle bis 5 = keine Rolle.

(3) Geschlecht

Frauen treffen eine andere Studienfachwahl als Männer. Wie in Kapitel 1.3 bereits erwähnt sind Frauen an den Hochschulen in den Geisteswissenschaften

überrepräsentiert, in technischen Studienrichtungen hingegen nur in geringem Ausmaß vertreten. Die geringste Präsenz von Frauen an den Universitäten verzeichnen die Ingenieurwissenschaften Maschinenbau und Elektrotechnik. Ein ähnliches Bild zeigt sich an den Fachhochschulen. Das liegt auch daran, dass an den Fachhochschulen stärker männerdominierte, das heißt technisch-naturwissenschaftliche Studiengänge angeboten werden. An den Fachhochschulen liegen die Anteile der weiblichen Studierenden

zwischen 8% (Maschinenbau, Fahrzeugtechnik) und 45% (Verfahrenstechnik und Chemie).91

Doch nicht alle Frauen und Männer beschreiten gleichermaßen geschlechtstypische Bildungswege. Insgesamt zeigen Studienergebnisse diesbezüglich, dass die Bereitschaft von Männern, „Frauen-Studienrichtungen“ zu studieren, umso höher ist, je niedriger die soziale Herkunftsschicht ist.92 Männlichkeit und Weiblichkeit sind kulturelle Muster und mit bestimmten Rollen in der Gesellschaft verbunden. Technische Kompetenz macht einen integralen Bestandteil männlicher Geschlechtsidentität und

Geschlechtszuschreibungen aus. Bei der Studienfachwahl spiegeln sich solche

Zuschreibungen wider. Darüber hinaus spielen Rollenvorbilder in der Familie, die in der Schule vermittelten Berufsbilder und die beruflichen Orientierungen im Freundeskreis eine wichtige Rolle.93

1.4 Berufseinstieg

HochschulabsolventInnen nehmen nach Studienabschluss oft verschiedene Tätigkeiten auf und üben diese über eine kürzere oder längere Zeitspanne parallel oder

nacheinander aus. Der Berufseinstieg von AkademikerInnen ist damit häufig ein diskontinuierlicher, durch verschiedene Phasen gekennzeichneter Prozess.

„In der Regel lassen sich zunächst wenige Monate dauernde Phasen des Übergangs beobachten, in denen eine erste Orientierung erfolgt, eher prekäre Formen der Erwerbstätigkeit (Übergangsjobs) vorherrschen oder sich eine Phase der

91 FHR, Anfrage Mai 2008.

92 Vgl. Wolfgang Lührmann 2002, Seite 106.

93 Vgl. auch Kristin Gisbert 2001.

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Sucharbeitslosigkeit ergibt. Aber auch im weiteren Verlauf können sich Tätigkeiten überlappen oder parallel ausgeübt werden (z. B. Promotion auf einer Promotionsstelle, Jobben während eines Anschlussstudiums). Diese vielfältigen Kombinationen von Erwerbstätigkeit, Werk- und Honorararbeiten, Übergangsjobs, Praktika, weiteren akademischen Qualifizierungen und beruflichen Fortbildungen finden sich nicht nur in den ersten Monaten nach dem Studienabschluss, sondern bestimmen oft einen längeren Zeitraum.“94

Dabei gibt es erhebliche Unterschiede nach Fachrichtung. AbsolventInnen technisch-naturwissenschaftlicher Studiengänge sind aufgrund der eher positiven Trends am technisch-naturwissenschaftlichen Arbeitsmarkt beim Übergang von der Ausbildung in den Beruf als begünstigt zu bezeichnen. Ihnen gelingt mehrheitlich ein direkter Berufseinstieg in ein fixes Anstellungsverhältnis.

Der Berufseinstieg gestaltet sich aber auch je nach Geschlecht unterschiedlich: Christian Kerst und Michael Schramm (2008) untersuchten den Verbleib von AkademikerInnen fünf Jahre nach Ausbildungsabschluss und kommen zu dem Ergebnis, dass zwar 86%

der Befragten nach Abschluss des Studiums eine „reguläre Erwerbstätigkeit“95 aufgenommen haben96, dies bei Männern aber deutlich häufiger (94%) als Frauen (79%) der Fall ist.97 Für Absolventen kann insgesamt von einer besseren

Arbeitsmarktintegration ausgegangen werden, da diese überdurchschnittlich häufig jene Fachrichtungen wählen, die am Arbeitsmarkt besonders nachgefragt sind.98

1.4.1 Entsprechung zwischen Studium und beruflicher Tätigkeit in der

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