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Prinzipiencharta des Weltsozialforums

Im Dokument Rosa-Luxemburg-Stiftung Texte 15 (Seite 115-120)

Ursprüngliche Fassung vom April 2001

ABONG – Brasilianische Vereinigung der Nicht-Regierungsorganisationen

ATTAC – Association pour la Taxation des Transactions financières à l’Aide des Citoyens (Vereinigung für die Besteuerung finanzieller Transaktionen als Hilfe für die Bürger) CBJP – Brasilianische Justiz- und Friedenskommission, Nationaler Rat der Bischöfe (CNBB) CIVES – Brasilianische Geschäftsvereinigung für Staatsbürgerschaft

CUT – Zentrale Gewerkschaftskonföderation

IBASE – Brasilianisches Institut für Soziale und Wirtschaftliche Studien CJG – Zentrum für Globale Gerechtigkeit

MST – Bewegung der Landlosen LandarbeiterInnen

Das Komitee derjenigen brasilianischen Organisationen, die die Idee für das erste Weltsozialforum, das in Porto Alegre vom 25. bis zum 30. Januar abgehalten wurde, gehabt und es organisiert hatten, halten es für notwendig und legitim, eine Prinzipi-encharta zu verfassen, um die Fortsetzung dieser Initiative in der Form der Informa-tionsnote, die am Ende des Forums ausgegeben wurde, anzuleiten. Indem die in die-ser Charta enthaltenen Prinzipien, die von allen zu respektieren sind, die am Prozess teilhaben und neue Auflagen des Forums organisieren, eine Konsolidierung der Ent-scheidungen darstellen, die den Erfolg des Forums von Porto Alegre sicherten, dehnen sie die Reichweite dieser Entscheidungen aus und definieren Orientierungen, die der Logik dieser Entscheidungen folgen.

1. Das WSF ist ein offener Treffpunkt für reflexives Denken, demokratische Debatte von Ideen, Formulierung von Vorschlägen und den freien Austausch von Erfahrungen so-wie zur Vernetzung zu effektiver Aktion von Gruppen und Bewegungen der Zivilge-sellschaft, die gegen den Neoliberalismus und die Beherrschung der Welt durch das Ka-pital und gegen jede Form des Imperialismus sind und danach streben, eine planetare Gesellschaft aufzubauen, deren Mittelpunkt das menschliche Individuum ist.

2. Das WSF in Porto Alegre war ein in Zeit und Raum vereinzeltes Ereignis. Von nun an, in der in Porto Alegre deklarierten Gewissheit des »Eine andere Welt ist mög-lich!«, wird es ein permanenter Prozess der Suche und des Aufbaus von Alternativen sein, der nicht auf die Ereignisse, die es unterstützen, reduziert werden kann.

3. Das WSF ist ein Weltprozess. Alle Treffen, die als Teil dieses Prozesses gehalten werden, haben eine internationale Dimension.

4. Die beim WSF vorgeschlagenen Alternativen stehen in Opposition zu einem Pro-zess der kapitalistischen Globalisierung, der durch die großen multinationalen Kon-zerne und die ihren Interessen dienenden Regierungen und internationalen Institu-tionen befehligt wird. Sie sind darauf gerichtet, sicherzustellen, dass solidarische

Globalisierung als ein neues Stadium in der Weltgeschichte die Oberhand gewinnt. Die-se solidarische Globalisierung wird die univerDie-sellen Menschenrechte respektieren, die Rechte aller Bürger – Männer und Frauen – aller Nationen wie auch die der Umwelt und wird auf demokratischen internationalen Systemen und Institutionen zu Diensten der sozialen Gerechtigkeit, der Gleichheit und der Souveränität der Völker beruhen.

5. Das WSF vereint und vernetzt Organisationen und Bewegungen der Zivilgesell-schaft aus allen Ländern der Welt, aber versucht weder eine KörperZivilgesell-schaft zur Reprä-sentierung der Weltgesellschaft zu sein, noch von den Debatten, die es fördert, dieje-nigen auszuschließen, die in politisch verantwortlichen Positionen und von ihren Völ-kern legitimiert sind und sich entscheiden, die aus diesen Debatten hervorgehenden Verpflichtungen anzunehmen.

