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Während der Schulzeit werden die Weichen für die spätere berufliche Zukunft gestellt. Die Möglichkeiten, die Menschen mit Behinderung zur Verfügung stehen,

45 sind zwar umfangreich, unterliegen jedoch auch gewissen Kriterien, die es den Betroffenen deutlich erschweren könnten beruflich Fuß zu fassen. Die folgenden Seiten beschreiben den schulischen Weg von Kindern mit Behinderung, besonders bezugnehmend auf die vorangestellte Attestierung eines sonderpädagogischen Förderbedarfs – SPF, der für manche Entwicklungsgeschichten prägend sein kann.

Beginnend bei dem bereits erwähnten Clearing/Jugendcoaching, das primär Kinder und Jugendliche noch während ihrer Schulzeit erreichen soll, über die Möglichkeit des Besuchs einer Produktionsschule, der darauffolgenden IBA/BAS (integrativen Berufsausbildung bzw. Berufsausbildungsassistenz), der Arbeitsassistenz und des Jobcoachings soll das Unterstützersystem/Unterstützerinnensystem für Menschen mit Behinderung dargelegt werden.

4.5.1 Das Clearing

Irgendwann im Laufe der Mittelschulzeit, manchmal auch schon während des Kindergartens oder der Grund-/Volksschule, beginnen Kinder nachzudenken, was sie später einmal werden möchten. Individuelle Bedürfnisse, Wunschvorstellungen und persönliche Grenzen werden gedanklich verflochten und ein Traumberuf entsteht. Was in erster Linie aufregend klingt, verliert jedoch an Glanz, wenn die Vorstellungen nicht umsetzbar sind. Diese harte Realität betrifft Kinder mit und ohne Behinderung gleichermaßen und kann zu Verbitterung, Selbstaufgabe und Depression führen, wenn nicht adäquat auf die Enttäuschung reagiert wird. Bei Kindern/Jugendlichen mit Behinderung hilft das sogenannte Clearing, das eine umfangreiche Berufsberatung vor allem am Übergang von Schulalltag zum Berufsleben darstellt. Grundsätzlich spricht das Clearing Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 13 und 24 Jahren an, die an einer physischen oder psychischen Beeinträchtigung leiden und dadurch zur Randgruppe gemacht werden (Bensch, 2012). Ansatzpunkt ist das letzte Pflichtschuljahr der Jugendlichen, wo ausgebildete Clearer und Clearerinnen verschiedene Schulen besuchen, um einen ersten Kontakt herzustellen, einen Denkanstoß für die Jugendlichen zu geben und erste Möglichkeiten aufzuzeigen (Bensch, 2012). Bei einem Erstgespräch werden die Vorstellungen und Wünsche des/der Jugendlichen notiert, sowie die

46 Möglichkeiten die dem Clearer/der Clearerin zur Verfügung stehen. Sollte der Clearer/die Clearerin keine Möglichkeit sehen, den Jugendlichen/die Jugendliche ausreichend betreuen zu können, kann er/sie den Jugendlichen/die Jugendliche an eine weiter Kontaktstelle verweisen. Andernfalls werden die weiterführenden Schritte für die Betreuung besprochen. Nach Klärung organisatorischer und bürokratischer Inhalte des Clearings ist der Clearer/die Clearerin darum bemüht, einen guten persönlichen Kontakt zum/zur Jugendlichen aufzubauen. Je stärker das Vertrauen des/der Jugendlichen zur Beratungsperson ist, desto besser sind die Zusammenarbeit und die daraus resultierenden Ergebnisse (ebd,. 2012). Hat der/die Jugendliche ausreichend Vertrauen gefasst, werden anhand von einfachen Arbeitsmaterialien spielerisch die Neigungen und Erwartungen, sowie Fähig- und Fertigkeiten desjenigen/derjenigen ausgelotet, um ein dementsprechendes Eignungsprofil erstellen zu können. Um eine Verzerrung durch Selbstwahrnehmung des/der Jugendlichen auszuschließen, werden auch Meinungen und Beobachtungen von Familienangehörigen und Lehrpersonal eingeholt. Mit Hilfe geeigneter standardisierter Tests werden die Eignung und die Fähigkeiten der Jugendlichen deutlich (ebd., 2012). Einen weiteren Erfolgsfaktor stellt der UnterstützerInnenkreis dar. Dieser besteht aus für die Jugendlichen wichtigen Personen, die auch zu den Clearingsitzungen eingeladen werden, um mit ihnen zusammen mögliche Ressourcen zu eruieren. (Beispielhaft dafür können die Verbindungen von Eltern, Freunden, etc. genannt werden, wodurch die eigenen Kinder, befreundete Kinder, etc. besondere Praktikumsplätze erhalten oder ihnen die Möglichkeit geboten wird, auf Umwegen in gute berufliche Positionen zu gelangen.) Um die Möglichkeiten und Ergebnisse visuell darzustellen eignen sich vor allem das Path-Verfahren von Parepoint, O´Brian & Forest, sowie die MAP-Methode von Falvey, Forest & Parepoint (ebd., 2012). Ziel ist es den Überblick über die aktuelle Situation zu behalten und die notwendigen Schritte zur erfolgreichen Umsetzung des Berufswunschs und ihre Vor- und Nachbereitung nicht aus den Augen zu verlieren (ebd., 2012). Neben den visualisierten Schritten des UnterstützerInnenkreises ist die Herstellung des Kontakts zu möglichen Praktikumsplätzen von Nöten. Bei der Beschäftigung in Form von Praktika kann der/die Jugendliche einen ersten Eindruck von den realen Arbeitsbedingungen

