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Den Auftakt zur Schilderung der Lebenssituation, in der sie Beratung suchte, formuliert Frau Markovic fast entschuldigend so, als ob der Zuhörer sich jetzt auf eine lange Geschichte gefasst machen muss: „Ja, bei mir ist es etwas Langwieriges. Es ist nicht so spontan gekommen, - oder, das ist schon seit 35 Jahren, seit ich verheiratet bin, habe ich das Gefühl gehabt, dass ich immer allein war als Frau und ich brauchte jemanden zum Beraten. Eine ganz schlechte Ehe habe ich gehabt, einen schwierigen Ehemann.“(7-10) Ihre lange währende Problematik bedurfte endlich der Hilfe von außen; die Zeit war reif für eine Öffnung, für ein Aufbrechen der Kruste aus Alleinsein, Verdeckung und Verschweigen von massiven Eheproblemen. Nicht spontan konnte dies geschehen, nein, der Punkt, an dem das Fass überlief, war gekommen, als sie schwer krank wurde. Sie bezeichnet ihre Krankheit als “psychosomatische Erkrankung“ (14), die sich in Schmerzen, Verspannungen, völliger Erschöpfung und Antriebslosigkeit, Verzweiflung bis zum nervlichen Zusammenbruch (wie sie allerdings erst später ausführt) zeigte. Diesem folgte schließlich die Einlieferung in ein Krankenhaus. Eine Sozialarbeiterin des sozialen Dienstes ihrer Krankenkasse besuchte sie nach ihrer Entlassung zuhause. Hier beginnt die erste Beratungssequenz, die sie noch immer mit Staunen zu erfüllen scheint, weil ihr an dieser Stelle zum ersten Mal konkret geholfen wurde. Hier konnte sie das Schweigen brechen und Vertrauen fassen zu einem Menschen, der sich für ihr Schicksal interessierte und der Teil einer öffentlichen Hilfeinstanz war, auf die sie ein Recht erheben konnte. Konkrete Unterstützung nach ihrer Schilderung war eine psychosomatische Kur.

„Ziemlich lange war ich krank, psychosomatische Erkrankung und so. Und dann kam von der Krankenkasse die Sozialberaterin zu mir und dann hat sie mich auch durch Gespräch befragt, was mit mir los sei und so und dann kam ich aus mir heraus, die ganze Sache mit meiner Ehe und Kinder . Und dann konnte ich mich überhaupt nicht zurückhalten und bin weinend zusammen ,-ausgebrochen und habe ihr alles erzählt. Ja, und dann hat sie gesehen, was für ein Problem ich habe durch meine Ehe und meinen Ehemann praktisch, und hat mir dann eine Kur vorgeschlagen, so eine Erholungskur und dass mein Selbstvertrauen wieder so aufgebaut wird. Und dann hat sie alles für mich erledigt, die Formalitäten und so, dass ich mit der Kur, dass ich die bekommen habe, und dann durfte ich sechs Wochen nach Bad YX in Kur gehen.“ ( 13-24)

Von diesem Auftakt her werden die groben Züge ihrer Erfahrungen mit verschiedenen Formen von Beratung aufgerollt. In einer stationären psychosomatischen Kur kommt sie erneut mit Bera-tung bzw. Therapie in Berührung. Dort nimmt sie –neben medizinischen und physiotherapeuti-schen Angeboten - an einer Gruppentherapie und an Einzelgesprächen teil und findet auch Frauen,

