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Organisation, Träger und Aufbau des öffentlichen Sektors

NPM Nr. NRW

2 Wirkungsorientierte Steuerung staatlichen Handelns

2.1 Ausgewählte Aspekte zum staatlichen Handeln .1 Ursachen, Aufgaben und Ziele der Staatstätigkeit .1 Ursachen, Aufgaben und Ziele der Staatstätigkeit

2.1.2 Organisation, Träger und Aufbau des öffentlichen Sektors

Im bisherigen Verlauf der Untersuchung wurden die häufig verwendeten Begriffe staatliches Handeln, öffentlicher Sektor, öffentliche Verwaltung oder politisch-administratives System eher intuitiv genutzt und ihr Bedeutungsgehalt nicht näher de-finiert.65 Dies soll an dieser Stelle nachgeholt werden, um sich im Anschluss näher mit dem Themenfeld der Organisation, der Träger und des Aufbaus des öffentlichen Sek-tors in Deutschland auseinanderzusetzen.

Der Begriff öffentliche Verwaltung ist aufgrund seiner Reichweite und Komplexität nicht klar definiert.66 Die öffentliche Verwaltung i.w.S. lässt sich nach EICHHORN als

„Veranstaltung zur Wahrnehmung von Angelegenheiten von Gemeinwesen durch Sachverwalter" beschreiben.67 Diese weite Begriffsdefinition umfasst nicht nur die Exekutive als eine Gewalt neben Legislative und Judikative, sondern entgegen der Ab-grenzung im öffentlichen Recht auch Parlamente und Gerichte.6' Verbreiteter ist dage-gen das foldage-gende Verständnis der öffentlichen Verwaltung: ,,Im politischen System der Gewaltenteilung steht die Verwaltung auf der Seite der Exekutive, und zwar als eine der Regierung zuarbeitenden und Entscheidung vollziehenden lnstanz."69 Die öffentli-che Verwaltung i.e.S. ist demnach in der Exekutive lokalisiert und umfasst jedes admi-nistrative Handeln im Rahmen gesetzten und gesprochenen Rechts im Auftrag politi-scher Entscheidungen. Eine idealtypische Grenzziehung zwischen Politik und Verwal-tung darf mit diesem Definitionsansatz allerdings nicht verbunden sein, da in der Rea-lität eine vielfältige Durchmischung zu beobachten ist.70

Die Vielzahl an Tätigkeiten und Institutionen der öffentlichen Verwaltung machen eindeutige Abgrenzungsversuche in funktionaler, materieller oder institutioneller Hin-sicht schwierig.71 Beschreibungen orientieren sich daher eher an einer Darstellung cha-rakteristischer Wesensmerkmale der öffentlichen Verwaltung - häufig verbunden mit einer Betonung der institutionellen Perspektive:72

• sie gehören nicht zur Gesetzgebung, Rechtsprechung oder Regierung

• sie erfüllen öffentliche Ziele und Aufgaben (Gemeinwohlorientierung)73

• es handelt sich um Organisationen im Eigentum des Staates, in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft (juristische Personen des öffentlichen Rechts)

65 Vgl. hierzu und im folgenden auch Pede (1999), S. 2 ff.

66 Vgl. Eichhorn (2002), S. 760.

67 Eichhorn (2002), S. 760.

68 Vgl. Eichhorn (2002), S. 760.

69 Schedler (1993 ), S. 16.

70 Vgl. Pütmer (1995), S. 12 ff.

71 Vgl. Richter (2000), S. 5.

72 Vgl. in ähnlicher Weise Schedler (1993), S. 15 f.; KGSt (1995), S. 9 f.; Pede (1999), S. 3 f.; Rupp (2002), S. 97 und Richter (2000), S. 14.

