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Grundlagen des Controllings staatlichen Handelns

NPM Nr. NRW

3 Wirkungsorientiertes Controlling staatlichen Handelns

3.2 Grundlagen des Controllings staatlichen Handelns

Entsprechend den herausgearbeiteten Grundlagen zum allgemeinen, eher privatwirt-schaftlich geprägten Controlling-Ansatz, folgt die Arbeit einem Controllingverständnis mit einer Schwerpunktsetzung auf Koordinationsaufgaben in den Bereichen Planung, Kontrolle und Informationsversorgung. In einem weiteren Schritt ist dieser allgemeine Controlling-Ansatz um die spezifischen Rahmenbedingungen im politisch-adminis-trativen System zu erweitern. Diese Kontextfaktoren sollen im folgenden zusammen-fassend kurz dargestellt werden: 363

• komplexes und heterogenes Zielsystem mit einer Betonung von Sachzielen gegenü-ber Formalzielen sowie resultierenden Operationalisierungsproblemen

• komplexe Organisations- und Trägerstruktur des öffentlichen Sektors mit hoher Spezialisierung und Zentralisation einzelner Verwaltungsaufgaben

• Dienstleistungscharakter und fehlende Marktgängigkeit des öffentlichen Leistungs-programms erschweren Ergebnismessbarkeit und Leistungsbeurteilung

• schrittweise Ablösung der bürokratischen Verhaltens- und Führungsstruktur durch den Modernisierungsprozess unter dem Leitbild des NPM mit einer Betonung be-triebswirtschaftlich orientierter Koordinationsinstrumente

Die geschilderten Besonderheiten führen somit zu einer spezifischen Anpassung und Ausgestaltung der Controlling-Konzeption. Die Notwendigkeit eines Controllings im politisch-administrativen System ergibt sich einerseits aus der Komplexität und Viel-schichtigkeit der Strukturen und des Leistungsprogramms sowie andererseits aus den komplexen Interdependenzen zwischen Politik und Verwaltung. Hierdurch entsteht für Führungsfunktionen ein großer Bedarf an steuerungsrelevanter Information und Koor-dination.364 Weiterhin werden durch den eingeleiteten Modernisierungsprozess in der öffentlichen Verwaltung auf Rechtsnormen basierende bürokratische Verfahren

zu-361 Vgl. Weber (2004), S. 99 ff. und 307 ff.

362 Vgl. Berens/Hoffjan (2004), S. 7.

363 Siehe hierzu Kapitel 2.1 und Kapitel 2.2 dieser Arbeit sowie prägnant Berens/Hoffjan (2004), S. 9.

364 Vgl. Heinz (2000), S. 14 und Budäus/Buchholtz (1997), S. 323.

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nehmend durch ein ergebnisorientiertes Managementmodell substituiert.365 Die Refor-men begründen einen erheblich erweiterten Handlungs- und Entscheidungsspielraum eher dezentralisierter Organisationseinheiten - verbunden mit der Ergebnisorientierung ergibt sich der faktische Bedarf eines Controllings in der öffentlichen Verwaltung.

Controlling ist damit ein wesentlicher Bestandteil des Reformprozesses.366 Aufgrund der Unterschiede und Spezifika des politisch-administrativen Systems ist ein einfaches

„Überstülpen" privatwirtschaftlicher Controlling-Instrumente auf den öffentlichen Sektor jedoch nicht möglich.367 Grundsätzlich erfordert die Auseinandersetzung mit den vorgestellten Controlling-Konzeptionen die Identifikation relevanter Merkmale, die sich auf ein Controlling des staatlichen Handelns anpassen lassen.

Die Ergebniszielorientierung des Controlling kann sich prinzipiell auf alle Formen von Oberzielen beziehen.368 Im Gegensatz zur Privatwirtschaft handelt es sich dabei aber nicht um Gewinn- oder Rentabilitätsziele, sondern die Gemeinwohlausrichtung des öffentlichen Sektors führt zu einer Dominanz von Sach-zielen. Für das politisch-administrative System stellen daher die Effektivität und die Effizienz des staatlichen Handelns - unter Beachtung der rechtlichen Grundsätze - die obersten Ergebnisziele dar.369 Entsprechend dem Ansatz wird damit die operativ-taktische Steuerung eines wirksamen und wirtschaftlichen Verwaltungshandelns betont.

