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Rahmen für Lernen und Bildung älterer Menschen

5.3 Grundlage zur Realisierung von Angebotsplanung an Hochschulen

5.3.3 Rahmen für Lernen und Bildung älterer Menschen

Die Kenntnis der Bedingungen für Lernen und Bildung älterer Erwachsener ist sowohl für den Lehrenden als auch für die Gestaltung von erwachsenengerechten Fortbildungen erforderlich, um den Teilnehmern durch geeignete lernfördernde Maßnahmen einen optimalen Lernerfolg zu ermöglichen. Dabei gibt die Kenntnis der Bedingungen dem Lehrenden Hinweise darauf, wie er den betreffenden älteren Menschen unter Umständen besser motivieren kann und welche speziellen Lernhilfen im individuellen Fall besonders angebracht erscheinen. Auch dieses Wissen hilft ihm, die Lernziele zu erkennen und festzustellen, was mit einiger Aussicht auf Erfolg angestrebt werden kann (vgl. Schmiel 1991, S. 17).

Menschen des 3. und 4. Lebensabschnittes werden als „älter“ bezeichnet. Ersterer (autonomes Alter) meint die Lebensphase, in der die Absicherung der Familie und

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der nachwachsenden Generation bereits erfolgt und man frei von familiären sowie beruflichen Verpflichtungen ist. Bildung ist für diese Menschen sowohl ein Teil ihrer Lebensgestaltung als auch eine Bereicherung ihres Lebens und spielt im 3.

Lebensalter eine große Rolle. Die Lebensqualität steigt, weil Bildung Freude am fortdauernden Wachstum von Kenntnissen und Fähigkeiten schenkt. Das 4.

Lebensalter (abhängiges Alter) ist gekennzeichnet durch einsetzende physische und psychische Beschränkungen. Dies reicht vom Mangel an Aufgaben über abnehmende Sozialkontakte und gesundheitliche Einschränkungen bis zur Hilfe- und Pflegebedürftigkeit. Bildung ist für diese Menschen eine Fülle von wichtigen Funktionen, vom Sozialkontakt über psychosoziales und mentales Training bis zum möglichst langen Erhalt selbständiger Lebensführung (vgl. Heidenreich 2005, S. 167 ff.). Deswegen ist Bildung im 3. und 4. Lebensalter für die älteren Menschen selbst eine dringliche Notwendigkeit zur Verbesserung der eigenen Lebensqualität.

Nach Schmiel 1991, Köster 2009 und Kolland 2011 können drei unterschiedliche Voraussetzungen für Lernen und Bildung älterer Menschen unterschieden werden:

∙ persönlichkeitsstrukturbezogen

∙ lerngegenstandsbezogen

∙ lernfähigkeitsbezogen.

Die persönlichkeitsstrukturbezogenen Lernvoraussetzungen (z. B. Selbstkonzept, Wertvorstellungen, Anspruchsniveau und Energiezustand) sind die generelle Einstellung zum Lernen und zur Weiterbildung und die Sicherheit oder Unsicherheit, mit der ein Lernender einer Situation begegnet. Die zweite Bedingung besteht aus den lerngegenstandsbezogenen Lernvoraussetzungen, über die der Betreffende zu Beginn einer Weiterbildungsmaßnahme im Hinblick auf deren Lernanforderungen verfügt. Hierzu gehören die Verhaltensdisposition (wie z. B. Alltagswissen und individuelle Lern- und Bildungserfahrungen) im Bereich der zu erlernenden motorischen Fertigkeiten, das motorische Geschick und die Vorkenntnisse in den Bereichen des Wissens, der geistigen Fähigkeiten, Einstellungen und Einsichten.

