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Berlin

(1) Familie K. (Interview in Konstanz geführt): Sie *1971 in Hannover, Familie gemischt konfessionell aber dem Katholizismus näher. Er *1965 in Stuttgart, evangelisch-pietistische Familie; Herr K konvertierte zum katholischen Glauben nach der Geburt des ersten Kindes (ca. 1997). Drei Kinder (*1997;

*2000; *2002).

(2) Familie W.: Sie *1966 in der ehemaligen DDR; kam 1981 mit zwei Kindern (*1984; *1988) nach Berlin (Ost). Ihre Mutter war zwar getauft (evang.) aber es gab in der Familie keinen Bezug zum Glauben. Er *1967 in Bamberg, stammt aus einer katholischen Familie, ist aber heute bekennender Atheist und kam 1991 nach Berlin (West); ein gemeinsames Kind (*1999).

(3) Frau Z. *1968 in Hamburg; bekennend evangelisch (Pastorentochter); ihr Mann (*1966 in der ehemaligen DDR), ist ebenfalls Kind eines evangeli-schen Pastors. Ein Kind (*2000).

(4) Frau U. *1974 in Ostberlin; katholisch; ihr Mann (*1967) kommt aus der glei-chen Gegend wie Frau U., ging mit den Eltern in die gleiche Gemeinde.

Zwei Kinder (*1998; *2000).

(5) Frau SP. *1966 in Berlin; wuchs evangelisch in Freiburg i. Br. auf (Pastorenfamilie); ihr Mann (*1957) kommt aus Berlin (West) und ist

bekennender Atheist. Zwei eigene Kinder (*1994; *1999) und ein Stiefkind (*1989) aus der ersten Ehe des Mannes.

(6) Frau WÖ. *1963 in Hannover, wuchs bei den Großeltern im Allgäu auf. Fa-milie evangelische Heimatvertriebene; ihr Mann (*1962) aus Berlin ist evangelisch sozialisiert. Ein Kind (*2000). (Interview nicht auf Band) Trier

(7) Frau B. *1968 in Siegen; evangelisch-pietistisches Elternhaus. Ihr Mann (*1966) kommt aus einem katholischen Elternhaus, lehnt heute jede Form von Religion ab. Zwei Kinder (*2000 -Zwillinge-).

Konstanz

(8) Frau M. *1963 in München; zwei Kinder (*1998; *2001); sie ist evangelisch, ihr Mann ist katholisch (*1962 in Konstanz).

(9) Herr F. *1960 in Hessen; zwei Kinder (*1999; *2001); er ist konfessionslos (ausgetreten), kommt aber aus einem evangelischen Elternhaus mit vielen Pfarrern; die Ehefrau ist ebenfalls aus der Kirche ausgetreten (*1963 in Vil-bel, Nähe Frankfurt/M.).

(10) Familie G. beide *1966; drei Kinder (*1998; *2000; *2003); beide evange-lisch; der Geburtsort ist nicht bekannt (Interview nicht auf Band).

(11) Frau L. *1961 in Konstanz; drei Kinder (*1995; *1997; *2002); gehört seit 1989 einer freikirchlichen Gemeinde an; der Ehemann (*1957) kommt aus einer katholischen Familie aus Polen.

(12) Frau Sch. *1968 in Frankreich; zwei Kinder (*1997; *2001); ist aus der evan-gelischen Kirche ausgetreten (kam als Vollwaise 1976 nach Konstanz); der Ehemann (*1967) ist katholisch aufgewachsen und kommt aus Konstanz.

(13) Frau S. *1970 in Konstanz; zwei Kinder (*1997; *1999), ist katholisch; der Mann (*1970) kommt aus Memmingen; er wuchs in einer evangelischen Familie auf, ist aber inzwischen bekennender Atheist.

(14) Frau Fe. *1972 in Konstanz; zwei Kinder (*1999; *2002); katholisch aber kir-chenfern; ihr Mann (*1969) kommt aus einer katholischen Familie aus Konstanz.

