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Die soziale Situation der Juden im Vergleich zu den Mauren

3 ALFONS’ HALTUNG UND HANDELN GEGENÜBER DEN MAUREN

3.3 Die soziale Situation der Juden im Vergleich zu den Mauren

In den Siete Partidas wurden Mauren und Juden zusammen mit Mördern, Hexen, Betrügern, Ketzern, Selbstmördern, Räubern und anderen Verbrechern in derselben partida genannt, weil sie den Erklärungen Alfons’ zufolge gegen das Gesetz Gottes vorgingen.

Trotzdem wurden die beiden religiösen Minderheiten nicht in jeder Hinsicht gleich behandelt.

Beide standen zwar unter dem Schutz des Königs, aber während die Juden alle frei waren, gab es unter den Mauren auch Sklaven. Ein anderes Beispiel der ungleichen Behandlung ist, dass die Juden ihre Synagogen behalten durften, während die Mauren den Besitz ihrer Moscheen verloren. Die geographische Verteilung der Mauren und Juden in Kastilien weist auch auf ihre unterschiedlichen „Funktionen“ in der Gesellschaft hin. Während die meisten Mauren als Bauern auf dem Land geblieben waren, lebte der Hauptteil der Juden in den großen Städten249 und arbeitete im Handel. Die Juden hatten eine wichtige Rolle in der kulturellen und religiösen Dreiecksbeziehung zwischen Juden, Christen und Mauren, da sie sowohl kastilische als auch arabische Sprachkenntnisse hatten. Dies schrieb ihnen zum einen eine Vermittlerrolle zu, zum anderen trugen sie durch Übersetzungsarbeit wesentlich zum Erhalt des orientalischen Wissens bei, das verloren zu gehen drohte, da nur sehr wenige der intellektuellen maurischen Elite in Kastilien geblieben waren. Auch für die Werke Alfons’

waren die Juden in ihrer Eigenschaft als Übersetzer ein wichtiges und neutrales Element.

Nach den Studien von David Romano arbeiteten sie an 74% der Werke mit, die am Hof

249 Callaghan spricht von 3.600 jüdischen Familien im Königreich Kastilien-León gemäß den fiskalischen Daten von 1290. Die meisten Familien befanden sich in Zentren wie Toledo und Sevilla. O’Callagham, El rey sabio,1999, 133.

Alfons’ geschrieben wurden.250 Aus diesem Grund ist die Untersuchung der Stellung der Mauren im Werk Alfons’ ohne die Beachtung der Rolle der Juden nicht möglich. Das vorliegende Unterkapitel versucht deshalb einen Vergleich der Situation der Juden und der Mauren im Kastilien des 13. Jahrhunderts.

Bezüglich der Gesetzgebung auf der Iberischen Halbinsel existierten bereits am Anfang des 6. Jahrhunderts westgotische antijüdische Gesetze, die unter dem Einfluss des spätrömischen Gesetzbuches Theodosius’ II. (401-450) (Codex Theodosianus 438) standen.251 Dieses spätrömische Gesetzbuch enthielt die ersten antijüdischen Gesetze, in denen die Hebräer als Volksfeinde und minderwertige Menschen hingestellt wurden, und bildete die Grundlage für die Lex Romana Visigothorum (506). Dieses westgotische Gesetzbuch verbot zum Beispiel den Bau von Synagogen, die Ehe zwischen Juden und Christen und die Übernahme öffentlicher Ämter durch Juden.252 Im weiteren geschichtlichen Verlauf hat sich die rechtliche Situation der Juden verschlechtert. Im westgotischen Spanien hatte die Verfolgung der Juden durch die Gesetze des Königs Sisebut (612) zugenommen, denen zufolge sich die Juden entweder zum Christentum bekehren oder das Land verlassen mussten.253 Ein anderes Beispiel für die schwierige Situation der Juden im westgotischen Spanien ist die Lex Visigothorum renovata (702), wonach die Juden sich taufen lassen und christlichen Predigten zuhören mussten. Außerdem wurden alle hebräischen Bräuche, wie die Beschneidung, verboten, die Juden durften keine Immobilien besitzen oder erwerben, die Konvertierten sollten auch ihre Verwandten und Bekannten verfolgen und Delikte, die von einem Juden verübt wurden, sollten mit Steinigung in der Öffentlichkeit bestraft werden.254 Aufgrund der Härte und der Grausamkeit der antijüdischen Gesetze wurde das Leben der Juden in den christlichen westgotischen Königreichen unerträglich, so dass diese in die muslimischen Königreiche auswanderten. Die Auswanderung der Juden hatte Eladio Cortés zufolge einen indirekten Einfluss auf das Schicksal Europas, da die Juden durch ihre Vermittlerrolle zwischen den wandernden Stämmen der Wüste Nordafrikas und den arabischen Eroberern an der muslimischen Expansion beteiligt gewesen seien.255 Vier Jahrhunderte lang lebten die Juden in gewisser religiöser Freiheit im muslimischen Spanien

