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Inklusion und Integration versuchen dasselbe Ziel zu erreichen, aber auf unterschiedlichen Wegen. Allen Menschen soll(t)en dieselben Rechte und Freiheiten zustehen. Zu beachten beleibt jedoch, dass sich Integration auf das Miteinbeziehen von Randgruppen in eine Gesellschaft bezieht und Inklusion bereits den Zustand bezeichnet, in dem es keine Randgruppen mehr gibt, sondern alle Menschen eine Gemeinschaft und Gesellschaft ohne Randgruppenerscheinungen bilden (Becker, 2015). Ungeachtet der Herkunft, des Alters, des gesellschaftlichen Status oder der körperlichen bzw. geistigen Gesundheit sollen alle Individuen einer Gesellschaft zusammen leben und zusammenleben können. Bei der Integration ist das „von der Norm abweichende“ Individuum dazu angehalten, sich in die nicht von der Norm abweichende Gesellschaft, also die „normale“ Gesellschaft,

27 einzufinden. Menschen mit Behinderung haben sich demnach in eine soziale und gesellschaftliche Gemeinschaft einzufügen, wobei die Anpassungsbereitschaft vom außenstehenden Individuum kommen muss und es durch Eigeninitiative ein Teil seiner Umwelt werden muss. Wie Doubt und McColl (2003) bereits vor dreizehn Jahren beschrieben, haben entwickeln Kinder mit Behinderung (hier vorrangig Kinder mit körperlicher Behinderung) eigene Strategien um in einer Gruppe aufgenommen zu werden. Dabei sind die Nischenfindung, das sich über die eigene Behinderung lustig zu machen oder das die eigene Behinderung zu verstecken die primären Strategien der Kinder mit Behinderung (Lelgemann & Walter-Klose, 2012). Integration postuliert eine gewisse Bringschuld bei den Randgruppen. Wer dieser Bringschuld nicht nachkommt, wird von der Gemeinschaft weder auf- noch wahrgenommen (Schwalb & Theunissen, 2012). In weiterer Folge führt diese Demonstration von Können und Nichtkönnen dazu, dass sich die Kinder im weiteren Verlauf ihres Zusammenlebens mit anderen selbst ausschließen. Die Gründe hierfür sind das Anderssein im Gegensatz zu den anderen Kindern in der Gruppe und das fehlende Selbstvertrauen gewisse Dinge (nicht) tun zu können.

Bevor sich die Kinder als Bestandteil der Gruppe begreifen und dies auch ausleben – in ihrer speziellen Art – versuchen sie sich eher zurückzuziehen und nicht aufzufallen (Lelgemann & Walter Klose, 2012). Durch die Form der Integration wurde es vorerst möglich, Kinder mit Behinderung zusammen mit Kindern ohne Behinderung zu beschulen. Ein erster Schritt in die richtige Richtung, doch es war zu wenig um von einer Gleichberechtigung aller zu sprechen. Integration setzt voraus, dass es Unterschiede geben muss die es zu beheben gilt (Heimlich, 2016).

Somit kann Integration auch nur daraus resultieren, dass gewisse Randgruppen existieren. Auch die Inklusion wäre von Belanglosigkeit, gäbe es keine gelebte Ausgrenzung, die es zu beheben gilt. Im Vergleich zur Integration jedoch postuliert Inklusion eine Vielfältigkeit menschlichen Daseins. Jedwede Form menschlicher Existenz wird als vollwertiger Teil der Gesellschaft anerkannt und ist auch wünschenswert und willkommen. Durch das inklusive Lebensmodell wird versucht jedem Individuum dieselbe Anerkennung, dieselbe (Aus-)Bildung und Mitgestaltung an Gesellschafts- und Umweltprozessen zu ermöglichen. Inklusion sieht die Differenz zwischen den unterschiedlichen Ausgestaltungen der