6. Die Treffen des WSF entscheiden nicht für das WSF als Körperschaft. Niemand wird daher ermächtigt werden, für irgendeine der Sitzungen des Forums Positionen im Namen aller TeilnehmerInnen zu vertreten. Die TeilnehmerInnen am Forum wer-den nicht aufgerufen, als eine Gesamtheit, sei es durch Abstimmung oder Akklamati-on, Entscheidungen zu Erklärungen oder Aktionsvorschlägen zu treffen, die sie alle oder ihre Mehrheit zu etwas verpflichten würden und die vorgeben, Positionen des Fo-rums als Körperschaft zu sein.

7. Nichtsdestoweniger müssen Organisationen oder Gruppen von Organisationen, die an den Sitzungen des Forums teilnehmen, das Recht haben, während dieser Treffen über Erklärungen oder Aktionen zu beraten, die sie beschließen wollen, entweder allei-ne oder koordiniert mit anderen Teilallei-nehmerInallei-nen. Das WSF übernimmt es, solche Entscheidungen mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zu verbreiten, ohne zu führen oder Hierarchien zu schaffen, ohne zu zensieren oder einzuschränken, sondern als Erklärungen derjenigen Organisationen, die sie verfasst haben.

8. Das WSF ist ein pluraler, diversifizierter, nichtkonfessioneller, nicht an Regierun-gen und nicht an Parteien gebundener Raum, der auf dezentralisierte Weise Organi-sationen und Bewegungen, die in konkrete Aktionen von der Kommune bis zur inter-nationalen Ebene engagiert sind, um eine andere Welt zu schaffen, miteinander in Verbindung bringt. Er stellt weder einen Raum zur Machtausübung dar, der von den TeilnehmerInnen während seiner Treffen umkämpft werden müsste, noch zielt er da-rauf ab, die einzige Option zur Zusammenarbeit und Aktion für die Organisationen und Bewegungen zu sein, die daran teilnehmen.

9. Das WSF besteht auf der Demokratie als dem Weg, die gesellschaftlichen Probleme auf politische Weise zu lösen. Als Treffpunkt ist es offen für Pluralität und die Vielfalt der Aktivitäten und Arten des Engagements sowohl der Organisationen und Bewe-gungen, die beschließen, an ihm teilzunehmen, als auch für die Vielfalt der Geschlech-ter, Rassen, Ethnien und Kulturen.

10. Das WSF lehnt alle totalitären und reduktionistischen Sichtweisen auf die Ge-schichte und die Verwendung von Gewalt als Mittel der Kontrolle über die Gesell-schaft durch den Staat ab. Es bekräftigt den Respekt für die Menschenrechte, für fried-volle Beziehungen in Gleichheit und Solidarität unter Menschen, Rassen,

Geschlech-tern und Völkern und verurteilt alle Formen der Herrschaft und jede Unterwerfung einer Person durch eine andere.

11. Die Treffen des WSF sind immer offen für alle, die daran teilzunehmen wünschen, mit Ausnahme von Organisationen, die als Methode politischer Aktion Menschen das Leben zu nehmen bereit sind.

12. Als Forum für Debatte ist das WSF eine Bewegung von Ideen, die zum Nachden-ken aufruft und zur weitest möglichen Verbreitung dieses NachdenNachden-kens über die Me-chanismen und Instrumente der Dominierung durch das Kapital, über Mittel und Ak-tionen zur Überwindung dieser Herrschaft und über die Alternativen, die vorgeschla-gen werden können, um die Probleme der Marginalisierung und der Ungleichheit zu lösen, die der momentan vorherrschende Prozess der kapitalistischen Globalisierung schafft oder verschlimmert – international und innerhalb der Länder.

13. Als Rahmen für den Austausch von Erfahrungen unterstützt das WSF Verständ-nis und gegenseitige Anerkennung durch die teilnehmenden OrgaVerständ-nisationen und Be-wegungen und legt speziellen Wert auf alles, was die Gesellschaft aufbaut, um Wirt-schaftsaktivität und politisches Handeln auf die Befriedigung der menschlichen Be-dürfnisse und den Respekt der Natur auszurichten.

14. Als Umgebung für gegenseitige Beziehungen strebt das WSF danach, nationale und internationale Beziehungen zwischen Organisationen und Bewegungen der Zi-vilgesellschaft zu stärken und neue zu schaffen, die – sowohl im öffentlichen als auch im privaten Leben – die Fähigkeit zum sozialen Widerstand gegen die Prozesse der Entmenschlichung, die in der Welt stattfinden, erhöhen und die humanisierenden Maßnahmen, die durch die Aktionen dieser Bewegungen und Organisationen ergrif-fen werden, verstärken.

