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Das Schicksal der Völker in Abhängigkeit von den Elementen und Sternen

4 DIE MAUREN- UND WELTBILDER IM WERK ALFONS’

4.3 Der Libro de las Cruzes

1.4.19 Die Kategorisierung der Völker

4.3.1.2 Das Schicksal der Völker in Abhängigkeit von den Elementen und Sternen

Im dritten Kapitel des Libro de las Cruzes werden die Völker in Verbindung mit den vier Elementen und den zwölf Sternzeichen gebracht. Dabei werden die Eigenschaften der Elemente im Rahmen der Strahlentheorie auf die Völker übertragen. Dies stellt eine weitere Darstellung des Entsprechungssystems des Mikro-Makrokosmos dar, das in dieser Dissertation bereits einige Male erörtert wurde.

Die von Obeydalla präsentierte Theorie der Verbindung zwischen den Erdteilen und den Sternzeichnen hatte sich im Altertum entwickelt und wurde von Ptolemäus im Tetrabiblos vertreten424, was ein weiterer Hinweis darauf ist, dass Obeydalla antike Quellen verwendete. Weiterhin bezieht sich Obeydalla in diesem dritten Kapitel auf seine eigene Zeit, statt wie im zweiten Kapitel auf das Altertum. Dadurch spricht er von den „romanischen“, d.

h. christlichen Königreichen und nicht wie vorher vom „Königreich von Rom“. Ein anderer wichtiger Aspekt in dieser Textpassage ist, dass eine subtile Parteilichkeit bezüglich der Araber deutlich wird. Obeydalla zeigte sich zwar nach wie vor konsistent bezüglich seiner Theorie, dabei jedoch weniger unparteiisch als im zweiten Kapitel.

Dieses dritte Kapitel lautet:

„El capitulo tercero fabla en particion de los signos por los poblos segund sus triplicitades, et de cuemo las equationes de las planetas en sus coniunctiones et en sus oppositiones deuen seer fechas con todos lo mouementos del cyelo.

Et dizen los desta opinion desta sciencia de las cruzes que los signos igneos son significadores de los alaraues, et los signos aereos son significadores de los barbaros, et los signos aqueos significadores de los romanos, et los signos terreos son significadores de los indios (…). Et

424 Ptololemy, Ptolemy's Geography, Berggren, 2000, S.21.

Abumaxar dize esta razon en el segundo capitol del libro primeiro del su livro de las coniunctiones, et dize que es de los dichos de los sabios antigos.

Pues segund estas opiniones, quando las coniunctiones fueren en los signos igneos o en los signos aereos, sera el poder et la buena andantia a los regnados de la partida oriental del poblado, et accaeceran las occasiones et las mal andancias en los regnados de la partida occidental del poblado; et quando las coniunstiones fueren en los signos aqueos o en los terreos, sera el poder et la buena andantia en los regnados de la partida occidental et la occasiones et la mala andantia en los regnados de la partida oriental“

Das dritte Kapitel handelt von dem Einfluss der Gestirne auf die Völker gemäß ihrer Dreiheiten (triplicidades) und davon, dass die Gleichungen der Planeten hinsichtlich ihrer Konjunktionen (coniunctiones) und Oppositionen (oposiciones) und aller Himmelsbewegungen berechnet werden müssen

Diejenigen, die mit der Wissenschaft der Kreuze arbeiten, sagen, dass die Feuersternzeichen die Zeichen der Araber sind, die Luftsternzeichen die Zeichen der Berber, die Wassersternzeichen die Zeichen der Römer und die Erdsternzeichen die Zeichen der Inder (...). Und Abumaxar sprach über diese Fragen im zweiten Kapitel des Buches der Konjunktionen. Er sagte, dass die antiken Weisen auch so darüber sprachen.

Denn deren Meinung zufolge bedeutet es Macht und Glück für die Königreiche des östlichen Teils der Erde und Untergang und Unglück für die Königreiche des westlichen Teils der Erde, wenn die Konjunktionen in den Feuersternzeichen oder in den Luftsternzeichen stehen. Wenn die Konjunktionen in den Wassersternzeichen oder in den Erdsternzeichen stehen, bedeutet es Macht und Glück für die Königreiche des westlichen Teils, und Unglück für die Königreiche des östlichen Teil.

