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7. Der ethische Aspekt (Rath)

7.4 Bedeutung der Erwerbsarbeit für Menschen (Kulhanek)

7.4.1 Arbeit und ihre Bedeutung für den Menschen (Kulhanek))

Der Begriff Arbeit ist immer und überall präsent. Sie begleitet den Menschen ein Leben lang sowohl in direkter als auch indirekter Hinsicht. Es sind schon die Kleinsten der Gesellschaft, die noch Jahre von ihrem eigenen Berufseintritt entfernt sind, und dennoch von der Arbeitssituation vertrauter Personen (wie beispielweise der Eltern) sprechen. Oder auch die Urgroßeltern, die ihre aktive Erwerbstätigkeit schon vor Jahren beendeten und sich dennoch über die heute vorherrschende Situation am Arbeitsmarkt und die Arbeitsbedingungen den Kopf zerbrechen. Doch was steckt hinter diesem Begriff „Arbeit“ und wieso ist es eine nicht wegzudenkende Aktivität des Menschen?

7.4.1.1 Was ist Arbeit?

Arbeit ist eine bewusste, planmäßige körperliche und/oder geistige Tätigkeit die ein bestimmtes Ziel verfolgt. Die Arbeit hat eine lange Tradition. Sie ist untrennbar mit dem menschlichen Dasein verbunden. Es gilt als eines der Merkmale des Menschen, die ihn von der Tierwelt unterscheidet. Denn wie die Definition zeigt, geschieht es bewusst und ist kein rein instinktgeleitetes Tun. Im Laufe der Menschheitsgeschichte veränderte sich die Begriffszuschreibung je nach Lebenssituationen der Individuen. Von der negativ behafteten Arbeit der Antike und des Mittelalters, die als Kennzeichen der Schichtzugehörigkeit galt und von der

„unteren“ Schicht ausgeführt wurde, entwickelte sie sich vor allem durch den christlichen Glauben zu etwas Positivem. Diese positiv bewertete gesellschaftliche Stellung von Arbeit ist auch im 21. Jahrhundert noch vorrangig (Springer Gabler Verlag, o.J; Promberger, 2008). Hat Arbeit für den modernen Menschen eine übergeordnete Wichtigkeit, so war sie in Zeiten der negativen Bewertung hauptsächlich dafür da, das eigene Überleben und auch das der Familie zu sichern.

Das bedeutete vor allem ausreichend Nahrung heranzuschaffen und ein Dach über

94 dem Kopf zu haben. Zu Beginn des letzten Jahrhunderts, in Zeiten der Weltkriege, war dies noch die vorrangige Motivation der Arbeit. Die Bedeutungszuschreibung und auch die Wertigkeit veränderten sich im Laufe der Zeit. Einen großen Wandel hatte die Industrialisierung zur Folge. Zuvor war die Arbeit meist unweit der Familie und des Hauses angesiedelt. Die Tätigkeiten waren meist Produktions- und Reproduktionsarbeiten. Mit fortschreitender Entwicklung entfernte sich die Arbeit von der familiären, häuslichen Umgebung und die Menschen dieser Zeit arbeiteten häufiger in Manufakturen. Später kamen Fabriken hinzu und auch Büros brauchten vermehrt Arbeitskräfte So wurde die Arbeit mit dem ursprünglichen Sinne der Reproduktion, die vor allem unbezahlte Haus- und Familienarbeiten beinhaltete, durch die bezahlte Erwerbs- und Produktionsarbeit ersetzt. Diese hoch organisierte und lohnabhängige Form der Arbeit, die sich besonders durch den Einfluss der Industrialisierung und Technisierung entwickelte, gilt in der modernen Zeit als Grundlage für die Sicherung der eigenen Existenz (Kardorff, 2000).

7.4.1.2 Arbeitsmotivation

Durch die Entwicklungen der letzten Jahrhunderte und die damit einhergehenden veränderten Lebensumstände verändern sich auch die Werte und Vorstellungen der Menschen. Diese Änderungen spiegeln sich in der Motivation der Personen wider mit der sie Tag für Tag ihrer Arbeit nachgehen. Lange Zeit stand die lebenserhaltende Versorgung an erster Stelle wenn Menschen über die Motivation von Arbeit sprachen. Im modernen Zeitalter des 21. Jahrhunderts ist die Motivation von Arbeit vielfach eine Andere. Die Positionierung im sozialen Gefüge und die Anerkennung durch die Mitmenschen ist heutzutage von großer Bedeutung und ist somit zu einer bzw. zu der Hauptmotivation von Arbeit geworden. Dass die soziale Anerkennung und der soziale Status derzeit bei dem Großteil der Bevölkerung vor dem Erhalt des Lebens stehen zeigt sich besonders dann wenn es um Arbeitslosigkeit geht. So wird man von Menschen die von Arbeitslosigkeit bedroht sind häufig hören, „was werden bloß die anderen von mir denken...“. Derartige Aussagen zeigen, dass die soziale Anerkennung einen (beinahe) höheren Wert eingenommen hat als die lebenserhaltenden Grundbedürfnisse (Essen, Trinken,