15. Das WSF ist ein Prozess, der seine Teilnehmerorganisationen und Bewegungen ermutigt, ihre Aktionen als Themen planetarer Bürgerschaft zu entwickeln und die Veränderung auslösenden Praktiken, mit denen sie den Aufbau einer anderen Welt anstreben, auf die globale Tagesordnung zu setzen.

São Paulo, Brasilien, 9. April 2001.

Prinzipiencharta des Weltsozialforums

Überarbeitete Fassung vom Juni 2001

Organisationskomitee des Weltsozialforums

Das Komitee derjenigen brasilianischen Organisationen, die die Idee für das erste Weltsozialforum, das in Porto Alegre vom 25 bis zum 30. Januar abgehalten wurde, gehabt und es organisiert hatten, hält es, nachdem es die Ergebnisse des Forums und

die Erwartungen, die es hervorrief, ausgewertet hat, für notwendig und legitim, eine Prinzipiencharta zu verfassen, um die Fortsetzung dieser Initiative anzuleiten. Indem die in dieser Charta enthaltenen Prinzipien, die von allen zu respektieren sind, die am Prozess teilhaben und neue Auflagen des Forums organisieren, eine Konsolidierung der Entscheidungen darstellen, die den Erfolg des Forums von Porto Alegre sicherten, dehnen sie die Reichweite dieser Entscheidungen aus und definieren Orientierungen, die der Logik dieser Entscheidungen folgen.

1. Das WSF ist ein offener Treffpunkt für reflexives Denken, demokratische Debatte von Ideen, Formulierung von Vorschlägen und den freien Austausch von Erfahrun-gen sowie zur Vernetzung zu effektiver Aktion von Gruppen und BewegunErfahrun-gen der Zivilgesellschaft, die gegen den Neoliberalismus und die Beherrschung der Welt durch das Kapital und gegen jede Form des Imperialismus sind und danach streben, eine pla-netare Gesellschaft aufzubauen, die fruchtbare Beziehungen innerhalb der Menschheit und zwischen ihr und der Erde anstrebt.

2. Das WSF in Porto Alegre war ein in Zeit und Raum vereinzeltes Ereignis. Von nun an, in der in Porto Alegre deklarierten Gewissheit des »Eine andere Welt ist mög-lich!«, wird es ein permanenter Prozess der Suche und des Aufbaus von Alternativen sein, der nicht auf die Ereignisse, die es unterstützen, reduziert werden kann.

3. Das WSF ist ein Weltprozess. Alle Treffen, die als Teil dieses Prozesses gehalten werden, haben eine internationale Dimension.

4. Die beim WSF vorgeschlagenen Alternativen stehen in Opposition zu einem Prozess der kapitalistischen Globalisierung, der durch die großen multinationalen Konzerne, die ihren Interessen dienenden internationalen Institutionen und die nationalen Regierungen als Komplizen befehligt wird. Sie sind darauf gerichtet, sicherzustellen, dass solidarische Globalisierung als ein neues Stadium in der Weltgeschichte die Oberhand gewinnt. Diese solidarische Globalisierung wird die universellen Menschenrechte respektieren, die Rechte aller Bürger – Männer und Frauen – aller Nationen wie auch die der Umwelt, und wird auf demokratischen internationalen Systemen und Institutionen zu Diensten der sozialen Gerechtigkeit, der Gleichheit und der Souveränität der Völker beruhen.

5. Das WSF vereint und vernetzt nur Organisationen und Bewegungen der Zivilge-sellschaft aus allen Ländern der Welt, aber versucht nicht eine Körperschaft zur Re-präsentierung der Weltgesellschaft zu sein.

6. Die Treffen des WSF entscheiden nicht für das WSF als Körperschaft. Niemand wird daher ermächtigt werden, für irgendeine der Sitzungen des Forums Positionen im Namen aller TeilnehmerInnen zu vertreten. Die TeilnehmerInnen am Forum wer-den nicht aufgerufen, als eine Gesamtheit Entscheidungen zu treffen.

7. Nichtsdestoweniger müssen Organisationen oder Gruppen von Organisationen, die an den Sitzungen des Forums teilnehmen, das Recht haben, während dieser Tref-fen über Erklärungen oder Aktionen zu beraten, die sie beschließen wollen, entweder alleine oder koordiniert mit anderen TeilnehmerInnen. Das WSF übernimmt es, sol-che Entssol-cheidungen mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zu verbreiten,

ohne zu führen oder Hierarchien zu schaffen, ohne zu zensieren oder einzuschränken, sondern als Erklärungen der Organisationen, die sie verfasst haben.