mit denen sie sich gut versteht und austauschen kann. Zum ersten Mal in ihrem Leben macht sie ihre eigene Befindlichkeit, ihr Leiden öffentlich und erfährt Zuspruch und Ermutigung zur Veränderung. Sie wird von anderen TeilnehmerInnen und von Professionellen „soweit aufgebaut, dass ich mir Mut genommen habe, mich von dem Mann scheiden zu lassen“(29f). Diese Distanz von ihrem Ehealltag erlebt sie als hilfreich, um sich erst einmal über das Ausmaß ihres Leidens an dieser Ehe bewusst zu werden und von daher auch Schritte der Veränderung anzupeilen. Dies hätte sie sich nicht getraut ohne die Unterstützung anderer, so aber nimmt sie den dringenden Rat der Fachkräfte in der Kur an und sucht sich, ausgerüstet mit entsprechenden Adressen, zuhause eine Beratungsstelle. Hier beginnt eine dritte Beratungssequenz. In der Einrichtung eines kirchlichen Trägers findet sie eine Beraterin, die sie zweiwöchentlich zu Gesprächen einlädt.

Inzwischen war ihr nämlich auch noch die Arbeit gekündigt worden. Ihr Entschluss, sich scheiden zu lassen, wird mitgetragen von der Beraterin, die ihr die rechtlich relevanten Schritte, wie z.B.

Beistand durch einen Rechtsanwalt etc., erklärt. „Ja, die hat mich dann beraten, was man tun muss oder kann. Und ich habe halt so gehandelt, auch von mir selber aus, weil ich war auch schon soweit, dass ich also viel mutiger wurde und nicht mehr so Angst hatte vor meinem Mann“

(43f).

Erst nachdem der Rahmen ihrer Erfahrungen mit professioneller Hilfe abgesteckt worden ist, erfahren wir Details über diese Ehe. Jetzt berichtet Frau Markovic auch, worum es ihr in allen Beratungen hauptsächlich ging:

„Er hat mich jahrelang misshandelt, auch geschlagen und in der Ehe vergewaltigt, und – Ich war nicht mehr ich, ich war eine Person, wo ich selber nicht mehr wusste, wer das ist. Als junges Mädchen war ich selbstbewusster.“ (46ff)

Sie hat von Beginn ihrer Ehe an unter dem Mann gelitten, denn im Folgenden rekapituliert sie ihr Leben in den verschiedenen Bezügen:

Als Tochter einer Ungarin und einem Deutschen wächst sie im ehemaligen Jugoslawien auf, macht Abitur und will studieren. Doch der Verlust des Vaters, als sie 17 ist, trifft sie und ihre Mutter schwer. Neben dem persönlichen Verlust und der Trauer reicht auch das Geld vorne und hinten nicht. Aus dem Studium wird nichts, sie muss arbeiten. Ihr Onkel und ihre Kusine in Deutschland arrangieren einen sog. Garantiebrief, damit sie in Deutschland arbeiten kann. Mit 22 kommt sie nach Deutschland und verdient in einer Fabrik soviel, dass sie auch die mittellose Mutter unterstützen kann. Nach einem halben Jahr jedoch wird sie zusammen mit einer Kollegin an einem Zebrastreifen von einem vorbei rasenden Auto erfasst. Beide werden schwer verletzt ins Krankenhaus eingeliefert und müssen dort 4 Monate verbringen, bis sie wieder einigermaßen hergestellt sind. Bei einer Gerichtsverhandlung erhält sie Schmerzensgeld zugesprochen.

Zeit-gleich lernt sie, wieder arbeitsfähig, in ihrer Firma eine Frau kennen, die sie mit ihrem Bruder bekannt macht. Im Rückblick bewertet sie dieses Kennenlernen als Mittel zum Zweck, denn ihrer Einschätzung nach wollte das Geschwisterpaar an ihr Geld, das sie als Entschädigung und Schmerzensgeld ausbezahlt bekommt. Der Mann kümmert sich um sie und schließlich verliebt sie sich in ihn. Heute interpretiert sie die damaligen Entwicklungen so: „Und, na ja, er war hübsch, und groß, und ich habe immer viel Komplexe gehabt, weil ich so groß bin und immer kleinen Männern hinterhergelaufen bin, und dann, na ja. Da war ich vielleicht verliebt. Aber nicht lange.