28 menschlichen Kultur als Chance und nicht als unüberwindbare Probleme. Objektiv betrachtet versteht sich das Integrationskonzept als Orientierung an dem „kranken Teil“ der Gesellschaft, der in den „gesunden Teil“ eingefügt werden muss und das Konzept der Inklusion als Form der Begrüßung von Unterschieden und als Möglichkeit die Lebenssituationen für jedes Individuum so auszugestalten, dass es sich in der umgebenden Gemeinschaft und Gesellschaft wohlfühlt. Im Gegensatz zur Integration gibt es bei dem Konzept der Inklusion keine „Bringschuld“ der Randgruppen. Auch wird in der Inklusion das Selbst- und Mitbestimmungsrecht der betroffenen Personen in den Fokus gerückt, das während der Vorherrschaft der Integration von Fremdbestimmung gekennzeichnet war (Schwalb & Theunissen, 2012). Nichtsdestotrotz gäbe es das Inklusionskonzept nicht, wenn es das Integrationskonzept nicht gegeben hätte. Aus heutiger Sicht mögen die Konzepte von früher rückschrittlich erscheinen und es fallen eventuell Umstände auf, die besser gemacht hätten werden können. Aber es soll nicht außer Acht gelassen werden, dass jedes einzelne Konzept für die Zeit in der es entstanden ist, fortschrittlich und besser als die Vorgängerkonzepte war. Problematisch wird es dann, wenn Inklusion als „Allheilmittel“ angesehen wird, wenn versucht wird Menschen mit Behinderung in Schemata zu pressen, denen sie nicht gerecht werden können oder wollen. Menschen ohne Behinderung stoßen ebenso an ihre sozialen, handwerklichen und gesellschaftlichen Grenzen und so sollte es auch Menschen mit Behinderung offenstehen gewisse Dinge, Fähigkeiten und Fertigkeiten nicht zu können. Die Akzeptanz und Toleranz der Gesellschaft sollte so weit gehen, dass sie anerkennt, dass Menschen, die nicht in der Lage sind Arbeiten zu verrichten, ebenso wertvolle Mitglieder der Gesellschaft sind und dass ich-kann-nicht genauso akzeptiert wird, wie ein ich-möchte (Becker, 2015). Außer Frage steht jedoch, dass jedem Menschen dieselben Rechte sein Leben betreffend zustehen müssen, ungeachtet der Herkunft, der Körper- und Geistesverfassung und/oder des sozialen Status. Die Inklusion versucht mit ihrem Wirken die vielen in Kleingruppen unterteilten Gesellschaften zu vereinen und jeden in diesem System befindlichen Menschen so zu akzeptieren und zu respektieren, wie er ist. Eventuell wird hier die Tatsache außer Acht gelassen, dass es Individuen gibt, die nicht Teil einer bestimmten Gesellschaft sein wollen. Grundvoraussetzung ist auch, dass die

29 Gesellschaft, die die Eingliederung von anderen Personen verlangt, diesen mit entsprechendem Wohlwollen gegenüberstehen muss (Becker 2015). Der Grund warum Menschen mit Behinderung aus gewissen Gesellschaftskreisen ausgeschlossen sind, besteht nicht darin, dass sich Menschen mit Behinderung nicht integrieren oder teilhaben wollen. Das Umfeld, die Gesellschaft bzw. bestimmte Gesellschaftskreise müssen auch von Wollen und Wohlwollen geprägt sein.

Unfreundliche Rahmenbedingungen lassen Integration bzw. Inklusion scheitern.

Ein Grund könnte sein, dass die Rahmenbedingungen, die diese Gesellschaft vorgibt, nicht mit einer geistigen und/oder körperlichen Beeinträchtigung vereinbar sind. So könnte vermutet werden, dass es nicht an der Gesellschaft selbst liegt, sondern an den sie umgebenden Rahmenbedingungen, denen sie selbst ebenfalls unterworfen ist. Manche dieser Rahmenbedingungen sind veränderbar.

Bezuggenommen wird hierbei auf bauliche Barrieren, die bei Nichtbestehen eines gesetzlichen Denkmalschutzes sehr wohl verändert werden können.

