• Keine Ergebnisse gefunden

Struktur und Entwicklung der Region Eurajoki

Im Dokument Nukleare Entsorgung in der Schweiz (Seite 144-150)

*Zahlen nur für alle 5 Jahre verfügbar

5. Fallstudie 4: Endlagerprojekt für hoch- hoch-aktive Abfälle, Olkiluoto

5.2 Struktur und Entwicklung der Region Eurajoki

5.2.1 Bevölkerungsentwicklung

Während die Bevölkerung von Finnland seit 1980 kontinuierlich ansteigt (+10% in den letzten 25 Jahren), sanken die Bevölkerungszahlen der Region Eurajoki in der-selben Periode um insgesamt 5%.

In der Gemeinde Eurajoki selbst stieg die Bevölkerung zwischen 1980 und Mitte der 90er-Jahre an. Von 1995 bis 2000 war jedoch ein Rückgang von insgesamt rund 5% zu verzeichnen. Seither ist die Tendenz, im Zusammenhang mit dem Bau des dritten KKW, ansteigend. Der Umweltbericht von Posiva geht von einer weite-ren leichten Bevölkerungsabnahme von rund 0.2% in den nächsten 25 Jahweite-ren aus (Abb. 62 und 71), die durch den Lagerbau zwar gebremst aber nicht gestoppt wird.

Ein Problem stellt in der Gemeinde Eurajoki die Überalterung dar. Der Anteil der über 50-jährigen nimmt stetig zu, während die Abwanderung bzw. die aus-bleibende Rückkehr von jungen Leuten nach der Ausbildung anhält (Abb. 63).

In Eurajoki sind 52% bis 53% der abwandernden Personen zwischen 15 und 29 Jahren alt. Das gleiche Alterssegment vermag jedoch nur knapp 40% der Zuwan-derung stellen. Alle anderen Alterssegmente verzeichnen anteilmässig eine stärke-re Zuwanderung als Abwanderung.

Eurajoki zählt weniger Ausbildungsplätze als der finnische Durchschnitt. Trotzdem liegt das Bildungsniveau im finnischen Durchschnitt, da die bereits bestehenden Kernanlagen vorwiegend qualifiziertes Personal beschäftigen.

2 Kalevaladörfer sind typisch für die karelische Kultur, welche als Ethnie im Grenzland Russland- Finn-land lebte und nach dem zweiten Weltkrieg ganz nach FinnFinn-land umgesiedelt wurde.

Abbildung 62: Bevölkerungsentwicklung in Region und Gemeinde Eurajoki, in der Gemeinde Kuhmo sowie in Finnland von 1980 bis 2004

Quelle: Statistisches Amt Finnland

Abbildung 63: Prozentuale Aufteilung der Migration nach Altersklassen in den Gemeinden Eurajoki und Kuhmo

Quelle: Posiva 99-05

5.2.2 Bewertung der Lebensqualität in der Region

In den Befragungen im Rahmen der UVP wurde keine Bewertung der Lebens-qualität vorgenommen. Es wurde jedoch im Rahmen von Befragungen zum Image der Gemeinde Eurajoki deren Stärken und Schwächen erfragt (Abschnitt 5.6.4).

Gemäss diesen Befragungen und Interviews wird Eurajoki infolge der KKW in Olki-luoto sowie der ansässigen Papierindustrie als Industriestandort bezeichnet. Die Gemeinde selbst wird hingegen als „schlafende Landgemeinde“ wahrgenommen.

Die Attraktivität für Neuzuzüger/innen wird als eher gering beschrieben. Positiv erwähnt wurden die guten Verkehrsverbindungen zu den nahe gelegenen Städten.

Von Seiten der befragten Unternehmer wird Eurajoki ein wirtschaftliches Entwick-lungspotenzial zugeschrieben, wenn auch der heutige Entwicklungsstand der In-dustrie als ungenügend bezeichnet wird.

V a

0 - 14 15 - 29 30 - 44 45 - 59 60 - Total

Zuzug Eurajoki 22.2 38.9 22.3 14.8 2.9 100

Wegzug Eurajoki 18.4 52.7 18.5 8.5 1.9 100

Zuzug Kuhmo 19.6 43.0 22.7 9.4 5.3 100

Wegzug Kuhmo 13.4 60.6 17.2 4.8 3.9 100

Altersklasse

Aufteilung Migration nach Altersklassen in %

80 82 84 86 88 90 92 94 96 98 00 02 O4

70 75 80 85 90 95 100 105 110 115

Finnland Eurajoki Region Eurajoki Kuhmo

Index

5.2.3 Wirtschaftsstruktur und -entwicklung

Beschäftigungsstruktur

2002 waren in der Gemeinde Eurajoki rund 2'300 Beschäftigte und in der Region Eurajoki rund 20'600 Beschäftigte verzeichnet.