Das Verständnis von Controlling als Sicherstellung einer angemessen Führungs-rationalität kann sich im politisch-administrativen System sowohl auf die Ebene der Verwaltungsführung, als auch auf die politische Ebene beziehen. Der Führungszyklus beinhaltet hier allerdings eine deutlich komplexere Struktur, was insbesondere die Be-achtung einer speziellen politischen Rationalität erforderlich macht und es somit einer Übersetzungsfunktion zwischen Politik und Verwaltung bedarf.370 Aus dem zugrunde liegenden Controllingverständnis ergibt sich damit die Notwendigkeit zu einem strate-gischen Controlling, welches eher der administrativen Ebene zuzuordnen ist und einem politischen Controlling, welches eher der politischen Ebene zuzuordnen ist. Auch im öffentlichen Sektor kommen dem Controlling somit Entlastungs-, Ergänzungs- und Begrenzungsaufgaben zu.

Im Rahmen der koordinationsorientierten Ansätze werden Controllingaufgaben als zielgerichtete Koordination des Führungsgesamtsystems betont. Die außerordentlich hohe Komplexität von Zielen, Strukturen und Programmen sowie die hohe Anzahl un-terschiedlicher Akteure im politisch-administrativen System unterstreichen auch hier den erheblichen Koordinationsbedarf. Entsprechend zielt Controlling als spezifische,

365 Vgl. zum „Neuen Steuerungsmodell" ausführlich Kapitel 2.2.2.3. und die dort angegebene Literatur.

366 Vgl. hierzu bspw. Hili (1996), S. 233; Budäus/Buchholtz (1997), S. 322; Budäus (2001), S. 27 und Budäus (2002a), S. 207.

367 Vgl. Klingebiel (1999), S. 378 und Berens/Bücker/Finken (1998), S. 373.

368 Vgl. Küpper/Weber/Zünd (1990), S. 282 f.

369 Vgl. Richter (2000), S. 32.

370 Zur Ausgestaltung der Übersetzungsfunktion zwischen politischer und administrativer Rationalität vgl.

Schedler/Proeller (2003), S. 54 ff.

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flächendeckende Funktion im öffentlichen Sektor darauf ab, die Führungs- bzw. Ma-nagementfunktionen Planung, Organisation, Personal, Kontrolle in und zwischen den dezentralen Einheiten zu koordinieren.371 Die spezifische Ausgestaltung des Control-lingsystems wird dann durch das jeweilige Informations- und Koordinationsinteresse der Führungsebene sowie der Führungskraft bestimmt.372 Hierdurch entsteht die Not-wendigkeit zu einem adressatenorientierten Berichtswesen mit differenzierten Be-richtsebenen sowie unterschiedlichen Verdichtungsgraden und Berichtsperioden.373 Die Auseinandersetzung mit den eher privatwirtschaftlich geprägten Controlling-Konzeptionen und ihre Übertragung auf die Besonderheiten des politisch-adminis-trativen Systems zeigen sowohl die Notwendigkeit als auch die grundsätzliche Eignung des Controlling-Ansatzes fiir den öffentlichen Sektor. Dabei erscheint es für den weite-ren Untersuchungsverlauf wenig ziel fühweite-rend, die „richtige" Controlling-Konzeption zu bestimmen, sondern es müssen vielmehr die unterschiedlichen Aspekte der vorgestell-ten Ansätze miteinander verknüpft werden. Um nachfolgend ein gemeinsames Grund-verständnis für den Rahmen dieser Arbeit sicherzustellen, soll unter dem Controlling staatlichen Handelns daher „die Beschaffung, Aufbereitung, Analyse und Kommunika-tion von Daten zur Vorbereitung zielsetzungsgerechter Entscheidungen" verstanden werden.374