Wo ich ihn erkannt habe nachher, was für einen Charakter er hat und so (...)“ (83 ff)

Jedenfalls leiht sie ihm viel Geld, das sie allerdings nie zurückbekommt, und wird dann überraschend schwanger. Weil sie sich schämt, ein uneheliches Kind zur Welt zu bringen, heiratet sie ihn. Er hingegen entpuppt sich als jemand, der nie feste Arbeit hat, sondern als LKW –Fahrer auch z.T. dubiose Geschäfte macht, mit irgendwelchen Dingen über Staatsgrenzen hinaus handelt und mal hier ist und mal dort. Regelmäßige Einkünfte gibt es nicht. Die Situation mit der neugeborenen kleinen Tochter charakterisiert sie als „die Hölle. Er war eifersüchtig, er hat mich geschlagen und er wollte immer seinen Willen durchsetzen. Ich war gar nichts.“ (105f).

Auch in einer späteren Sequenz führt sie dies aus: „der hat bloß so geprahlt und gedacht, och was für ein Mann bin ich, dass ich nur meine, die kann ich quälen wie ich will. Er ist, glaube ich, so ein sadistischer Typ, ein richtiger Sadist, der vielleicht Vergnügen kriegt durch mein Elend oder mein Weinen oder so.“ (228ff)

Sie erklärt sich sein Verhalten mit der Mentalität seines Herkunftsvolkes. „Das ist typisch für serbische Männer. Und die serbischen Frauen können das vielleicht ertragen, aber ich bin eine andere Mentalität und andere Nationalität. Mein Vater war Deutscher und Mutter Ungarin und da bin ich in einer anderen Welt aufgewachsen, viel zivilisierter. Ich habe nichts gegen diese Leute. (...) Das war vielleicht mein Fehler, das weiß ich nicht, dass ich nicht so stolz war (und schon am Anfang nicht mit ihm geredet hätte, erg.v. I.D.)( 106-110, 116)

Hier verweist sie auf einen Standesunterschied, den sie noch konkretisiert im unterschiedlichen Bildungsgrad des Paares. Er ist Kraftfahrer, sie hat Abitur. Den Beginn ihrer Eheschwierigkeiten lokalisiert sie in der Zeit nach der Geburt des Kindes, wobei dieses nur den Auslöser darstellt, dass seine wahren Seiten zum Vorschein kommen konnten. Seine streng patriarchalen Vorstellungen von Beziehung und Ehe, von weiblicher Verfügbarkeit und Unterordnung, führen dazu, dass er schlecht mit der Situation umgehen kann, nun ein Drittes im Bunde zu haben, das alle Aufmerksamkeit der Mutter, seiner Frau, erfordert. Außerdem sei die anfängliche Liebe bald erkaltet. Bei Herrn Markovic flammt Eifersucht auf, die in Gewalt gegen Frau Markovic

kulminiert. Sie stellt am Beispiel des verwehrten Kontaktes zu anderen Frauen (125ff) ihre Gefühle des Eingesperrtseins dar:

„Also er hat nicht, überhaupt nicht, er hat keine Freiheit gewährt, also mit anderen Frauen, zum Beispiel mit anderen Frauen Kaffeeklatsch oder so, das war für mich gar nicht, so dass ich heute auch noch Hemmungen habe, so Kontakte zu knüpfen. Und ich weiß auch nicht, ich bin immer noch nicht so weit mit meinem Selbstvertrauen, dass ich einfach jemanden anrufe und ihnen erzähle, Kontakt habe und so.“ ( 125- 130)

Diese Zurückhaltung bringt sie auch in Verbindung zur Beratung. Sie erträgt alles mehr oder weniger, aber weder private noch professionelle Hilfe kommen ihr in den Sinn. Von Beratung, die man einfach in einer Beratungsstelle in Anspruch nehmen kann, hat sie nie gehört. Wohl aber gab es eine verschwommene Vorstellung von Frauenhäusern.

