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Herr Roth ist ca. 50 Jahre alt, seit einigen Jahren aufgrund einer massiven Knie- sowie einer Epilepsieproblematik und einhergehendem Alkoholmissbrauch arbeitslos, kann viele Arten von Arbeit auch gar nicht mehr ausführen und hat mehrere Versuche, den Alkohol aufzugeben, hinter sich. Ebenso langjährig ist seine Beratungserfahrung mit ca. drei verschiedenen, z.T. stationären, z.T. ambulanten Stellen. Er lebt in einer teilstationären Einrichtung zur „Resozialisierung“. Die Form der Unterstützung durch betreutes Wohnen ist für ihn völlig alternativlos, da er weiß, dass seine gesundheitliche Situation dringend der Stabilisierung bedarf, ansonsten riskiere er lebens-bedrohliche Zustände in Verbindung mit notwendigen Medikamenten und z.B. Alkoholexzessen.

Diese Thematik macht ihn in der Vergangenheit auch öfter depressiv, heute entwickelt er mehr Optimismus. Besonders aber beschäftigt ihn eine Beziehung zu einer früheren Freundin, die er zurückzugewinnen sucht durch die Stabilisierung seiner Lage. Seine Motivation zur Veränderung bezieht er also vorrangig von dort, obwohl er in Unsicherheit lebt, ob sie mit ihm jemals wieder eine Zukunft aufbauen will.

Zufriedenheit bezüglich der Beratung in diesem teilstationären Setting formuliert er unter der Bedingung, dass die beratende Fachkraft sich wirklich Zeit nehmen kann, seine Privatsphäre re-spektiert und gewisse Grenzen nicht überschreitet. In anderen Worten, das Beziehungsthema, das auch Beziehungen zu Angehörigen einschließt, seine Krankheitsvorgeschichte und seine Gefühle dazu werden ausgeklammert von der Beratung; dies alles gehe den Berater nichts an. Beratungs-anliegen sind aktuelle Gesundheits- und Alkoholprobleme, Vermittlung in leichte Arbeit oder die derzeitige Arbeit in einer beschützenden Werkstatt und schließlich Behördengänge und Alltags-praktisches. Wenn diese Anliegen kompetent, einfühlsam, respektvoll und motivierend bearbeitet werden, entwickle sich Vertrauen. Vorschreiben, etwa eine Voraus-Planung des Wochenendes, um Frustration zuvorzukommen, lasse er sich nichts. Das muss auch sein Berater akzeptieren.

In dem Arrangement des Betreuten Wohnens fühlt er sich leidlich wohl und ist zufrieden.

Dennoch klingen Gefühle der Einsamkeit und Heimatlosigkeit durch. Sein Ziel ist, wieder mit einer Partnerin zusammen zu leben. Diese Perspektive und die Beziehung zu jener Frau hat ihn über die Jahre auch verändert: Heute sei er eher bereit, anderen zuzuhören, „auf sie einzugehen, und nicht nur auf stur zu schalten“. Auswirkungen von Beratung nennt er nicht explizit, er schreibt Veränderungen sich selbst und der Partnerin zu. In diesem Rahmen bezeichnet er sich auch als selbstbewusster als früher. Hierbei zeigen sich vage religiöse Bindungen: Für seine Ziele erhofft er sich Unterstützung von einer höheren Kraft, von einem Gottesbild, das er mit „der da oben in der Höhe“ charakterisiert.

Als korrespondierend zu Herrn Quast wird dieser knapp dargestellte Fall deshalb bezeichnet, weil der Lebenskontext und das Beratungsanliegen, außerdem die von außen, von einer Beziehung zu einer Frau kommende Motivation, ähnlich sind, und weil bei beiden ein Hauptthema die Tiefe der Beratungskommunikation und die Bearbeitung der Anliegen ist.

Wo Herr Quast die Tiefe einfordert, wird sie von Herrn Roth zunächst allerdings abgelehnt, bleibt aber ein wichtiges Thema und zeigt sich soz. hintergründig immer wieder im Wunsch nach tiefergehender persönlicher Kommunikation und Akzeptanz. Die „Argumentationskonfiguration“

(vgl. Kap. 4.4.) ist hier am Punkt Intensität im Beratungsprozeß z.T. stark unterschiedlich, z.T.

nähert sie sich wieder an, macht jedoch auf jeden Fall ein gemeinsames übergeordnetes Thema aus.

