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Es bleibt eine lapidare Feststellung, dass sich Geschlecht nicht nur auf Frauen bezieht16– und dass sich Geschlechterforschung als „eine systematische Thematisierung von Geschlecht als Kategorie sozialer Ordnung“ (Gildemeister 2001; 686) verstehen muss.

Wie stellt sich nun Männerforschung dar? Ebenso wenig einheitlich wie die Frauenforschung, doch ist sie wesentlich jünger und weniger umfangreich – und sie wird häufig als Konsequenz der Frauenbewegung verstanden. Es kann jedoch nachgewiesen werden, dass in den letzten beiden Jahrhunderten immer schon kritische Betrachtungsweisen von Männlichkeitsbildern existiert haben, auch wenn sie nicht explizit gemacht wurden (vgl. z.B. Badinter 1991).

Männerforschung hierzulande ist jedoch noch im Werden begriffen (im Gegensatz zu den USA, wo sie allerdings eher in den populärwissenschaftlichen Bereich abdriftet) und hat kaum Theoriebestände aufzuweisen. Dennoch: Winter (2001;S.1160) nennt das von R.W. Connell (1987 und 1999) entworfene Konzept der „hegemonialen Maskulinität“ als eine die Dominanz im Verhältnis von Mann und Frau und auch unter Männern hervorhebende Theorie als einen, auch hierzulande richtungsweisenden Beitrag zu den „men studies“. Es beschreibt Männlichkeit als Struktur von Macht- und Hierarchiefragen, zu der durchaus auch Gewalt gehöre. Diese Struktur entstehe aber auch durch aktive Beteiligung. Männlichkeit werde als “ein Aspekt der Persönlichkeit in zwischenpersönlichen Beziehungen produziert“ (Connell 1995; 27; zitiert in Winter 2001). Dabei sei Männlichkeit nicht statisch zu verstehen, sondern zeige, verändere oder reproduziere sich in „sozialen Praxen“, könne also auch konstruktivistisch gedacht werden.

Anschluss an weibliche Interessenslagen finde dort statt, wo Männer Freunde oder Ehemänner von Frauen, Väter von Töchtern seien und so teilhätten am Gleichheits- und Differenzdiskurs oder an Gerechtigkeits- und Demokratievorstellungen. Die Dekonstruktion von Geschlechter-konstrukten erscheint hier u.U. möglich.

Engelfried (1997), konstatiert die bei Connell noch fehlende Herstellung des spezifischen Zusam-menhangs von als möglich apostrophierter Hierarchisierung innerhalb des männlichen Ge-schlechts zur Ausübung bzw. Vermeidung sexueller Gewalt gegen Mädchen und Frauen. Sie betont jedoch die Ambivalenz der Männlichkeiten, beispielhaft am Bezug zu sexueller Gewalt dargestellt: „Wenn ich konstatiere, dass jeder einzelne Junge und Mann situativ sexistische

16Obwohl man dies meinen könnte auf dem Boden der Tatsache, dass sich neben der „Frauenfrage“ die

Verhaltensweisen zeigt, die in der Struktur der patriarchalen Gesellschaft verankert sind, so kann gleichzeitig festgehalten werden, dass dieselben Jungen und Männer auch respektvoll mit Mädchen und Frauen umgehen, situativ das andere Geschlecht achten.“ (a.a.O., S.205).

Andere Zugänge (z.B. Böhnisch/Winter (1997) machen die männliche Sozialisation zum Aus-gangspunkt geschlechterrelevanter Fragestellungen entlang am Lebenslauf. Es wird gefragt nach Möglichkeiten, patriarchale Gesellschaftsstrukturen und männliche Dominanzkultur zu durch-brechen und damit auch ein Bild „gelingender Männlichkeit“ zu zeichnen, darin jedoch Männer nicht nur als bewältigende, gestaltende, sondern auch als marginalisierte, Sachzwängen unterworfene und leidende Personen wahrnehmen zu können.

Brandes (2002) entwirft ein Rahmenkonzept von männlichem Habitus und sozialer Praxis. Winter und Neubauer entwickeln den Arbeitsentwurf eines Konzepts von “balanciertem Junge- und Mannsein“ (2001; 46), das nicht Defizite feststellen will, sondern Potentiale sieht und Entwick-lung ermöglichen soll.

Forschungsergebnisse sind rar, doch diejenigen der letzten Jahrzehnte lassen eine Tendenz zur Änderung „in der Wahrnehmung des Geschlechterverhältnisses erkennen“, denn „stereotype Aussagen über die Frau und den Mann“ nehmen deutlich ab (so z.B. Metz-Göckel, Müller, 1985;

15). Diese Tendenzen werden nach Hollstein (1988) in der Mittelschicht lokalisiert, doch M.

