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Maria als Gottesmutter und ihre Macht über die Elemente der Natur

4 DIE MAUREN- UND WELTBILDER IM WERK ALFONS’

4.3 Der Libro de las Cruzes

1.4.23 Maria als Gottesmutter und ihre Macht über die Elemente der Natur

482 „Os.que a Santa Maria / saben fazer reverença, macar se non amen eles, / ela met’ y avẽença“ (zwischen denjenigen, die vor der Heiligen Maria Ehrfurcht haben, selbst wenn sie sich nicht lieben, schließt Sie (Maria) Frieden)

Im zweiten Kapitel dieser Dissertation wurde bezüglich der Kunst in den Cantigas de Santa Maria der bedeutende orientalische Einfluss aufgewiesen. In künstlerischem Sinne sind sie – hinsichtlich ihrer Melodie, Struktur und Miniaturendarstellungen – bereits Ergebnis und Zeugnis der Begegnung zwischen muslimischer und christlicher Kultur. Zudem weist die Repräsentation Marias in den Cantigas auch darauf hin, dass in der mittelalterlichen Marienverehrung die Beziehung Mikro-Makrokosmos als Macht der Mutter-Natur erschien.

Maria ist die Herrin der vier Elemente und hat damit Macht über die Natur. Sie ist Beschützerin, Kriegerin, Ernährerin, Königin des Himmels und der Erde. Sie ist die Mutter ihres Vaters: „E pois teu padre pariste e ficaste pura“ (Denn Du gebarst deinen Vater und bliebst rein), sagt die cantiga 40. In dieser Assoziation Mensch-Natur-Gottheit manifestiert sich die Auffassung der Kleinen und Großen Welt, die in den mittelalterlichen islamischen und christlichen Weltvorstellungen bekannt war.

Nach dem Verständnis Alfons’ bekam Maria am Tag, an dem sie Gottesmutter geworden war, die Macht über alles, was Er, Gott, erschuf, sowohl im Himmel als auch auf der Erde483, das heißt, Maria ist die Herrin des Himmels, Gottesmutter, und beherrscht alles Lebendige und Nicht-Lebendige, was von Gott erschaffen worden ist. In diesem Sinne stellt die cantiga 215484 ein gutes Beispiel dar, in dem die vier Elemente – Erde, Wasser, Luft und Feuer – erscheinen:

30 „Eno braco e tallou-lhe/ del hua mui gran partida.

Mas non quis Deus que Ficasse/ a omagen escarnida;

E porend’ a aquel mouro/ deu-ll’ hua atal ferida, que lle fez perde-lo braco/ log’, e caeu-ll’ a espada.

Und am Arm schnitt (der Maure) sie (die Statue) / ein großes Stück.

Aber Gott wollte nicht, / dass die Statue missachtet wurde;

und deswegen gab Er dem Mauren / eine solche Verletzung, dass er den Arm verlor / und sofort fiel das Schwert von ihm.

483 Alfonso el Sabio, Setenário, Vanderford, 1945, 81-82.

484 Weiterhin findet man elf cantigas unter den Cantigas über die Mauren, die auch die Macht der Heiligen Maria über die Elemente der Natur ausdrücken, es sind die cantigas 5, 183, 186, 193, 205, 215, 264, 271, 325, 379 und 386.

Os mouros, quand’ esto viron, / todos grandes vozes deron Que logo a pedrejassen, / e muitas pedras trouxeron E tiraron-lle de preto, / mas ferir nona poderon;

enton ouveron acordo / que fosse logo queimada.

Als die Mauren das sahen, / schrien alle,

dass sie sofort mit Steinen sie (die Statue) bewarfen / und sie brachten viele Steine und sie warfen sie aus der Nähe, / doch konnten sie sie nicht verletzen,

dann beschlossen die Mauren, / sie sofort ins Feuer zu werfen.

E metérona no fogo / mui grand’, e jouve’ y dous dias;

mas o que en Babilona / guardou no forn’ Ananias e Misael o menyno / e o tercer, Azarias,

guardou aquesta do fogo, / que sol non lle noziu nada.

Und sie warfen sie in ein sehr großes Feuer, / in dem sie zwei Tage lag;

mehr als er (Gott) in Babylon / Ananias vor dem Ofen beschützte und Misael, den Jungen / und den dritten, Azarias,

beschützte er sie (die Statute) vor dem Feuer, / so dass ihr nichts geschah.

E do fogo a sacaron / e ouveron tal consello

Que, porque aquesto feito / sol non saiss’ a concello, que no rio a deitasse, / todo come en trebello,

con hua pedra mui grande / aa garganta atada.

Und (die Mauren) nahmen sie aus dem Feuer / und hörten den Rat, dass, weil diese Tat / nicht bekannt werden sollte,

sie (die Statue) dann in den Fluss legten, / wie bei einem Spiel,

mit einem großen Stein, / der um die Kehle gelegt wird.

E tan toste a deitaron / en uu peego redondo;

mas non quis Santa Maria / per ren que sse foss’ a fondo.

Quand’ esto viron os mouros, / teveron que grand’ avondo De vertude en ela era, / e foi da agua sacada.

Und (die Mauren) legten sie sofort / in einen runden Wasserstrudel;

aber die Heilige Maria wollte nicht / in der Tiefe eintauchen.

