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Das Zwischenlager für HAA und SMA in Würenlingen

Im Dokument Nukleare Entsorgung in der Schweiz (Seite 37-42)

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2.4 Nukleare Anlagen in der Region

2.4.1 Das Zwischenlager für HAA und SMA in Würenlingen

Zwilag Zwischenlager Würenlingen AG

Im Zwilag (Abb. 18) werden schwach- und mittel-radioaktive Abfälle aus Schweizer Kernkraftwerken sowie aus Medizin, Industrie und Forschung verarbeitet. Ebenso werden alle Arten radioaktiver Abfälle und ausgediente Brennelemente aus Schweizer Kernkraftwerken zwischengelagert. Das Zentrale Zwischenlager um-fasst im Wesentlichen eine Konditionierungsanlage, eine Verbrennungs- und Schmelzanlage, Lagerbauten für hoch-, mittel- und schwachaktive Abfälle, Neben-anlagen sowie eine Umladestation Schiene/Strasse. Das Zwilag ist eine Ergän-zung zu den bestehenden Verarbeitungs- und Zwischenlageranlagen in den Kern-kraftwerken und zur bestehenden Abfallbehandlungsanlagen beim Paul Scherrer Institut (PSI).

Betreiberin des Zwilag ist die Zwischenlager Würenlingen AG. Teilhaber sind: BKW FMB Beteiligungen AG, KKW Gösgen-Däniken AG, KKW Leibstadt AG und Nord-ostschweizerische Kraftwerke AG.

Abbildung 18: Das Zwischenlager in Würenlingen und die Gemeinde Würenlin-gen

Quelle: Zwilag

Weitere nukleare Anlagen

In der Region Würenlingen liegen neben dem Zwilag weitere kerntechnische Anla-gen, so die beiden KKW Beznau I und II in Döttingen und das dazugehörende Zwi-schenlager Zwibez. Weiter liegt in Würenlingen das Paul Scherrer Institut (PSI), dem ein Zwischenlager für SMA, das Bundeszwischenlager angegliedert ist.

2.4.2 Entstehungsgeschichte

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Dringend benötigte Lagerkapazität

Ab Anfang der 80er Jahre war es abzusehen, dass die bestehenden Lagerkapazi-täten bei den KKW nicht mehr ausreichen würden.

Das Entsorgungskonzept der KKW-Betreiber sieht als Übergangslösung die kon-trollierte Zwischenlagerung vor. Dazu wurde zwischen 1980 und 1986 ein Projekt für ein zentrales Zwischenlager in den Reaktorkavernen des ehemaligen Ver-suchsreaktors in Lucens verfolgt. Dieses Projekt scheiterte jedoch an verschieden, unter anderem technischen Problemen und am Widerstand der Bevölkerung. Das Projekt wurde 1988 aufgegeben.

1988 wurde auf dem Gelände des KKW Beznau ein Zwischenlager, das Zwibez16 geplant und von 1990-1992 erstellt. Seit 1994 werden darin schwach- und mittelak-tive Betriebsabfälle und ab 2008 abgebrannte Brennelemente des KKW Beznau zwischengelagert.

Auch das Bundeszwischenlager beim PSI kam an seine Kapazitätsgrenze. Daher machte der Bund ab 1984 Abklärungen für ein Zwischenlager für radioaktive Abfäl-le aus Medizin, Industrie und Forschung (MIF) auf dem Gelände des PSI und reichte 1986 ein Gesuch für ein entsprechendes Lager ein. Der Bund hatte im PSI seit Jahren schwach- und mittelradioaktive Abfälle behandelt, verfestigt und sie früher noch der Meeresversenkung zugeführt.

Abgeltungsforderung der Standortgemeinden

Gegen diese Erweiterung des Bundeszwischenlagers reichten die Ortsparteien von Würenlingen 1986 eine Vorlage ein. Mit einer Revision des Zonenplans und der Bauordnung der Gemeinde sollte im Gebiet des PSI ein Verbot für die Lagerung radioaktiver Abfälle, die nicht aus dem PSI stammen, erreicht werden. Später wur-de gegen das Gesuch wur-des Bunwur-des auch eine Beschwerwur-de eingereicht. Den Partei-en ging es nicht darum, das BundeszwischPartei-enlager grundsätzlich zu verhindern, sondern darum, für die Übernahme dieser Leistung eine finanzielle Abgeltung zu erhalten. Sie waren der Ansicht, dass die Region mit den bereits vorhandenen kerntechnischen Anlagen genügend belastet sei, und dass eine weitere Belastung abgegolten werden müsse. Gespräche zwischen dem Bundesrat und dem Ge-meinderat führten jedoch zu keiner Lösung, da der Bund aus rechtlichen Gründen keine Abgeltungen bezahlen kann.