Obschon Eurajoki Teil des städtischen Wirtschaftsraums Rauma ist, kommt der Land- und Forstwirtschaft zusammen mit der Fischerei in der Gemeinde mit einem Anteil von rund 10% aller Beschäftigten eine überdurchschnittliche Bedeutung zu.

In der gesamten Region Eurajoki sind hingegen nur rund 4% in diesem Sektor tätig und die Bedeutung ist weiter abnehmend (Abb. 64).

Abbildung 64: Beschäftigungsstruktur in % in der Gemeinde Eurajoki, der Region Eurajoki und in Finnland

Quelle: Statistik Finnland. Für die Region Eurajoki, wie sie im Umweltbericht der Posiva definiert wird, wird keine Arbeitslosenquote ausgewiesen.

In der Gemeinde Eurajoki und der Region tragen das Gewerbe und die Industrie mit den Kernkraftwerken, der Papierindustrie (gekoppelt an die Forstwirtschaft und die Energiewirtschaft) und der Metallindustrie seit 1990 mit einem gleichbleibenden Anteil von rund 40% zur Beschäftigung bei. Damit ist dieser Sektor in der Region im Vergleich zum finnischen Durchschnitt stärker vertreten. Den grössten Be-schäftigungsanteil (über 50%) hat der Dienstleistungssektor inne, der damit jedoch einen im finnischen Vergleich unterdurchschnittlichen Anteil ausmacht.

Die grösste Arbeitgeberin der Untersuchungsregion ist die Teollisuuden Voima OY welche in Olkiluoto die beiden Kernkraftwerke betreibt. Gesamthaft beschäftigen die Kernkraftwerke heute3 700 Personen. Der Umweltbericht der Posiva geht von weiteren rund 200 Beschäftigten aus, welche in der Gemeinde Eurajoki indirekt durch die Kernkraftwerke induziert sind. Damit sind in der Gemeinde heute, vor der Inbetriebnahme des Endlagers, mehr als ein Drittel der Arbeitsplätze direkt oder indirekt von der Kernenergie abhängig.

Beschäftigungsentwicklung

Zwischen 1990 und 2002 hat die Beschäftigung sowohl in der Region Eurajoki (-13%) wie auch in der Gemeinde Eurajoki selbst (-12%) stärker abgenommen als im finnischen Durchschnitt (-4%).

1990 1995 2000 2002 1990 1995 2000 2002 2002

Land- und Forstwirtschaft, Fischerei 16 12 10 9 6 5 4 4 5

Gewerbe und Industrie 39 38 39 39 42 42 40 38 26

davon Baugewerbe 9 9 10 10 7 8 8 7 6

Dienstleistungen 43 48 49 51 50 52 54 57 68

Sektor nicht bestimmt 2 2 2 1 2 1 2 1 2

Anzahl Arbeitsplätze absolut 2'660 2'320 2'470 2'330 23'700 19'300 20'900 20'600 2'242'303

Arbeitsplätze indexiert Basis 1990 100 87 93 88 100 81 88 87 96

Arbeitslosenquote in % 7 19 14 15 - - - - 9

Erwerbsleben, Arbeitsmarkt und Pendler

Die Arbeitslosenquote in der Gemeinde Eurajoki liegt heute mit 15% deutlich über dem finnischen Durchschnitt von 9%. Insbesondere fehlt es an Arbeitsplätzen für Frauen, was zu einer geschlechtsspezifischen Abwanderung führt.

Die Löhne erreichen trotz den Kernanlagen in Olkiluoto das durchschnittliche finni-sche Lohnniveau nicht.

Tourismus

Eurajoki mit der Insel Olkiluoto ist keine bedeutende Tourismusdestination. Die vorwiegend im Sommer anreisenden Besucher/innen stammen grösstenteils aus der Region Eurajoki – Rauma selbst und suchen Erholung und Ruhe in der Natur.

Viele Personen besitzen hier eigene, nicht vermietete Sommerhäuschen. Aus-ländische und überregionale Touristen besuchen nicht primär Eurajoki, sondern die Stadt Rauma mit den bekannten Stränden am Meer, dem historischen Stadtkern (ausgezeichnet durch die UNESCO) und den drei Museen zur regionalen Kultur-geschichte. Die Stadt zählte 1997 ca. 40'000 Besucher/innen, welche 18'770 Lo-giernächte generierten.4 Die touristischen Preise in Rauma liegen unter den durch-schnittlichen Preisen für Finnland.