47 gewinnen und hat so die Gelegenheit seine/ihre Vorstellungen mit den Gegebenheiten übereinzustimmen. Manchmal kann ein Praktikum auch dazu beitragen, dass der/die Jugendliche am Ende weiß, wo er/sie seine/ihre berufliche Zukunft nicht sieht. Nach Absolvierung des Praktikums werden die Anbieter der Praktikumsplätze gebeten, den Clearingstellen ein schriftliches Feedback zu übermitteln, welches ebenso zur weiteren Erarbeitung des geeigneten Lehrberufs dient. Am Ende des Clearingprozesses wird dem/der Jugendlichen eine Mappe übergeben, welche sämtliche Dokumente beinhaltet, die während des Prozesses gesammelt wurden (Bensch, 2012).

4.5.2 Das Jugendcoaching

Seit einigen Jahren wird das Clearing durch das sogenannte Jugendcoaching ersetzt. Beim Jugendcoaching handelt es sich um eine Erweiterung der Zielgruppe und eine genauere Regelung der Beratungssitzungen. Setzte sich die Zielgruppe früher aus Jugendlichen mit physischen und/oder psychischen Behinderungen zusammen, wurde die neue Zielgruppe auf alle von potenzieller Ausgrenzung betroffenen Jugendlichen ausgeweitet. Hiermit ergibt sich eine Zielgruppe aus Migranten/Migrantinnen, Menschen mit Behinderungen, armutsgefährdeten Personen etc.. Das Beratungssystem bleibt grundlegend dasselbe, mit dem Unterschied, dass die Berater und Beraterinnen nun an eine fixe Stundenvorgabe bezüglich der einzelnen Phasen der Beratung gebunden sind. Die nun dreiteilige Gliederung des Jugendcoachings sieht in der ersten Phase, bestehend aus einer umfassenden Information der Jugendlichen, maximal drei Stunden der Beratung vor. Danach sollen diejenigen Jugendlichen, die selbständig mit den ihnen zugetragenen Informationen arbeiten können, diese nutzen um in eigenständigem Handeln weitere wichtige Schritte einzuleiten. Sind die Jugendlichen allerdings nicht in der Lage selbständig nach Ausbildungsmöglichkeiten und –plätzen zu suchen, kommen die Stufen zwei und drei im Beratungsprozess zur Anwendung. In Stufe zwei werden die vorab gegebenen Informationen eindringlicher mit dem/der Jugendlichen besprochen und es werden Hilfestellungen bei der Kontaktaufnahme zu den jeweiligen Ausbildungsplätzen angeboten. Auf diese Stufe entfallen

