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Grundlagen des Controlling-Ansatzes

NPM Nr. NRW

3 Wirkungsorientiertes Controlling staatlichen Handelns

3.1 Grundlagen des Controlling-Ansatzes

Das Entstehen institutionalisierter Controllingaufgaben im heutigen Sinne geht auf die industrielle Entwicklung in den USA in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu-rück, wo erstmals sog. »Comptroller« in Unternehmen mit überwiegend finanzwirt-schaftlichen Aufgaben betraut wurden.322 Vielfach wird der eigentliche Ursprung des

320 Vgl. hierzu Berens/Hoffjan (2004), S. l.

321 Vgl. Pook/Tebbe (2002), S. 42.

322 Vgl. Jackson (1949), S. 7 f.; Horvath (2001 ), S. 28 f. und Weber (2004), S. 9 f.

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Controllings aber im staatlichen Bereich gesehen, bereits im 15. Jahrhundert beschäf-tigte das englische Könighaus sog. »Countroller«, die Aufzeichnungen über ein- und ausgehende Gelder und Güter machten.323 In Deutschland hat das Controlling erst seit der zweiten Hälfte der 50er Jahre zunehmend Beachtung gefunden.324 Empirische Stu-dien zeigen, dass das Controlling heute in privatwirtschaftlichen Unternehmen weit verbreitet ist'25, es aber auch ein sehr heterogenes Feld individueller Ausgestaltungen und Aufgabenwahrnehmungen gibt.326

Die Problematik des Controlling-Begriffs ergibt sich aus der Tatsache, dass Control-ling eine Entwicklung der Praxis ist und erst zeitversetzt verschiedenste wissenschaft-liche Deutungen erfahren hat.327 In der Literatur existiert daher keine einheitliche Be-griffsdefinition und es bestehen deutliche Erkenntnislücken bei der theoretischen Fun-dierung des „Praxisphänomens" Controlling.328 WEBER weist darauf hin, dass zunächst zwei grundsätzliche Perspektiven unterschieden werden müssen: Die Begriffe »Cont-roller« und »Controllership« bezeichnen den Stelleninhaber und das von ihm wahrge-nommene Aufgabenbündel, der Begriff »Controlling« bezeichnet demgegenüber eine spezielle Führungs- und Managementfunktion, die von verschiedenen Aufgabenträgern wahrgenommen werden kann.329 Es lassen sich demnach eine institutionelle und eine funktionale Sichtweise unterscheiden. Während sich die funktionale Perspektive mit den Aufgaben, Tätigkeiten und Handlungen des Controllings beschäftigt, betrachtet die institutionelle Perspektive die Handlungsträger und ihre Motive.330

Der funktionale Begriff »Controlling« leitet sich aus dem amerikanischen Verb »to control« ab.'11 Dies sollte allerdings nicht einseitig mit dem deutschen Wort »kontrol-lieren« übersetzt werden, sondern auch andere Bedeutungsinhalte wie einschränken, überwachen, beherrschen, regeln oder steuern berücksichtigen.332 Empirisch wird Cont-rolling häufig mit dem Bild eines Navigationssystems beschrieben, welches den Steu-ermann (Führung) unterstützt.333 Die induktive Herleitung einer kontextunabhängigen Controllingfunktion aus der Praxis lässt allerdings kein charakteristisches, von anderen

323 Vgl. dazu ausführlicher Weber (2004), S. 9. LINGNAU sieht den Ursprung des Controllings sogar um 2.500 v.

Chr. in Ägypten, wo staatliche Stellen die Überwachung des Pyramidenbaus übernahmen bzw. 500 v. Chr. in Rom, wo Quästoren ein Aufgabenspektrum Inne hatten, welches dem heutigen Controllingverständnis bereits stark ähnelt. Vgl. Lingnau (1998), S. 278.

324 Vgl. Klipper (2005), S. 1.

325 Nach einer Studie aus dem Jahr 1988 verfügen bereits knapp 75% der befragten Unternehmen über eine Controlling-Stelle, bei Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten sind es 86%, bei Unternehmen mit mehr als 10.000 Beschäftigten sogar 96%. Vgl. Küpper/Winckler/Zhang (1990), S. 439.

