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Die Redaktion

Im Dokument Rosa-Luxemburg-Stiftung Texte 15 (Seite 162-174)

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Demonstrationen vom 15. Februar. Und wir sollten im Kopf behalten, dass diese Idee der »horizontalen sozialen Artikulation« immer noch viel zu unse-rem Kampf beizutragen hat; und sie wird auch in dem Prozess des Aufbaus der Welt, wie wir sie wollen, notwendig sein.

Diese Überzeugung beruht auf der Analyse der Vorteile des augenblickli-chen Charakters des Forums als Raum im Gegensatz zu einer mögliaugenblickli-chen Äußerung des Forums als Bewegung.

Was ist der Unterschied zwischen einer Bewegung und einem Raum?

Eine Bewegung sammeltLeute – ihre AktivistInnen, sagen wir –, die sich ent-schließen, sich kollektiv zu organisieren, um gewisse Ziele zu erreichen. Ihre Herausbildung und Existenz zieht die Definitionvon Strategiennach sich, mit denen diese Ziele erreicht werden sollen, die Formulierung von Aktionspro-grammen und die Verteilung von Verantwortung unter ihren Mitgliedern – einschließlich der Leitung der Bewegung. Die diese Funktionen übernehmen-den Personen werübernehmen-den die AktivistInnen der Bewegung führen, sie je nach der durch die Gründer der Bewegung getroffenen Entscheidung durch autoritäre oder demokratische Methoden dazu bringen, für ihre Zuständigkeiten in der kollektiven Aktion Verantwortung zu übernehmen. Ihre Organisation wird notwendigerweise pyramidal sein – wie demokratisch der interne Entschei-dungsprozess und der Weg, diejenigen auszuwählen, die verschiedene Ver-waltungsfunktionen übernehmen, auch immer sein mögen. Die Wirkung der Bewegung wird auf der Klarheit und Präzision ihrer spezifischen Ziele beruhen und also von ihren eigenen Grenzen in Zeit und Raum abhängen.

Ein Raum hat keine Führer. Es ist nur ein Platz, im Grunde ein horizontaler Platz, genauso wie die Oberfläche der Erde, selbst wenn sie einige Höhen und Tiefen hat. Er ist wie ein Platz ohne Eigentümer. Wenn der Platz einen anderen Eigentümer als das Kollektiv hat, ist er kein öffentlicher Platz mehr, sondern wird zum Privateigentum. Plätze sind im Allgemeinen offene Räume, die von allen besucht werden dürfen, die irgendein Interesse daran haben, sie zu nutzen. Ihr Zweck ist hauptsächlich, ein Platz zu sein, ganz egal welchen Dienst der dann seinen Nutzern liefert. Je länger sie als Plätze aushalten, desto besser ist es für die, die sie nutzen, um so ihre jeweiligen Ziele verwirk-lichen zu können.

Selbst wenn ein Platz Bäume und kleine Hügel enthält, ist er immer noch ein horizontaler Raum. Diejenigen, die auf die Bäume oder die Hügel steigen, können nicht erwarten, von da aus die Aktionen derer im Raum kontrollieren zu können. Von anderen als lächerlich empfunden zu werden, ist das Mindes-te, was solche Kletterer erwarten müssten. Wenn sie aufdringlich oder unbe-quem werden, reden sie letztendlich mit sich selbst, denn die im Raum wer-den ihn verlassen. Oder sie könnten sogar mit »öffentlichen Autoritäten«

zurückkommen, die sie zum Weggehen veranlassen werden oder dazu,

auf-zuhören, von oben zu predigen, um so den für öffentliche Räume typischen Frieden und die Ruhe wiederherzustellen.

Das Forum: Raum zur Hervorbringung von Bewegungen?