250 Zitiert von Valdeon Baruque, Alfonso X, 2003, 207.

251 Cortés, Visigodos y Judíos, 1996, 1.

252 Ebd., 2.

253 Amador de los Rios, Historia de los judios, 85-87.

254 Hier ist es bemerkenswert, dass dieses Gesetzbuch in den christlichen Reichen nach 711 n. Chr. unter dem Name Forum Judicum weiter verwendet wurde, vgl. Cortés, Visigodos y Judíos, 1996, 2-3.

255 Ebd., 4.

bis zu den Dynastien der Almoraviden und Almohaden (11.-13. Jahrhundert), unter denen die Nicht-Muslime sich entweder zum Islam bekehren oder ihr gesamtes Vermögen übergeben mussten.

Wegen der strengen almohadischen Gesetze kehrten die jüdischen Gemeinden in die christlichen Königreiche Spaniens zurück, wodurch die Zahl der juderías (jüdische Stadtviertel) in den christlichen Städten stark anstieg. Die spanischen Städte waren für die Juden wieder wesentlich sicherer, seit Ferdinand I. von Kastilien und León die strengsten antijüdischen Gesetze des Königreiches Toledo im Jahr 1066 außer Kraft gesetzt hatte.256 Seine Entscheidung wurde später von Papst Alexander II. durch ein Dekret bestätigt, wodurch das Zusammenleben zwischen Juden und Christen in der Anfangszeit der Reconquista ermöglicht wurde,257 obwohl dieses Zusammenleben noch viele Beschränkungen hatte und die Juden vor dem Gesetz und in der Gesellschaft weiter als Unterworfene und Minderwertige behandelt wurden.

Bezüglich der Stellung der Mauren und Juden in der kastilischen Gesellschaft präsentiert Albert Bagby Jr. in seinem Artikel Alfonso X, el Sabio compara moros e judíos eine interessante Analyse der Cantigas de Santa Maria. Er untersucht die cantigas 5, 264, 348 und 401, in denen Mauren und Juden zusammen erwähnt werden. Der Autor beschreibt, wie Juden und Mauren in den cantigas dargestellt werden und stellt fest, dass dieses literarische Werk den weisen König als Mensch enthüllt, ein Mensch, der mit den typischen Gefühlen seiner Epoche begnadet war.258 Unter den vier analysierten cantigas präsentiert die cantiga 348 einen Vergleich zwischen Mauren und Juden. Diese cantiga erzählt die Geschichte eines christlichen Königs, der Schwierigkeiten bezüglich der Finanzierung des Kriegs gegen die Mauren hatte. Dann träumte der König eines Nachts von der Heiligen Maria, die ihm zeigte, wo er einen Schatz finden könnte. Als der König ein Jahr später mit seiner Armee in Granada eintraf, fand er einen Schatz aus Gold, Edelsteinen und edler Kleidung, der von den Juden versteckt worden war:

27 „sei ben, ca mui gran tesouro/ te darei que ascondudo jaz sso terra, que meteron/y mui peyores ca mouros.“

Ich weiß von einem großem Schatz / und werde ihn dir geben,

256 Fidalgo Francisco, Los judíos y las Cantigas, 1996, 92

257 Ebd.,92.

258 Bagby, Alfonso X, 1970, 578.

der unter der Erde versteckt ist / wo Schlimmere als die Mauren ihn hinlegten.