Die subjektive Relevanz von Beratung für Herrn Roth:

Beratung (wirkt) als lebenspraktische Unterstützung.

Zusammenfassung entlang den Auswertungskategorien / Herr Roth 1. Zugang

Für Herrn Roth gab es wegen seines stark eingeschränkten Gesundheitszustands, seiner Arbeitsunfähigkeit und Mittellosigkeit keine Alternativen. Über einen Arzt erfolgte der erste Beratungsstellenkontakt, daraus ergab sich die Aufnahme in eine teilstationäre Einrichtung. Von da an war Beratung selbstverständlicher Bestandteil des Wochenablaufs.

Die Erwartungen kreisten vorrangig um gesundheitliche und lebenspraktische Hilfe, ohne selbst viel vom psychosozialen Hintergrund thematisieren und preisgeben zu wollen.

Räumliche Zugänglichkeit spielt kaum eine Rolle.

2. Beratungsbeziehungen

Sie gestalteten sich positiv, wenn Respekt und Distanz gewahrt blieben und eine konkrete Alltagsnähe Beratungsinhalte auch umsetzbar machten.

Das sog. Privatleben wurde der Fachkraft nur bedingt offenbart, wobei zum Beginn des gesamten Beratungsprozesses Grenzen eher verärgert aufgerichtet wurden, als das Gefühl entstand, dass eine Beraterin zuviel Neugierde zeigte. Später konnte sich Herr Roth in der Verbindung der Beratung mit lebenspraktischer Hilfe stärker öffnen, wies jedoch an manchen Stellen auch seinen Berater deutlich darauf hin, dass er ihm nicht zu allen Bereichen seines Lebens Zugang gewähren bzw.

dort Veränderung angestoßen haben wollte.

Die Relation zum Geschlecht der Fachkräfte zeigt, dass er bei Frauen offenerer, vertrauensvoller reagiert.

Der eingeforderte Respekt vor ihm als Person und vor seinen Grenzen begünstigte die Vertrauens-entwicklung. schlussendlich wollte er sich nicht völlig ausliefern in der Beratung, sondern sich vorbehalten, was er von sich offenbart.

3. Inhaltliche Gestaltung der Beratung

Auch bei Herrn Roth dreht es sich vorrangig und chronologisch geordnet um die Bewältigungskonstellation der zerbrochenen Gesundheit, des einsetzenden Kontrollverlusts bezüglich Alkohol, der als Problemlösung fungierte, und daraus resultierendem Partnerverlust.

Mit dem Blick auf die Methodik der Beratung forderte Herr Roth sogleich partizipative Anteile ein, als er bestimmte, dass auch Distanz gewahrt werden soll, dazu die Aushandlung, wie die Tiefe der Beratung aussehen sollte, und welche Bereiche tabu blieben. Darunter fielen auch die gemeinsam ausgehandelten und ihm so auch sinnvoll erscheinenden Kompromisse bezüglich der erlaubten Alkoholmenge.

Die Rekonstruktion von Anliegen bewegte sich im breiten Spektrum von praktischen Absprachen, z.B. bzgl. des Alkoholkonsums und gesundheitlichen Belangen, Informationsvermittlung, Rat und Hilfe bei Arbeitssuche und sozialrechtlichen Fragen bis hin zum Gespräch über die psychische Befindlichkeit. Prozessschritte und –abläufe scheinen z.B. bei der beanstandeten Form der Beratung durch eine weibliche und „neugierige“ Fachkraft etwas vorschnell aufeinander gefolgt zu sein, jedenfalls ging ihm das Insistieren und „im Privatleben rumstochern“ wohl zu tief und zu schnell. Denn bei seinem aktuellen männlichen Berater kann er – auch nachdem er konfliktträchtig klargestellt hatte, dass er sich nichts vorschreiben lasse, sich sehr wohl öffnen. Herrn Roths Beratungsprozeß führt immer wieder über Konflikte zu einer neuen Aushandlung, wie weit Beratung gehen kann, danach scheint er aber zu profitieren von der Beratung.

4. Auswirkungen der Beratung

Die Zufriedenheit ist hoch, wenn Distanz und Respekt vorhanden sind.

