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„Integration“ bedeutet „sich einfügen“ und sieht vor, dass sich Außenstehende der Gesellschaft in dieselbe einfügen und dass die Gesellschaft diese Eingliederung zulässt. Somit impliziert dieser Zugang bereits bestehende Unterschiede, denn ansonsten würde das Prinzip „Integration“ nicht funktionieren (Heimlich, 2016;

22 Schwalb & Theunissen, 2012). Die Integration setzt vorrangig am Bildungssystem an und wird auch primär damit in Verbindung gebracht. Nachdem Kinder mit Behinderung die Möglichkeit auf Kindergartenbesuche, Schulbesuche und Beschäftigung in Werkstätten hatten, diese Formen der Betreuung jedoch wieder gesondert stattfanden und somit die Gruppenhomogenität und nicht die Gruppenheterogenität vorantrieben wurde, wurde der Ruf nach einer gemeinsamen Form der Betreuung, von Kindern mit und ohne Behinderung laut. Nach positiven Effekten bei der gemeinsamen Unterrichtung von Kindern mit und ohne Behinderung in Kindergärten stand mit der Zeit auch die gemeinsame Beschulung dieser beiden Gruppen im Raum (Hinz, 2006). Integration kann sich sowohl im Sinne einer gemeinsamen Beschulung von Kindern ohne und mit Behinderung innerhalb einer Klasse darstellen, als auch als separate Klasse für Kinder mit Behinderung innerhalb einer Schule für Kinder ohne und mit Behinderung. Kinder mit Behinderung separat zu unterrichten, bzw. Schulen zu errichten, welche nur Kinder mit Behinderung aufnehmen und diese mit geeigneten Lehrmethoden zu fördern, eröffnete diesen Kindern vorerst die Möglichkeit, sich nach Besuch einer dieser Schulen in die Gesellschaft zu integrieren. Diese Methode wurde als

„Schonraumkonzept“ bezeichnet (Heimlich, 2016). Dabei wurde jedoch außer Acht gelassen, dass durch diese Sonderform, Kinder mit Behinderung zwar zu unterrichten, dies jedoch ausschließlich unter „ihresgleichen“ zu tun, ihnen der soziale Kontakt zu gleichaltrigen Kindern ohne Behinderungen erschwert wurde.

Aus dieser Problematik resultierend wurde versucht Modelle zu erarbeiten, die es erlaubten, Kinder mit Behinderung und ohne Behinderung in derselben Klasse und zur selben Zeit gemeinsam zu unterrichten: die Integrationsklasse (ebd., 2016). Die Resultate von integrativen Grundschulen im Raum Deutschland bewiesen, dass die Beschulung in einer Integrationsklasse im Vergleich zu einer Beschulung in einer Sonderschule von Vorteil für Kinder mit Behinderungen war (ebd., 2016). Daraus ergibt sich eine weitere Form der Integration, das „Erfahrungsraumkonzept“

(Heimlich, 2016). Dieses besagt, dass Integration nicht dadurch erreicht wird, dass Kinder so lange wie möglich separat in Schulen unterrichtet werden, bis sie

„wettbewerbsfähig“ sind und sich dadurch in die Gesellschaft integrieren können, sondern sieht vor, dass Kindern mit Behinderung von Beginn an die Möglichkeit

23 eröffnet werden soll, mit Kindern ohne Behinderung gleichermaßen am Unterricht und somit auch am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Somit beschränkte und beschränkt sich der Begriff der Integration nicht nur auf den Bildungssektor, sondern bezieht sich auf sämtliche Lebensbereiche (Wohnen, Freizeit etc.) (Stöppler, 2014; Schwalb & Theunissen, 2012). Es muss Menschen mit Behinderung ermöglicht werden am gesellschaftlichen Leben zu partizipieren.

3.2.1 Selbstbestimmung

Für Menschen ohne Beeinträchtigung ist das Konzept der Selbstbestimmung selbstverständlich und nichts Außergewöhnliches. Ungeachtet anderer Personen wird selbständig und meist nach den eigenen Bedürfnissen und Vorlieben.

entschieden. Menschen mit Behinderung sehen sich jedoch mit dem Problem der Fremdbestimmung konfrontiert. Jeder Mensch ist ein freiheitsorientiertes und -liebendes Lebewesen und hat individuelle Bedürfnisse und Vorlieben. Das Konzept der Selbstbestimmung rückt die Menschen mit Behinderung selbst in den Fokus und orientiert sich an deren Persönlichkeitsstruktur (Schuppener, 2016). Menschen mit Behinderungen werden somit zu Regisseuren ihres eigenen Lebens und sind nicht mehr bloße Statisten (Stöppler, 2014; Kulig & Theunissen, 2006).