(15) Frau Ma. *1971 in einem kleinen Dorf bei Schwenningen geboren; zwei Kin-der (*1998; *2000); sie ist evangelisch; Kin-der Mann (*1961) ist katholisch und kommt aus Radolfzell.

(16) Fam. J.: Die Frau *1971, kommt aus Pfullendorf und wuchs nicht explizit gläubig auf; Herr J. *1970 stammt aus Lahr, aus einer evangelischen Fami-lie; zwei Kinder (*1999; *2001). Beide sind Mitglied der Stadtmission.

Braunschweig

(17) Frau N. *1949 in Göttingen; Familie evangelisch. Ihr Mann (*1949) kommt aus Rheinsdorf und wurde von der polnischen Mutter katholisch sozialisiert.

Beide sind bekennende Atheisten und aus der Kirche ausgetreten. Zwei erwachsene Kinder (*1979; *1982), die bewusst nicht in konfessionelle Kin-dergärten gingen und dem Religionsunterricht in der Schule fern blieben.

Gruppen / Expertengespräche

(18) Pfarrer D., Konstanz; 7.11.02 (Interview nicht auf Band) (19) Kindergarten Trier (I); 12.11.2001

(20) Kindergarten Trier (II); 7.11.2002

(21) Kindergarten Völklingen (III); 6.02.2003 3.3.2. Herkunft

Insgesamt gibt es wenige Gesprächspartner, die am Befragungsort aufgewachsen sind, was eine regionale Prägung eher unwahrscheinlich macht. Von den befragten Eltern kamen insgesamt nur 25 % aus der Gegend, in der das Interview stattfand.

Überwiegend waren die Menschen in der Kindheit oder im Rahmen ihrer Be-rufsausbildung / Berufstätigkeit vom Heimatort weggezogen und lebten inzwischen seit durchschnittlich zehn Jahren am Befragungsort.

Hier spiegelt sich eindrucksvoll die gesellschaftliche Mobilität wider. Diese Beo-bachtung soll im Folgenden thesenartig hinterfragt werden:

 Es meldeten sich Personen, die auch in anderen Lebenszusammenhängen Ent-scheidungen treffen und bearbeiten mussten (Ortswechsel, Freundeswechsel, Heimatverlust, Berufswechsel, Kollegenwechsel etc.).

 Die Interviewpartner sind (notgedrungen) kontaktfähig; können auf fremde Menschen zugehen (Kontaktaufnahme mit Interviewerin).

Zwar trifft es zu, dass sich in Trier nur sehr wenige Eltern für das Thema der Studie interessierten bzw. zu einem Interview bereit erklärten, es kann aber nicht mit Si-cherheit davon ausgegangen werden, dass ihre religiöse Einstellung sie an der Teilnahme hinderte bzw. sie der Text der Elternbriefe befremdete. Ebenso plausibel und um so augenfälliger scheinen mir hier die bereits beschriebenen Schwierigkei-ten bei der Durchführung der Interviews und Erläuterung des hierzu notwendigen Verfahrens gewesen zu sein. In Konstanz wurden überwiegend Protestanten oder zumindest protestantisch Sozialisierte befragt, in Berlin bekennende Christen (auch wenn es sich um ehemalige DDR-Bürger handelte).

So unterschiedlich die gewählten Städte sind, so eindeutig belegen die geführten Interviews, dass sich die konfessionelle Prägung einer Gegend heute nicht mehr auf die dort Lebenden übertragen lässt. Die beruflich bedingten Wanderbewegungen, Einflüsse durch fremde Religionen, Studierende verschiedener Nationalitäten und nicht zuletzt der Prozess der Säkularisierung im Sinne einer Abkehr von kirchlichen Bezügen hinsichtlich der eigenen Glaubensvorstellung haben zur Folge, dass keine plausiblen Erklärungsversuche darüber angestellt werden können, inwieweit in Städten wie Trier oder Konstanz eher mit konfessionell orientierten Motivations-strukturen bei der Kindergartenwahl zu rechnen ist, als beispielsweise in Berlin.