Heutige Besucher/innen der Kernanlagen und der Endlagerbaustelle werden nicht in Eurajoki einquartiert, da entsprechende Hotels fehlen.

Die weitere Entwicklung des touristischen Potenzials der Region Eurajoki wird heute gezielt gefördert (unter anderem durch die Veranstaltung von Festivals).

Hierzu wird auch die historische Altstadt von Rauma beigezogen. Kultur, Natur und Geschichte sollen zu einem attraktiven touristischen Gesamtangebot zusammen-gefasst werden.

Landwirtschaft und Fischerei

Die Insel Olkiluoto wird nur in begrenztem Masse landwirtschaftlich genutzt. In den umliegenden Küstengebieten wird jedoch sowohl kommerzielle Fischerei wie auch Freizeitfischerei betrieben; die KKW-Betreiberin TVO unterhält eine Krabbenzucht.

In der Gemeinde Eurajoki gibt es heute rund 300 Landwirtschaftsbetriebe.5 Es werden Zuckerrüben, Weizen, Roggen, Raps und Kartoffeln angebaut, die haupt-sächlich an die Nahrungsmittelindustrie verkauft werden. Weiter wird Vieh- und Geflügelzucht betrieben. In der weiteren Umgebung hat es etwa 10 Biobetriebe.

Insbesondere Schweinefleisch wird auch direkt ab Hof verkauft.

Landnutzung

Die Insel Olkiluoto ist gemäss Strukturplan, der 1988 vom Gemeinderat ratifiziert wurde, zum Teil als Industriezone ausgeschieden in der speziell Kernkraftwerke und andere Anlagen zur Stromerzeugung, -verteilung und -übertragung gebaut werden können.

Zu einem andern Teil steht die Insel jedoch unter Naturschutz. Wie bereits erwähnt ist ein Teil der Insel „Natura 2000“-Gebiet.

4 Bezogen auf die Übernachtungen pro Einwohner ist das rund 7x weniger als im schweizerischen Kanton Nidwalden, welcher ein potentieller Standort für ein SMA-Lager war.

5 Telefonisches Interview durch R+P mit einem Landwirt.

Immobilien

In Eurajoki ist die Bautätigkeit generell niedrig. Sowohl in der Gemeinde wie auch in der Region Eurajoki entspricht die Immobilienpreisentwicklung dem Landes-durchschnitt. Im Ortszentrum ist die Gemeinde Eigentümerin der meisten Par-zellen; sie tritt entweder als Verkäuferin oder als Vermieterin auf und hält das Preisniveau tief. Die meisten neuen Einfamilienhäuser werden jedoch ausserhalb des Dorfkerns gebaut. Verkäufer dieser Parzellen sind Privatpersonen. In diesen Randgebieten fluktuieren die Landpreise stark und sind zwei- bis dreimal höher als im Ortszentrum. Die verkauften Grundstücke sind ausserhalb des Ortszentrums grösser (um 5'000 m2) als die verkauften Flächen im Ortszentrum.

5.2.4 Öffentliche Finanzen und Fördermittel

Im Umweltbericht der Posiva wird die finanzielle Situation der Gemeinde Eurajoki als unbefriedigend beschrieben. Sie hat sich jedoch als Folge der dort ansässigen Kernenergie gemäss heutigen Aussagen der Gemeinde6 stark verbessert. Die Aussagen im UV-Bericht werden daher aus heutiger Sicht als zu pessimistisch bezeichnet.

Die Region Eurajoki wird im Rahmen der europäischen Struktur- und Kohäsions-politik unterstützt. Sie leidet unter grossen industriellen Strukturanpassungen (vor allem in der Metallindustrie) und erhält daher Unterstützung aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung. Zur Förderung einer langfristig ausgeglichenen Entwicklung erhält auch der Tourismus Fördergelder aus demselben Fonds. Die Landwirtschaft erhält Unterstützungen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union.

Regionale Akteursnetzwerke

Obschon die Region Eurajoki Fördermittel der Europäischen Union erhält, ist kein umfassendes regionales Entwicklungskonzept bekannt. Massnahmen werden par-tiell und in Abhängigkeit von finanziellen Ressourcen eingeleitet.

Die Raumordnung wird im Vergleich zu schweizerischen Verhältnissen nur rudi-mentär vorgegeben. Ein regionales Raumordnungsprogramm beschränkt sich auf die Ausscheidung von Kern-, Rand- und Aussengebieten, ohne dass eine Zone-nordung vorgenommen würde.