95 Sicherheit in Form eines Daches über dem Kopf). Wenn es jedoch darum geht die Arbeitsmotivation die hinter dem Ausüben beruflicher Tätigkeiten steckt zu begründen wird meist auf die Befriedigung der lebenserhaltenden Bedürfnisse verwiesen. Das Zurückgreifen auf die menschlichen Bedürfnisse in Bezug auf die Arbeitsmotivation beruht auf der moralischen Vertretbarkeit. Denn Argumentationen dahingehend sind leichter zu begründen und auch nachzuvollziehen als es Argumentationen hinsichtlich der Anerkennungsbedürfnisse als Hauptmotivation der Erwerbsarbeit. Fakt ist und bleibt, dass der überwiegende Teil des durch Erwerbsarbeit erwirtschafteten Geldes, nicht nur für Essen, Trinken, und ein einfaches Dach über dem Kopf ausgegeben wird. Vielmehr sind es Urlaube, Kleidung nach den neuesten Trends und Marken, neue Autos sowie neue Technik im Multimediabereich die den Großteil des monatlichen Gehalts verschlingen und wichtige Indikatoren für den gesellschaftlichen Status darstellen (Becker, 2001).

7.4.1.3 Strukturierung des Lebens

Wird der Lebendlauf einer in der Norm liegenden Person gesehen, unter Einhaltung der gesetzlichen Ausbildungszeiten und des vorgeschriebenen Pensionsalters, so verbringen Herr oder Frau Mustermann aus Österreich, den von t-online veröffentlichten Zahlen von Eurostat (2012) zufolge, 36,6 Jahre seines/ihres Lebens mit Arbeiten. So durchlebt ein Mensch im Laufe seines Lebens die unterschiedlichen Abschnitte, die von den dementsprechenden Herausforderungen und Erfahrungen geprägt sind. Vor dem Eintritt in den beruflichen Alltag steht meist der Abschnitt der Ausbildung, der von Vorbereitungen auf den zukünftigen Beruf geprägt ist.Nach dem aktiven Arbeiten in Betrieben und Unternehmen ist der Ruhestand vorprogrammiert. Diese „fixierten“ Zeiten sind wesentlich für die Strukturierung des Lebens. Es teilt das Leben nicht nur in große, Jahrzehnte umfassende Abschnitte sondern auch in kürzere Abschnitte. So bestimmt die Arbeit mit, wie sich das Jahr, die Woche oder auch der einzelne Tag gestaltet. Diese Aneinanderreihung unterschiedlicher Situationen und damit einhergehende Aufgaben, die dem Individuum sowohl im Berufs- und Privatleben erteilt werden

96 schaffen klare Strukturen im menschlichen Leben. Diese Strukturierung bietet Orientierung und Sicherheit in einer sich laufend verändernden Welt. Sie geben dem Leben einen Sinn und der Wechsel zwischen Frei- und Beschäftigungszeit zieht sich wie ein roter Faden durch das Leben eines Menschen (Eickelpasch &

Rademacher, 2004).

7.4.1.4 Soziale Beziehungen

Wie bereits erwähnt kommt es in den modernen Gesellschaften zu Arbeitsplätzen fernab der häuslichen und familiären Umgebung. Von Menschen verrichtete Arbeit ist ohne jegliche Kooperation nicht möglich. Durch die Interaktion und Kommunikation die die Arbeit erfordert baut der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin Beziehungen zu seinem Umfeld und Personen in diesem auf. Neben den Kollegen/Kolleginnen und dem/der Fortgesetzten kommt es je nach Arbeitsplatz auch zum Kontakt mit Kunden/Kundinnen bzw. Lieferanten/Lieferantinnen (Promberger, 2008). Dies bedeutet, dass Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen auf Grund der zu verrichtenden Tätigkeiten am Arbeitsplatz mit ihnen zuvor fremden Personen in Kontakt treten müssen. Zu Beginn der Arbeit sind die Kolleginnen und Kollegen meist allesamt fremd. Im Laufe der Arbeit bauen sich Beziehungen zu vorerst noch unbekannten Personen auf. Grund dafür ist neben dem regelmäßigen Aufeinandertreffen das möglicherweise Angewiesen sein auf die Tätigkeiten und Arbeitsschritte des anderen. Bereits die Präsenz und das bloße Umgeben sein von Mitmenschen trägt zur sozialen Integration eines Menschen bei. So ist es nicht selten der Fall, dass sich je nach Intensität der Zusammenarbeit und der gegenseitigen Sympathie freundschaftliche Beziehungen bilden, die über das Verhältnis am Arbeitsplatz hinaus bestehen. Trotz der Technisierung und der zunehmenden Ersetzung von Arbeitskräften durch Maschinen und Roboter wird die Arbeitswelt weiterhin auf die Kooperation von Menschen angewiesen sein. In der Vergangenheit hat die fortwährende Entwicklung der Technik großen Einfluss auf die Art der Kommunikation und die zwischenmenschlichen Beziehungen im beruflichen Kontext genommen. Derartige Veränderungsprozesse werden auch in

