1.3 Studierende und AbsolventInnen an österreichischen Universitäten
1.4.3 Konkurrenz bei der Jobsuche zwischen AbsolventInnen von Höheren Technischen Lehranstalten (HTL), Fachhochschulen und
Universitäten
Eine Unternehmensbefragung der KMU Forschung Austria untersuchte den Einstellungsbedarf von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in den Branchengruppen Sachgütererzeugung, technologieintensive Dienstleistung, Zukunftsbranchen nach Ausbildungsabschlüssen.119 Demgemäß ist der Einstellungsbedarf von Diplomierten IngenieurInnen in technologieintensiven
Dienstleistungen besonders ausgeprägt, aber auch in den Zukunftsbranchen evident.
116 Vgl. Arthur Schneeberger et al. 2007, Seite 58.
117 Vgl. Maria Hofstätter / René Sturm 2004, Seite 25.
118 Vgl. Ursula Axmann 2004.
119 Vgl. Roald Steiner / Jürgen Streicher 2007.
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Letztere drückt ebenfalls einen relativ hohen künftigen Einstellungsbedarf für InformatikerInnen und Datenverarbeitungskräfte sowie für MathematikerInnen und NaturwissenschafterInnen aus, wobei HTL-AbsolventInnen gemäß dieser Studie insgesamt gegenüber anderen Ausbildungsschienen die „Nase vorne“ haben. HTL-AbsolventInnen weisen in allen drei untersuchten Branchengruppen einen
vergleichsweise hohen künftigen Einstellungsbedarf auf.
Abbildung 5: KMU: Anteil der Unternehmen mit steigendem Einstellungsbedarf in den kommenden drei Jahren, nach Berufsgruppen und Branchencluster, in Prozent
30 18
53
42 44 47
42 47
22
36 28
14 16
10 4
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
Sachgütererzeugung Technologieintensive DL Zukunftsbranchen Lehr‐ und Fachhochschulabsolventen
HTL‐Absolventen, Meister Diplomierte Ingenieure
Informatiker und Datenverarbeitungskräfte Naturwissenschafter und Mathematiker
Quelle: Roald Steiner / Jürgen Streicher 2007, Seite 51, auf Basis von: KMU FORSCHUNG AUSTRIA:
Unternehmensbefragung Frühjahr 2006. Anmerkung: n = 513-537; DL = Dienstleistungen
Personelle Engpässe werden von KMUs mittelfristig aber vor allem bei den technisch wissenschaftlich ausgebildeten Fachkräften befürchtet, insbesondere in den
technologieintensiven Dienstleistungen und in den Zukunftsbranchen (siehe Abbildung 6). In diesem Sinne, dürfte mittelfristig die Stellenfindung in KMUs in diesen beiden Branchengruppen für facheinschlägige AkademikerInnen besonders leicht sein.120
120 Vgl. ebenda, Seite 51ff.
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Abbildung 6: KMU: Erwartete Engpässe in der Fachkräfteversorgung, nach Berufsgruppen und Branchencluster, in Prozent
29
Quelle: Roald Steiner / Jürgen Streicher 2007, Seite 52, auf Basis von: KMU FORSCHUNG AUSTRIA:
Unternehmensbefragung Frühjahr 2006. Anmerkung: n = 511-531; DL = Dienstleistungen
Verglichen nach wirtschaftlicher Zugehörigkeit sind die Klein- und Mittelbetriebe im Bereich der Wirtschaftsdienste am stärksten an FH-AbsolventInnen interessiert (78%).121 Dies gilt vor allem für Architektur- und Ingenieurbüros (90%), gefolgt von Betrieben im Metall- und Elektrobereich (60%).122
Wie die aktuelle Stellennachfrage in Bezug auf das Verhältnis Universität/Fachhoch-schule/HTL aussieht und in welchem Ausmaß von einem Mitbewerb gesprochen werden kann, damit haben sich Arthur Schneeberger et al. (2007) befasst. Anhand von
Stelleninseraten, die von der Firma UNIKAT im Zeitraum vom 1.1.2007 bis zum 31.3.2007 in Printmedien und im Internet erfasst worden sind, kann das folgende Ergebnis abgeleitet werden:
80% der Stellenausschreibungen am Arbeitsmarkt in der privaten Wirtschaft treffen sowohl auf Graduierte von Universitäten als auch auf AbsolventInnen von
Fachhochschulen zu.123 Nur 37% der Stellen, die für UniversitätsabsolventInnen
ausgeschrieben wurden, berücksichtigen auch eine Bewerbung von HTL-AbsolventInnen (vgl. Tabelle 17). Anders sieht die Situation bei den FH-AbsolventInnen aus. Die
Konkurrenz zwischen FH-Graduierten der Technik und IngenieurInnen mit
abgeschlossener Ausbildung ist mit 56% höher als die Konkurrenz zwischen HTL-AbsolventInnen und DiplomingenieurInnen der Universitäten (37%). Zwischen Uni- und HTL-AbsolventInnen ist die Konkurrenz weitaus geringer.