326 Eine Übersicht empirischer Studien für Deutschland findet sich bei Horvath (2001), S. 57 ff.

327 Vgl. Mosiek (2002), S. 8.

328 Vgl. Rupp (2002), S. 7 und Berens/Bertelsmann (2002), Sp. 281.

329 Vgl. Weber (2004), S. 5 f.

330 Vgl. Schenn/Pietsch (2001), S. 207.

3Jl Vgl. Steinle/Bruch (2003), S. 6.

332 Vgl. Klau/Dietrich (1983 ), S. 131 und Rupp (2002), S. 8.

333 Vgl. hierzu Bramsemann/Köster (1998), S. 13.

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betrieblichen Funktionen klar abgrenzbares Aufgabenspektrum, erkennen334 und er-scheint aufgrund der Vermengung von funktionalen und organisatorischen Aspekten problematisch.335

Aus theoretischer Sicht wird Controlling nach vorherrschender Meinung als zukunfts-orientierte Führungsunterstützung aufgefasst, welche die Phasen des Planungs-, Kont-roll-, Informations- und Koordinationsprozesses integriert und somit weit über ein ver-gangenheitsorientiertes „Kontrollieren" hinausgeht.336 Aufgabe des Controllings ist es, die Führung bei ihrer zweckorientierten Steuerungs- und Lenkungsaufgabe und den damit verbundenen Entscheidungen zu entlasten. Diese Unterstützung erfolgt als Ser-viceleistung in Form einer Bereitstellung entscheidungsrelevanter Informationen, die durch zweckorientiert Aggregation und Analyse von Daten gewonnen werden.337 Cont-rolling lässt sich demgemäß als Beschaffung, Aufbereitung, Analyse und Kommunika-tion von Daten zur Vorbereitung zielsetzungsgerechter Entscheidungen bezeichnen.338 Entscheidungsfindung und -durchsetzung sind demgegenüber originäre Führungsauf-gaben. Dem Controlling obliegt es in diesem Zusammenhang, die Rationalität der Führung sicherzustellen. 339

Im wissenschaftlichen Diskussionsprozess zum Controlling-Verständnis besteht aber nach wie vor Uneinigkeit über die inhaltliche Struktur eines Bezugsrahmens, der sämt-liche funktionalen Aspekte des Controlling-Begriffes systematisch integriert. Daher haben sich in der Literatur unterschiedliche Controlling-Konzeptionen herausgebildet, die nach KOPPER derzeit drei inhaltlichen Entwicklungsrichtungen zugeordnet werden können.340 Diese sollen im Folgenden kurz vorgestellt werden:

Die gewinn- bzw. ergebniszielorientierte Controlling-Konzeption stellt die Notwen-digkeit in den Mittelpunkt, dem übergeordneten formalen Gewinnziel des Unter-nehmens zuwiderlaufende Bereichsziele zu erkennen und auf das Oberziel abzu-stimmen.341 Das Erfolgsziel stellt die Deduktionsbasis dar, aus der sich die control-lingrelevanten Aufgaben ableiten lassen.342 Diese traditionelle Konzeption stellt da-mit die operativ-taktische Gewinnausrichtung in den Mittelpunkt der Überlegungen, die Betrachtung strategischer Erfolgspotenziale wird nicht originär dem Controlling zugerechnet.343 Zu diesem Ansatz ist kritisch anzumerken, dass die Gewinnzielaus-334 Vgl. Klipper (2005), S. 11. Demgegenüber führt WEBER aus einem induktiven Ansatz die

Rationalitätssiche-nmg der Führung als originären Inhalt und Kern des Controllings an. Vgl. Weber (2004 ), S. 48 ff.