Als die Mauren das sahen, / hatten sie große Bewunderung

Für die Tugend, die in ihr steckte / und sie wurde aus dem Wasser genommen.

In den fünf zitierten Strophen überwindet Maria nicht nur die „böse Tat“ der Mauren, sondern auch die Kräfte der Elemente, durch die sie nicht zerstört werden kann. Warum die natürlichen Elemente? Mehr als nur ein literarischer Stil enthält die Erscheinung der Elemente an dieser Stelle eine didaktische Funktion – ein exemplum,485 wobei die Macht der Gottesmutter bewiesen wird. Das Vier-Entsprechungssystem und die Bedeutung der vier Elemente nach mittelalterlicher Auffassung wurden im vorherigen Kapitel 4.1 erörtert, wonach Feuer, Luft, Wasser und Erde als Grundstoffe aller Materie angesehen wurden. Es liegt der Schluss nahe, dass Alfons’ damit Maria als allmächtige Gottesmutter darstellen wollte. Weitere Hinweise auf die Bedeutung der vier Elemente im Werk Alfons’ lassen sich in dem Setenario ablesen.

Dieses Werk stellt den heidnischen Glauben (im Buch sectas genannt) als Verehrung der vier Elemente, der Planeten und der zwölf Sternenzeichnen dar und betrachtet ihn weiterhin als eine Ankündigung des katholischen Glaubens, was sich beispielsweise an folgenden Titeln erkennen lässt: Ley XLVIII: De Cómmo los que aurauan a la luna a Ssanta María queríen aorar ssi lo entendiessen (Wie diejenigen, die den Mond verehrten, die Heilige Maria verehren wollten, wenn sie es verstanden hätten); Ley XLIV: De cómmo los que aorauan el helemento del agua, erâ ssemeianca del baptismo (Wie diejenigen, die das

485 Exemplum war ein erzählender Text meist geringen Umfangs mit belehrender Tendenz, die ausgedrückt sein kann oder sich aus dem Inhalt des Exemplums selbst ergeben kann. Siehe Rauner, Exemplum, in:

LexMA, Bd. 4, 162-166.

Element Wasser verehrten, ähnlich wie bei der Taufe handelten); Ley XLIII: De cómmo los que aorauan la tierra, a Santa María querían aorar ssi bien entendiesen (Wie diejenigen, die die Erde verehrten, die Heilige Maria verehren wollten, wenn sie es verstanden hätten).486

In diesen Textstellen erklärte Alfons die Eigenschaften der Elemente, wie nachfolgend zitiert wird:

“Ley XIX - De los que adorauan la tierra.

Tierra es el primer helemento, que quier dezir tierra dura e sseca ssobre que andan todas las animalias. Et a ésta aorauan primero algumas gentes por ssu entendimiento, que era tal que pues de la tierra nascíen todas las cosas de que los omnes biuíen e todas las otras animalias, e a la tierra tornauan e ella las desffazíe después que muríen e en natura della sse conuertíen, que les era assí commo madre e por nascencia e por criança e por ssepultura, e por ende que a ella deuyan aorar e non al.”487

Gesetz XIX - Von denjenigen, die die Erde verehrten.

Die Erde ist das erste Element, das für hart und trocken steht, auf dem alle Tiere gehen. Einige Menschen verehrten die Erde nach ihrem Verständnis, denn von der Erde sind alle Dinge geboren, von denen der Mensch und andere Tiere leben. Zur Erde kamen sie zurück und die Erde zerrieb sie nach ihrem Tod, um sie in Natur zu verwandeln. Also war die Erde wie ihre Mutter wegen der Geburt des Aufwachsens und wegen des Grabes. Daher sollten sie das Erde anbeten.

“Ley XX - De los que aorauan el elemento del agua.

Agua es cosa húmida e ha en ssí dos cosas que ssemeian contrarias. La vna es de pesadunbre, et la otra es de liuiandat. (…) Et por ende ouo y algunas gentes que aorauan este elemento. Et la opinión por que esto ffazían era tal que el agua era más noble que otra cosa: ca maguer que de la tierra nascían todas las cosas, que tan grant era la ssequedat de la tierra que ssi por ella non ffuese que la tenpraua, non nascería ninguna cosa. Et por ende la sequedat que dauan a la tierra, tollíela ella, esffriándola. Et aun alinpiava los corpos ssuzios e era ligera para mouer de vn logar a otro, lo que non ffaze la tierra. Et ssin esto que era en ssí clara e muy ffermosa de veer; ca non era buelta nin turbia commo la terra.”488

Gesetz XX - Von denjenigen, die das Element Wasser verehrten.

Wasser ist eine feuchte Sache und enthält in sich selbst zwei gegensätzliche Dinge. Das eine ist die Schwerfälligkeit, das andere ist die Leichtigkeit (...) Deswegen gab es einige Menschen, die dieses Element verehrten. Die Meinung dieser Menschen war, dass das Wasser edler als andere Dinge war. Denn die Erde war zu trocken und wenn es das Wasser nicht gäbe, um die Erde zu benässen, würde nichts mehr aus der Erde geboren werden. Also verhinderte das Wasser die

486 Alfonso el Sabio, Setenário, Vanderford, 1945, 25, 73, 76 u. 81

487 Alfonso el Sabio, Setenário, Vanderford, 1945, 50.

488 Alfonso el Sabio, Setenário, Vanderford, 1945, 51-52.