Im Gegenteil zeigt sich bei einem Blick auf die befragten Eltern eher, dass die Be-fragtengruppe und die ihr inhärenten Besonderheiten aussagekräftige Vermutungen ermöglichen, nicht aber deren momentaner Wohnort zum Zeitpunkt der Befragung.

3.3.3. Altersgruppen

Die Gesprächspartner ‘bündeln’ sich in drei Altersgruppen: 1960-65, 1966-1969 und 1970-74. Nur die organisierte Atheistin fällt mit dem Jahrgang 1949 hier heraus; sie spricht aus der Retrospektive über inzwischen erwachsene Kinder.

Somit gibt es überwiegend Elternteile die sich zu einem Interview bereit erklärten, die zwischen 30 und 45 Jahre alt sind. Dies mag auf den ersten Blick nicht verwun-dern, da es ja um Menschen geht, die über ihre ‘Kindergartenkinder’ sprechen. Auf den zweiten Blick ist dies aber meines Erachtens doch erwähnenswert, da die Kin-der meistens beim Interview zwischen zwei und vier Jahre alt waren (*1999 – 2001) und es sich eher um ältere Eltern handelt. Die Frauen waren überwiegend 30 Jahre oder älter, als das Kind zur Welt kam, über das gesprochen wurde61. Auch handelt es sich hier nur in Ausnahmefällen um ‘Nachzügler‘; überwiegend sind die for-schungspraktisch relevanten Kinder die ersten in der Familie. Dies lässt den Schluss zu, dass sich vor allem Elternteile zum Interview meldeten, die bereits die Ent-scheidung für ein Kind sehr bewusst trafen. Hier lassen sich aufgrund der beschriebenen Konstellation einige Thesen aufstellen:

 Jüngere Eltern fühlen sich vom Elternbrief nicht angesprochen oder einem wis-senschaftlichen Interview nicht gewachsen.

 Religion ist bei Menschen unter 30 Jahren kein lebensgeschichtlich relevantes Thema.

 Bei jüngeren Eltern wird aufgrund der Lebensumstände der Kindergarten nicht bewusst gewählt; er ist vielmehr notwendiger Bestandteil der Kinderbetreuung (einen Platz bekommen ist entscheidend).

 Es handelt sich bei den Interviewpartnern um gut bis sehr gut ausgebildete Personen, die aufgrund ihrer Ausbildung sprachlich geschult und reflektiert sind.

 Die weiblichen Gesprächspartner verfügen bereits über Berufserfahrung – was die These der bewussten Entscheidung zur Elternschaft verstärkt.

61 Laut Statistischem Bundesamt sind in Deutschland Frauen durchschnittlich 29,1 Jahre, wenn sie zum ersten Mal Mutter werden.

Hinsichtlich der zu erwartenden Texte kann vermutet werden, dass reflektierte, nicht emotionale Interviews existent sein werden, da die Interviewpartner sich rati-onal (als Entscheidungsträger) präsentieren wollen.

3.3.4. Konfession

Auf den ersten Blick fällt auf, dass bei fast allen Interviewpartnern eine Differenz zwischen der Konfession der Herkunftsgegend und der Familie besteht. So berich-ten Menschen aus katholischen Gegenden, ihre Eltern hätberich-ten sie im evangelischen Glauben großgezogen und umgekehrt. In manchen Interviews wird sogar der Beg-riff der ‘Diaspora’ verwendet; bspw. bei einer in Hannover aufgewachsenen Katholikin. So kommen einige Gesprächspartner aus katholisch geprägten Gegen-den wie München, Memmingen oder Freiburg und wurGegen-den in evangelischen Elternhäusern groß, während andere aus überwiegend evangelischen Regionen wie Hannover oder Frankfurt stammen und in katholischen Familien aufwuchsen.