73 Siehe hierzu die Ausführungen des Kapitels 2.1.1.

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• die Handlungsgrundlage besteht in einem Auftrag des Gesetzgebers, der Ent-scheidungsspielraum ist politisch und rechtlich eingeschränkt

• Handlungen betreffen die Vorbereitung, Umsetzung und Kontrolle politischer Entscheidungen und auf diesen basierende Aktionen

• die erstellten Produkte sind i.d.R. keinem Marktdruck ausgesetzt

• Mitglieder sind Angehörige des öffentliche Dienstes

Der Begriff öffentlicher Sektor ist demgegenüber deutlich weiter gefasst und beschreibt einen Bereich, in dem Werte realisiert werden können, die außerhalb so nicht ange-messen hervorgebracht werden.74 Er wird zur Abgrenzung von den anderen gesell-schaftlichen Sektoren, dem Privaten Sektor und dem Dritten Sektor, verwendet und umfasst sämtliche Organe der Bundes-, Landes und Kommunalverwaltung, der Selbst-verwaltung (z.B. Kammern, Hochschulen etc.) sowie sog. Verwaltungstrabanten in Privatrechtsform (z.B. DFG, Goetheinstitut).75

Der Begriff politisch-administratives System umfasst nicht nur den Staat im juristi-schen Sinne und seine Organe, sondern auch sämtliche politijuristi-schen Akteure wie z.B.

Parteien, die großen Einfluss auf Art und Inhalt der Entscheidungen der eigentlichen Staatsorgane haben und deshalb nicht unberücksichtigt bleiben dürfen.76

Der Begriff staatliches Handeln beschreibt im Verständnis der vorliegenden Arbeit die auf die Realisierung bestimmter Zielsetzungen gerichtete sowie zeitlich und logisch strukturierte Tätigkeit der unmittelbaren Staatsorgane.77

Die vorgenommenen Definitionen lassen deutlich werden, dass eine klare Abgrenzung der Begrifflichkeiten untereinander und zum privaten Sektor nicht immer eindeutig getroffen werden kann.78 Es bestehen große Schnittmengen zwischen den ausgeführten Bedeutungsinhalten. Für die vorliegende Arbeit werden die erläuterten Begriffe daher hauptsächlich als Abgrenzung gegenüber dem privatwirtschaftlichen Bereich verwen-det. Der Begriff staatliches Handeln wird dann verwendet, wenn der Verfasser eine zielgerichtete Tätigkeit der Staatsorgane beschreiben möchte. Der Begriff politisch-administratives System betont dagegen das institutionelle Zusammenspiel von Politik und Verwaltung. Der Begriff öffentlicher Sektor soll die klare Abgrenzung zum Pri-vatsektor sowie seine wirtschaftliche Bedeutung hervorheben. Der Begriff öffentliche Verwaltung beschreibt mit administrativen Aufgaben betraute Institutionen, die be-hördlichen Charakter im Sinne der zuvor genannten Merkmale aufweisen.

74 Vgl. Mc Kevitt/Lawton (1994), S. 58.

75 Vgl. Bogumil/Holtkamp/Wollmann (2003), S. 6.

76 Vgl. hierzu auch von Armin ( 1989), S. 41 zitiert aus Pede ( 1999), S. 2.

77 Zum Begriff der Handlung und der Handlungstheorie vgl. Kückelhaus ( 1999), S. 19 ff.

78 Vgl. hierzu sowie der im folgenden getroffenen Abgrenzung der Begrifflichkeiten untereinander mit einem vergleichbaren Verständnis Pede (1999), S. 4.

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In der Literatur existiert eine Vielzahl weiterer Klassifizierungen, um das heterogene Tätigkeitsfeld der öffentlichen Verwaltung zu strukturieren und näher zu beschreiben.79 So werden beispielsweise in der juristischen Literatur die Eingriffsverwaltung, die in Rechte einzelner verbietend oder gebietend eingreifende Verwaltung und die Leis-tungsverwaltung, die Sachgüter oder Dienstleistungen gewährende Verwaltung, unter-schieden.80 In einer inhaltlichen Gliederung unterteilen HESSE/ELLWEIN die Verwal-tungstypen in:81

Ordnungsverwaltung, welche Sicherheit und Ordnung aufrecht erhält und dafür in die (Freiheits-)rechte der Bürger eingreift (z.B. Polizei)

Dienstleistungsverwaltung, zur Bearbeitung rechtlicher und politischer Aufträge gegenüber Einzelnen (Leistungsverwaltung) oder ganzer Bereiche, wie z.B.