Dabei werden beim Lernen älterer Menschen neue Wissensinhalte mit diesen bereits erworbenen Anlagen verglichen und rekonstruiert. Der dritte Aspekt sind die lernfähigkeitsbezogenen Lernvoraussetzungen. Dieser Komplex umfasst die

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generelle Lernbereitschaft (z. B. Alter, Geschlecht und Schulbildungsniveau) und die Lernenergie, die Fähigkeit zum Erlernen bestimmter motorischer Fertigkeiten und zum Erwerb von Wissen, die Merkfähigkeit, die Abstraktionsfähigkeit und die Fähigkeit zum Einsatz von Lerntechniken bei der Informationsaufnahme und -verarbeitung. Insbesondere ist die kognitive Leistungsfähigkeit bis ins hohe Alter gegeben, deswegen treten kaum Einschränkungen in der Lernfähigkeit auf. Doch reicht der Nachweis der Lernfähigkeit noch nicht aus, um eine Lernbereitschaft zu begründen. Die kognitive Leistungsfähigkeit ist eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für Lernen und Bildung (vgl. Schmiel 1991, S. 23, Köster 2009, S. 98 und Kolland 2011, S. 02-4). Zusammenfassend können der Tabelle 11 die Aspekte für Lernen und Bildung älterer Menschen entnommen werden.

Aspekte für Lernen und Bildung älterer Menschen persönlichkeitsstrukturbezogen:

- Selbstkonzept, Wertvorstellungen, Anspruchsniveau, Energiezustand, Einstellung zum Lernen und zur Weiterbildung, Sicherheit/Unsicherheit, Introvertiertheit/

Extravertiertheit usw.

lerngegenstandsbezogen:

- erreichter Lernstand und erworbene Verhaltensdisposition (wie z. B. Alltagswissen und individuelle Lern- und Bildungserfahrungen) im Bereich der Fertigkeiten, Kenntnisse, geistigen Fähigkeiten, Einsichten, Einstellungen usw.

lernfähigkeitsbezogen:

- generelle Lernbereitschaft (wie z. B. Alter, Geschlecht und Schulbildungsniveau) und Lernenergie

- Fähigkeit zum Erlernen (best.) motorischer Fertigkeiten, von (best.) Kenntnissen, von (best.) geistigen Fähigkeiten u. ä.

- geistige Beweglichkeit/Umstellungsfähigkeit (Flexibilität)

- Denkfähigkeit einschl. Fähigkeit zum selbstständigen Denken und Abstraktionsfähigkeit

- Ausmaß der Beherrschung der Lerntechniken und der Techniken geistigen Arbeitens - Fähigkeit zum Erlernen von komplexen Sachverhalten

- Lerntempo

- Umlernfähigkeit/Rigidität

- erreichte Sicherheit und Aktivität in Lernsituationen - Ausmaß des geistigen Trainings

- Fähigkeit, Sachverhalte zu behalten - Anwendungsfähigkeit

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Tabelle 11: Drei Aspekte für Lernen und Bildung älterer Menschen

(Quelle: eigene Darstellung nach: Schmiel 1991, S. 24, Köster 2009, S. 98 und Kolland 2011, S. 02-4)

Weiterhin ist die Kenntnis der Ursachen von Lernschwierigkeiten älterer Menschen für ein lernförderndes Vorgehen in der Weiterbildung nötig. Unter Lernschwierigkeit wird eine Eigenschaft verstanden, die von einem optimalen Lernverhalten22 abweicht und dazu führt, dass das individuelle Lernleistungsergebnis von der erwarteten Durchschnittsleistung einer Vergleichsgruppe (Sozialnorm) abweicht. Bei der Mehrzahl der älteren Menschen finden sich bei geringer Vorbildung, größerem Zeitabstand vom letzten organisierten Lernen und insbesondere geringem geistigen Training im Beruf Schwierigkeiten bei der Umstellung auf die neue Lernsituation, verbunden mit Unbeholfenheit, Unsicherheit und zum Teil sogar Ängstlichkeit. Im Zusammenhang damit ergibt sich eine Zurückhaltung bei Fragen und Äußerungen und eine geringe Risikobereitschaft aus Furcht, sich vor den anderen Teilnehmern zu blamieren. Dazu kommt die Angst vor neuen, unbekannten Anforderungen und vor der Konkurrenz mit Jüngeren. Vor allem findet sich eine starke Verunsicherung bei älteren Menschen, wenn sie unter Leistungs- und Lernerfolgskontrolle und Zeitdruck lernen sollen. Je unsicherer sie sind, um so mehr sind für ihre Bereitschaft zum Weiterlernen Erfolgsbestätigungen und andere Bekräftigungen erforderlich. Eine andere wichtige Ursache für Lernschwierigkeiten ist das eigene Bild vom Altern. So ist ein eigenes positives Bild von der Lern- und Leistungsfähigkeit im Alter förderlich.