48 maximal 8 Stunden. Sollte nach der zweiten Stufe des Jugendcoachings weiterer Bedarf an Unterstützung bestehen, was in den meisten Fällen auf die ursprüngliche Klientel von physisch und/oder körperlich behinderten Personen zutrifft, kann im maximalen Ausmaß von 30 Stunden Stufe drei in Anspruch genommen werden (Bensch, 2012; Sozialministeriumservice, 2016ab). Das Jugendcoaching will, gleich wie das frühere Clearing, die Kinder und Jugendlichen noch während der Schulpflicht erreichen. Das bedeutet, dass Jugendliche ab dem 15. Lebensjahr die Möglichkeit auf die Beratungseinheiten haben. Bei Jugendlichen mit einem SPF und/oder einer Behinderung kann dieser Dienst bis zu einem Alter von 24 Jahren in Anspruch genommen werden (Sozialministeriumservice, 2016a). Das Jugendcoaching hat eine Vermittlungsrolle zwischen den Jugendlichen, ihren Erziehungsberechtigten, der Schule und dem Ausbildungsplatz (Sozialministeriumservice, 2016a). Die Vernetzung der einzelnen Bereiche ist deshalb von enormer Wichtigkeit, da hierdurch ein umfassendes Bild der Persönlichkeit des Jugendlichen/der Jugendlichen entsteht, weil er/sie in unterschiedlichen Umfeldern kennengelernt wird. Die Erziehungsberechtigten können Auskunft und Einblick in das gesamte Familiengefüge bieten, sodass Rückschlüsse auf die Stabilität des familiären Umfelds wie auch auf die Persönlichkeitsstruktur des/der Jugendlichen zulässig sind. Die Schulleitung bzw.

der Klassenlehrer/die Klassenlehrerin kann die schulischen Leistungen sowie die schulische Arbeitsmoral des/der Jugendlichen in die Beratung einbringen. Mittels dieser Einschätzungen aller beteiligten Personen kann mit dem/der Jugendlichen ein für ihn/sie passendes Konzept erstellt werden, um im Berufsalltag Fuß fassen zu können.

4.5.3 Die Produktionsschule

Nach dem Jugendcoaching steht es dem/der Jugendlichen frei, in welche Richtung er/sie sich weiterbilden möchte. Es kann eine weitere Schulausbildung angestrebt oder der Einstieg in das Berufsleben in Betracht gezogen werden. Bei Jugendlichen die Hilfe und Unterstützung im Alltag benötigen, kann, wenn eine berufliche Ausbildung angedacht wird, die Produktionsschule hilfreich sein. Die

49 Produktionsschule kann eine weitere Hilfestellung bei der Suche nach der richtigen Ausbildung darstellen. Das durchschnittliche Alter der Teilnehmer/Teilnehmerinnen liegt zwischen 19 und 21 Jahren, bzw. für Menschen mit Behinderung zwischen 19 und 24 Jahren (darunter sind auch Jugendliche mit SPF zu verstehen) (Sozialministeriumservice, 2016b). Da der Besuch einer Produktionsschule nur nach positiver Absolvierung eines vorangegangenen Jugendcoachings möglich ist, sind Berufswunsch und Berufsziel meist schon geklärt und müssen im Rahmen der Produktionsschule nur noch umgesetzt werden.

Damit diese Umsetzung möglichst rasch und reibungslos verläuft, arbeiten die wichtigsten Anlaufstellen der Jugendlichen zusammen, beispielsweise zu nennen wären das AMS (Arbeitsmarktservice), die Lehrbetriebe, die Verwaltungsbehörden etc. (ebd., 2016ba). Die Schule kann zwischen drei Monaten und einem Jahr lang besucht werden, wobei eine Verlängerung nach Ansuchen und Abgleichung mit dem AMS (aufgrund von finanzieller Sicherung des Lebensunterhalts des/der Jugendlichen) um zwei Mal sechs Monate, also ein Jahr, möglich ist (ebd., 2016ba).

Innerhalb dieser Zeitspanne werden die Jugendlichen in vier unterschiedlichen Bereichen geschult. Einzel- und Gruppenarbeiten, sportliche Aktivität, Kompetenzen im Umgang mit Kulturtechniken und Neuen Medien sowie die individuelle Entwicklungsbegleitung durch einen Coach bilden das Fundament auf dem die Produktionsschule mit den Jugendlichen arbeitet (ebd., 2016bb). Vor allem dem Coach kommt eine wichtige Aufgabe zu. Er/sie führt mit den Jugendlichen Gespräche, stellt Verbindungen zu den Lehrbetrieben her, dokumentiert die Fortschritte und verfasst am Ende der Produktionsschulzeit einen Bericht. Besteht ein Bedarf einer weiteren Begleitung am Übergang Produktionsschule – Lehrbetrieb, wird auch das vom zuständigen Coach in die Wege geleitet (ebd., 2016bb).