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Erfolgsfaktoren des finnischen Entsorgungsprojekts

Im Dokument Nukleare Entsorgung in der Schweiz (Seite 157-161)

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5. Fallstudie 4: Endlagerprojekt für hoch- hoch-aktive Abfälle, Olkiluoto

5.4 Nukleare Einrichtungen in der Region Eurajoki

5.4.4 Erfolgsfaktoren des finnischen Entsorgungsprojekts

Die Teilnehmer/innen des bereits erwähnten Workshops der NEA, 2001 in Turku zogen folgende Folgerungen bezüglich der Gründe für den Erfolg des finnischen Standortfindungsprozesses:

Konsens und klare Regelung:

Die Notwendigkeit eines Endlagers ist allgemein akzeptiert; es ist in der Bevöl-kerung weithin anerkannt, dass es ein Problem zu lösen gilt und die geplante Anlage ist die bevorzugte Lösung für dieses Problem.

Die Ziele des Entsorgungsprogramms sind klar, die Quelle, die Art und die Menge des radioaktiven Abfalls sind trennscharf definiert.

Die gesetzlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen sind definiert und klar; sie sind wechselnden sozialen und politischen Bedingungen angepasst worden.

Standortfindungsprozess und Erarbeitung des Entsorgungskonzepts für die Endlagerung sind klar voneinander getrennt - das Konzept wird bekannt ge-macht bevor ein Standort gesucht wird.

Der Prozess der Entscheidungsfindung ist klar, offen und transparent; die Verbindlichkeit der Entscheidungen ist sichergestellt.

Die politisch Führenden in Legislative und Exekutive zeigen ein langfristiges Commitment für das Programm, ebenso die verschiedenen regierungsexternen Akteure.

Partizipativer Prozess und Freiwilligkeit:

Die Standortsuche ist ein freiwilliger Prozess, von dem sich Gemeinden jeder-zeit zurückziehen können; die Gemeinden haben ein Veto-Recht gegen den Standortentscheid.

Die verantwortlichen Organisationen sind bereit, einen Dialog mit der Öffent-lichkeit zu führen, der zudem als fairer Prozess empfunden wird; diese Orga-nisationen sind ausserdem bereit, Programmentscheidungen an die von Betrof-fenen geäusserte Bedenken und Überlegungen anzupassen.

Schrittweises Vorgehen – dieser Ansatz ermöglicht eine soziale und politische Überprüfung nach jedem Schritt und eine Anpassung früherer Entscheidungen

und Pläne. Dabei ist jeder Schritt partizipativ und modifizierbar, um das Ver-trauen der Öffentlichkeit zu gewinnen.

Einbezug der Standortgemeinde in den Entscheidungsprozess bezüglich Standortauswahl, Methodenwahl und Unterstützungsleistungen für die Gemein-de. Lokale Arbeitsgruppen zwischen Posiva und der Gemeinde erleichterten die Information der Öffentlichkeit sowie die Ausbildung und Beratung.

Ein mit der Standortgemeinde ausgehandeltes win-win-Arrangement (lang-fristige Unterstützung der Gemeinde, Darlehen, Schaffung von Arbeitsplätzen, Steuern).

Information durch die Sicherheitsbehörde:

Konzentration der Hauptressourcen der nationalen Sicherheitsbehörde STUK auf die Gemeindeebene, inkl. Partizipation der höchsten Vertreter der STUK im Dialog mit den Gemeinden; ausserdem proaktive Haltung von STUK auf der Seite der Gemeinden und Förderung des Vertrauens in den Entsorgungs-prozess17.

Vertrauensvolle Haltung und Unterstützung der Medien durch die STUK, damit die Medien qualitativ hochwertige Berichte aus verschiedenen Blickwinkeln ma-chen können.

Die Rollen und die Verantwortlichkeiten der verschiedenen Akteure (Aufsichts-behörde STUK, Posiva etc.) beruhen auf einem gemeinsamen Verständnis; die Neutralität und Unabhängigkeit der Aufsichtsbehörde STUK ist sichergestellt (hier besteht allerdings eine nicht einhellige Meinung bei den verschiedenen finnischen Akteuren);

Faktoren bezüglich der Kernenergie allgemein:

Das Verbot des Exports von radioaktiven Abfällen von 1994.