Ausgangspunkt war die sogenannte „Independent Living-Bewegung“, eine Bewegung von Menschen mit einer körperlichen Behinderung, die sich in den 1960er Jahren dafür einsetzten, selbst über ihre Angelegenheiten entscheiden zu können. Seitens dieser Interessensvertretung von Menschen mit körperlicher Behinderung wurde folglich auch ein selbstbestimmtes Leben für Menschen mit geistiger Behinderung gefordert. Diese Eigenverantwortung spiegelt sich auch in der praktischen Arbeit mit Menschen mit Behinderung wieder. Menschen mit Behinderung werden von ihrem Betreuungspersonal primär nicht mehr als hilfsbedürftig und unmündig angesehen, sondern als Experten/Expertinnen in eigener Sache, welchem die „Betreuer/Betreuerinnen“ als Fachkraft unterstehen.

Das Fachpersonal entscheidet nicht mehr über das Wohlbefinden ihrer

„Patienten/Patientinnen“ bzw. darüber was dazu nötig ist, um den Menschen mit Behinderung Wohlbefinden zu verschaffen, sondern die betroffenen Personen mit

24 Behinderung können selbst entscheiden, was sie zu ihrem Wohlbefinden benötigen.

Sie sind in der Lage einiges davon selbst zu tun und dürfen des Weiteren auch ihr Fachpersonal dahingehend anweisen (Stöppler, 2014). Das Konzept der Selbstbestimmung muss jedoch auch immer kritisch reflektiert werden, da es auch die Gefahr der Überforderung bei der Selbstüberlassung von Menschen mit Behinderung in sich birgt (Kulig & Theunissen, 2006; Schuppener, 2016). Daher muss das Konzept der Selbstbestimmung von Person zu Person immer individuell betrachtet werden und auch der Rahmen, in dem es der Person mit Behinderung möglich ist, für sich selbst zu entscheiden. So bedarf das bestehende Machtgefälle zwischen Person mit Behinderung (Experte/Expertin) und Betreuungsperson ohne Behinderung (Fachkraft) ständiger Reflexion (Schuppener, 2016). Hier sind vor allem Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung gemeint.

3.2.2 Empowerment

Empowerment steht für die Bewusstmachung und Aktivierung der Kräfte des Selbst. Der Empowerment-Ansatz geht von den Fähigkeiten der betroffenen Personen aus und nicht von ihren Defiziten. Deutlicher kann der Ansatz der Kräfte des Selbst mit Hilfe der Begriffe Salutogenese und Pathogenese beschrieben werden. Pathogenese orientiert sich an der Krankheit bzw. dem Krankheitsbild, währenddessen sich die Salutogenese an den Selbstheilungskräften, den persönlichen Ressourcen orientiert. Als Ausgangspunkt dienen die physischen und psychischen Möglichkeiten über die eine Person (mit oder ohne Behinderung) verfügt. Beispielhaft für Empowerment ist das „black empowerment“, welches die Bewegung von afroamerikanischen Personen im Amerika der 1950er Jahre gegen die vorherrschenden schlechten Bedingungen gegenüber der weißen Bevölkerung beschreibt. Sie kämpften für die gesellschaftliche Gleichberechtigung. Durch Eigeninitiative schaffte es die afroamerikanische Bevölkerung sich die gleichen Rechte zu erkämpfen, die bis dahin der weißen Bevölkerungsschicht vorbehalten waren (Kulig &Theunissen, 2016). Empowerment steht für die Verleihung einer Stimme an Menschen, die alleine als Einzelperson und auf sich gestellt nichts ausrichten können, jedoch in der Gemeinschaft und im Zusammenschluss in einer

25 Gruppe sehr wohl eine Veränderung bewirken können. Somit stellt Empowerment keinen eigenen Ansatz dar, sondern eher ein Mittel zum Zweck, ein Werkzeug zur Vertretung der eigenen Interessen. Mit Hilfe dieser Vorgehensweise, sich zusammen zu schließen um dadurch eine Verbesserung der Lebensumstände zu erreichen, wurde z.B. in den fünfziger Jahren mittels Protestmärschen auf die widrigen Umstände aufmerksam gemacht. Mittels Empowerment-Konzept gelang es Menschen mit körperlicher und intellektueller Beeinträchtigung ihre Interessen näher ins Zentrum der nicht-behinderten Gesellschaft zu rücken (Schwalb &

Theunissen, 2012).