Im Libro de las Cruzes erwähnt Obeydalla den Gelehrten Albumasar („Abumaxar“), sein Werk und seine Theorie der abwechselnden Überlegenheit der Völker gemäß den astrologischen Dreiheiten (drei Sternzeichnen für jedes Element, daher die Dreiheit der Erde, des Wassers, der Luft und des Feuers). Dabei symbolisieren die Sternzeichen von Feuer und Luft die männlichen günstigen Häuser425 der astralen Karte und die Sternzeichnen von Wasser und Erde die weiblichen schädlichen Häuser.426 Auf diese Weise schreibt der Verfasser den Völkern der Feuer- und Luftsternzeichen einen positiven und aktiven Wert zu und den Völkern der Wasser- und Erdsternzeichen einen negativen und passiven Wert zu. Gewiss ist es dabei kein Zufall, dass die Sternzeichen der Araber und Berber männlich sind, während die Sternzeichen der Christen und Inder weiblich sind.

425 In der Astrologie bestimmt der genaue Zeitpunkt in Verbindung mit dem geographische Ort, für den ein geozentrisches Horoskop berechnet wird, die Position der "Häuser", auch Felder genannt.

426 LC, 148.

Als Reaktion zu der von Obeydalla präsentierten astrologischen Kategorisierung der Völker versuchen die Mitarbeiter Alfons’ in dem Kapitel LIX zu argumentieren und zu beweisen, dass das Zeichen Spaniens ein männliches ist, nämlich Zwillinge:

„De la diversidat de las opiniones de los sabios sobre el signo d’Espanna qual es.

Et una partida de los sabios y a que dizen que el signo de Gemini es apoderado en toda Espanna comunalment. Et ay dellos otra partida qui dizen que el signo de Gemini es el signo de su regnado, (…) et segunt esta oppinion sera el su signo Uirgo. Et esto se ortoga segont de la opinion de los sabios egypcianos et con Messe Alla et sus companneros, que Messe Alla dize que el signo dEspanna es Uirgo Mas tolomyeu dize en su libro, que es nombrado quadripartito, quando faula en departir la tierra por los signos: Pon y Espanna en la partizion de Sagitario, (…) Mas todos los astrologos que nacieron en Espanna de todas las gentes fueron prouando los fechos dEspanna, uno em pos otro, todos se otorgan que el signo de Gemini es mas conuenible de seer al signo dEspanna que ninguno de los otros“427

Über die Vielfalt der Meinungen der Weisen über das Sternzeichen Spaniens.

Einige Weise sagen, dass das Sternzeichen Zwillinge über ganz Spanien herrscht. Andere Weise sagen, dass Zwillinge das Sternzeichen seiner Herrschaft ist (...), gemäß dieser Meinung ist das Sternzeichen Spaniens dann Jungfrau. Dieser Meinung sind die ägyptischen Weisen, Messe Alla und seine Kollegen.(...) Aber Ptolemäus sagte in seinem Buch, das Quadripartito heißt, als er über die Einteilung der Erde nach den Sternzeichnen spricht: Pon und Spanien gehören zum Bereich des Schützen (...). Aber alle Astrologen, die in Spanien geboren wurden, untersuchten jede Gegebenheit Spaniens und sie alle bestätigen, dass das Sternzeichen Zwillinge für Spanien angemessener als andere Sternzeichen ist.

Sowohl Kastilier wie auch Mauren fordern für ihr eigenes Volk ein männliches positives und aktives Sternzeichen. Das bedeutetet, dass beide Völker in ihrem astrologischen Verständnis die gleichen Weltvorstellungen teilten. Auch hier stellt der Libro de las Cruzes eine Gemeinsamkeit zwischen den christlichen und muslimischen Gelehrten in Spanien dar und zeigt, dass ihre Perspektiven auf der gleichen Basis und Weltauffassung aufbauten, obwohl Spanier und Mauren in mancherlei Hinsicht entgegengesetzte Positionen hatten.

