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Analyse von Ursache-Wirkungszusammenhängen aus wissenstheoreti- wissenstheoreti-scher Perspektive wissenstheoreti-scher Perspektive

NPM Nr. NRW

4 Methodik der Wirkungsanalyse staatlichen Handelns

4.1 Modellbildung als Grundlage der weiteren Untersuchung .1 Wirkungen als wissenschaftliches Erkenntnisobjekt .1 Wirkungen als wissenschaftliches Erkenntnisobjekt

4.1.1.2 Analyse von Ursache-Wirkungszusammenhängen aus wissenstheoreti- wissenstheoreti-scher Perspektive wissenstheoreti-scher Perspektive

Kausalität bezeichnet die Beziehung zwischen Ursache und Wirkung, also die ursäch-liche Verbindung zweier Ereignisse.571 Dabei sind Ursache und Wirkung korrelativ aufeinander bezogen: Keine Ursache ohne Wirkung und keine Wirkung ohne Ursa-che.572 Während die Korrelation allerdings nur den statistischen Zusammenhang zweier Ereignisse beschreibt, sucht Kausalität - als wissenschaftliches Prinzip - nach ursäch-lichen Erklärungen, d.h. nach einem Ursache-Wirkungszusammenhang.573 Um Ursa-che-Wirkungszusammenhänge zu analysieren, muss man sich infolgedessen differen-ziert mit dem sozialwissenschaftlichen Konzept der Kausalität auseinandersetzen.

„Die meisten der heute lebenden Wissenschaftstheoretiker, insbesondere die kritischen Rationalisten, deren Auffassung viele Ökonomen akzeptieren, sind der Meinung, dass man niemals eine sichere Basis des Wissens finden wird."574 Die wissenstheoretische

569 Mit einem vergleichbaren Definitionsansatz für den Bereich der Wirkungsanalyse von Technologie- und Gründerzentren vgl. Behrendt ( 1995), S. 8.

570 Zum Spektrum staatlichen Handelns vgl. die Ausführungen des Kapitels 2.1.

571 Lateinisch „causa" ~ ,,die Ursache".

572 Vgl. Brockhaus (2006 ), S. 561.

573 Vgl. Brockhaus (2006), S. 561.

574 Gans/Marggraf ( 1997), S. 7.

Thorsten Pieper - 978-3-631-75332-3

Erkenntnisperspektive des sog. Kritischen Rationalismus wurde Mitte der 30er Jahre von POPPER begründet.575 Alles Wissen ist demnach rein hypothetisch, nicht beweisbar wahr oder falsch. Da es sicheres faktisches Wissen nicht gibt, können die Erfahrungs-wissenschaften daher nur fehlbares Wissen über die Welt produzieren.576 Damit Wis-senschaft die Erkenntnisse über die Wirklichkeit verbessern kann, müssen systematisch die Schwächen des bisherigen Wissens erkundet werden. ,,Erfahrungswissenschaftli-ches Wissen muss also ständig kritisiert werden, um zu besseren Erkenntnissen zu ge-langen. Nur über eine negative Auslese kann man sich der Wahrheit annähern, ohne zu wissen, ob man sie erreicht. "577

Diese Sichtweise entspricht dem gängigen Wissenschaftsparadigma, wonach man sich den wahren Gesetzen annähern kann, sie aber niemals sicher und vor allem nie in ei-nem ersten Entwurf gefunden hat. Postulierte Kausalzusammenhänge zwischen Ursa-che und Wirkung stellen lediglich potenzielle Zusammenhänge dar. Nach den Prinzi-pien des kritischen Rationalismus ist Kausalität also nicht messbar, es kann lediglich versucht werden, Hypothesen über Ursache-Wirkungsbeziehungen zu falsifizieren.578 Werden die Hypothesen579 in einer Reihe von Überprüfungen nicht falsifiziert, können die Hypothesen als bewährt akzeptiert werden. Aus wissenstheoretischer Perspektive gibt es somit keine hinreichende, sondern nur eine notwendige Bedingung für Kausali-tät. Besteht zwischen Ursache und Wirkung ein kausaler Zusammenhang, so sind die folgenden notwendigen Bedingungen erfüllt:''0

Empirische Korrelation: Ursache und Wirkung zeigen eine gemeinsame Variation.

Zeitliche Asymmetrie: Zwischen der Variation der Ursache- und Wirkungsvariablen kommt es zu einer Zeitverzögerung.

Keine exogenen Effekte:581 Die Variation von Ursache und Wirkung wird nicht durch exogene Effekte beeinflusst.

Theoretische Begründung: Die Kausalhypothese ist theoretisch begründet.

In den Naturwissenschaften testet man die Gültigkeit von Hypothesen, indem man im-mer wieder die Verknüpfung von Ursache und Wirkung empirisch überprüft. In Form

575 Vgl. hierzu grundlegend Popper (2005) in aktueller Auflage oder auch Albert (1980).

576 Vgl. Gans/Marggraf ( 1997), S. 8.

577 Gans/Marggraf ( 1997), S. 8.

578 Vgl. Haenecke (2002), S. 171.

579 Unter einer Hypothese versteht man eine widerspruchsfreie Aussage, deren Geltung nur vermutet ist und die eine wissenschaftliche Annahme darstellt, um zu beobachtende Sachverhalte zu erklären.