„Ich habe gewusst, dass es ein Frauenhaus gibt, da wollte ich einmal schon reingehen, aber da habe ich mich auch irgendwie nicht getraut damals“(142f)

Im Laufe der 35 Jahre dauernden Ehe kommen noch weitere drei Kinder dazu. Eskalationen von Gewalt gehören zum Alltag. Auch Trennungsversuche und Aussprachen gibt es. Allerdings kann der Mann die Versprechungen zur Besserung nie einhalten, und andererseits ist Frau Markovic nie konsequent in ihrem Scheidungsvorhaben. Ihr „innigster Wunsch“ (174) war es, sich scheiden zu lassen, aber stattdessen hat sie sich bei ihren Kindern „ausgeweint“ und „gejammert“. Heute erkennt sie, „dass es falsch war, weil die Kinder haben auch sehr darunter gelitten“(148 ff). Ihre Mutter, die inzwischen auch bei Frau Markovic leben will, aber sich aufgrund des Konfliktes mit dem Ehemann anders arrangiert, leidet ebenso darunter wie die Kinder. Alle werden belastet, aber Frau Markovic findet keinen Weg, bzw. hat keine Vorstellung von einer Lösung, auch nicht von fremder Hilfe. Vielmehr verdeckt sie die Misere nach außen und hütet sich, über die Missstände zu Außenstehenden zu sprechen. Sie ist regelrecht isoliert, hat keine Freundinnen, und wenn sie mit den Kindern draußen ist, hat sie sich „nicht getraut, jemandem zu erzählen, was los ist. (...) Die haben gedacht, ah, die hat einen guten Mann, hübschen Mann und was weiß ich, aber zuhause war er ganz schlimm, so richtig.“ (160ff )

Nach dieser Schilderung der häuslichen Verhältnisse und ihres Umgangs damit, nach ihrer Rat-losigkeit im wörtlichen Sinne, schwenkt Frau Markovic in ihrem Bericht wieder zurück auf die Suche nach Unterstützung in Form von institutionalisierter Beratung, für die erst die Krankheit und die darauf folgende Kur den Ausschlag gaben.

„In der Kur, da wurde mir also auch vorgeschlagen von dort aus schon, von Frauen habe ich gehört auch, ich soll eine Beratungsstelle aufsuchen. Und die Therapeuten haben mir auch gesagt und diese Sozialarbeiterin dort hat zu mir gesagt, ich soll, wenn ich nach Hause komme, dass ich

alles, also wenn ich mich scheiden lassen will und mein Leben ändern möchte, dann muss ich unbedingt jemanden zuhause haben, wo ich mich hinwenden soll. Und dass ich mit Hilfe dieser Beratung und mit, also, mit eigener Kraft und so, dass ich die Scheidung durchbringe, wie ich mir auch oft vorgestellt habe“(166-174).

Nachdem sie also ihr Elend nach 35 Jahren öffentlich macht, erkennt sie, dass sie auch Hilfe von außen braucht und diese tatsächlich bekommt. Sie lernt, dass sie eigene Kraft besitzt, auch wenn sie dies kaum zu glauben vermag. So weicht das Klagen einem zielgerichteten Planen und Handeln, für das sie Unterstützung wahrnimmt. Die Angst vor der tatsächlichen aktiven Änderung ihrer Situation bleibt teilweise, Frau Markovic stellt ihr jedoch die Wahrnehmung der Verant-wortung für diese ihre Situation und deren Veränderung entgegen. Hätte sie früher gewusst, so räumt sie ein, dass es derartige Instanzen der Unterstützung gibt, dann wäre vielleicht alles anders verlaufen. Doch dass es nie zu spät ist, beweist ihre Scheidung ein Jahr später:„Und das habe ich jetzt durchgebracht durch praktische Hilfe“(176,), so kann sie jetzt erleichtert sagen.