Darüber hinaus gibt es im Sample auch Elternteile, die aus der ehemaligen DDR kommen, denen in der Herkunftsfamilie aber aktives Christentum vermittelt wurde (vor dem Hintergrund der politischen Situation in der DDR zur Zeit der Kindheit der Gesprächspartner ist dies relevant, da Religion bzw. kirchliche Gebundenheit hier auch die Funktion der Abgrenzung vom System erfüllte). Es gibt auch einige pietis-tisch orientierte Herkunftsfamilien. Ebenso finden sich Konstellationen, bei denen die Eltern der Befragten zugeschriebener Maßen als Taufchristen charakterisiert werden, die Gesprächspartner selbst jedoch in Klosterschulen gingen und von Non-nen unterrichtet wurden.

Diese Konstellationen lassen den Schluss zu, dass die Interviewpartner bereits vor dem Interviewaufruf reflektierten, wie sie persönlich und/oder im Hinblick auf ihre Kinder mit den Themen Religion und Glaube verfahren wollen. Hinsichtlich der dar-gebotenen Narrationen kann vermutet werden, dass es Brüche in den Interviews geben wird oder "Vorhehr-Nachher-Texte" präsentiert werden.

Die frühere Direktive, dass Kinder im Glauben ihrer Mütter erzogen werden, da die-se überwiegend mit der Erziehung betraut sind, scheint auch heute noch zu gelten.

Fast immer ist auch im Sample der Kindergarten von der Konfession her nach der Mutter ausgerichtet. Nur in zwei Fällen geht das Kind in einen konfessionellen

Kin-dergarten, obwohl beide Elternteile aus der Kirche ausgetreten sind und sich als

‘Atheisten’ bezeichnen.62 3.3.5. Status

Es handelt sich fast ausschließlich um die gehobene Mittelschicht: Lehrer, selb-ständige Handwerker, Ingenieure, Beamte, Informatiker, höhere Angestellte im Wirtschaftsbereich oder der Unternehmensberatung.

Einige der befragten Mütter waren bereits wieder im Erziehungsurlaub oder berei-teten sich gerade auf ihren Wiedereinstieg ins Berufsleben vor, waren also zum Zeitpunkt des Interviews nicht berufstätig aber in der Vorbereitung auf erneute Er-werbstätigkeit.

Interessanter Weise meldeten sich keine arbeitslosen Eltern, keine ausländischen Familien und keine Alleinerziehenden. Auch hier scheint sich erneut zu zeigen, dass vor allem Eltern befragt wurden, die sich kommunikative Kompetenz zuschreiben.

Hier lassen sich meines Erachtens folgende Thesen aufstellen:

 Mütter im Sample können es sich ‘leisten’, zeitweilig nicht zu arbeiten, definie-ren sich aber über ihre Berufstätigkeit.

 Mütter im Sample haben sich aufgrund der gewünschten Mutterschaft ent-schlossen, die erste Elternzeit nun auch ganz bewusst zu erleben und beruflich zu pausieren.

 Bereits wieder Erwerbstätige haben sich nicht zu einem Interview gemeldet, da sie keine Zeit haben oder annehmen, den gesellschaftlichen Erwartungen nicht gerecht zu werden und einer erwarteten Thematisierung ihrer Berufstä-tigkeit entgehen wollen.

 Alleinerziehende haben nicht die Freiheit, den Kindergarten zu wählen; hier steht die Betreuung im Vordergrund, um den Lebensunterhalt sichern zu kön-nen.

 Arbeitslose und Ausländer fühlen sich sprachlich nicht kompetent genug; ihre Meinung interessiert in ihren Augen nicht.

62 Auch bei den ‘selbsternannten’ Atheisten wirkt erst über den Kirchenaustritt hinaus die gesell-schaftliche Konvention sehr stark nach, da in späteren Gesprächen klar wurde, dass auch hier die ursprüngliche Konfession der Mütter ausschlaggebend bei der Wahl des Kindergartens war.

 Kinder von Alleinerziehenden besuchen eher eine Krippe (Ganztagesbetreuung aufgrund einer Vollzeittätigkeit).