Vielleicht hatte die Reconquista diese beiden Gegner so nah aneinander gebracht, dass sie im

„Garten der Ideen“ zusammen geführt worden sind, das heißt, aus dem Krieg ergab sich ein Kultur- und Wissensaustausch.

Die mittelalterliche astronomisch-astrologische Theorie, wonach das Schicksal und die historischen Ereignisse von den Bewegungen der Gestirne abhängen, traf im Okzident mit der lateinischen Übersetzung des Werkes Kitāb al-qirānāt von Albumasar (787-886) ein, die

427 LC, 161.

von Juan von Sevilla unter dem Titel De magnis conjuctionibus et annorum revolutionibus durchgeführt wurde.428 Dabei handeln die Kapitel 2 und 8 vom Aufgang und Untergang der Reiche und Kaiserreiche. Das Werk verteidigt die Theorie, wonach kein Kaiserreich ewig ist.

Gemäß der Tatsache, dass jedes astrologische Haus ein Sternzeichen und Element repräsentiert, hängt die Stabilität und Dauer der Reiche primär von der Stellung der Planeten Saturn und Jupiter in den astrologischen Häusern zueinander ab, und sekundär von der Stellung des Mars. Außer dem Libro de las Cruzes gibt es noch andere Bücher, die derselben Tradition folgen, wie z. B. das Werk Kitab Al-Kamil429 – ganz wahrscheinlich persischen Ursprungs, das von Ana Lagarta übersetzt und untersucht wurde. Weiterhin sind auf einer Karte des Oxforder Gelehrten John of Ashenden (Mitte des 14. Jahrhunderts) die Länder nach den Planeten und Tierkreiszeichen angeordnet, die sie beherrschen. 430 Wie bei dem Libro de las Cruzes wird auf dieser Karte auch dargestellt, wie und wann die Positionen der Himmelskörper Erdbeben, Flutkatastrophen und andere Ereignisse wie Pest und Krieg auslösen. John von Ashenden nennt als Hauptquelle auch den arabischen Gelehrten Albumasar.431 Das zeigt, dass der Libro de las Cruzes keine Innovation war und dass andere Texte mit denselben astrologischen und Horoskoptraditionen den Verfassern bekannt waren.

Die Unbeständigkeit des Erfolgs der Völker wird als Beweis und Grund für die Theorie herangezogen, dass das Universum und auch die Geschichte der Königreiche durch Gottes Willen einer harmonischen Bewegung folgen. Auf diese Weise sei kein Reich oder Kaiserreich ewig. Die Überlegenheit des Orients und Okzidents wechselt sich ab. So standen West und Ost innerhalb eines imaginären vollkommenen Universums im Gleichgewicht.

Die Absicht dieser Untersuchung lag darin zu verstehen, wie die Wahrnehmung des Andersseins und des Raums im Werk einander zugeordnet wurden und inwieweit Alfons den Vorstellungen in diesem Werk zustimmte. In diesem Sinn sind die Prologe zu seinem Werk und zu dem Kapitel, die von Obeydalla geschrieben wurden, ein Schlüssel. Obeydalla kombiniert verschiedene Traditionen, um zu beweisen, dass die Eigenschaften der Völker von dem Raum und seinem entsprechenden Klima abhängig sind, dass die Völker nach Wissenschaft und Gesetz hierarchisiert sind und dass sich Geschichte und Schicksal aus den Sternen ablesen lässt. Meines Erachtens steht diese vollkommene und hierarchische Weltdarstellung Obeydallas der Weltvorstellung Alfons und seiner Mitarbeiter sehr nah. Der

428 Vernet, A Cultura hispanoarabe, 1978, 66.

429 Musà Ibn Nawbajt, Al- kitab al-kamil. Labarta., 1982.

430 Edson,/ Savage-Smith/Brincken, Der mittelalterliche Kosmos, 2005, S. 43

431 Edson,/ Savage-Smith/Brincken, Der mittelalterliche Kosmos, 2005, S. 43.

Libro de las Cruzes bot eine Erklärung des Universums an, die sowohl den damaligen Weltauffassungen als auch der hierarchischen Gesellschaftsstruktur entsprach. In diesem Sinn diente das Makro- und Mikrokosmosverhältnis als Erklärung für das Raum- und Gesellschaftsverständnis.