Vom diesem Resultat ihrer Beratungserfahrungen her rollt sie deren Entwicklung auf. Ihr erster Eindruck von der Beraterin folgt. „Dann habe ich die also total sympathisch gefunden auch, konnte ihr alles erzählen, die hat mir so zugehört und hat mich halt auch beraten, einen Rechtsanwalt zu finden. Dann hat sie sich eingesetzt, die Adresse aufzusuchen, also zu finden, dann hat sie auch angerufen um Stellen, aber die waren nicht viele, jugoslawische also.“ (183-188) Schließlich geht sie zum Rechtsanwalt und steht dem Problem gegenüber, den Ehemann aus der Wohnung „rausjagen“ zu müssen, weil dieser die eigentlich ihr gehörende Wohnung als die seine betrachtet und sich weigert auszuziehen.

Hier kann sie auf die Unterstützung der Beraterin zurückgreifen. Diese besteht in Folgendem:

„Die Unterstützung war so, dass wir uns jede zweite Woche getroffen haben und dann haben wir besprochen, was zu tun wäre von meiner Seite aus und sie hat mir, wenn ich Adressen oder so was gebraucht habe, hat sie mir sofort geholfen, oder sie hat mir etwas geraten und dass ich das in diesen zwei Wochen jetzt mache und dann wieder zu ihr komme und ihr berichte, was war. Und das hat ganz gut geklappt mit ihr.“(246-251)

Frau Markovic ist „total glücklich“, und erzählt ihrer Tochter und ihren Bekannten aus der Kur gleich davon. Sie freuen sich mit ihr.

Das Vertrauen zur Beraterin wächst schnell. Neben der Ermunterung zu erzählen und dem gedul-digen Zuhören sind Vorschläge zum praktischen Handeln und das Erlegedul-digen von Adressensuche, Kontakteknüpfen oder beispielsweise die praktische und finanzielle Ermöglichung des Auswech-selns des Haustürschlosses Inhalt der Beratungssitzungen.

Auch die eigenen Stärken von Frau Markovic werden angesprochen. „Sie hat offen auch mir gesagt, dass ich eine starke Frau bin in ihren Augen, meine Stärke, und die hat mir auch immer wieder gesagt, dass ich starke Frau bin, obwohl, ich wusste gar nichts davon“(332ff).

In einer Atmosphäre der Akzeptanz fühlt sich Frau Markovic aufgehoben und unterstützt, so dass sie daran gehen kann, nun nach jahrelangem Zögern ihren Wunsch nach Scheidung auch wirklich Gestalt annehmen zu lassen. Wie dies tatsächlich realisiert wurde, verrät sie uns erst in einem späteren Abschnitt.

Ein weiterer narrativer Teil gibt uns wieder Auskunft über den langjährigen Prozess der Ablösung vom Mann, bis er ins Heute überführt. Ein Hin und Her kennzeichnet die eheliche Situation lange Zeit. Der Mann setzt sich ins ehemalige Jugoslawien ab, dann erfolgen die Bombardements von Belgrad 1999 und er muss fliehen. „Mit leeren Händen“kommt er nach Deutschland, ruft bei ihr an und bittet um eine Bleibe. Damals war sie „noch nicht so stark“ und hat seiner Bedrängung nachgegeben und ihn wieder aufgenommen, obwohl auch ihr ältester Sohn dagegen war. „Dann habe ich ihn nicht mehr rausbekommen, bis ich dann so krank war“ (360 f).Dies ist der Punkt, an dem ihre Eingangserzählung ansetzt, die hier jedoch noch eine Vertiefung erfährt. Sie hat zu dieser Zeit eine Arbeitsstelle in einer Fabrik mit weiten und umständlichen Anfahrtswegen und Nachtschichten. Zusammen mit der Belastung durch den Mann, der den ganzen Tag über „auf dem Sofa lag“ und sich von ihr bedienen lassen will, Geld von ihr fordert, sie aber gleichzeitig beschimpft, kommt es dann zu unerträglichen Schmerzen, Verspannungen und schließlich zum Zusammenbruch. Sie ist„total fertig“(370).