3.3.6. Ehepartner

Interessanter Weise handelt es sich bei der überwiegenden Mehrheit der Paare um

‘Mischehen’, bei denen noch dazu häufig auch der Ehepartner eine andere Konfes-sion in der Familie kennen lernte als am Herkunftsort ‘üblich’. Dies lässt vermuten, dass Religion als Thema in der Partnerschaft genereller Bestandteil des Lebens ist.

Auch hier scheint die These der bereits vor Interview geführten Auseinanderset-zung mit den Themen Religion und Glaube haltbar zu sein.

Die Ehemänner sind im Durchschnitt vier Jahre älter als die befragten Frauen, wo-mit sich auch hier das Bild, das Mikrozensus von deutschen Familien zeichnet,

‘bestätigt’: Männer sind in Deutschland durchschnittlich 33,1 Jahre, wenn das erste Kind zur Welt kommt. Auffällig ebenfalls: Es handelt sich ausschließlich um verhei-ratete Paare. Es kann gemutmaßt werden, dass Religion bei der Erwähnung in den Elternbriefen vornehmlich im Hinblick auf gesellschaftlich getragene Moral- und Normvorstellungen verstanden wurde. Auch die gesellschaftlich verbreitete Vorstel-lung, dass eine Partnerschaft spätestens bei Kindern in einer Ehe mündet, könnte bei den Gesprächspartnern verbreitet, die Konvention internalisiert worden sein.

Natürlich lassen sich hier auch Mutmaßungen darüber anstellen, warum keine Nichtverheirateten an der Befragung teilnahmen. Eventuell wählen Menschen, die sich auch nach der Geburt ihrer Kinder gegen eine Eheschließung entscheiden, kei-nen konfessionellen Kindergarten, da sie hier Diskussiokei-nen und Unverständnis vermuten (befürchten).

3.4. Zusammenfassung

Insgesamt lässt die Betrachtung des Samples ein Bild entstehen, das im Goffman-schen Sinne eine sehr eingegrenzte Gruppierung zeigt. Gutsituierte, gut gebildete ältere Eltern des Mittelstandes, die bereits vor der Geburt ihrer Kinder aufgrund der familialen Konstellationen mit den Themen Religion, Glaube und Zugehörigkeit kon-frontiert waren und in irgendeiner Weise Stellung bezogen (hier ist sowohl eine Konfrontation aufgrund der familiären Sozialisation als auch hinsichtlich ihrer

Part-nerschaft denkbar - oder beides), meldeten sich eigeninitiativ zur Teilnahme an der Studie.

Es kann darüber hinaus vermutet werden, dass es sich bei den Interviewpartnern um hochgradig reflektierende Eltern handelt, die nicht nur den Kindergarten be-wusst wählten, sondern sich auch in der Frage der Elternschaft im Vorfeld eine Reihe von Gedanken gemacht haben. Sie sind vermutlich von der Relevanz ihrer Meinung überzeugt und sprechen sich selbst Kommunikationskompetenz zu.

Auch in anderen Lebenszusammenhängen waren diese Personen offensichtlich ge-zwungen, weitreichende Entscheidungen zu treffen und sich mit biographischen Veränderungen zu arrangieren – darauf verweisen die Wanderbewegungen. Sie sind aufgrund dessen vermutlich eher kontaktfreudig, initiativ und flexibel.

Bei den Narrationen kann demzufolge angenommen werden, dass es sich um reflek-tierte, eher argumentativ strukturierte, vorbereitete Formulierungen handelt. Im Vorfeld gab es vermutlich eine Reihe von Überlegungen, was zum Thema der Studie beigetragen werden soll, so dass wenig Eintauchen in Erinnerungen und Anekdo-ten zu erwarAnekdo-ten ist. Im Interview werden ‘Lösungen’ für den Umgang mit Religion und Glaube in der heutigen Gesellschaft bzw. in der eigenen Biographie angeboten, eventuell wird es Brüche in den Interviews geben oder "Vorher-Nachher-Texte", die den Umgang mit den Themen ‘Religion’, ‘Glaube’ und ‘Kirche’ verdeutlichen sollen.