Die Trennung des Themas Endlagerung von radioaktiven Abfälle vom Thema Zukunft der Kernenergie – dieses Element ist jedoch auch in Finnland nicht ein-deutig gewesen;

Die grosse Abhängigkeit der Bevölkerung von der Energieversorgung aufgrund der strengen klimatischen Verhältnisse Finnlands.

Die Möglichkeit der Rückholbarkeit des Abfalls erhöht die Chancen für die Ge-winnung des Vertrauens der Gemeinde und deren Unterstützung.

Faktoren bezüglich der „finnischen Kultur“

Nicht zuletzt wird immer wieder auf die finnische Kultur als ein die Standortsuche positiv beeinflussendes Kriterium hingewiesen18.

Nordisches Autonomiekonzept (Selbstverwaltung der Gemeinden gegenüber dem Staat);

Lutherische Religion (Gesetzestreue/Loyalität zum Staat);

Kapitalismus und Nationalismus;

Macht des Gesetzgebers und der Verwaltung: Staatszentriertheit der finnischen Gesellschaft;

Konsensualer Stil der Entscheidungsfindung;

17 Varjoranta in NEA 2002, S. 48.

18 Ruostetsaari in NEA 2002, S. 35 und Litmanen, 1999.

Die Arbeit des Parlaments wird wirksam/erfolgreich von der Regierung gesteu-ert;

Achtung der Bevölkerung vor Regierungsinstitutionen;

Vertrauen in Technologie zur Lösung sozialer Probleme;

Die geringe staatsbürgerliche Kompetenz der Bevölkerung und die daraus re-sultierende, eher passive Haltung vieler Finnen in der Endlagerfrage.

Von unabhängiger wissenschaftlicher Seite19 wird das Bild einer partizipativ und im Konsens hergestellten Entscheidung für ein Endlager in Olkiluoto in Frage gestellt.

Es wird argumentiert, dass vielmehr ökonomische Argumente den Ausschlag für den positiven Entscheid der Gemeinde Eurajoki herbeigeführt haben:

In den mit den vier potenziellen Standortgemeinden eingerichteten Kooperations-gruppen zwischen Posiva, den Kernkraftwerksbetreibern und den Gemeinde- bzw.

Stadträten wurde Ende der 90er Jahre die Diskussion um Kompensations-zahlungen für die Gemeinden lanciert. In Eurajoki gab es eine Kooperationsgruppe von TVO, Posiva und der Gemeinde Eurajoki, die über Kompensationen ver-handelten. Im Mai 1999 wurden zwischen diesen Vertragsparteien mehrere soge-nannte Eurajoki Agreements abgeschlossen (die jedoch nicht offiziell bestätigt dokumentiert sind). Darin versprach Posiva, bei der Antragstellung an die finnische Regierung nur noch Eurajoki als potenzielle Standortgemeinde zu nennen. Eurajo-ki erhielt für seine Zusage laut diesem Übereinkommen rund 11 Mio. , allerdings nicht als Geldzuweisung, sondern als Beteiligung, Darlehen etc. an bestimmte Projekte20. Das Agreement zwischen Posiva, TVO und Eurajoki wurde noch wäh-rend der Umweltverträglichkeitsprüfung abgeschlossen. Die Gemeinde Lovisa, die sich ebenfalls intensiv um das Endlagerprojekt bemüht hatte, nahm diese Neuig-keiten mit Erstaunen zur Kenntnis; Posiva musste diese Entscheidung Lovisa ge-genüber rechtfertigen.

Zusammenfassung und Fazit: Rahmenbedingungen und Beschreibung des Entsorgungsprojekts Olkiluoto

In Finnland sind heute vier KKW an zwei Standorten (Olkiluoto und Lovisa) in Betrieb. Ein weiteres KKW in Olkiluoto ist in Bau.

Gemäss finnischem Kernenergiegesetzt sind nach dem Verursacherprinzip die Energiefirmen für die Entsorgung verantwortlich.