Meuser kann dem mit seiner Untersuchung von Gruppendiskussionen zu Lebenszusammenhängen und Orientierungsmustern junger Männer widersprechen:

In mittelschichtsorientierten Studentenkreisen erzeuge „die institutionalisierte Dauerreflexion“

von tradierten Männlichkeitsmustern „aber mehr Probleme und Ambivalenzen, als dass sie Rich-tung und Weg einer verändernden Praxis zu bestimmen hilft“ (Meuser 1998; 251f). „Dem-gegenüber scheint der praktisch motivierte Egalitarismus der jungen Facharbeiter deshalb eine praktisch folgenreiche Modernisierung von Männlichkeit zu ermöglichen, weil er ohne eine re-flexive Dekonstruktion fundamentaler Identitäten auskommt.“ (a.a.O., 253). Dieser Befund legt nahe, dass der kritische Punkt für Männer die Befürchtung ist, dass ohnehin unsichere Geschlechtsidentitäten durch Reflexion eigener Dominanzvorstellungen oder tradierter „hege-monialer Männlichkeit“, durch feministisches Gedankengut herausgefordert, vollends aus den eigenen Händen gleiten.

Zur Praxis sozialer Arbeit:

Noch oft bestehen auch in der vorwiegend von weiblichen Fachkräften besetzten sozialen Praxis die feministischen Anklänge an Männer als „die Täter“ gegenüber Frauen als „den Opfern“. Eine positive Perspektive oder gar Zielbeschreibung für die Arbeit mit Männern fehlt jedoch trotz dem seit Beginn der Frauenbewegung festgestellten ansatzweisen positiven Wandel von Männlich-keitsvorstellungen. Das erschwert die Lage, zumal gelingendes Mannsein nicht diskutiert und gefasst werden kann, da gesunde, sozial abgesicherte, integrierte Männer keiner sozialen Arbeit bedürfen, also z.B. in Beratungsstellen gar nicht auftauchen. In Krisenzeiten jedoch treffen Männer dann auf überhöhte Ansprüche „männlicher Normalitätserwartungen“ (Winter 2001, 1166), die vor allem von Frauen normativ-moralisch gestellt werden, und dies häufig in negativer Formulierung, nämlich wie ein Mann nicht zu sein hat, anstatt dass hier positive Orientierung möglich wäre.

Eine „Vielfalt des Mannseins“ im Zuge des Individualisierungsdiskurses wäre erforderlich, die die Veränderung natürlicher und die Pluralisierung sozialer Umwelten einbezieht in die Formulierung eines vielgestaltigen, hoch differenzierten Bildes von Männlichkeit, und offen ist für Widersprüchlichkeiten und eine große Bandbreite der Lebensgestaltungsformen männlicher Biografie, Körper, Sexualität, Beruf, Beziehungen etc. bis hin zu Politik, Wirtschaft u.a.m. In diesem Konzept fände sich auch eine Verortung des Mannseins in der Krise, das üblicherweise in traditionellen Männerbildern verdeckt bleibt (zu diesen Verdeckungen s.a. Böhnisch / Winter 1997), für die soziale Arbeit aber von Bedeutung ist: Alkoholabhängige, kranke, obdachlose Männer, Migranten stellen einen nicht unerheblichen Anteil an Klienten dar, für den es wünschenswert wäre, eine positive Definition von gelingender Männlichkeit in aller Pluralität in der sozialpädagogischen Männerarbeit zu prägen. (nochmals Winter / Neubauer 2001)

Zu Inhalten der Beratung mit Männern:

Böhnisch / Funk (2002;) konstatieren für Männer in der Beratung die fehlende sprachliche Ebene, weil kaum Worte dafür geläufig seien, seelische, evtl. problematische Inhalte zu verbalisieren, u.U. auch die Kontrolle zu verlieren, und dies auszuhalten. Vielmehr griffen Männer auf Externalisierung und Rationalisierung zurück: Anstatt über Gefühlsinhalte und Konflikte zu reden und diese abzuarbeiten mit den InteraktionspartnerInnen, und vor allem eigene Hilflosigkeit auszuhalten bzw. diese sich überhaupt zuzugestehen, würden diese eher nach außen verlagert (projiziert) in Form von Abwertung, Leugnung etc., oder auch zu lösen versucht in physischer Gestalt, bis hin zu aktiver Gewalt gegen sich und andere. Ein Beispiel von Beratung von Männern ist die Beratung im Zusammenhang von Scheidung oder Trennung. „Der Klient (...) fühlt sich als

Mann gedemütigt, kämpft um seine Anerkennung, fühlt sich ohnmächtig und verstärkt damit dauernd seinen Drang, etwas bewirken zu müssen, noch „stärker“, noch mehr männlich-dominant zu sein“ (a.a.O., 231).

Mein empirischer Teil ist folglich auch nach solchen Externalisierungsprozessen zu befragen.

Weiter kann ein Augenmerk auf die unter 3.2. genannten Forschungsergebnisse aus Schweden gelegt werden, nach denen z.B. männliche Klienten der sozialen Beratung weit deutlicher ihre Hilfebedürftigkeit darlegen müssen, und auf ihre Eigenverantwortung verwiesen werden. Darin zeichnet sich ab, dass Männern mehr Bewältigungskompetenz zugeschrieben wird als Frauen, dass sie dieser Erwartung (innerhalb der sozialen Arbeit) aber oft nur schwer entsprechen können, vielmehr die Geschlechtsrollenstereotypik, die von den Fachkräften an sie heran getragen wird auch noch aufrecht erhalten oder reproduzieren sollen.