Wir haben mit der Betrachtung der Gruppe der Gesprächspartner nun zunächst ers-te, nicht an der Narration überprüfte Thesen aufstellen können, ohne uns bereits auf der Ebene der Analyse zu bewegen. Noch geht es lediglich um die Stufe der Beo-bachtung und Mutmaßung, was sich für Texte hinter dieser Konstellation verbergen könnten. Trotzdem ist dieser Schritt außerordentlich bedeutsam, da die intensive Auseinandersetzung mit der Zusammensetzung des Samples davor bewahrt, bei der späteren Analyse dem Eindruck zu erliegen, hier handle es sich um generell ge-sellschaftlich typische Figuren des Handelns.

Exkurs III

Was ist ein Beleg?

Nachdem auf den letzten Seiten vom Erhebungsdesign so wie dem Sample die Rede war, und die sich hieraus ergebenden Interpretationen zur Diskussion gestellt wur-den, soll es in den nächsten Kapiteln darum gehen, Ergebnisse einzelner Analyseschritte zu präsentieren, die eine Rekonstruktion der Fälle als Basis für die angestrebte Fallkontrastierung ermöglichen. Es werden dann Interviewzitate und schriftlich festgehaltene Beobachtungen aus den Gesprächsprotokollen vorgestellt und damit Daten aus dem ‘wirklichen Leben’ mit Kontextwissen gemeinsam thema-tisiert.

Da stellt sich zwangsläufig die Frage, inwieweit das Anschauungsmaterial ein Be-leg für Analysen und daraus resultierende ‘Ergebnisse’ der Studie sein kann?

Natürlich ist der Grad der Abstraktion in den zur Anwendung gelangten Auswer-tungsstrategien unterschiedlich; bei der abschließenden Typenbildung bspw.

größer als bei der Fallrekonstruktion. Aber hier offenbaren sich meines Erachtens zwei Problembereiche, die durchaus gleich zu Beginn angesprochen werden sollten – noch bevor am Ende der Analyse ‘genetisch’ ‘heuristische’ Begriffe präsentiert werden – wie Weber es nennt (vgl. Weber 1904).

Der eine Grundgedanke betrifft die Ebenen der jeweils zur Darstellung kommenden

‘Daten’. Hier geht es mir vornehmlich um ihre Bewandtnis und ihr Zusammenspiel.

Der zweite Aspekt betrifft die Ergebnisdarstellung. Die „Ergebnisse qualitativer Forschung lassen sich häufig nicht ... prägnant präsentieren, ohne die ihnen eigene Komplexität zu vernachlässigen. Zentral geht es bei der Darstellung um das Prob-lem der Vermittlung von Interpretations- und Verallgemeinerungsprozessen“ (Flick 1995, 169). Ich werde hier in der gebotenen Kürze auf den Gegenstand der Ebenen der erhobenen Daten eingehen.

Da wäre vorab die Idee, eine vage Vorstellung darüber, wie die bewusste Wahl ei-nes konfessionellen Kindergartens in einer säkularen Gesellschaft begründet sein könnte, welche elterlichen Konzepte hinter dieser Entscheidung rekonstruierbar sind und welche Funktionen der gewählten Organisation zugeschrieben werden.

Nach der Planung und der sich daran anschließenden Durchführung des Projektes ergeben sich weitere Fragen und das erste Material liegt vor.