97 Zukunft Auswirkungen auf die sozialen Beziehungen in der Arbeitswelt haben (Springer Gabler Verlag, o.J.).

7.4.1.5 Soziale Anerkennung und Positionierung im gesellschaftlichen Gefüge Die Erwerbsarbeit spielt nicht nur eine wichtige Rolle wenn es um die Sicherung der Lebenserhaltung geht sondern bildet mit die Grundlage dafür, wie sich das Leben eines Menschen innerhalb des gesellschaftlichen Rahmens gestaltet.

Erwerbsarbeit in modernen Gesellschaften trägt zur Individualisierung und Unabhängigkeit des Menschen bei. Eine weitere Grundlage der modernen an Leistung orientierten Gesellschaft ist die berufliche Qualifikation und die damit verbundene Bewegungsfreiheit innerhalb der Gesellschaft. Der ausgeführte Beruf und die Positionierung in der Gesellschaft stehen in enger Verbundenheit zueinander. Der soziale Status innerhalb der Gesellschaft hat weitreichende Folgen für das Individuum und dessen Lebensgestaltung. Die Position innerhalb der Gesellschaft führt nicht nur zu sozialer Anerkennung sondern ermöglicht auch die Zugehörigkeit zu gesellschaftlichen Gruppen fernab des eigenen Umfeldes (Pundt

& Scherenberg, 2016).

7.4.1.6 Identitätsbildung

Unter dem aus dem spätlateinischen stammenden Begriff Identität wird die

„Echtheit einer Person oder Sache“ (Bibliographisches Institut, 2016b, o.S.).

verstanden. Also eine „völlige Übereinstimmung mit dem, was sie ist oder als was sie bezeichnet wird“ (Bibliographisches Institut GmbH, 2016b, o.S.). Ein wichtiges Kriterium für das Individuum selbst und das gesellschaftliche Zusammenleben ist die Ausbildung einer starken, selbstsicheren und stabilen Identität. Um diese ausbilden zu können, ist Eickelpasch und Rademacher (2004) zufolge die

„ausreichende materielle Absicherung,

Beziehungs- und Kommunikationsfähigkeit,

Fähigkeit zum Aushandeln,

kreative Gestaltungskompetenz“ (S.29)

98 unumgänglich.

Die Ausbildung einer starken Identität ist sehr wichtig, da die Identität das Aushängeschild der eigenen Person ist. Sie gibt der Umwelt Auskunft über das Einkommen, die soziale Verortung in der Gesellschaft und die damit verbundene Anerkennung, sowie auch den Lebensstil einer Person. All diese Faktoren werden wiederrum von der Erwerbsarbeit entscheidend beeinflusst (Eickelpasch &

Rademacher, 2004). Erwerbsarbeit „(…) ist für die Menschen in der Industriegesellschaft zum Rückgrat ihrer gesamten Lebensführung geworden.

Neben der Familie bildet sie den zweiten großen Sinn- und Identitätsanker (…)“

(Eickelpasch & Rademacher, 2004, S.30). Die Identität einer Person erfährt eine unheimliche Stärkung, wenn ihr das Gefühl des Gebraucht-Seins vermittelt wird.

Ein Gefühl, das bestätigt, dass der eingeschlagene Weg sowie Handlungen und verrichtete Arbeit einen Wert für die Gesellschaft haben und nicht nur um seiner selbst willen ausgeführt werden. Erwerbsarbeit birgt immer wieder Herausforderungen für das Individuum und stärkt bei ihrem Bestehen das Selbstwertgefühl und das Selbstbewusstsein enorm. Ebenso wirkt sich eine Verantwortungsübernahme positiv auf die Identität einer Person aus. Des Weiteren bietet ein Arbeitsplatz die Möglichkeit sich Weiterzuentwickeln und durch das Meistern von Herausforderungen motiviert Arbeit zudem die eignen Kompetenzen zu vertiefen und auszubauen (Pundt & Scherenberg, 2016).