Die Prinzipiencharta des Forums widersetzt sich aufs stärkste der Bestim-mung irgendeiner Art von Leitung oder Führung des Forums: Niemand darf für das Forum sprechen – es macht keinen Sinn, für einen Raum oder seine TeilnehmerInnen zu sprechen. Jedes Individuum, jede Organisation behält das Recht, sich auszusprechen oder auf und nach dem Forum für seine/ihre Über-zeugungen zu handeln und dabei Positionen oder Vorschläge anzunehmen oder abzulehnen, die von anderen TeilnehmerInnen – aber niemals im Namen des Forums oder aller seiner TeilnehmerInnen! – eingebracht werden.

Wie der öffentliche Platz ist das Forum ein offener, aber kein neutraler Platz.

Das Forum öffnet von Zeit zu Zeit in verschiedenen Teilen der Welt seine Pfor-ten – zuweilen aus Anlass der Ereignisse, denen es widersteht – mit einem spe-zifischen Ziel: so vielen Individuen, Organisationen und Bewegungen, die ge-gen den Neoliberalismus sind, wie möglich zu erlauben, frei zusammenzu-kommen, einander zuzuhören, aus den Erfahrungen und Kämpfen anderer zu lernen und Aktionsvorschläge zu diskutieren, sich in neuen Netzwerken und Organisationen zu verknüpfen, die danach streben, den gegenwärtigen Pro-zess der von großen internationalen Konzernen und ihren finanziellen Inte-ressen dominierten Globalisierung zu überwinden.

Also ist es ein Raum, der geschaffen wird, um einem gemeinsamen Ziel al-ler jener zu dienen, die sich auf das Forum zu bewegen, das horizontal als ein öffentlicher Raum dient, ohne Führungspersönlichkeiten oder Machtpyrami-den. Das Forum funktioniert als eine Ideenfabrik oder ein Inkubator, aus dem neue Initiativen entstehen können, die auf den Aufbau einer anderen Welt, den wir machbar, notwendig und dringend finden, gerichtet sind. Wir können uns auf das Entstehen vieler Bewegungen gefasst machen, größer und kleiner, mehr oder weniger kampfeslustig, jede mit ihren spezifischen Zielen, die ihre eigenen Rollen im selben Kampf spielen wollen – und ihre Entwicklung ist das Hauptziel des Raumes.

Das größte Potenzial des Forums als Raum ist es, Bewegungen zu schaffen, die den Kampf erweitern und verstärken können. Wenn aber eine Bewegung neue Bewegungen gebiert, geschieht das ungewollt, als Resultat innerer Spal-tungen. Und genau das würde geschehen, wenn das Forum zur Bewegung würde.

Die Ziele dieser neuen Initiativen müssen – ganz im Gegensatz zu dem, was in Bewegungen geschieht – nicht alle klar und präzise sein. Manche sind noch in der Gründung begriffen, sind im Inkubator, um ausgebrütet zu werden, und brauchen Zeit, um zu reifen.

Die Vorteile, kein Abschlussdokument zu haben

Die Prinzipiencharta des Forums unterstreicht diese Rolle, indem sie darauf besteht, dass es »keine Schlussdokumente« geben sollte. Ein Platz gibt keine Erklärungen ab, aber die auf ihm Stehenden können dies tun. Die Teilnehme-rInnen des WSF können jede Schlusserklärung abgeben, die sie gerne wollen – und sind herzlich dazu eingeladen. Aber diese werden nie zu Erklärungen des Forums als Forum. Als ein für alle offener Raum »spricht« es nicht – oder vielmehr »spricht« es sehr ausdrucksvoll durch seine bloße Existenz. In dem Maße, in dem mehr und mehr Leute zusammenkommen, um Wege zu finden, den Neoliberalismus zu überwinden, ist dies in sich selbst eine ausdrucksvol-le politische Tatsache. Niemand muss daher für das Forum sprechen.