Zusammenfassung und Fazit: Kurzporträt und Entwicklung der Region Eurajoki liegt in Westfinland, 10 km nördlich von Rauma und im Einzugsgebiet der Stadt Turku. Das im Bau befindliche Endlager und die bereits bestehenden nukleare Einrichtungen (KKW, SMA-Lager, Zwischenlager) befinden sich auf der Insel Olkiluoto.

Eurajoki verfügt über gute Strassenverbindungen nach Rauma und Turku. Die Verbindung nach Rauma stösst jedoch infolge des hohen Pendleraufkommens an Kapazitätsgrenzen.

6 Angabe für 2005.

Die Gemeinde Eurajoki und die umliegende Region weist eine Bevölkerungs-dichte auf, die dem finnischen Mittel entspricht. In Bezug auf die Provinz in der Eurajoki liegt, ist die Bevölkerungsdichte in Eurajoki jedoch unterdurch-schnittlich.

In der Gemeinde Eurajoki stieg die Bevölkerung in den 80er Jahren nach dem Bau der KKW an. Ab Mitte der 90er Jahre war sie jedoch wieder leicht fallend.

Es besteht eine Tendenz zur Überalterung. Die Arbeitslosenquote ist über-durchschnittlich.

Die Immobilienpreisentwicklung entspricht in Eurajoki dem Landesdurchschnitt.

Rund die Hälfte der Beschäftigten ist im Dienstleistungssektor tätig. Damit ist der dritte Sektor leicht unterdurchschnittlich vertreten. Die Land- und Forst-wirtschaft ist von überdurchschnittlicher Relevanz, ebenso die Industrie.

Die Energiewirtschaft ist mit rund 700 Beschäftigten der grösste Arbeitgeber.

Mit weiteren rund 200 induzierten Arbeitsplätzen sind in der Gemeinde Eurajoki mehr als ein Drittel der Arbeitsplätze von der Kernenergie abhängig.

Die Insel Olkiluoto selbst wird kaum landwirtschaftlich genutzt. In der Gemeinde Olkiluoto hat es rund 300 Landwirtschaftsbetriebe wovon rund 3% nach ökolo-gischen Kriterien produzieren.

Der Tourismus ist für die Gemeinde Eurajoki unbedeutend; überregionale Be-sucher/innen sowie BeBe-sucher/innen der Kernanlagen wählen zumeist Rauma als Ausgangspunkt.

Rauma verzeichnet jährlich knapp 19’000 Übernachtungen. Damit ist Rauma deutlich weniger touristisch orientiert als z.B. der schweizerische Kanton Nid-walden.

Die Natur und der Schärengarten der Insel Olkiluoto dienen der regionalen Be-völkerung als Naherholungsraum und als Standort für Sommerhäuschen.

Zur strukturellen Anpassung der ansässigen Industrie sowie zum Aufbau des Tourismus erhält die Region Fördermittel aus dem Europäischen Fonds für re-gionale Entwicklung. Auch die Landwirtschaft erhält Unterstützung der EU.

Das Image von Eurajoki wird einerseits als „ländlich“, andererseits auch als

„industrialisiert“ beschrieben.

Die im Standortauswahlverfahren alternativ geprüfte Gemeinde Kuhmo, (ein Standort ohne KKW) ist deutlich peripherer als Eurajoki. Kuhmo liegt an der Gren-ze zu Russland und ist extrem dünn besiedelt.

Mit grosser Arbeitslosigkeit und wenigen Arbeitsplätzen für hoch qualifizierte Arbeitskräfte verliert Kuhmo laufend an Bevölkerung; insbesondere junge Men-schen zwiMen-schen 15 und 29 Jahren wandern ab.

Rund ein Drittel der Beschäftigten ist in Kuhmo im öffentlichen Sektor tätig (Stadtverwaltung, Park- und Waldservice, Zoll und Grenzwache, Gesundheits- und Bildungswesen).

Die Region weist anteilsmässig weniger Landwirtschaft, dafür mehr Industrie und Gewerbe als die Gemeinde und die Region Eurajoki auf. Der Tourismus lebt von Aktivitäten in der Natur und von einem Musikfestival.

Als extrem bevölkerungsarme, periphere Region erhält die Gemeinde Kuhmo Zahlungen aus Finanzausgleich und Förderfonds.

5.3 Rahmenbedingungen für die nukleare Entsorgung

Im Dokument Nukleare Entsorgung in der Schweiz (Seite 144-150)