121 Vgl. Ruth Finder / Barbara Lang 2001a, Seite 33ff.
122 Das geringste Interesse an FH-AbsolventInnen zeigen Unternehmen im Bereich öffentliche/soziale Dienste (30%).
123 Ausgespart bleibt dabei weitgehend der öffentliche Sektor der Verwaltung, der Lehre und der hochschulischen Forschung.
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Tabelle 14: Stellenangebote im Wirtschaftssektor im Zeitraum 1.1.2007 bis 31.3.2007 für Technikqualifizierte von Hochschulen und aus HTLs (Internet und Printmedien), in Prozent
Ausschreibung der Stelle Mitbewerb (potentielle Substitution) Stellen für Uni-Graduierte Davon auch für FH mit Berufserfahrung
ausgeschrieben 85
Stellen für Uni-Graduierte Davon auch für FH ohne Berufserfahrung
ausgeschrieben 82
Stellen für FH-Graduierte Davon auch für HTL ausgeschrieben 56 Stellen für Uni-Graduierte Davon auch für HTL 37 Quelle: unikat-Hochschulinformationssystem GmbH, Berechnungen des ibw.124
Welche Stellen werden für Uni-AbsolventInnen und welche für FH-AbsolventInnen ausgeschrieben? Anhand einer Unternehmensbefragung, die vom Institut für
Bildungsforschung der Wirtschaft (ibw) 2006125 durchgeführt wurde, wird deutlich, dass der Bereich „Forschung und Entwicklung“ eher den UniversitätsabsolventInnen
zugewiesen, während der wirtschaftlich-technische Bereich eher den FH-AbsolventInnen zugeschrieben wird. Auch hinsichtlich der Einsatzbereiche werden Präferenzen gesetzt.
FH-AbsolventInnen werden aufgrund ihrer „praxisnäheren“ Ausbildung bevorzugt in
„praktischen Bereichen“ eingesetzt.126 Häufig wird die Fachhochschule auch als Ersatz für die HTL gesehen. Außerdem wird betont, dass sie oft jene Uni-Studienrichtungen ersetzt, die an einer Universität in der spezialisierten Form nicht studiert werden können, wie zum Beispiel Produktions- und Automatisierungstechnik oder Gebäudetechnik.127
Zu einem interessanten Ergebnis kommt Günter Nowak (2000) in seiner Studie über die Beschäftigungssituation und -chancen von Uni-AkademikerInnen.128 79% der befragten Personalverantwortlichen geben an, dass UniversitätsabsolventInnen in Kernbereichen ihrer betrieblichen Tätigkeit durch Personen mit anderem Bildungsabschluss ersetzbar seien. 80% jener Befragten, die AkademikerInnen in ihren Unternehmen für „ersetzbar“
einstufen, würden UniversitätsabsolventInnen durch Personen mit Berufserfahrung ersetzen. Gemäß dieser Studie wird somit der Praxisbezug an den Universitäten vermisst.
„Damit scheint die generelle These zulässig, dass Personen mit mehrjähriger Berufserfahrung in der aktuellen Situation die besten Aussichten am Arbeitsmarkt haben. Berufspraxis ersetzt öffentlich am ehesten formale Qualifikation.“129
Im Hinblick auf die mögliche Konkurrenz durch BachelorabsolventInnen ist festzustellen, dass diese (zumindest bislang) nur in einem geringen Ausmaß eine Konkurrenz für Master- oder Dipl.Ing.-AbsolventInnen darstellen. Eine Studie vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW Köln) zeigt, dass nur knapp 30% der befragten
Unternehmen BachelorabsolventInnen für Master- oder Dipl.Ing.-Positionen einsetzen würden. 38% der Unternehmen erachten für BachelorabsolventInnen eher eine
Einstiegsposition auf dem Niveau beruflicher Aufstiegsfortbildungen, wie beispielsweise eines Meisterabschlusses, als angemessen.130 7% setzen den Bachelorabschluss mit einem einfachen Berufsabschluss gleich.131
124 Arthur Schneeberger et al. 2007, Seite 51.
125 Vgl. Arthur Schneeberger / Alexander Petanovitsch 2006, Seite 20.
126 Vgl. ebenda.
127 Vgl. ebenda, Seite 62.
128 Vgl. Günter Nowak 2000, Seite 54.
129 Ebenda, Seite 55.
130 Vgl. IW-Trends, Heft 3/2004, Seite 11.
131 Die 8% der Unternehmen, die keine Positionen für Bachelor-AbsolventInnen anbieten, zählen zu den Unternehmen, die Bachelorabschlüsse nicht akzeptieren.
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