Die für Herrn Roth sichtbaren Auswirkungen von Beratung lokalisierte er auf der lebenspraktisch-konkreten Seite. Hier nannte er das kontrollierte Trinken und die Vorgabe eines Rahmens, in dem er die eigenständige Regelung der eigenen Angelegenheiten wie z.B. Post, Mahnungen, Behör-dengänge und ärztliche Betreuung langsam wieder selbst angehen und gestalten konnte. Seine positive psychosoziale Entwicklung schrieb er aber nicht vorrangig der Beratung und Begleitung zu. Herr Roth hat wieder Verantwortung übernommen für sein eigenes materielles und soziales Auskommen. Er konstatiert heute ein deutlich höheres Selbstbewusstsein als in früheren Zeiten, und erkennt an sich selbst mehr Öffnung und ein konstruktives Eingehen auf andere, anstatt den

Rückzug mit einer Haltung der Sturheit anzutreten. Selbstwert-Rückgewinn und bessere soziale Orientierung kann deutlich konstatiert werden, mit dem sozialen Rückhalt und der Normalisierung wird es wohl noch etwas dauern.

Als Quelle dieser Veränderungen nennt er sein eigenes Bemühen, das bestimmt ist von der Liebe zur Partnerin. Denn die Trennung von ihr bewirkte nach seiner Meinung die Einsicht („es liegt jetzt an mir“) und Motivation zur weiteren Festigung seiner Lebenssituation. Als stärkste Kraft bzw. Ressource war für ihn die Liebe zur Partnerin bzw. der Wunsch nach vertrauensvoller und enger Beziehung zu ihr anzunehmen. Da dies in der Beratung aber nicht genutzt wurde, weil er es nicht zur Sprache brachte, entwickelte er eine ganz eigene Orientierung an dieser seiner Ressource und behielt diesen lebensbestimmenden, wichtigen Bereich wie einen Schatz sich selber vor, gab ihn also auch nicht einer möglichen Zerstörung durch die Realitätsbezogenheit seines Beraters preis, der sie ja als möglicherweise trügerische Hoffnung hätte entlarven können.

5. Organisation

Das kontinuierliche Beratungsangebot in der teilstationären Einrichtung, das auch kurzfristig bei Bedarf wahrgenommen werden kann, wurde als konstruktive Begleitung empfunden, die irgend-wann nicht mehr nötig sein wird.

Alle unterschiedlichen Beratungssequenzen wurden als sinnvoll aufeinander folgend und komple-mentär wahrgenommen.

6. Kategorie Geschlecht

Im Innenverhältnis: Weiblichen Beraterinnen schrieb Herr Roth ein offeneres, vertrauensvolleres Verhältnis zu, das er jedoch in einem Fall als überstrapaziert und invasiv-ausfragend empfand.

Aber grundsätzlich war ihm das Geschlecht nicht besonders wichtig.

Im Außenverhältnis: Die Partnerin und die Liebe zu ihr generiert seiner Meinung nach die Veränderung. Die Trennung von ihr fördert Einsicht und Veränderungswunsch. Das Außenver-hältnis fungiert also als Motivation für Veränderung im Betroffenen, nicht vorrangig die Kunst der Beratungsfachkraft. Ganz deutlich waren „typisch“ männliche Bewältigungsversuche zu erkennen:

Externalisierung in Form der Abwertung („was labert der schon wieder..“)und der Leugnung des Alkoholproblems auch vor sich selbst. Diese wurde teilweise aufgebrochen.

Korrespondierender Fall 2: Frau Engel

Frau Engel ist eine heute 38-jährige Ingenieurin, die mit einem Ingenieur verheiratet und Mutter zweier Söhne im Alter von 8 und 16 Jahren ist. Seit 2 Jahren ist sie wieder berufstätig und erteilt als Teilzeitkraft im Schuldienst Physikunterricht.

Beratung sucht sie in der Lebensphase nach dem Studium, als ihr erster Sohn ca. 5 Jahre und sie selbst ca. 27 Jahre alt sind. Sie fühlt sich mit den Anforderungen, die die Erziehung, ihre Eltern, eine Teilzeitstelle und die beruflich bedingte Trennung vom Ehemann an sie stellen, völlig überfordert. Themen sind vor allem das nächtliche Einnässen und die Widersetzlichkeit des Sohnes, die sie an den Rand ihres Selbstvertrauens bringen. Dazu kommt die Kritik ihrer Eltern und die Tatsache, dass sie ihre Ehe, die während des Studiums und Frau Engels Schwangerschaft geschlossen wurde, als zerrüttet empfindet, weil sich der Mann aus der Erziehung eher heraushalten und sich um seine Berufslaufbahn im Ausland kümmern will.