Dieses recht weit gefasste Controlling-Verständnis umfasst sowohl die maßgeblichen Elemente der zuvor geschilderten Controlling-Konzeptionen, als auch die Möglichkeit, die bereits im zweiten Kapitel herausgearbeiteten Anforderungen an die Wirkungs-orientierung des Controlling zu berücksichtigen. 375 Die Definition beinhaltet insbeson-dere die Herstellung von Transparenz, d.h. die Effizienz und Effektivität sowie hiermit verbundene Gestaltungsmöglichkeiten herauszuarbeiten und so zielsetzungsgerechte Entscheidungen der Führung zu unterstützen. Zur Bestimmung der Effektivität kommt dem Controlling die Aufgabe der Identifikation und Operationalisierung der Wirkun-gen staatlichen Handelns zu. Hier schafft Controlling die notwendiWirkun-gen Voraussetzun-gen zur Zuweisung von Verantwortung, auch für das Erreichen gesetzter Wirkungszie-le. Das Controlling unterstützt so den komplexen Zielbildungsprozess im politisch-administrativen System. Als eine Art Übersetzungsfunktion zwischen politischer und administrativer Rationalität bildet das Controlling die notwendige Verbindung zwi-schen den im neuen Steuerungsmodell getrennten Ebenen Politik und Verwaltung. Eng hiermit verbunden ist auch die Koordination der Führungsteilsysteme und die Abstim-mung der Subziele. Durch die Beschaffung, Aufbereitung, Analyse und Kommunikati-on vKommunikati-on (Wirkungs-)Daten erfüllt das CKommunikati-ontrolling eine Servicefunktion und stellt so die adressatengerechte Informationsversorgung aller beteiligten Akteure sicher.

371 Vgl. Budäus (2002a), S. 206.

372 Vgl. Pook/Tebbe (2002), S. 43 f.

373 Vgl. hierzu auch Buchholtz (2001), S. 28 ff.

374 Vgl. Berens/Hoffjan/Strack (1995), S. 144 und Mosiek (2002), S. 18.

375 Vgl. hierzu ausführlich Kapitel 2.3 dieser Arbeit.

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Generell kann festgestellt werden, dass ein Controlling staatlichen Handelns als Füh-rungsunterstützung sämtliche Reformelemente der Neuen Steuerung unterstützt376 und so für den Entwicklungspfad zur wirkungsorientierten Steuerung ein unverzichtbares Reformelement darstellt. In Anlehnung an HOFFJAN wird das Grundgerüst eines sol-chen Controllingsystems vorgestellt (vgl. Abbildung 16).377 Systemtheoretisch handelt es sich beim Controlling um ein Lenkungssystem mit einem Steuerungselement (top down) und einem Regelungselement (bottom up). Die Grundstruktur orientiert sich dabei an der Unterscheidung einer strategischen und einer operativen Koordinations-und Steuerungsebene.

Bottom-Up Dokumentarion und Information

Budelierungs-system & Zielvereinbarungs-\.

system \,_

~ Jnfor...-ti-On und Koordination ~ Kostenrechnungssystem und

Verbundrechnung (Doppik) lndik:Horcn yStClll und Wirkungsrechnung

Abbildung 16: Konzeption eines Controlling-Systems 378

Das strategische Controlling erfolgt grundsätzlich in einem längeren Zeithorizont und hat die Effektivitätssteigerung zum Ziel.379 Hier sind zwei Perspektiven zu unterschei-den: Auf der politischen Ebene werden entsprechend dem Leitbild einer öffentlichen Einrichtung die zu erfüllenden Sachziele vorgegeben und um die mit den aktuellen finanziellen Möglichkeiten abgestimmten Formalziele ergänzt. Das strategische Cont-rolling muss dabei die Planung politischer Ziele unterstützen und entsprechende In-strumente und Informationen, auch über Entwicklungen im gesellschaftlichen Umfeld, bereitstellen.380 Die zweite Perspektive geht von gegebenen Zielen aus und betrifft die

376 Vgl. Budäus (2002a), S. 207 und Günther/Niepel/Schill (2002), S. 221.

377 Vgl. hierzu im Folgenden auch Hoftjan ( 1998), S. 161 ff. sowie Berens/Hoftjan (2004 ), S. 10 f.

378 Erweiterte Darstellung in Anlehnung an Hoffjan (1998), S. 161 und Röhrig (2008), S. 53.

379 Vgl. Richter (2000), S. 395.

380 Vgl. Brüggemeier ( 1998), S. 82 ff. oder Heinz (2000), S. 99 ff.

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Analyse der Zielerreichung, d.h. die Beantwortung der Frage, ob „die richtigen Dinge getan" werden.381