In weiterer Folge werden zur Vereinfachung die Arten der Barrieren, mit denen Menschen mit Behinderung, bzw. alle Randgruppen der Gesellschaft konfrontiert sind, in feste und gedankliche Barrieren eingeteilt. Mit festen Barrieren sind Formen gemeint, welche die Mobilität der Person mit Behinderung einschränken (Straßenbahnen ohne Rampe für Rollstuhlfahrer/Rollstuhlfahrerinnen, fehlende Bodenindikatoren für sehbehinderte Menschen). Diese sind jedoch, obwohl sie mit hohen Kosten verbunden sein können, einfacher zu verändern und abzuschaffen als die gedanklichen Barrieren. Mit gedanklichen Barrieren sind vor allem die Einstellungen und die Gesinnung der Individuen ohne Behinderung einer Gesellschaft gemeint. Veränderungen der Infrastruktur sind kein Garant dafür, dass sich auch die Einstellung der übrigen Menschen bezüglich Menschen mit Behinderung ändert. Die Änderung der Einstellung ist, wie die Entwicklung in der Geschichte gezeigt hat, durchaus möglich. Der Sprung von wahrhaftiger Exklusion, der Existenz eines Individuums ohne jeglichen gesellschaftlichen Anschluss, hin zum Versuch alle Personen in eine allumfassende Gesellschaft zusammenzufassen dauerte Jahrhunderte, Jahrtausende lang (Antor & Bleidick, 2000). Momentan befindet sich die Gesellschaft in einem Umbruch vom Modell Integration zum Modell Inklusion. Wie bereits erwähnt erscheint die Integration als eine zwingende

30 Maßnahme, Außenstehende der Gesellschaft aufzunehmen bzw. sehen sich die der Gesellschaft Außenstehenden gezwungen sich in dieselbe einzufügen (Heimlich, 2016; Schwalb & Theunissen, 2012). Bei der Inklusion stellt sich die Frage nach Eingliederung in eine bestimmte Gesellschaft nicht mehr, da nur mehr von einer großen Gesellschaft gesprochen wird, die alle Menschen vereint, bzw. vereinen soll (Biewer & Schütz, 2016). Die Inklusion sollte jeden Bereich des menschlichen Lebens umfassen, tut dies aber leider nicht. Den Blick auf die Arbeitssituation gerichtet fällt auf, dass nur ein sehr geringer Anteil von Menschen mit Behinderung einen Arbeitsplatz am ersten Arbeitsmarkt innehat.

4.Inklusion und Bildung

Wer die Bildungsdebatte verfolgt wird sehen, dass die Schere zwischen Sonderschul-Gegnern und Sonderschul-Befürwortern immer weiter auseinandergeht. Der Druck den der internationale Bildungswettbewerb auf die Bevölkerung ausübt ist enorm. Es gilt den Schulabschluss zu machen, der in weiterer Folge den besten wirtschaftlichen Stand gewährleistet sich weiterbilden zu können, und sich am Arbeitsmarkt zu beweisen. Doch was passiert, wenn Eltern ihre Kinder (ungeachtet ob mit Behinderung oder ohne) durch das Schulsystem bzw. durch das momentane Bildungsangebot nicht ausreichend abgesichert sehen und daher befürchten, dass ihre Kinder in späterer Zeit nicht ausreichend versorgt sind? Das ist der Punkt, wo die Debatte um die Schulbildung beginnt. Um ein Teil des Arbeitsmarkts zu werden muss zuvor grundsätzlich geklärt werden, mit Hilfe welcher Schul- und Ausbildungsform die gewünschte Arbeitsart erreicht werden kann. In den folgenden Kapiteln werden die allgemeinen Bildungswege in Österreich und die Ausbildung innerhalb einer Sonderschule beschrieben. Danach wird auf die Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten, sowie die tatsächlichen Jobchancen für Menschen mit Behinderung näher eingegangen. Begonnen wird allerdings viel früher, nämlich bei der Frühförderung. Bei Inanspruchnahme einer

31 Frühförderung werden bereits erste Weichen für die späteren und weiterführenden Bildungsmöglichkeiten gestellt.