So gibt es zunächst ein zu beschreibendes Sample, das aufgrund von soziodemo-graphischen Angaben skizziert werden kann. Hier handelt es sich gewisser Weise um ‘Kontextwissen’, da die Angaben aufgrund verschiedener zur Verfügung ste-hender Informationen aus anderen Studien eingeordnet und interpretiert werden können. Es ist also hier von außen, durch den Forscher eingebrachtes Wissen not-wendig, um die Befragten gesamtgesellschaftlich zu verorten. Dieser Arbeitsschritt ist vor allem für die Rahmung der späteren Narrationsanalyse von Bedeutung. Deu-tungsrekonstruktionen lassen sich rekursiv in das Sample einbetten, womit es möglich wird, den ‘Fall’ dem historischen Milieu zuzugliedern und ihn zu ‘typisie-ren’. Darüber hinaus führt die sorgfältige Betrachtung des Samples zu weiteren Fragen, die dann gezielt am Textmaterial überprüft werden können oder zu Konse-quenzen hinsichtlich des weiteren Vorgehens führen. So lassen sich an dieser Stelle beispielsweise mögliche Anschlussuntersuchungen erkennen – wenn, wie in mei-nem Fall, das Untersuchungsfeld sehr homogen ist und schwerlich kontrastiv vorgegangen werden kann.

Auf entstehende Fragen können in der Folge vorläufige Antworten in Form von Hypothesen gesucht werden. Momentan bewegen wir uns also zum großen Teil auf der Ebene der, zunächst nicht überprüfbaren aber durch dokumentierte Angaben der Befragten und Kontextwissen des Forschers, begründeten Annahmen. Je nach Untersuchungsablauf können die erstellten Hypothesen durch weitere Beobachtun-gen überprüft werden – und damit den Status einer fundierten Annahme einnehmen – oder sie kommen über den Status der Hypothese nicht hinaus. Lässt sich der For-scher von theoretischen Überlegungen dieser Art leiten, kann das Sampling gegebenenfalls ausgedehnt werden. Eine Vorgehensweise die ich allerdings nicht angewendet habe.

Auch bei den bereits erwähnten Gesprächsnotizen befinden wir uns auf der Ebene der unüberprüfbaren Annahmen, noch mehr als zuvor. Denn war die Samplebe-schreibung zumindest durch demographische Angaben ‘abgesichert’, handelt es sich bei den Gesprächsnotizen um teilnehmende Beobachtungen, Beschreibungen eines subjektiven Eindrucks des Forschers.

Trotzdem sind diese Dokumente wichtig für das Gesamtkonzept der Auswertung, und dies hat zwei Gründe: Zum einen können in der Notiz räumliche Besonderhei-ten dokumentiert werden, die gerade im Fall meiner Untersuchung unter Umständen die spätere Analyse rahmt und auf sprachlich nicht fassbare Besonder-heiten zwischen den Befragten hinweist – etwa der Unterschied in der sichtbaren religiösen Symbolik in den jeweiligen Wohnungen. Zum anderen, das ist bereits er-wähnt worden, sind diese Gesprächsnotizen unerlässlich, um Vermutungen und Hypothesen nicht unkontrolliert in die Narrrationsanalyse mit hineinzutragen.

Einen völlig anders gearteter Sektor von Daten stellen die Interviewtranskripte dar.

Diese verschrifteten Narrationen sind für den Leser auf Wunsch zugänglich und in Gänze nachzulesen (vgl. Materialband I); sie gelten als Grundlage der Hypothesen-bildung und Analyse, da alle Interpretationen und präsentierten Ergebnisse am Text selbst überprüft werden können. Es geht nicht mehr um Beobachtungen und Eindrücke, sondern um vorliegendes Textmaterial, das von den Befragten im Inter-view produziert wurde. Aber sind diese Daten jetzt ‘mehr wert’ als die vorherigen?

Meines Erachtens trägt eine solche ‘Qualifizierung’ unterschiedlicher Datenebenen nicht dazu bei, dem Forschungsinteresse näher zu kommen. Vielmehr kann nur das Zusammenspiel der Fülle von gesammelten Informationen und deren sorgfältige

Meines Erachtens trägt eine solche ‘Qualifizierung’ unterschiedlicher Datenebenen nicht dazu bei, dem Forschungsinteresse näher zu kommen. Vielmehr kann nur das Zusammenspiel der Fülle von gesammelten Informationen und deren sorgfältige