Personen mit einem positiven Altersbild haben eine durchschnittlich längere Lebenserwartung von sieben Jahren. Dagegen trägt ein negatives Altersbild als

22 Im Gegensatz zu den Lernvoraussetzungen bezeichnet Lernverhalten die Auswirkungen der Lernvoraussetzungen unter den Einflussgrößen der Lehr-Lernsituation. Nach Schmiel zählen zu den lernwichtigen Eigenschaften älterer Erwachsener verschiedene Elemente des Lernverhaltens, die in der konkreten Lernsituation beobachtet werden können. Im Lernverhalten fließen die verschiedenen Teilverhaltensausformungen zusammen, für den Lehrenden wird das aber nur durch die beobachtbaren Teilausformungen erkennbar, die Beobachtungsergebnisse lassen sich durch das Einfühlungsvermögen des Lehrenden ergänzen. Zwischen Lernvoraussetzungen und Lernverhalten besteht ein enger Zusammenhang. Deshalb kann einerseits ein bestimmtes Lernverhalten seine Ursache in speziellen Lernvoraussetzungen haben, andererseits kann sich eine bestimmte Lernvoraussetzung direkt in der Lehr-Lernsituation zeigen (vgl. Schmiel 1991, S. 25).

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wesentlicher Teil der Rahmenbedingungen dazu bei, sowohl die Gedächtnisleistung als auch die Lern- und Leistungsfähigkeit älterer Menschen zu mindern (vgl. Schmiel 1991, S. 43 und Köster 2009, S. 96).

Nach meiner Auffassung sind die Berücksichtigung der lernwichtigen Bedingungen und die Kenntnis der Ursachen für Lernschwierigkeiten wichtig, weil die genannten Erscheinungen sich wechselseitig beeinflussen; durch unterschiedliche unterstützende Maßnahmen von Seiten des Lehrenden können eventuelle Lernschwierigkeiten beseitigt werden. Aus diesem Verständnis sind didaktische Überlegungen für Lernen und Bildung älterer Menschen anzustellen. Ältere Menschen lernen grundsätzlich nicht schlechter als jüngere, sondern anders. Dabei können sie frühere Erfahrungen mit Lernen und Bildung im Rahmen der Familie, der Schule und des Berufs für das Neulernen, Umlernen und Weiterlernen besser anwenden. Deswegen sind durch Einbeziehung des Vorwissens, des Alltags- und Erfahrungswissens der Teilnehmenden, durch Biografie- und Lebensphasenbezugnahme, durch Berücksichtigung ihrer Interessen und insbesondere durch intergenerationelles Lernen oder Zusammenarbeit die Lernschwierigkeiten älterer Menschen aufzulösen. Darüber hinaus spielen bei der Gestaltung von Bildungsangeboten die individuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten, die Leistungsfähigkeit, das Bildungsziel und die Motivation der Teilnehmer eine große Rolle.

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6 Methodisches Vorgehen

In den folgenden Kapiteln wird erläutert, welche Methode und Instrumente für die Erhebung und Auswertung gewählt wurden und warum sie geeignet sind.