Wirtschaftsförderung (Lenkungsverwaltung)82

Organisationsverwaltung, die interne (Vor-)leistungen für die Verwaltung selbst erbringt

politische Verwaltung, als Schnittstelle zwischen Politik und Verwaltung Neben den dargestellten Ansätzen kann eine Systematisierung nach Trägern weiteren Aufschluss über die Struktur der öffentlichen Verwaltung in Deutschland geben. Trä-ger der öffentlichen Verwaltung sind juristische Personen mit eigener Rechtspersön-lichkeit, die Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts.83 Dane-ben existieren selbständige öffentliche Unternehmen84 ohne eigene Rechtspersönlich-keit wie das Sondervermögen" (z.B. das bundesdeutsche Schienennetz) und der Ei-genbetrieb86 (z.B. der Landesbetrieb Straßen NRW) sowie der unselbständige Regiebe-trieb87 (z.B. ein kommunales Krankenhaus). Die öffentliche Hand kann zudem Beteili-gungen an privaten Unternehmen halten, wie Kapitalgesellschaften (z.B. die Deutsche Bahn AG) oder Personen des Privatrechts als Beliehene mit Aufgaben betrauen (z.B.

TÜV).88

79 Vgl. z.B. Mayer (1972), S. 3; Kosiol (1976), S. 58 ff.; Lüder (1989), S. 1152 oder Maurer (2000), S. 6 ff.

sowie Rupp (2002), S. 97 ff. mit einem Überblick ausgewählter Klassifizierungen.

80 Vgl. u.a. Forsthoff (1973), S. 23 und Becker (1997), S. 440.

81 Vgl. Hesse/Eilwein (1997), S. 343 f. sowie Rupp (2002), S. 97 f.

82 Zur Unterscheidung von Leistungs- und Lenkungsverwaltung vgl. Maurer (2000), S. 6 ff.

83 Vgl. Eichhorn (2002), S. 761.

84 Öffentliche Unternehmen sind Wirtschaftsbetriebe, die öffentlichen Zielen auf der Grundlage öffentlichen Eigentums unmittelbar nachgehen. Vgl. von Loesch ( 1997), S. 286.

85 Bei einem staatlichen Sondervermögen handelt es sich um eine aus der öffentlichen Verwaltung ausgeglie-derte Abteilung oder um einen ausgeglieausgeglie-derten Vermögensgegenstand. Vgl. Jung (2002), S. 109.

86 Ein Eigenbetrieb ist eine verselbständigte Anstalt mit eigener Betriebssatzung und kaufmännischem Rech-nungswesen. Vgl. Hieber (1999), S. 37.

87 Unter einem Regiebetrieb versteht man eine unselbständige Wirtschaftseinheit ohne Rechtsfähigkeit, die über

eigene Organe, eigenes Vermögen und ein eigenes Rechnungswesen verfügt und den Weisungen der Verwal-tung unterliegt. Vgl. Jung (2002), S. 111 und Mühlenkamp (1994), S. 18.

88 Vgl. Eichhorn (2002), S. 108.

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Bei Stiftungen handelt es sich um verselbständigte Vermögensmassen, die einem als gemeinnützig anerkannten Zweck gewidmet sind (z.B. Museen). Anstalten sind selbst-ändige Verwaltungseinrichtungen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben von Dauer, zu deren Erledigung sie mit personellen und sachlichen Ressourcen ausgestattet sind (z.B.

Sparkasse). Bei den Körperschaften sind die Gebiets- und Nichtgebietskörperschaften"9 (z.B. Ärztekammer) zu unterscheiden. Die Gebietskörperschaften Bund, Länder und Gemeinden sind die eigentlichen Träger der öffentlichen Verwaltung, die sich ihrer-seits wiederum der anderen Trägerstrukturen zur Wahrnehmung ihrer Angelegenheiten bedienen.90 Sie erfassen alle Personen ihres Gebietes und besitzen Gebietshoheit, d.h.

die Gewalt, über alle Personen und Sachen ihres Gebietes hoheitlich zu bestimmen, sowie eine unmittelbar gewählte Vertretung, z.B. in Form des Bundestages, der Land-tage, der Kreistage und Gemeinderäte (vgl. Abbildung 2).91