Die Bewilligung für den Bau und den Betrieb eines Lagers muss von der finni-schen Regierung in einem dreistufigen Verfahren, das eine Decision in Principle (Rahmenbewilligung), eine Bau- und eine Betriebsbewilligung umfasst, erteilt werden. Die Beschlüsse der Regierung müssen durch das Parlament ratifiziert werden.

Die Standortgemeinde hat ein Vetorecht, über welches mittels Beschluss des Gemeinderates entschieden wird. Die übergeordnete Gebietskörperschaft (Län) muss formal ebenfalls ihre Zustimmung geben.

Als wichtige Grundlage für den Standortentscheid diente eine Umweltverträg-lichkeitsprüfung, die auch sozio-ökonomische Kriterien beinhaltet. Die UVP wurde an vier Standorten, davon zwei KKW-Standorten durchgeführt.

19 Quelle: Persönlich recherchiert von Matti Kojo, Universität Tampere, Finnland.

20 Der Stadtrat von Eurajoki erwähnt keinen Geldbetrag, sondern Sachleistungen, Unterstützung bei Projekten und vor allem die Immobiliensteuern von Posiva an die Gemeinde.

Das Untersuchungsprogramm der UVP wurde unter Einbezug der Bevölkerung in den potentiellen Standortregionen zusammengestellt. Ziel der UVP war auch die Information und der Einbezug der Bevölkerung

Das Vorgehen im Rahmen der UVP wird als positiv und erfolgreich eingestuft, wenn auch die Partizipation der Bevölkerung nicht ganz im gewünschten Masse erreicht werden konnte (hoher zeitlicher Aufwand für die Beteiligten).

In der Gemeinde Eurajoki hatte sich der Gemeinderat zu einem früheren Zeit-punkt gegen ein Endlager auf dem Gemeindegebiet ausgesprochen. Der Pro-zess der UVP, die in Aussicht gestellten Steuereinnahmen und insbesondere die positiven Ergebnisse einer Bevölkerungsbefragung führten jedoch dazu, dass der Gemeinderat einen positiven Entscheid für das Endlager fällte.

Von den vier potentiellen Standorten, sprachen sich zwei, nämlich die KKW-Standorte dafür aus, das Endlager übernehmen zu wollen. Die beiden andern Standorte sprachen sich dagegen aus.

Die Resultate der UVP wurden gleichzeitig mit dem Standortbegehren von Po-siva für den Standort Olkiluoto in Eurajoki aufgelegt. Diese Gleichzeitigkeit führ-te zu Kritik.

Die Gemeinde Lovisa, die sich ebenfalls für ein Endlager entschieden hatte, fühlte sich durch das Vorgehen von Posiva umgangen.

Von internationaler Seite werden folgende Erfolgsfaktoren des finnischen Vor-gehens genannt: Schrittweises Vorgehen, Partizipation aller Beteiligten, Tren-nung des Themas Endlagerung und Zukunft der Kernenergie, hohe Abhängig-keit der Bevölkerung von Energie, klares gezieltes Vorgehen, klare Rahmenbe-dingungen und Zuständigkeiten, Vetorecht der Standortgemeinde, Rückholbar-keit der Abfälle, finanzielle Anreize für die Gemeinde, Konzentration von Res-sourcen der Strahlenschutzbehörde auf die Beratung und Information der Ge-meinden, Unterstützung des Prozesses durch die Medien, Unabhängigkeit der Strahlenschutzbehörde, als fair empfundener Dialog zwischen verantwortlichen Organisationen und Bevölkerung, sowie ein langfristiges Commitment für das Programm auf Regierungsebene.

Eine grosse Bedeutung als Erfolgsfaktor wird auch der „finnischen Kultur“ zu-gemessen, die durch hohe Gemeindeautonomie, lutherische Religion, kon-sensualer Stil der Entscheidungsfindung, hohes Vertrauen in die Institutionen und in technische Lösungen sowie durch eine eher passive politische Haltung der Bevölkerung charakterisiert werden kann.

5.5 Wirtschaftliche Auswirkungen der geplanten

Im Dokument Nukleare Entsorgung in der Schweiz (Seite 157-161)