Der Bund strebte eine Zusammenarbeit mit den KKW-Betreibern für eine privat-wirtschaftliche Lösung an, mit der Möglichkeit, Abgeltungen zu zahlen. So entstand die Idee eines nationalen Entsorgungszentrums auf dem Gelände des PSI. Eine entsprechende Vorstudie wurde 1986 in Auftrag gegeben. Im Herbst desselben Jahres äusserte sich der Bundesrat positiv zum Vorhaben und stellte in Aussicht, das Gelände beim PSI-Ost für die Anlage zur Verfügung zu stellen. Es bildete sich eine Projektgemeinschaft der Kernkraftwerksbetreiber (BKW, KKW Gösgen Däni-ken AG, KKW Leibstadt, NOK), die mit der Planung begann.

15 Schnetzler, U., Heep, W. 2003; Kiener, E., 2003.

16 Der Bundesrat erteilte 1991 die Bewilligung für das Zwibez, in der Annahme, dass es sich um einen Erweiterungsbau, für welchen es keine Rahmenbewilligung braucht, handelt. Er wurde nachher von der Geschäftsprüfungskommission dafür gerügt. Kiener, E., 2003.

Formierung der Opposition

In Würenlingen bildete sich eine Opposition gegen dieses Vorhaben unter Feder-führung des Vereins „Eichlebutzer“, einer Gruppierung, die ursprünglich im Zu-sammenhang mit dem Umweltskandal um die Deponie Bärengraben entstanden war. Die Gegner reichten 1989 zwei Initiativen ein, die durch eine Zonenplanände-rung das Zwischenlager verhindern wollten. Die erste Initiative wurde als ungültig erklärt, da sie dem Bundesrecht widersprach. Auch der zweite Vorstoss war juris-tisch umstritten. Trotzdem beschloss der Gemeinderat, diesen zweiten Vorstoss den Stimmbürgern vorzulegen (Initiative für eine landschaftsschonende Weiterent-wicklung des PSI-Ost).

Der Rat der Weisen

Parallel zu den Planungsarbeiten verhandelte die KKW-Projektgemeinschaft mit der Gemeinde Würenlingen und den umliegenden Gemeinden über Abgeltungen.

Nachdem vorerst keine Einigung erzielt werden konnte, wurde 1989 der sogenann-te „Rat der Weisen,“ bestehend aus dem damaligen Bundesrichter Dr. Robert Le-vy, alt Ständerat Dr. Julius Binder und alt Regierungsrat Dr. Jürg Ursprung einbe-rufen. Nach intensiven und breit angelegten Verhandlungen wurde eine Lösung gefunden. Die Betreibergesellschaft erklärte sich bereit, zur Gewährung eines volkswirtschaftlichen Ausgleichs auf der Basis einer freiwilligen finanziellen Zu-wendung an die Gemeinden eine jährliche Ausgleichszahlung zu leisten (Details der entsprechenden Lösung sind in Abschnitt 2.5.3 beschrieben).

Entscheidungsfindung in der Gemeinde Würenlingen

Am 23. Juni 1989 wurde die Initiative an der Gemeindeversammlung von Würen-lingen mit 268 Nein zu 151 Ja abgelehnt. Gleichzeitig stimmte die Gemeinde dem Vertrag zwischen der Gemeinde und der Projektgemeinschaft mit 214 Ja zu 174 Nein deutlich zu.

Die Gegner ergriffen daraufhin das Referendum. Der Vertrag musste deshalb noch vor eine Urnenabstimmung. Die Urnenabstimmung vom 26. November 1989 bestä-tigte den Entscheid der Gemeindeversammlung - wenn auch wesentlich knapper - mit 707 (52%) Ja zu 662 Nein.

Mit dem Entscheid genehmigten die Stimmbürger auch ein Zwischenlager für MIF-Abfälle beim PSI. Die Forderungen nach Abgeltungen für das MIF-Lager waren in die Abfindungssumme für das Zwischenlager eingerechnet worden. In der Folge lehnte der Gemeinderat die seit vier Jahren hängigen Einsprachen gegen das Bundeszwischenlager ab. 1990 erteilte die Gemeinde die entsprechende Baube-willigung. Das Bundeszwischenlager wurde fertig gestellt und am 25. November 1993 eingeweiht.