Über Produkte (Output-Steuerung) und Wirkungen (Outcome-Steuerung) erfolgt die Verknüpfung der Zieldimension mit den dafür einzusetzenden Ressourcen. Im Rahmen eines integrierten Budgetienmgssystems werden die Wirkungs- und Leistungsziele an die Finanzziele gekoppelt. Im Idealfall geben die politischen Entscheidungsträger der Verwaltung nur noch die Ziele vor und weisen gleichzeitig ein Globalbudget zu. Im Gegensatz zum bestehenden Haushaltswesen sorgt die Zuordnung von Finanzmitteln auf leistungs- bzw. wirkungsbezogene Zielgrößen für eine optimale Allokation der begrenzten Ressourcen.382 Der Verzicht der Legislative auf die inputorientierte Detail-steuerung bedeutet allerdings zunächst einen Machtverlust der Politik.383 Damit dieser Machtverlust kompensiert wird, muss das Verwaltungshandeln durch ein wirkungso-rientiertes Controlling „kontrollierbarer" werden.384 Ein adressatenowirkungso-rientiertes Be-richtswesen sollte daher die politische Ebene einbeziehen und die Verwaltung so die gesellschaftlichen Wirkungen ihres Handelns dokumentieren.385

Das operative Controlling ist eher kurzfristig orientiert und beantwortet primär die Frage, ob „die Dinge richtig getan" werden.386 Darunter fällt beispielsweise die Schaf-fung und Verbesserung der Führungsinformationssysteme, die Unterstützung der ope-rativen Planung und Budgetierung sowie die operative Überwachung des Betriebsge-schehens.387 Als ein wichtiges operatives Controlling-Instrument kann die Kosten- und Leistungsrechnung Ressourcenverbräuche sowie die Leistungserstellung transparent machen und damit Kostenbewusstsein erzeugen.388 Kostensenkungs- und Leis-tungssteigerungspotenziale werden offen gelegt, so dass die Effizienz des Verwal-tungshandelns gesteigert werden kann. Über ein lndikatorensystem und unterstützende Kennzahlen soll die Operationalisierung und Abbildung der Sachziele erfolgen.389 Die indikatorengestützte Konkretisierung der Sachziele ist Voraussetzung dafür, dass Leis-tungsmenge und Leistungsqualität erfasst werden können. Ein wirkungsorientiertes Controlling benötigt darüber hinaus den Aufbau einer systematischen Wirkungsrech-nung, welche die Wirkungen der Verwaltungsprodukte erfasst. Auch wenn Wirkungs-informationen eher bei strategischen Entscheidungen eine Rolle spielen, sind Aufbau und Pflege der Wirkungsrechnung eher dem operativen Verwaltungscontrolling zuzu-rechnen.390

381 Vgl. Budäus (2002b), S. 391.

382 Vgl. Berens/Hoffjan (2004), S. 10.

383 In einer Demokratie ist ein wichtiges Recht der Legislative das Budgetrecht. Nur die politisch gewählten Vertreter dürfen über die Verwendung von Steuergeldern entscheiden. Vgl. Budäus (2002b), S. 392.

384 Vgl. Budäus (2002b ), S. 392.

385 Vgl. Mosiek et al. (2003), S. 28.

386 Vgl. Brüggerneier (1998), S. 97.

387 Vgl. hierzu ausführlich Richter (2000), S. 75 ff.

388 Vgl. Günther/Niepel/Schill (2002), S. 220.

189 Vgl. Männel (1988), S. 853.

390 Vgl. Richter (2000), S. 99 ff.

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In der vorgestellten Controlling-Systematik kommt der primäre Charakter der Füh-rungsunterstützung des Controllings zum Ausdruck. Das wirkungsorientierte Control-ling versorgt in einem so verstanden Kontext das Verwaltungsmanagement und die Politik mit allen relevanten Informationen hinsichtlich des Erreichungsgrades gesetzter Ziele, insbesondere der Wirkungen.391 Bisherige Schwächen der Rückkopplung im Hinblick auf den Maßnahmenerfolg sowie die fehlende Verbindung zur Haushaltspla-nung bzw. Mittelzuteilung können durch die Systemintegration von Kosten- und Wir-kungsrechnung behoben werden.392 Damit wird zum einen der Politik ermöglicht, im Rahmen einer strategischen Planung die Gesamtheit der Verwaltung wirkungsorientiert zu führen, zum anderen kann innerhalb der Verwaltung zwischen unterschiedlichen Ebenen wirkungsorientiert gesteuert werden.393

Die bisherigen eher abstrakten Ausführungen zum Grundgerüst eines wirkungsorien-tierten Controllings im politisch-administrativen System sollen im weiteren Untersu-chungsverlauf durch die Darstellung ganzheitlicher Bezugsrahmen wirkungsorientier-ter Controlling-Konzepte näher spezifiziert werden.

3.3 Wirkungsorientierte Controlling-Konzepte und Modelle

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