Frau Engel findet über das örtliche Telefonverzeichnis den Kontakt zu einer Erziehungs-beratungsstelle. Dort erlebt sie eine Sequenz von ca. 8 Beratungssitzungen, zu denen auch zweimal der kleine Sohn mit eingeladen wird. Bei der ihrer Meinung nach freundlich distanzierten und sehr kompetent wirkenden Beraterin kann sie sich öffnen und erfährt, dass sie außer der Problematik mit dem Sohn vor allem ihr eigenes Gewordensein, ihre noch fehlende Abnabelung vom Elternhaus und der Druck, unter den sie sich selbst stellt, thematisiert werden können. Das Verständnis und die Betonung ihrer eigenen Stärken, auch ein „Ausheulen-Können“, tragen zu ihrer Entlastung bei. Ihre Anliegen werden psychologisch orientiert behandelt; materielle, rechtliche, selbst soziale Ressourcen kommen nicht vor. Sie kann im Nachhinein nicht dezidiert der Beratung das Verdienst zuschreiben, eingreifende Veränderungen bewirkt zu haben. Distanz zum Ehemann, besonders aber der Lauf der Zeit mit vorgegebenen Veränderungen, nicht so sehr schwerwiegende Entscheidungen oder Reflektionen, bringen ihrer Erfahrung nach persönliche und berufliche Stabilität mit sich und bewirken mehr Souveränität. Heute fühlt sie sich zufrieden in ihrer Rolle als nun zweifache Mutter, Ehefrau und Lehrerin und unterhält vielfältige Kontakte, auch über Ehrenämter.

Auf den ersten Blick mag man sich fragen, warum dieser Fall Herrn Quast zugeordnet wird, da der Lebenskontext und der Bildungsstand doch so unterschiedlich sind. Dazu ist zu sagen, dass letzterem weniger Bedeutung in der Zuordnung beigemessen wurde als vielmehr der inhaltlichen Struktur, wie sie von Frau Engel selbst eingeschätzt wird:

Sie gibt an, dass sie in einer für sie alternativlosen Situation Beratung gesucht hat, und dass ihr die schließlich angebotene Tiefe der Reflexion, die die Funktion des Aufbrechens in sich verfangener Denkmuster übernahm, zugesagt hat. So konnte sie sich selbst besser kennen lernen und verstehen und selbstbewusster werden. Außerdem entlasteten sie das Sich-Ausreden und „Ausheulen“-Können. Dass der Lauf des Lebens, besonders auch sog. Statuspassagen, hier vom Studium ins Berufsleben, eine eigene, verändernde Dynamik mit sich brachten, rückt sie zwar in die Nähe von Frau Gall’s Erfahrungen. Frau Engel kennt aber deren Gefühl der massiven Blockade für Beratung

(„Es kam nichts an“) nicht, im Gegenteil, sie nahm Beratung intensiv auf. Sie ist in gewisser Weise hier ein Sonderfall, weil sie Beratung nur einmal in ihrem bisherigen Leben in Anspruch genommen hat, also keine Erfahrungen mit unterschiedlichen Fachkräften, Zuständigkeiten und sich verschränkenden Beratungsinhalten hat. Da ihre inhaltliche Erfahrung mit dem Fokus auf der Tiefe beraterischer Intervention liegt, ordne ich sie den Herrn Quast und Herrn Roth zu.

Subjektive Relevanz von Beratung für Frau Engel:

Beratung (wirkt) als Hilfe zu Selbstakzeptanz

Zusammenfassung entlang der Auswertungskategorien / Frau Engel 1. Zugang

Die empfundene Alternativlosigkeit mit innerer seelischer Not ließ informelle, private Beratung nicht sinnvoll erscheinen,

Der Zugang erfolgte über Eigeninitiative. Grund war ein typisches Bewältigungsproblem im Zusammenhang mit der Vereinbarkeit von Studium, Partnerschaft und (frühzeitig erschienenem) Kind, das Überforderung hervorbrachte.