47 „e outras dõas mui nobres/ de prata, todas douradas, dos judeos, seus ẽemigos, / a que quer peor ca mouros.“

Und anderen sehr edlen Schmuck / aus Silber und Gold,

von den Juden, ihren Feinden, / die sie (Maria) weniger als die Mauren mag.

Bagby Jr. stellt fest, dass die cantiga 348 zusammenfasst, was die anderen cantigas, in denen Mauren und Juden zusammen auftreten, zeigen. Die Mauren seien Barbaren, Plünderer und politisch-religiöse Feinde, andererseits verdienen die Juden kein Vertrauen, da sie nur ihren Leuten treu sind und ihr Geiz alle anderen Interessen übertreffe. Weiterhin stellt die cantiga 348 einen Vergleich dar, wonach die Juden schlimmer als die Mauren sind – „muy peyores ca mouros“. Der Autor nimmt an, dass dies auch die Meinung Alfons’ sei.

Gewiss sollte dieses Lied das Gefühl und die Meinung Alfons’ ausdrücken. Da es sich jedoch um ein literarisches Werk handelt, muss man auch andere Elemente berücksichtigen.

Dazu gehört, dass diese cantiga die Stimme Marias darstellt, und der Dichter muss, um Glaubwürdigkeit zu bewahren, den Blickwinkel Marias einnehmen. Aus ihrer Perspektive wären die Juden die schlimmeren Feinde, da sie ihren Sohn getötet haben und ihn weder als Messias noch als Propheten betrachten sowie ihre ewige Jungfräulichkeit nicht anerkennen.

Im Gegensatz dazu glauben die Mauren an die heilige Reinheit und Keuschheit Marias und betrachten Jesus – wenn auch nicht als Gottessohn – zumindest als Messias und Gottnahen 259 (siehe Kapitel 4.4). Daher liegt die Vermutung nahe, dass das Lied diesen Blickwinkel berücksichtigt und die Meinung Marias ausdrückt und nicht unbedingt die des Dichters.

Trotzdem ist die antijüdische Einstellung des Autors in dieser Cantiga ganz deutlich.

Das Antijüdische in den Cantigas de Santa Maria wird auch von Elvira F. Francisco herausgearbeitet.260 Die Autorin zählt 11 Cantigas,261 in denen die Juden Protagonisten sind.

Die Juden erscheinen meistens als Gegner Marias und Mörder ihres Sohnes, wie in den folgenden Versen:

259 Der Koran, Sure 3, 46: „Maria, Allah gibt dir frohe Kunde durch ein Wort von Ihm: Sein Name soll sein der Messias, Jesus, Sohn Marias, geehrt in dieser und in jener Welt, einer der Gottnahen“

260 Fidalgo Francisco, Los judíos y las Cantigas, 1996, 91-103.

261 Die cantigas 4, 6, 12, 25, 27, 34, 85, 89, 107, 108, 286.

„os judeus, que sempr’acostmad’ an / de querer gran mal a do mui bon talan“262

die Juden, die immer gewohnt sind, / sie, die große Güte hat, zu hassen

„a Virgen Maria, con que judeus an gran guerra“263

die Jungfrau Maria, mit der die Juden im großen Krieg sind

„mas el começou a Madr’a chamar / do que na cruz mataron os judeus“264

aber er begann die Mutter desjenigen zu rufen, / den die Juden am Kreuz töteten

Besonders in der cantiga 12 stellt Elvira F. Francisco fest, dass die Juden mit den Stereotypen belegt werden, durch die die damalige christliche Gesellschaft sie kennzeichnete.