Diese Idee, die auf dem Forum angenommen wurde, wurde bei seiner letz-ten Sitzung in Porto Alegre von einer großen Zahl von TeilnehmerInnen gut verstanden, die zu diesem Zwecke auf der dort aufgestellten »Notiztafel« mit den »während des Forums 2003 angenommenen Aktionsvorschlägen« Eintra-gungen vornahmen. Über die Tatsache hinaus, dass diese Notiztafel es den TeilnehmerInnen ermöglichte, sich selbst auszudrücken, machten die Vor-schläge oder Erklärungen, die später eingebracht wurden, den Reichtum und die Vielfalt des Engagements der TeilnehmerInnen klar. Die Vorschläge kön-nen auf der Website des Forums nachgelesen werden, aber dieses Jahr war es nicht möglich, alles anzuzeigen, was die TeilnehmerInnen zu tun beschlossen.

Die Notiztafel wurde nur schlecht bekannt gemacht.

Die Verbreitung dieser Informationen durch das Internet – was es auch er-laubte, die AutorInnen der Vorschläge zu kontaktieren – öffnet andere Perspek-tiven durch die neuen Kontakte und Verbindungen, die nun möglich werden, und erlaubt neue Ausdrucksmöglichkeiten durch die Vorschläge während des Forums. Es ist, als wenn der Forumsraum nun permanent geöffnet worden wäre, Zeit und Raum überdauerte, länger anhielte als das zeitlich beschränkte 5-Tage-Ereignis von Porto Alegre. Die Kontakte können multipliziert werden und zu konkreteren Aktionen führen, die durch die unbeschränkten neuen, durch das Internet eröffneten Möglichkeiten geboren werden. Dasselbe kann mit der »Notiztafel der Vorschläge« bei anderen Ereignissen passieren.

Vielfalt – ein hochgeschätztes Ziel

Aber das Forum als Raum hat noch weitere Vorzüge. Als offener Raum hat das Forum die Möglichkeit, den Respekt für die Vielfalt zu sichern – was es als Be-wegung nicht könnte. Das Prinzip des Respekts für die Vielfalt, das durch die WSF-Charta angenommen wurde, ist auf der Überzeugung gegründet, dass eines der fundamentalen Charakteristika der anderen Welt, die wir bauen wollen, der Respekt für die Vielfalt sein muss.

Ohne »total neutral« zu werden, erlaubt das Forum allen Teilnehmenden ihre eigene Freiheit, den Sektor oder die Ebene auszuwählen, wo sie handeln

möchten. Diese Aktion kann entweder sehr weit und umfassend oder sehr eingeschränkt sein; sie kann entweder darauf gerichtet sein, die tieferen Grün-de Grün-der Probleme, Grün-denen die Welt sich gegenübersieht, oGrün-der die oberflächliche-ren Effekte dieser Probleme zu ergründen. Die weite Spanne der wähoberflächliche-rend des Forums diskutierten Fragen und die angestrebten Ziele können daher sehr weit gefasst sein, so breit ist das Spektrum der zum Aufbau einer neuen Welt erforderlichen Veränderungen. Niemand im Forum hat die Macht oder das Recht zu sagen, dass eine Aktion oder ein Vorschlag wichtiger sei als ein an-derer. Und niemand soll die Macht oder das Recht haben, seinen Vorschlägen eine größere Sichtbarkeit zu geben oder für seine eigenen besonderen Ziele ei-nen Raum zu »usurpieren«, der allen gehört.

Dies ist jedoch eine Frage, die angesichts dessen, was in den Märschen und Straßenprotesten gesehen wird, die den Schluss des Forums bilden, sorgfälti-geres Nachdenken erfordert. Die Transparente sollten allen gehören – als sicht-bares Zeichen der Vielfalt und der Verschiedenheit der Vorschläge, denen das Forum Raum gibt oder die aus ihm folgen. Diesen oder jenen Kampf beson-ders hervorzuheben oder ihm während der Märsche oder bei der Ernennung der Redner zum Ende der Demonstrationen einen herausgehobenen Platz ein-zuräumen, widerspricht dem Prinzip des Respekts für Vielfalt und vermittelt einen Eindruck des Forums als Bewegung anstatt des Forums als Raum. Die-se Frage muss noch in größerer Tiefe erörtert werden.