8. Das WSF ist ein pluraler, diversifizierter, nichtkonfessioneller, nicht an Regierun-gen und nicht an Parteien gebundener Raum, der auf dezentralisierte Weise Organi-sationen und Bewegungen, die in konkrete Aktionen von der Kommune bis zur inter-nationalen Ebene engagiert sind, um eine andere Welt zu schaffen, miteinander in Verbindung bringt.

9. Das WSF wird immer ein Forum offen für Pluralität und für die Vielfalt der Akti-vitäten und Wege des Engagements der Organisationen und Bewegungen sein, die sich entscheiden, an ihm teilzunehmen, und auch für die Vielfalt der Geschlechter, Ethnien, Kulturen, Generationen und physischen Fähigkeiten, vorausgesetzt, dass sie diese Prinzipiencharta annehmen. Weder ParteivertreterInnen noch militärischen Or-ganisationen ist die Teilnahme am Forum erlaubt. RegierungsvertreterInnen und Mit-glieder von Parlamenten, die die Verpflichtungen dieser Charta annehmen, können eingeladen werden, auf persönlicher Basis teilzunehmen.

10. Das WSF lehnt alle totalitären und reduktionistischen Sichtweisen auf die Wirt-schaft, die Entwicklung und die Geschichte und die Verwendung von Gewalt als Mit-tel der Kontrolle über die Gesellschaft durch den Staat ab. Es bekräftigt den Respekt für die Menschenrechte, für Praktiken realer Demokratie, für partizipative Demokratie, für friedvolle Beziehungen in Gleichheit und Solidarität unter Menschen, Rassen, Ge-schlechtern und Völkern und verurteilt alle Formen der Herrschaft und jede Unterwer-fung einer Person durch eine andere.

11. Als Forum für Debatte ist das WSF eine Bewegung von Ideen, die zum Nachdenken aufruft und zur weitest möglichen Verbreitung dieses Nachdenkens über die Mechanismen und Instrumente der Dominierung durch das Kapital, über Mittel und Aktionen zur Überwindung dieser Herrschaft und über die Alternativen, die vorgeschlagen werden kön-nen, um die Probleme der Marginalisierung und der sozialen Ungleichheit zu lösen, die der Prozess der kapitalistischen Globalisierung mit seinen rassistischen, sexistischen und die Umwelt zerstörenden Dimensionen international und innerhalb der Länder schafft.

12. Als Rahmen für den Austausch von Erfahrungen unterstützt das WSF Verständ-nis und gegenseitige Anerkennung durch die teilnehmenden OrgaVerständ-nisationen und Be-wegungen und legt speziellen Wert auf den Austausch zwischen ihnen, insbesondere auf alles, was die Gesellschaft aufbaut, um Wirtschaftsaktivität und politisches Han-deln auf die Befriedigung der menschlichen Bedürfnisse und den Respekt der Natur auszurichten – in der Gegenwart und für zukünftige Generationen.

13. Als Umgebung für gegenseitige Beziehungen strebt das WSF danach, nationale und internationale Beziehungen zwischen Organisationen und Bewegungen der Ge-sellschaft zu stärken und neue zu schaffen, die – sowohl im öffentlichen als auch im privaten Leben – die Fährigkeit zum sozialen Widerstand gegen die Prozesse der Ent-menschlichung, die in der Welt stattfinden, und gegen die Gewaltanwendung des Staates erhöhen und die humanisierenden Maßnahmen, die durch die Aktionen dieser Bewegungen und Organisationen ergriffen werden, verstärken.

14. Das WSF ist ein Prozess, der seine Teilnehmerorganisationen und Bewegungen er-mutigt, ihre Aktionen von der lokalen bis zur nationalen Ebene und beim Versuch der aktiven Teilnahme im internationalen Kontext als Themen planetarer Bürgerschaft zu entwickeln und die Veränderung auslösenden Praktiken, mit denen sie den Aufbau ei-ner anderen Welt anstreben, auf die globale Tagesordnung zu setzen.

Gebilligt durch den Internationalen Rat des Weltsozialforums am 10. Juni 2001.

Quelle: http://www.forumsocialmundial.org.br

JAI SEN

Im Dokument Rosa-Luxemburg-Stiftung Texte 15 (Seite 115-120)