1

Trägerstruktur der öffentlichen Verwaltung 1

1 1 1 1

Unternehmen mit

1 juristische Person d.ö.R. 1 ohne Rechtspersönlichkeit öffentlicher Beteiligung

Kapitalgcscllschaficn Sondcrvcm1ögcn

• Gcnosscnschallcn • Eigenbetrieb

• Vereine • Rcgicbctricb (unselbständig)

Stiftung d.ö.R. 1 1 Körperschaft

11 Anstalt d.ö.R.

1

Gcbictkörperschaftcn Nichtgcbictskörpcrschaftcn Staatliche: Kommunal~: Rcalkörpcrschaficn

• Bund • Gemeinden • Pcrsonalkörpcrschaficn

Länder Kreise • Vcrbandskörpcrschaficn

[Trligcrdcröfti:mlichcn Verwaltung)

Abbildung 2: Systematisierung der Trägerstruktur 92

Die öffentliche Verwaltung ist in ihrer äußeren Struktur dem demokratischen Herr-schaftssystem entsprechend horizontal in die Gewaltenteilung von Legislative, Judika-tive und ExekuJudika-tive eingebettet. Daneben besteht eine vertikale Gewaltenteilung, indem

' 9 Nichtgebietskörperschaften sind selbständige Verwaltungsträger, die ihre Aufgaben unter staatlicher Aufsicht wahrnehmen (Selbstverwaltung). Vgl. Schauer (1984), S. 79. Die Mitgliedschaft kann freiwillig oder er-zwungen sein und gründet auf bestimmte Merkmale, z.B. die Berufsgruppe. Vgl. Richter (2000), S. 13.

90 Vgl. Eichhorn (2002), S. 761.

91 Vgl. Richter (2000), S. 13.

92 Eigene Darstellung in Anlehnung an Richter (2000), S. 12 und Müller (2004), S. 61.

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die Verfassung Bund, Länder und Kommunen als je eigene politisch-administrative Ebene nennt.'3 Die innere Struktur der Hauptverwaltungsebenen ist wiederum in meh-rere Ebenen eingeteilt. Auf Bundes- und Landesebene ist die Verwaltung in die Minis-terien94, die Bundes- und Landesbehörden, Mittelbehörden"' und die örtlichen Behör-den (UnterbehörBehör-den) geteilt. Auf kommunaler Ebene findet eine Trennung in Land-schaftsverband, Kreise, kreisfreie Städte und kreisangehörige Gemeinden statt.96 Wesentliches Merkmal der Bundes- und Landesverwaltung, welche häufig auch als Staatsverwaltung bezeichnet wird, ist das Ressort- und lnstanzenprinzip.97 Die Verwal-tung ist nach sachlichen Kriterien horizontal in einzelne Ressorts eingeteilt (z.B. Fi-nanzministerium, Familienministerium etc.). Der Aufgabenvollzug innerhalb der Res-sorts vollzieht sich, der vertikalen Strukturierung folgend, über mehrere Instanzen. In den Oberbehörden der Staatsverwaltung (z.B. Bundeskartellamt) sind spezielle Aufga-ben der Ministerien ausgegliedert, die sich auf den gesamten Regierungsbezirk bezie-hen.98 Die Mittelinstanzen (z.B. Bezirksregierungen) sind zwischen Oberbehörde und örtlicher Behörde angesiedelt und in ihrem geografisch abgegrenzten Bereich für spe-zielle fachliche Aufgaben sowie Koordination und Aufsicht zuständig.99 Die Unterbe-hörden (z.B. Gesundheitsamt) stellen die operativen Einheiten des Verwaltungsvoll-zugs dar. Sie können durch Kommunalisierung auch Bestandteil der dritten Hauptebe-ne, der kommunalen Selbstverwaltung sein. 100 Hier bilden Gemeinden, zusammenge-fasst zu Kreisen, und die kreisfreien Städte die Verwaltungsebenen.

Zwischen den Hauptebenen der Verwaltung und den eingegliederten Behörden exis-tiert eine Vielzahl von Beziehungen und Aufgabenverflechtungen. Das staatliche Han-deln ist demnach durch eine äußerst verschachtelte Organisationsstruktur und hohe Uneinheitlichkeiten einzelner Vollzugsebenen geprägt, was sich teilweise in intranspa-renten Entscheidungsstrukturen niederschlägt.

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