Alle diese Merkmale des Forums sorgen sicherlich für seine große Akzep-tanz und Attraktivität und den Erfolg seiner Ereignisse. Seine TeilnehmerIn-nen haben das Gefühl, dass ihre Entscheidungen, die Rhythmen, die sie an-nehmen, und ihr eigenes Maß an Engagement respektiert werden. Manche kommen vielleicht als AktivistInnen einer spezifischen Bewegung. Aber die Mehrzahl kommt von der Überzeugung getrieben, dass es wichtig ist, dies zu tun, Erfahrungen auszutauschen, zu lernen und zu anderen zu stoßen, dabei die Freiheit zu behalten, die sie vorher hatten und während und nach ihrer Teilnahme am Forum haben und haben werden.

Sie wissen, dass sie weder Anweisungen bekommen werden, noch Befehlen werden Folge leisten oder gar zurückmelden müssen, was sie getan oder nicht getan haben. Weder werden sie Beweise für Loyalität und Disziplin liefern müssen, noch werden sie ausgestoßen werden, wenn sie dies nicht tun – ganz das Gegenteil von dem, was sie gewärtigen müssten, wenn sie gekommen wären, um an einem Treffen einer organisierten Bewegung teilzunehmen.

Freude und gegenseitige Verantwortung

Dieser Charakter des Forums erklärt die große Freude, die auf diesem Platz herrscht. Er ist wie ein enormer Jahrmarkt, eine richtige Party mit Räumen für Demonstration und »Vorstellungen« vieler verschiedener Art. Niemand hat im Forum Angst, weil niemand kämpfen muss, dass seine Vorschläge und

Ideen über andere obsiegen. Niemand muss besorgt sein, sich gegen andere, die das Forum kontrollieren oder ihm Orientierungen und Verhaltensnormen aufzwingen wollen, verteidigen zu müssen, niemand ist gezwungen, zusam-menzukommen, um Aufgaben einzuschätzen, zu entscheiden und sie in An-griff zu nehmen, und niemand ist gedrängt, sich politisch so zu verhalten, wie es in Gruppen und »Delegationen« guter und disziplinierter Parteien und Be-wegungen üblich ist. Solche Treffen sind möglich, aber für die AktivistInnen der einen oder anderen Bewegung niemals obligatorisch.

Es wäre schade, wenn diese Freude am Raum verloren ginge, was leicht ge-schehen könnte, wenn das Forum kein Platz mehr wäre. Es ist genau diese Freude – dieselbe Freude, die wir alle immer gerne »in der anderen möglichen Welt« sehen würden –, die alle ergreift und stärkt und die auch die Spaltun-gen überwindet, die die Kämpfe verschiedener BewegunSpaltun-gen voneinander scheidet: die Tatsache, dass wir vieleim selbenKampfe sind.

Auf diese Weise treffen die AktivistInnen aus verschiedenen Bewegungen zusammen und erkennen einander in dem offenen Raum, der allen durch das Forum zur Verfügung gestellt wird: aus den Bewegungen für Frauenrechte, für die Rechte von LandarbeiterInnen und ArbeiterInnen und Angestellten in der Stadt und ihren Kindern und aus den für den Umweltschutz kämpfenden;

aus denen, die neue Wirtschaftsbeziehungen innerhalb der Länder oder auf in-ternationaler Ebene anstreben, und denen, die demokratische Beteiligung des Volkes an Regierungen oder mehr Bildung für die Menschen erreichen wollen – kurz gesagt: Sie erleben die große Vielfalt bestehender Bewegungen. Wenn das Forum eine »Bewegung der Bewegungen« würde, wäre keine dieser Bewegungen individuell in der Lage, solch einen Raum zu schaffen und erfolgreich alle anderen Bewegungen dazu zu bringen, ihre Einladung ohne Bedingungen anzunehmen. Die Zusammenkunft würde durch die Notwen-digkeit beschränkt sein, eine andere Struktur mit dem Ziel aufbauen zu müs-sen, alle zu einigen, mit allen Regeln – von allen gebilligt –, die erforderlich wären, um sie möglich zu machen. Und dann würde wiederum ein Wettbe-werb aufkommen, und es würde Konflikte geben als Ergebnis des Kampfes um den Raum und seine Kontrolle und auch um die Definition der Ziele der neuen Bewegung.