Die KKW-Projektgemeinschaft gründete 1990 die Zwischenlager Würenlingen AG.

Bewilligungsverfahren

Das Bewilligungsverfahren für das Zwischenlager begann 1990 und verlief über die in Abschnitt 2.3 beschriebenen Stufen.

Ebene Bund:

Rahmenbewilligungsgesuch (1990): Wurde 1990 und 1992 öffentlich aufgelegt;

umfasste auch eine UVP erster Stufe. Jedermann konnte Einwendungen erhe-ben. Es gingen 10’800 Einwendungen ein, zahlenmässig grösstenteils Sam-melunterschriften und ein grosser Anteil aus Deutschland und Österreich.

Rahmenbewilligung: Wurde durch den Bundesrat erteilt (1993) und durch den Ständerat (30:0) und den Nationalrat (67:23, damit äusserten sich weniger als die Hälfte der Nationalräte zur Vorlage) genehmigt (1994).

Gesuch für nukleare Bau- und Betriebsbewilligung (1993): Es gab eine Verzö-gerung der Bewilligung wegen diverser Mängel der Eingabeunterlagen (siehe nächste Seite).

Bau- und Betriebsbewilligung: Wurde durch den Bundesrat erteilt (1996), ohne nukleare Betriebsbewilligung für den Verbrennungsofen und die Konditionie-rungsanlage. Eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde von SES und Greenpeace, wurde durch das Bundesgericht abgewiesen. Baubeginn.

Betriebsbewilligung für Konditionierungsanlage.

Betriebsfreigabe für Halle HAA (2001): Es gab eine Verzögerung wegen zusätz-lichen Abklärungen infolge höherem Gewicht und höherer Temperatur der Ab-fallbehälter. Beginn Einlagerung.

Ebene Gemeinden: Arbeitsgruppe Bächli (resp. Arbeitsgruppe Zwilag)

Im Rahmen des Verfahrens um die konventionelle Baubewilligung der Gemeinde setzte der Gemeinderat von Würenlingen als beratende Kommission eine Arbeits-gruppe ein, die nach ihrem Präsidenten, Notar Kurt Bächli, die ArbeitsArbeits-gruppe Bächli genannt wurde. Die Arbeitsgruppe setzte sich anfänglich aus Vertretern der Parteien sowie aus Fachleuten zusammen.

Anlässlich der ersten Sitzung der Arbeitsgruppe verlangten die Mitglieder, dass auch Vertreter der Opposition in der Gruppe Einsitz nehmen sollen. Gegen den anfänglichen Widerstand des Gemeinderates wurde diese Forderung durchge-setzt, und es wurden nachträglich zwei Mitglieder des Vereins Eichlebutzer in die Arbeitsgruppe gewählt. Die Gruppe legte grossen Wert auf Unabhängigkeit:

Alle Informationen verfügbar; Berechtigung, selbständig alle übergeordneten Behörden, sowie unabhängige Expert/innen kontaktieren zu dürfen;

Recht zu freier Meinungsäusserung gegenüber der Bevölkerung; eigenes Info-bulletin und Informationen im lokalen Anzeiger;

Berechtigung, Anträge an den Gemeinderat zu stellen.

Die Arbeitsgruppe arbeitete beim Pflichtenheft für die UVP Stufe II mit und liess auf Verlangen der Mitglieder aus der Gegnerschaft verschiedene sicherheitstechni-sche Fragen neu abklären. Sie formulierte wichtige Einwände aus, die vom Ge-meinderat in Form von Einsprachen eingereicht wurden. Gemäss Interviews mit Mitgliedern der Gruppe herrschte eine sehr offene und kooperative Diskussionsat-mosphäre. Die wichtigsten Anliegen der Gegnerschaft konnten geklärt werden, was wesentlich zur Entspannung in der Gemeinde beitrug. Die Arbeitsgruppe wur-de nach Erteilung wur-der Baubewilligung durch die Gemeinwur-de aufgelöst. Sie gilt als eine der ersten „partizipativen“ Arbeitsgruppen in einem Prozess um ein Lager für radioaktive Abfälle in der Schweiz (Jordi, 2005).