Der Erwartung an die Beratung lag eine „Probierhaltung“ zugrunde i. S. v. „Schaden kann´s nicht, vielleicht nützt es etwas“.

Frau Engel hatte keinerlei Vorerfahrungen mit Beratung. Ihr ursprünglicher Wunsch nach Tipps und Rezepten wurde umgelenkt auf die eigene Reflexion der Lebenssituation.

2. Beratungsbeziehungen

Diese waren geprägt von freundlicher Distanziertheit, Takt und vorsichtig aufdeckender Vorgehensweise, die Frau Engels Not erst einmal respektierte.

Eine Frau als Fachkraft wurde bevorzugt wegen eines angenommenen ähnlichen Lebenshorizonts und daraus resultierendem Vertrauensvorschuss für eine Frau als Beraterin. Dabei war Frau Engel bewusst, dass sie einem Machtgefälle unterlag, aber im Vertrauen auf seriöse Hilfe an einer staatliche geförderten Stelle akzeptierte sie dies.

3. Inhaltliche Gestaltung

Die Rekonstruktion der Anliegen erfolgte auf psychologisch orientierter Basis. Von der vorrangig erlebten Problematik mit dem Sohn wurde der Fokus verschoben hin zu ihr selbst als Frau und Mutter. Dabei wurde auf das eigene innere Erleben besonders eingegangen. Dieses Vorgehen wurde als sinnvoll erlebt und begrüßt. Die Themen kreisten um die Ablösung vom Elternhaus und deren Nachholung, die Wahrnehmung eigener Bedürfnisse, Frau Engels Schuldgefühle und deren Relativierung, das eigene Sich-Unter-Druck-Setzen und Alleingelassen-Fühlen vom Ehemann.

Es wurden nur personeigene Ressourcen auf der psychischen Ebene erschlossen.

Dies geschah partizipativ, indem Frau Engel eigene Themen vorgeben und deren Bearbeitung bestimmen konnte. Gemeinsam erarbeitete Lösungsvorschläge, jedoch keine Anweisungen oder Rezepte waren hilfreich. Ein kompakt geführter und subjektiv erlebter Prozess ermöglichte das Nachholen mancher notwendigen Erfahrung, die eine jung geschlossene Ehe im Studium mit Kind wohl überfordert hätte.

4. Auswirkungen

Die Lösung der Eheproblematik, auch der Mutter-Sohn-Problematik mit abwesendem Vater wird dem Leben als Prozess zugeschrieben, nicht vorrangig der Beratung.

Die Beratung ermöglicht aber durch die Erfahrung der Begleitung und des Aufbrechens überkommener Denkweisen größere Gelassenheit, Entlastung, und Stabilisierung in der eigenen Lebenswelt. Daraus erwuchs Hilfe zur „Sortierung“ in der aktuellen Krise, später erfolgte durch die Statuspassage vom Studium in den Beruf und ein gemeinsames Familienleben eine Entzerrung und positive Festigung der Situation. Lebensläufe regulieren sich also fast „wie von selbst“. Fast.

5. Organisation

Die Komm-Struktur einer psychologisch orientierten Erziehungsberatungsstelle, deren Neutralität und die gewisse Alltagsabgehobenheit waren gewünscht und haben sich bewährt. Alles blieb in einer Hand. Die Beratungssequenz war relativ kurz und kompakt mit 8 Sitzungen. Kosten fielen nicht an, diese hätten beim knappem Haushaltbudget eher abgeschreckt. Eine Wiederaufnahme der Beratung war möglich, aber nicht nötig.

6. Kategorie Geschlecht Im Innenverhältnis:

Wichtig war der angenommene gemeinsame Lebenshorizont einer Frau als Fachkraft: Hier wurde mehr Verständnis vorausgesetzt, ein bewusster Vertrauensvorschuss erfolgte. Dennoch war für Frau Engel der Tenor: „Es kommt darauf an“, d.h. sie hätte sich bei einer männlichen Fachkraft u.U. auch wohl gefühlt. Dies aber hätte sich spontan beim tatsächlichen Eintreten dieses Falles erweisen müssen, und wäre dann von Sympathie und entgegengebrachtem Verständnis abhängig gewesen.