580 Vgl. hierzu auch Hildebrandt (1992), S. 7 sowie Hildebrandt ( 1999), S. 48 f.

581 In diesem Zusammenhang wird in der Literatur auch häufig von externen Effekten gesprochen. Der Bedeu-tungsgehalt des Begriffs »externe Effekte« ist allerdings stark durch die Volkswirtschaftslehre geprägt, wel-che hiermit Auswirkungen einer Aktivität auf Drille beschreibt, ohne dass dafür eine Kompensation erfolgt.

Ein häufig verwendetes Beispiel sind die negativen Umweltbelastungen des Autoverkehrs, ohne dass hierfür eine direkte Entschädigung gezahlt werden muss. Daher wird in bewusster Abgrenzung zu diesem Begriff im folgenden von exogenen Effekten gesprochen, womit eine Einflussnahme von Außen bzw. durch Drille ge-meint ist.

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von Laborexperimenten können empirische Korrelation, zeitliche Asymmetrie sowie der Einfluss exogener Effekte kontrolliert und damit i.d.R. zweifelsfrei nachgewiesen werden. Die Theorie bzw. die theoretische Begründung der Hypothese erfährt so durch die Konfrontation mit der Wirklichkeit zunehmend empirische Evidenz oder wird bei Falsifikation verworfen.

In den Sozialwissenschaften sind entsprechende Laborexperimente zur experimentellen Überprüfung vermuteter Kausalzusammenhänge faktisch nicht möglich. Zum einen erschweren subjektive personengebundene Einflüsse sowie die mangelnde Isolierung exogener Effekte eine vergleichbare Untersuchungsanlage. Versucht man diese Schwächen zumindest teilweise zu beheben, erfordert dies üblicherweise einen erheb-lichen zeiterheb-lichen und finanziellen Aufwand. Zum anderen können die in den Sozial-wissenschaften zu untersuchenden Sachverhalte meist nicht direkt empirisch überprüft bzw. beobachtet werden. Dies macht eine Operationalisierung von theoretischen Konstrukten582 durch geeignete messbare Indikatoren notwendig.583 Ein solches theore-tisches Konstrukt ist beispielsweise die »menschliche Intelligenz«, die man durch das Indikatorensystem des »Intelligenzquotienten« zu operationalisieren versucht. Abbil-dung 23 fasst die bisherigen wissenstheoretischen Erkenntnisse nochmals zusammen.

THEORlESPRACHE

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G

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D

OPERATION A LI SIE RUN G

D

BEOBACHTUNGSSPRACHE

Zustand A, (lJ,"°"I

Ereignis A Zust.andA1

fUr~J

- - + - - - - ---+--Zeil - - + - - ---+-

, ,

- Zen

Abbildung 23: Ebenen der 2-Sprachen-Theorie

582 Ein theoretisches Konstrukt ist gedanklicher Natur und beschreibt einen nicht direkt beobachtbaren Sachver-halt innerhalb einer wissenschaftlichen Theorie. Vgl. Jenner (2000), S. 327.

583 Vgl. Jenner (2000), S. 327 f.

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Demnach kann zwischen den beiden Ebenen der Beobachtungssprache und der theore-tischen Sprache unterschieden werden. Die Beobachtungssprache beschreibt Größen, die unmittelbar messbar sind. Die Theoriesprache hingegen beschreibt mit Hilfe theo-retischer Konstrukte abstrakte Charakteristika eines Untersuchungsobjektes, die zur Erklärung der Beobachtung notwendig sind, die aber in der Realität nicht unmittelbar erfasst werden können.584 Bezogen auf staatliches Handeln bedeutet dies, dass theore-tisch begründbare Vermutungen (Hypothesen) über die Verbindung des Verwaltungs-output (als Ursache) sowie resultierenden Impacts und Outcomes (als Wirkungen) an-gestellt werden. Outputs, Impacts und Outcomes müssen als theoretische Konstrukte durch geeignete Indikatoren operationalisiert werden. Anhand dieser Indikatoren kön-nen die Zustandsveränderungen des Ereignisses A als Ursache und des zeitlich nachge-lagerten Ereignisses B als Wirkung empirisch überprüft werden. So erfolgt auch im Rahmen der Wirkungsanalyse eine schrittweise Validierung vermuteter Kausalzusam-menhänge zwischen staatlichem Handeln und den hierdurch ausgelösten Wirkungen in der Gesellschaft.

Die hier grundsätzlich angestellten wissenstheoretischen Überlegungen sollen im fol-genden durch die Konstruktion eines allgemeinen Beschreibungsmodells der Wirkun-gen staatlichen Handelns weitergeführt werden.

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