Cantiga 12:

16 (...)„Ay Deus, ai Deus,

com’ é mui grand’e provada a perfia dos judeus que meu Fillo mataron, seendo seus

e aynda non queren connosco paz

Ach, Gott!, Ach, Gott!

wie die Falschheit der Juden groß und gut bewiesen ist die meinen Sohn getötet haben, dessen Untertanen sie waren und sie wollen immer noch keinen Frieden mit uns

26 Enton todos mui correndo começaron logo d’ir

262 CSM, cantiga 27, V. 70-71.

263 CSM, cantiga 6, V. 9

264 CSM, cantiga 22, V. 17-18

derit’aa judaria, e acharon, sen mentir, omagen de Jeso-Crist’, a que ferir yan os judeos e cospir-lle na faz

Dann rannten und gingen alle

direkt zu der judaria, und fanden ohne Lüge, eine Figur von Jesus Christus, die Juden

gerade verletzten und der sie ins Gesicht spuckten.

31 E sen aquest’, os judeos fezeran ũa cruz fazer en que aquela omagen queria logo põer.

E por aquesto ouveron todos de morrer, e tornou-xe-lles en doo seu solaz.“

Und außerdem hatten die Juden ein Kreuz gebaut, an das sie jene Figur hängen wollten.

Und dafür mussten alle sterben,

und ihr Vergnügen verwandelte sich in Wehklage.

Der Autorin zufolge drückt diese Cantiga aus:

š Die Juden töteten Christus, ihren eigenen König. (V.18)

š Die Juden sind von Natur aus böse. (V.17)

š Die Juden verachten das Christentum. (V.28-32)

š Die Juden schützen sich in den juderías. (V.27)

Die Autorin nimmt an, dass diese vier Darstellungen der Juden in den Cantigas Santa Maria die damalige antijüdische Haltung wiedergeben und dass der minimale Schutz, den die Juden in den Gesetzwerken Alfons’ genossen, das Zusammenleben zwischen den religiösen geprägten Kulturen nicht wirklich begünstigte. Elvira Francisco stellt daher fest, dass die jüdischen Gemeinden immer noch eine unterworfene Stellung einnahmen, auch wenn Alfons

an seinem Hof von Juden umgeben war, die zu dem wissenschaftlichen und politischen Anspruch Alfons’ einen großen Beitrag leisteten und einen dominanten Status innehatten.265

Bezüglich der Situation der Mauren und Juden stellt Dwayne Carpenter eine andere Perspektive als E. Francisco und Bagby vor. Carpenter betont, dass die Juden mehr religiöse Freiheiten als die Mauren hatten und dass die in den Siete Partidas dargestellte Situation der Mauren nicht nur eine religiöse Frage sei, sondern auch eine politische und soziale.266 Im Gegensatz dazu sei die Frage der Juden im wesentlichen eine religiöse. Er schreibt, dass die Christen die Juden nicht als eine militärische Bedrohung ansahen, wohingegen die Mauren als Ungläubige und kriegerische Gefahr angesehen wurden.267 Als Beweis dafür zitiert der Autor die siebte partida, die Dekrete enthält, die einige wichtige jüdische Institutionen schützen, wie zum Beispiel die Synagoge und den Samstag – sábado – (SP 7.24.4), der dem Sabbattag entspricht (SP 7.24.5):

„Como pueden auer los judios synoga entre los christianos.

Synoga es lugar do los judíos fazẽ oracion, e tal casa como esta nõ puedẽ fazer nueuamente en ningund lugar de nuestro Señorio, a menos de nuestro mandado. Pero las que auian antigamente, si acaesciesse que se derribassen, pueden las fazer, e renovar en aquel suelo mismo: assí como se estaban, no las alargando mas, nin las alçando, nin las faziendo pintar. (...) E por que la sinoga es casa, do se loa el nome de Dios, defendemos que ningund Christiano non sea osado de la quebrantar, nin de sacar ende, nin de tomar alguna cosa por fuerça“268

Wie die Juden Synagogen unter den Christen haben dürfen.

Die Synagoge ist der Ort, wo die Juden ihr Gebet sprechen; und ein solches Haus wie dieses dürfen die Juden nirgendwo in unserem Königreich bauen, es sei denn, dass das unser Befehl ist.