Bezüglich der Wahrnehmung Alfons’ des Anderen bzw. Nicht-Christen wird deutlich, dass für Alfons nicht alle Juden und Muslime gleich waren, da er die Menschen nach ihrem Wissen kategorisierte. Ganz oben in der Kategorisierung standen die Juden und die Muslime, die am Hof Alfons’ miteinander arbeiteten und ganz unten waren diejenigen, die auf dem Land oder im Handel arbeiteten und keine Kenntnis von den alten Texten besaßen. Jeder hatte seine Funktion, doch an verschiedenen Orten und mit unterschiedlichem Wert für den gesellschaftlichen Körper.

Dieser hierarchische Gedanke fügte sich in das Weltbild Alfons’ eines vollkommenen und hierarchischen Universums ein, das durch das Entsprechungssystem des Mikro-Makrokosmos geprägt war. Nach diesem mittelalterlichen Weltbild war die Herrschaft der oberen Schicht über die untere Schicht der Gesellschaft ein Abbild der Herrschaft der Himmelskörper über die irdischen Körper. Innerhalb der Gesellschaft standen alle – wie die Gliedmaßen bei einem Körper – von oben nach unten miteinander in Verbindung und jeder hat eine Funktion, hatten schon Alfons und Johann von Salisbury gesagt. Der Körper des Königreiches besteht demnach aus Räumen, Gesetzen und Menschen, die hierarchisch geordnet sind. In diesen Kontext gehörte auch die Kategorisierung der Menschen und Völker nach ihrem Edelstand, der nicht von der Herkunft, sondern von Edelmut und Wissen bestimmt war.

4.4 Die Cantigas de Santa Maria

Mercedes García-Arenal432 analysiert das Bild der Mauren in den Cantigas de Santa Maria und stellt fest, dass die Mauren in diesem Werk auf verschiedene Weisen repräsentiert werden. In Folge ihrer Untersuchungen identifiziert García-Arenal drei verschiedene Maurenbilder: Ein Bild entspricht den Mudejaren, die als Individuen dargestellt werden, ein anderes Bild entspricht den Muslimen des fernen Orients, die als externe Feinde – und damit als eine äußere Bedrohung – dargestellt werden und ein drittes Bild den Muslimen Spaniens

432 García-Arenal, Los Moros en las Cantigas, 1985, 133-151.

während der Reconquista, die nicht unter christlicher Herrschaft lebten, die als nahe Bedrohung dargestellt werden. Die folgenden Unterkapitel (4.4.1- 4.4.6) dieser Dissertation beschäftigen sich mit den Bildern und Darstellungen der Mauren in den Cantigas de Santa Marias, die nicht von García-Arenal untersucht wurden, nämlich die Mauren, die Respekt und Ehrfurcht vor Maria hatten und daher unter ihrem Schutz standen. Dabei wird folgenden beiden Fragen nachgegangen,

a) Hatten diese Lieder eine Funktion innerhalb des Ziels Alfons’, eine zentralisierte Macht über alle gesellschaftlichen Sektoren und Glaubensrichtungen seines Königreichs auszuüben?

b) Wenn ja (siehe oben): Welche Rolle spielten die Mauren in diesen Ambitionen, die in den Cantigas zum Ausdruck kommt?

Zwei Punkte sind bei diesen Fragestellungen und dieser Untersuchung wichtig zu betrachten. Zum einen war die Jungfrau Maria ein gemeinsames Element zwischen islamischem und christlichem Glauben und zum anderen waren die Grenzen zwischen islamischer und christlicher Religiosität zu jener Zeit besonders in Spanien nicht völlig eindeutig definiert. Dies lässt sich auf den Zusammenfluss verschiedener Religionen auf der Iberischen Halbinsel zurückführen, der dazu führte, dass sich die Religionen wechselseitig beeinflussten und aneinander in vielen Elementen anpassten.