Im Anschluss wird das Vorgehen der Sozialarbeiterin von der Krankenkasse näher beleuchtet. Sie bringt es über einen längeren Zeitraum mit hartnäckigem Dranbleiben, und trotz einigen Ableh-nungen der zuständigen Stellen fertig, dass die Kur genehmigt wird und Frau Markovic dann end-lich fahren kann.

Wiederum detaillierter werden hier noch die Umstände beschrieben, die Frau Markovic schließ-lich zu ihrer aktuellen Beraterin bringen. Es gibt offensichtschließ-lich noch einige Anläufe bei Psycho-therapeuten. Denn die Therapeuten in der Kur empfehlen ihr, „an psychotherapeutischen Sitzu-ngen teilzunehmen“ (387). Sie macht sich wohl auf den Weg und erlangt über die Krankenkasse auch Adressen, jedoch muss sie feststellen, dass es nirgends freie Termine gibt, überall muss sie mit Wartezeiten bis zu einem Jahr rechnen:

„(...) aber die haben überhaupt keine Termine. Da hat niemand eine Chance, also an therapeu-tischen Sitzungen teilzunehmen und so. Wenn jemand tatsächlich was braucht, kriegt man’s nicht.“(390ff)

An einer sog. Beratungsstelle für Frauen bekommt sie schließlich einen Termin mit Wartezeit:

„Na, das war mindestens ein halbes Jahr. Und eine Frau, wenn eine Frau Unterstützung braucht, von einem Ehemann loszukommen, oder so, die braucht sofort Hilfe, aber nicht nach einem halben Jahr.“(399ff)

In Bezug auf diese Frauenberatungsstelle wirft sie ein, dass es ihr besonders wichtig war, die Beratung bei einer Frau zu bekommen, „weil Frauen können Frauen eher verstehen“ (409). Sie schildert in diesem Zusammenhang den einzigen Mann (als Professioneller) in der Kur, den leitenden Psychologen, als jemanden, der sie explizit nicht ernst nimmt und ihr nicht viel zutraut:

„der hat mir gesagt beim Abschied, ach das schaffen Sie sowieso nicht, gerade wie Sie sind, ich kenne die jugoslawischen Frauen und so, wie sie sind und so, dass ich es eh nicht so ernst nehme oder schaffen werde.“ Sie folgert daraus: „Aber das war, also Frauen nehmen eine andere Frau viel mehr ernst als er, also Männer (...) Frauen wissen die Probleme eher und die Männer haben wieder ihre eigene Welt und die eigenen Ansichten über die Frauen. Das ist immer noch so, das ist immer noch nicht so total gleichberechtigt, wie das sein soll“(415-422).

Damit zeigt sie, dass Frauen in einer Beratungsbeziehung der gemeinsame Lebenshorizont verbindet, aus dem Ernstnahme und Akzeptanz, schließlich sinnvolle Hilfe entsteht. Auch auf ihren Ex-Mann bezogen, der jegliche gemeinsame Beratung mit ihr abgelehnt hat, formuliert sie prägnant: „Viele Männer sagen noch heute, die Frau hat zu gehorchen, da braucht man keine Beratung“ (433).

Anstatt jedoch zu resignieren und aufzugeben, gibt es für sie nur den Ausweg der Trennung, denn über das Thema Geschlechterhierarchie oder Gleichberechtigung lässt sich in ihrem Falle mit dem Mann nicht mehr diskutieren, geschweige denn einen Modus vivendi aushandeln.

Anstatt jedoch zu resignieren und aufzugeben, gibt es für sie nur den Ausweg der Trennung, denn über das Thema Geschlechterhierarchie oder Gleichberechtigung lässt sich in ihrem Falle mit dem Mann nicht mehr diskutieren, geschweige denn einen Modus vivendi aushandeln.