Jedoch die Synagogen, die die Juden schon vorher hatten und die zerstört sind, dürfen sie renovieren oder auf dem selben Grundstück, wo sie vorher standen, noch einmal bauen. Aber die Juden dürfen ihre Synagogen weder vergrößern, noch schmücken, noch bemalen. (...) Und weil die Synagoge ein Haus ist, wo der Name Gottes gelobt wird, verbieten wir, dass ein Christ es wagen darf, sie zu zerstören oder etwas mit Gewalt von dort zu nehmen.

„Como non deuẽ apremiar a los judios enel dia de sabado, e quales juezes los puedẽ apremiar.

Sabado es dia en que los judios fazen su oracion, e estan quedos en sus posadas, e non se trabajan de fazer pleytos, nin merca ninguma. E por que tal dia como este son ellos tenudos de guardar segund su ley, nõ los deue ningund ome emplazar, ni traer a juyzio en el. E porende mandamos que ningund judgador nõ apremie, nin costrinña a los judios en el dia del sabado para

265 Fidalgo Francisco, Los judíos y las Cantigas, 1996, 103.

266 Carpenter, E. Alfonso el Sabio y los Moros, 1986, 232.

267 Ebd., 232.

268 SP 7.24.4.

trae los a juyzio por razõ de debdas, nin los prendan ni les fagan otro agrauio ninguno en tal dia.

Ca assaz abondan los otros dias dela semana para contreñir los, e demandar les las cosas que segund derecho les deuen demandar: E al emplazamiento que les fiziessen para en tal dia, nõ son tenudos los judios de responder. E otrosi sentencia que diessen contra ellos en tal dia, mandamos que non vala“269

Wie man die Juden am Samstag gerichtlich nicht mahnen darf und welche Richter sie gerichtlich mahnen können.

Samstag ist der Tag, an dem die Juden ihr Gebet sprechen und in Ruhe in ihren Häusern sind. Sie arbeiten weder an Handelsgeschäften noch an Rechtsstreitigkeiten. Und weil sie einen Tag wie diesen gemäß ihrem Gesetz beachten müssen, darf niemand sie vorladen noch vor Gericht bringen. Und wir befehlen, dass kein Richter die Juden gerichtlich mahnt, noch am Samstag sie wegen Schuld zwingt, vor Gericht zu kommen. Kein Richter darf sie festnehmen, noch irgendwelchen Revisionsantrag machen, denn es gibt viele Tage in der Woche, in denen man sie zwingen und über Sachen nachfragen kann, die man gemäß des Rechts nachfragen muss. Und auf eine Vorladung, die ihnen an diesem Tag gemacht wird, sind die Juden nicht verpflichtet zu antworten.

Während die Juden ihre Synagogen behalten durften, verloren die Mauren unter der Regierung Alfons’ X. das Recht auf die Moscheen, die seitdem dem König gehörten.270 Das bedeutet einen grundlegenden Unterschied zur vorhergehenden Politik seiner Vorfahren,271 in der Mauren und Juden ungefähr gleichwertigen Schutz vor dem Gesetz hatten. Carpenter erörtert im Detail das Thema Juden in den Siete Partidas in seinem häufig zitierten und kommentierten Werk Alfonso X and the Jews: an edition of and commentary on Siete Patidas 7.24 De los Judios, worin jedes Gesetz des Titels 24 der siebten partida analysiert wird. In seiner Untersuchung stellt der Autor fest, dass die partida 7.24 auf dem römisch-germanischen und kirchlichen Gesetz beruht, sowie auf dem Gesetzbuch Theodosius’ II. und auf den Dekreten Gregors IX. 272 Jedoch weist Carpenter darauf hin, dass die partida 7.24 in einem wichtigen Aspekt nicht mit den oben erwähnten Gesetzbüchern überstimmt, und zwar, dass Alfons die Heiligkeit der Synagoge und des Gottesdienstes, der dort abgehalten wurde,