335 Vgl. Mosiek (2002), S. 9.

336 Vgl. Berens/Bertelsmann (2002), Sp. 281.

337 Vgl. Berens/Hoffjan (2004), S. 5.

338 Vgl. Berens/Hoffjan/Strack (1995), S. 144 und Mosiek (2002), S. 18.

339 Vgl. Weber (2004), S. 55.

340 Vgl. hierzu und im folgenden ausführlich Küpper (2005), S. 15 ff.

341 Vgl. zur ausführlichen Erläuterung des Ansatzes Pfohl/Zettelmeyer (1987), S. 150 ff. Vgl. in der jüngeren Literatur zu dieser Konzeption auch Franz (2004).

342 Vgl. Pfohl/Zettelmeyer(l987), S. 149.

343 Vgl. Küpper(2005), S. 15.

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richtung selbst noch keine eigenständige Problemstellung des Controlling bildet, da sie auch von anderen Führungsteilsystemen verfolgt wird. Es stellt damit für das Controlling ein maßgebliches, aber kein charakterisierendes oder von anderen Füh-rungsbereichen abgrenzendes Merkmal dar.344

• Die fiihrungsprozessbezogene Controlling-Konzeption wird insbesondere von WEBER und SCHÄFFER vertreten und sieht die Kernaufgabe des Controlling in der Sicherstellung einer angemessenen Rationalität der Führung.345 Grundlage ist die Gliederung des Führungsprozesses in die Phasen Willensbildung, Willensdurchset-zung, Ausführung und Kontrolle - die Rationalitätssicherungsfunktion des Control-ling bezieht sich auf alle Phasen des Führungszyklus.346 Die Funktion der Rationali-tätssicherung dient demnach primär der Unterstützung des Managements, welches die „Verantwortung für die Führung des Untemehmens"347 trägt. Hieraus lassen sich drei Typen von Controlleraufgaben ableiten:348 Entlastungsau/gaben mit einer reinen Zulieferfunktion zur effizienten Datenversorgung der Führung (bspw. Berichtswe-sen), Ergänzungsau/gaben bei denen durch spezifisches Fach- und Methodenwissen die Handlungen des Managements aus der Perspektive des Controllers geprüft wer-den und Begrenzungsau/gaben, bei denen der Controller darauf achtet, dass Mana-ger innerhalb des ihnen gesteckten Rahmens bleiben und nicht opportunistisch han-deln. Die zentrale kritische Frage bei diesem Ansatz ist, inwieweit Rationalitätssi-cherung eine eigenständige Funktion darstellt, die anderen betriebswirtschaftlichen Funktionen nicht zukommt und dadurch charakteristisch für das Controlling sein kann.'•9

• Bei den koordinationsorientierten Controlling-Konzeptionen lassen sich u.a. drei wesentliche Ansätze hinsichtlich des Koordinationsaspektes bzw. der Reichweite der Koordination unterscheiden. Bei der informationsorientierten Controlling-Konzeption wird „das Controlling als zentrale Einrichtung der Informationswirt-schaft"350 verstanden. Der Ansatz fokussiert auf die Koordination von

Informations-344 Die Gewinnzielausrichtung ist in vielen erwerbswirtschaftlichen Unternehmen schon bisher für die Planung, Steuerung und Kontrolle sowie das Informationssystem bestimmend. Es ist nicht zu erkennen, dass mit dem Controlling zu den bestehenden Führungssystemen ein weiteres hinzutreten muss, das im Unterschied zu die-sen Führungssystemen die Zielausrichtung bewirkt. Aus diesem Grund stellt die Gewinnzielausrichtung keine eigenständige zusätzliche Problemstellung dar. Vgl. hierzu ausführlich Klipper (2005), S. 17.

345 Vgl. hierzu ausführlich Weber (2004), S. 47 ff.; Weber/Schäffer (1999), S. 731 ff. Mit der rejlexionsorien-tierten Controlling-Konzeption wurde von PIETSCH und SCHERM eine weitere führungsprozessbezogene Controlling-Konzeption in die Diskussion eingebracht, auf die im Folgenden allerdings nicht näher einge-gangen wird. Vgl. hierzu ausführlich Pietsch/Scherm (2001) sowie Pietsch (2003).