Und schließlich ist ein Merkmal des Forums als Raum das Gefühl der ge-genseitigen Verantwortung. Die Tatsache, dass es ein Raum ohne Eigentümer ist, macht dies möglich. Sogar die Fehler der Organisatoren – die angesichts der Größenordnung, die das Forum angenommen hat, ja durchaus zahlreich sind – werden durch die Initiative und die Kreativität der TeilnehmerInnen ak-zeptiert und korrigiert. Beim Treffen des WSF im Jahre 2003 in Porto Alegre wurde ein schlimmer und unabsichtlicher Fehler gemacht, der die Organisa-toren zu einer großen Anstrengung zwang, um seine Auswirkungen zu mini-mieren: Die Workshopprogramme wurden erst am zweiten Tag veröffentlicht.

Das hätte leicht das ganze Ereignis torpedieren können. Trotzdem fanden die TeilnehmerInnen Wege, den Fehler mit ihren Mitteln zu beheben, und es gab sogar Initiativen von »außen«: in Form einer Piratenauflage des Programms, die durch Leute produziert wurde, die abends zuvor im Internet gesurft waren.

Risiken, denen wir gegenüberstehen

Das WSF als Raum aufrechtzuerhalten, ist vielleicht der beste Weg, seinen größten Vorzug zu garantieren. In diesem Sinne arbeiten jene, die es in eine Bewegung umgestalten wollen, gegen unsere gemeinsame Sache. Sie arbeiten eigentlich gegen ihr eigenes und gegen unser aller Interessen. Als im Forum geborene Artikulierungen und Initiativen hindern und ersticken sie ihre eige-ne Lebensquelle oder zerstören zumindest ein mächtiges Instrument, das ih-nen zur Verfügung steht, um ihre Präsenz in dem Kampf, in dem wir alle ste-hen, zu erweitern.

Initiativen, die von gewissen selbst ernannten »Sozialbewegungen« ergrif-fen worden sind, zeigen in diese Richtung. Zu Recht um die Notwendigkeit ei-ner Mobilisierung im Volk für den Kampf gegen den Neoliberalismus besorgt, versuchen sie, das Forum in ihre eigene Mobilisierungsdynamik aufzusaugen, um ihren eigenen Interessen zu dienen.

Solche Bewegungen wissen, dass sie nicht alle TeilnehmerInnen, die zu je-dem Forum kommen, werden sammeln können, und zwar niemals, selbst wenn sie einige wichtige Organisationen zusammenbringen. Aber dennoch glauben sie, dass ihr eigenes Schlussdokument als das »Schlussdokument«

des Forums verstanden und dargestellt werden sollte. Eine Initiative dieser Art – im Inkubator des Forums von 2001 zustande gekommen – hat schon zu mehreren Spannungen und Missverständnissen nach dem Forum Anlass ge-geben. Der Druck in diese Richtung ist auch bei anderen Ereignissen zu spüren gewesen – sogar auf dem Forum von 2003, wenn auch auf weniger ein-fache Weise. Dieser letzte Versuch gefährdete den Mobilisierungseffekt und die Artikulationen, die durch die »Vorschläge für die Aktionsnotiztafel« mög-lich wurden.