Auch Greenpeace attestiert der Arbeitsgruppe Bächli Fairness und eine fundierte Handlungsweise17. Zitatauszüge aus einem Interview mit einem Mitglied der Ar-beitsgruppe Bächli, welches der Opposition angehörte: „[...] offene Gespräche, Hearings mit Wissenschaftlern, gingen allen Fragen nach [...]“ Die Kommission hätte nach Ansicht der Gegner nach der Einweihung des Zwilag nicht aufgelöst werden dürfen, da heute noch nicht alle Anlagen (Ofen) reibungslos funktionieren und eine weitere kritische Begleitung auch des Betriebs wichtig wäre (vgl. dazu die Funktion der „Commission Locale d’Information et de Surveillance“ in Frankreich Abschnitt 3.4.3).

Schwierigkeiten im Planungsprozess des Zwilag18

„Das Baugesuch der Zwilag war schlecht vorbereitet. Es fehlten wesentliche Ele-mente im Sicherheitsbericht, was von den Sicherheitsbehörden, der HSK und vor allem der KSA19 bemängelt wurde. Die Zwilag hatte lange ein organisatorisches Defizit. Die Elektrizitätswirtschaft glaubte, das Grossprojekt mit einem zu kleinen Stab durchziehen zu können. Einzelne Personen aus der Leitungs-Crew gingen während der Projektausführung in den Ruhestand. Die Elektrizitätswirtschaft stütz-te sich auf Ingenieurbüros, die aus Mangel an entsprechenden Aufträgen ihre Kompetenz in Kernenergiefragen abgebaut hatten. Die Situation verbesserte sich, als ein neuer Zwilag-Präsident sein Amt antrat und die Zwilag-Mannschaft ver-stärkte. Eine Schwäche war die schlechte Kommunikation zwischen den Kern-kraftwerken und der Zwilag. Dies zeigte sich drastisch, als kurz vor der Inbetrieb-nahme des Hochaktiv-Lagers festgestellt wurde, dass die Planungsvorgaben falsch waren, da die Temperatur und das Gewicht der einzulagernden Hochaktiv-gebinde nicht stimmten, so dass in letzter Minute eine Überprüfung notwendig wurde, welche die Inbetriebnahme des Lagers zusätzlich verzögerte.

Eine weitere Verzögerung ergab sich wegen dem von der Zwilag ausgewählten Verbrennungsofen. Man entschied sich für einen Plasma-Ofen, der in der vorgese-henen Funktion und Grösse noch nirgends funktionierte. Dies erschwerte die Beur-teilung des Ofens sowohl durch die Projektantin wie auch durch die Sicherheitsbe-hörden. Es wurden verschiedene Zusatzabklärungen notwendig. Dass die Wahl nicht unproblematisch war, zeigt sich bei den immer noch laufenden Inbetriebnah-meversuchen20. Die Lieferfirma hatte sich mit dem Projekt übernommen und ging Konkurs.

Ein zweiter Knackpunkt war die Erschliessung. Da kein direkter Schienenan-schluss bestand (eine entsprechende Erschliessung wurde geprüft)21, musste eine Umladestation gebaut werden, die Waldrodungen mit den entsprechenden Be-schwerden mit sich brachten. Ein direkter Anschluss hätte allerdings zu viel grös-seren Waldrodungen geführt.“

17 Zitat aus: Greenpeace Schweiz 2000.

18 Ganzes Zitat aus Kiener, E., 2003.

19 KSA 1994, S. 9.

20 Siehe auch AGNEB, 2001, Nr. 23, S. 9.

21 Siehe auch Tätigkeitsbericht der KSA, 1992.

Inbetriebnahme des Zwilag

2000 wurde durch die HSK die Betriebsbewilligung für die Konditionierungsanlage und den Schmelzofen erteilt22. Am 27.4.2000 wurde das Zwilag eingeweiht. Im Jahre 2001 konnte der Ofen jedoch auf Grund technischer Probleme nicht in Be-trieb genommen werden. 2001 erfolgte die BeBe-triebsfreigabe durch die HSK für die HAA-Halle sowie der Beginn der Einlagerung. Mit dem Schmelzofen sind 2004 in einer Testphase leicht radioaktive Abfälle verarbeitet worden. Die Betriebsfreigabe durch die HSK ist noch nicht erfolgt.

2.4.3 Partizipation: Informationsveranstaltungen und

Im Dokument Nukleare Entsorgung in der Schweiz (Seite 37-42)