Im Außenverhältnis:

Eine Hinterfragung von hierarchiebesetzten Rollen (Tochter – Vater), auch in der Partnerschaft bzgl. Verantwortungsaufteilung wurde angeregt, doch die Stabilisierung des eigenen Selbst war wichtigster Teil der Beratung. Daraus resultierte ein selbstbewussterer und souveränerer Umgang mit Partner, Kind, mit der Situation überhaupt. Dies bewirkte aber keine grundsätzliche Verän-derung im Geschlechterverhältnis im Sinne einer konkreten Reflexion und VeränVerän-derung mit dem Partner zusammen während der akuten Krise.

Korrespondierender Fall 3 : Frau Früh

Frau Früh ist eine 35-jährige Frau, die sich von ihrem Mann trennte, als die Tochter 3 Jahre alt war, und seitdem allein erzieht. Malina ist jetzt 13 Jahre alt und besucht eine Realschule. Frau Früh sucht noch während der Trennungsphase Familienberatung im Jugendamt mit ihrer Tochter, wobei der Mann jede Art von Beratung ablehnt. Nach der Scheidung beginnt sie, wieder stunden-weise zu arbeiten, während die Tochter im Kindergarten ist. In diese Zeit fällt auch eine Fami-lientherapie mit der Tochter, die ca. ein Jahr dauert und dann zu Frau Früh`s Erstaunen vom Therapeuten mit der Begründung beendet wird, dass das Wesentliche jetzt besprochen sei.

Zeitweise erhält Frau Früh wegen Unterhaltsausfällen Sozialhilfe. Diese Unterstützung will sie baldmöglichst jedoch ersetzen durch den Verdienst aus eigener Arbeit. Es gelingt ihr, bei Schuleintritt der Tochter eine Teilzeitstellung zu finden. Als Malina neun Jahre alt wird, beginnt Frau Früh mit einer Umschulung zur Bürokauffrau, die sie nach zweieinhalb Jahren erfolgreich abschließt. Jetzt ist sie voll berufstätig. Parallel zu ihrem beruflichen Weg gestaltet sich das Zusammenleben mit ihren Eltern schwierig, vor allem, weil sie nach der Trennung wieder bei ihnen einzieht und sich stark bevormundet, jedoch wenig akzeptiert und ernst genommen fühlt.

Ihre Vorstellungen von Erziehung, die sie anders, d.h. persönlich interessierter und im Umgang mit dem Kind vertrauensvoller und intensiver gestalten will, als sie es selbst erlebt hat, werden von ihren Eltern nicht unterstützt, vielmehr eher torpediert. Die Tochter entwickelt auch Verhaltensauffälligkeiten. Schließlich meldet sich Frau Früh auf Empfehlung einer Bekannten bei der sozialen Beratung der Diakonie.

Die Entwicklung beruflicher Perspektiven, Aufarbeitung der Konflikte mit den Eltern und mit der Tochter, Aufspüren ihrer eigenen Stärken und die Strukturierung ihres Alltags, aber genauso die Erschließung materieller Beihilfen oder die Vermittlung und Finanzierungsklärung einer Kinder-kur sind die Schwerpunkte in dieser Beratung durch einen Sozialarbeiter. Beratung ist dort für sie die Form, das „zu stärken, wo man eigentlich selber hin möchte“.

Schließlich merkt sie, dass sie auch psychologische Inhalte weiter vertiefen möchte, um besser mit ihrer Vergangenheit umgehen zu können, der sie die hin und wieder auftretenden Panik-Attacken zuschreibt. Sie deutet nur an, dass sie sexuelle Missbrauchserfahrungen gemacht hat, deshalb soll dieses Thema vorsichtig behandelt werden. Ihr Berater verweist sie jedoch, als sie den Wunsch äußert, diesbezügliche Erfahrungen aufzuarbeiten, an eine weibliche Fachkraft, die damit mehr Erfahrung habe. Frau Früh erlebt dies als eine Unterbrechung, akzeptiert die ehrliche Aussage des Beraters aber so. Schließlich geht sie ihrem Wunsch nach vertiefter Bearbeitung dieses Anliegens und nach psychologisch orientierter Begleitung nach, und beginnt eine Therapie bei einer weib-lichen Therapeutin, die nach ca. einem Jahr den Schluss ankündigt, weil Frau Früh nun auf