Vor kurzem hat die »Koordinierung« dieser Bewegungen weitere Fort-schritte gemacht: Als Mitglieder des Organisationskomitees für die WSF-Treffen haben sie vorgeschlagen, dass ihr eigenes Abschlusstreffen, das nor-malerweise gegen Ende des Forums abgehalten wird, in die Tagesordnung des letzten Tages der Forumververanstaltungen mit aufgenommen wird. Dieses spezielle Abschlusstreffen, das natürlich nur begrenzte Teilnehmerzahlen auf-weist, würde dann wahrscheinlich den Medien wie das Abschlusstreffen des Forums überhaupt erscheinen, was es natürlich nicht ist.

Wenn diese Richtung weiter verfolgt wird, wird dies eine weitere Spannung schaffen. Jeder wird es dann für nötig halten, die Resultate seiner eigenen Ak-tivität zu diesem Treffen zu bringen, um sicher zu stellen, dass diese

Resulta-te von denen umgesetzt werden, die ihre tatsächliche Verwirklichung in einer wohl organisierten Bewegung »koordinieren« würden. Indem sie die Auf-merksamkeit auf diese Sitzung am Ende des Forums fokussieren, obwohl nicht alle TeilnehmerInnen des Forums teilnehmen, wird dieses Treffen zwangsläufig einige der vorgeschlagenen Aktionsvorschläge ignorieren oder nicht genug beachten. Oder es wird das Bedürfnis nach »Vertretungen« ge-schaffen, die das Forum in die übliche Pyramide verwandeln – dann freilich ohne die Freuden des horizontalen Raums.

Die große Herausforderung für die Kontinuität des Forumprozesses besteht darin, dafür, dass er seine Rolle als Inkubator für mehr und mehr Bewegun-gen und Initiativen erfüllen kann, solche Räume, die wirklich offen und frei sind, in der ganzen Welt zu schaffen, ohne die Aufmerksamkeit nur auf spezi-fische Vorschläge zu lenken. Wir hoffen, dass niemand, wenn auch unbeab-sichtigt, dazu beiträgt, das Forum zu so einem Grad »herunterzufahren«, dass es als offener Raum verschwindet.

Dies ist eine Frage, die entschieden werden muss. Individuen und Organi-sationen, die in diesem oder in den nächsten Jahren Ereignisse planen, und Mitglieder des gegenwärtigen Internationalen Rats oder des erweiterten Ratstreffens im Juni 2003 könnten erwägen, sich auf eine Orientierung, wie sie durch die »sozialen Bewegungen« vorgeschlagen wird, zu verständigen.

Niemand kann eine solche Entscheidung verhindern. Sie ist eine Option, aber jede(r) am Forumprozess Teilnehmende wird dann über den Fortgang ihrer/seiner Teilnahme entscheiden müssen. Das Forum wird noch keine Be-wegung sein, und daher wird es weder Regeln für die Mitgliedschaft noch die Notwendigkeit geben, Mehrheitsbeschlüsse zu respektieren, selbst wenn sie auf demokratische Weise gefällt werden.

Wir sollten uns dieser Frage nicht entziehen und auch nicht vergessen, die Konsequenzen der verschiedenen Positionen und Entscheidungen zu analy-sieren.

Organisierte versus selbstorganisierte Aktivitäten

Diese Diskussion ist wesentlich, weil ganz abgesehen vom Druck der Teilneh-merInnen, das WSF in eine Bewegung zu verwandeln, die Organisatoren der Foren selbst dazu neigen werden, diese Option anzunehmen, wenn die ge-genwärtige Methode ihrer Organisation beibehalten werden sollte. Die Ent-scheidung zwischen dem WSF als Raum und dem WSF als Bewegung wird

Diese Diskussion ist wesentlich, weil ganz abgesehen vom Druck der Teilneh-merInnen, das WSF in eine Bewegung zu verwandeln, die Organisatoren der Foren selbst dazu neigen werden, diese Option anzunehmen, wenn die ge-genwärtige Methode ihrer Organisation beibehalten werden sollte. Die Ent-scheidung zwischen dem WSF als Raum und dem WSF als Bewegung wird

Im Dokument Rosa-Luxemburg-Stiftung Texte 15 (Seite 162-174)