269 SP 7.24.5.

270 SP 7.25.1.

271 Vor allen von Alfons VI. und VII.

272 „Consuluit Iudaeos etiam de novo construere synagogas, ubi eas non habuerunt, pati non debes. Verum, si antiquae corruerint, vel ruinam minantur, ut eas reaedificent, potest aequanimiter tolerari, non autem, ut eas exaltent, aut ampliores aut pretiosiores faciant, quam antea fuisse noscuntur“, Dekret von Gregor IX (1227-1241) Zitiert (Titel VI: De iudaeis et sarracenis et eorum servis, Kap. III) Carpenter, Alfonso X and the Jews, 1986, S. 73.

gesetzlich anerkannte, was der Autor für die Epoche als eine fortschritliche Haltung bezeichnet.273

Bezüglich der Frage, ob Alfons Mauren oder Juden bevorzugte, wurden hier drei Studien und zwei verschiedene Resultate präsentiert: Carpenter stellt bei seiner Analyse des Titels 24 der siebten partida das Vorrecht der Juden im Verhältnis zu der noch beschränkteren Religionsfreiheit der Mauren fest. Andererseits wurde die antijüdische Prägung Alfons’ durch die oben vorgestellten Analysen der Cantigas de Santa Maria von Bagby Jr. und Elvira F.

Francisco festgestellt, und weiterhin herausgestellt, dass nach Alfons’ Auffassung die Mauren im Vergleich mit den Juden das kleineres Übel waren. Wie kann man diese unterschiedlichen Interpretationsergebnisse erklären? Wie können die beiden wichtigsten Werke vom Hof Alfons’ gegensätzliche Einstellungen ausdrücken?

Die Antwort ist in der unterschiedlichen Art der Werke zu finden: Das eine ist ein literarisches Werk, das andere ein legislatives. Bezüglich der Cantigas de Santa Maria könnte man davon ausgehen, dass sie als literarisches Werk das Gefühl und die wahre Ansicht des Autors darstellen, da sie frei von politischem Druck seien. Infolgedessen wären die Cantigas die bessere Quelle, um die persönliche Einstellung Alfons ergründen. Jedoch muss man die besonderen Eigenschaften der Cantigas unbedingt berücksichtigen. Erstens sind die Erzählungen in den Cantigas eine Art von exempla, das heißt mittelalterliche didaktische Vorbilder, und waren schon daher von moralischer Prägung durchdrungen. Zweitens mussten sie besonders aufgrund ihres literarischen Wesens eine innere zusammenhängende Wahrscheinlichkeit präsentieren, das bedeutet, sie mussten konsistent mit den Charakteren der vorkommenden Personen und mit der Abfolge der Geschehnisse sein.274 Da in den Cantigas de Santa Maria die Wunder Marias dargestellt werden, muss hier also die Perspektive der Heiligen Maria berücksichtigt werden. Mit Rücksicht darauf, dass Maria und Jesus im Koran eine Ehrenstelle als Gottes Auserwählte haben, wäre es inkonsistent, wenn Maria die Juden gegenüber den Mauren bevorzugen würde. Wenn also in der cantiga 348 ein Vergleich zwischen Mauren und Juden aus der Perspektive Marias erfolgt und dort gesagt wird, dass die

273 „Alfonso’s reliance on a venerable civil and canonical tradition regarding the synagogue is clear, and the Learned King incorporates the essential components of this legislation into the Siete Partidas. Of great importance, however, is Alfonso’s explicit establishment as a legal premise of the sanctity of the synagogue and, by extension, the worship of God therein“, vgl. Carpenter, Alfonso X and the Jews, 1986, 74.

274 Hier findet man auch hinweise auf die Einflüsse des Werkes Aristoteles am Hof Alfons’: “Man muß auch bei den Charakteren – wie bei der Zusammenfügung der Geschehnisse – stets auf die Notwendigkeit oder

274 Hier findet man auch hinweise auf die Einflüsse des Werkes Aristoteles am Hof Alfons’: “Man muß auch bei den Charakteren – wie bei der Zusammenfügung der Geschehnisse – stets auf die Notwendigkeit oder