346 Vgl. Weber/Schäffer (1999), S. 734 ff.

347 Weber (2004), S. 38.

348 Vgl. hierzu ausführlich Weber (2004), S. 40 ff. und die dort angegebene Literatur.

349 Vgl. Klipper (2005), S. 19. KOPPER bemängelt in den folgenden Ausführungen die mangelnde Spezifitär des Rationalitätsbegrijj,, weshalb es kein typisches Merkmal für eine bestimmte Funktion sein kann. Zusätzlich erschwert die unklare Trennung zwischen Funktion und organisatorischer Gestaltung in diesem Ansatz die Kennzeichnung typischer Merkmale der Controllingfunktion. Vgl. Klipper (2005), S. 19 f.

350 Müller ( 1974), S. 683.

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bedarf und Informationsbeschaffung.351 Darüber hinaus besteht eine wichtige Cont-rollingfunktion in einer differenzierten adressatenbezogenen Aufbereitung und Be-reitstellung von Informationen.352 Deutlich erweitert wird das Blickfeld durch die planungs- und kontrollorientierte Konzeption nach H0RVATH.353 Hier wird die Funktion des Controlling „in der ergebnisorientierten Koordination von Planung und Kontrolle sowie Informationsversorgung"354 gesehen.355 Die umfangreichste koordinationsorientierte Controlling-Konzeption stellt KOPPER vor.356 Demnach be-steht die Controlling-Funktion im Kern in der Koordination des Führungsgesamtsys-tems zur Sicherstellung einer zielgerichteten Lenkung.357 Als wichtige Bestandteile des Führungssystems werden das Zielsystem, die Organisation, die Planung und Kontrolle, das Personalführungssystem und das Informationssystem genannt.358 Controlling richtet sich jedoch nicht auf den Leistungsvollzug selbst, dies bleibt un-verändert eine originäre Führungsaufgabe, sondern verbindet innerhalb des Füh-rungssystems deren einzelne Subsysteme miteinander (vgl. auch Abbildung 15).359

Führungssystem der Unternehmung

Planung,sy,ttm 1 1 KontroU,yot•m

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Controlling

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[oformatio.ns-systcm system

Organisation

Leistungssystem

Abbildung 15: Gliederung des Führungssystems der Unternehmung 360

351 Vgl. Müller (1974), S. 145 ff.

352 Vgl. Mosiek (2002), S. 10.

353 Vgl. Horvath (2001 ), S. 150 ff.

354 Horvath (2001 ), S. 150.

355 In der planungs- und kontrollorientierten Konzeption wird ein weiterreichendes Koordinationsproblem zu-grunde gelegt, als in der inforrnationsorientierten Konzeption. Es wird hier deutlicher sichtbar, dass es sich um die Koordination von Führungsteilsystemen handelt. Vgl. Küpper (2005), S. 27.

356 Vgl. grundlegend Küpper ( 1 988), S. 168 ff. sowie Küpper (2005), S. 28 ff.

357 Vgl. Küpper/Weber/Zünd (1990), S. 282 und Küpper (2005), S. 27.

358 Vgl. Küpper (2005), S. 29.

359 Berens/Hoffjan (2004), S. 6.

360 Leicht modifizierte Darstellung in Anlehnung an Küpper (2005), S. 30.

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Der inhaltlich strukturierende Bezugsrahmen der Controlling-Konzeptionen bestimmt die situative Ausgestaltung der Controlling-Institution, die in Abhängigkeit relevanter Kontextfaktoren unterschiedliche Ausprägungen annehmen kann. Entsprechend einer qualitativen Interpretation von WEBER liegt der Schwerpunkt der Controller-Aufgaben in den Bereichen Planung, Kontrolle und Informationsversorgung.361 Zur Verrichtung der Koordinationsaufgaben bedient sich das Controlling einer Vielzahl von Instrumen-ten, wie Planungs-, Kontroll- und Informationsinstrumenten (z.B. Kostenrechnung, Abweichungsanalysen) sowie Instrumenten zur übergreifenden Koordination (z.B.

Budgetierung). 362

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