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Auf den ersten Blick fällt auf, dass bei fast allen Interviewpartnern eine Differenz zwischen der Konfession der Herkunftsgegend und der Familie besteht. So berich-ten Menschen aus katholischen Gegenden, ihre Eltern hätberich-ten sie im evangelischen Glauben großgezogen und umgekehrt. In manchen Interviews wird sogar der Beg-riff der ‘Diaspora’ verwendet; bspw. bei einer in Hannover aufgewachsenen Katholikin. So kommen einige Gesprächspartner aus katholisch geprägten Gegen-den wie München, Memmingen oder Freiburg und wurGegen-den in evangelischen Elternhäusern groß, während andere aus überwiegend evangelischen Regionen wie Hannover oder Frankfurt stammen und in katholischen Familien aufwuchsen.

Darüber hinaus gibt es im Sample auch Elternteile, die aus der ehemaligen DDR kommen, denen in der Herkunftsfamilie aber aktives Christentum vermittelt wurde (vor dem Hintergrund der politischen Situation in der DDR zur Zeit der Kindheit der Gesprächspartner ist dies relevant, da Religion bzw. kirchliche Gebundenheit hier auch die Funktion der Abgrenzung vom System erfüllte). Es gibt auch einige pietis-tisch orientierte Herkunftsfamilien. Ebenso finden sich Konstellationen, bei denen die Eltern der Befragten zugeschriebener Maßen als Taufchristen charakterisiert werden, die Gesprächspartner selbst jedoch in Klosterschulen gingen und von Non-nen unterrichtet wurden.

Diese Konstellationen lassen den Schluss zu, dass die Interviewpartner bereits vor dem Interviewaufruf reflektierten, wie sie persönlich und/oder im Hinblick auf ihre Kinder mit den Themen Religion und Glaube verfahren wollen. Hinsichtlich der dar-gebotenen Narrationen kann vermutet werden, dass es Brüche in den Interviews geben wird oder "Vorhehr-Nachher-Texte" präsentiert werden.

Die frühere Direktive, dass Kinder im Glauben ihrer Mütter erzogen werden, da die-se überwiegend mit der Erziehung betraut sind, scheint auch heute noch zu gelten.

Fast immer ist auch im Sample der Kindergarten von der Konfession her nach der Mutter ausgerichtet. Nur in zwei Fällen geht das Kind in einen konfessionellen

Kin-dergarten, obwohl beide Elternteile aus der Kirche ausgetreten sind und sich als

‘Atheisten’ bezeichnen.62 3.3.5. Status

Es handelt sich fast ausschließlich um die gehobene Mittelschicht: Lehrer, selb-ständige Handwerker, Ingenieure, Beamte, Informatiker, höhere Angestellte im Wirtschaftsbereich oder der Unternehmensberatung.

Einige der befragten Mütter waren bereits wieder im Erziehungsurlaub oder berei-teten sich gerade auf ihren Wiedereinstieg ins Berufsleben vor, waren also zum Zeitpunkt des Interviews nicht berufstätig aber in der Vorbereitung auf erneute Er-werbstätigkeit.

Interessanter Weise meldeten sich keine arbeitslosen Eltern, keine ausländischen Familien und keine Alleinerziehenden. Auch hier scheint sich erneut zu zeigen, dass vor allem Eltern befragt wurden, die sich kommunikative Kompetenz zuschreiben.

Hier lassen sich meines Erachtens folgende Thesen aufstellen:

 Mütter im Sample können es sich ‘leisten’, zeitweilig nicht zu arbeiten, definie-ren sich aber über ihre Berufstätigkeit.

 Mütter im Sample haben sich aufgrund der gewünschten Mutterschaft ent-schlossen, die erste Elternzeit nun auch ganz bewusst zu erleben und beruflich zu pausieren.

 Bereits wieder Erwerbstätige haben sich nicht zu einem Interview gemeldet, da sie keine Zeit haben oder annehmen, den gesellschaftlichen Erwartungen nicht gerecht zu werden und einer erwarteten Thematisierung ihrer Berufstä-tigkeit entgehen wollen.

 Alleinerziehende haben nicht die Freiheit, den Kindergarten zu wählen; hier steht die Betreuung im Vordergrund, um den Lebensunterhalt sichern zu kön-nen.

 Arbeitslose und Ausländer fühlen sich sprachlich nicht kompetent genug; ihre Meinung interessiert in ihren Augen nicht.

62 Auch bei den ‘selbsternannten’ Atheisten wirkt erst über den Kirchenaustritt hinaus die gesell-schaftliche Konvention sehr stark nach, da in späteren Gesprächen klar wurde, dass auch hier die ursprüngliche Konfession der Mütter ausschlaggebend bei der Wahl des Kindergartens war.

 Kinder von Alleinerziehenden besuchen eher eine Krippe (Ganztagesbetreuung aufgrund einer Vollzeittätigkeit).

3.3.6. Ehepartner

Interessanter Weise handelt es sich bei der überwiegenden Mehrheit der Paare um

‘Mischehen’, bei denen noch dazu häufig auch der Ehepartner eine andere Konfes-sion in der Familie kennen lernte als am Herkunftsort ‘üblich’. Dies lässt vermuten, dass Religion als Thema in der Partnerschaft genereller Bestandteil des Lebens ist.

Auch hier scheint die These der bereits vor Interview geführten Auseinanderset-zung mit den Themen Religion und Glaube haltbar zu sein.

Die Ehemänner sind im Durchschnitt vier Jahre älter als die befragten Frauen, wo-mit sich auch hier das Bild, das Mikrozensus von deutschen Familien zeichnet,

‘bestätigt’: Männer sind in Deutschland durchschnittlich 33,1 Jahre, wenn das erste Kind zur Welt kommt. Auffällig ebenfalls: Es handelt sich ausschließlich um verhei-ratete Paare. Es kann gemutmaßt werden, dass Religion bei der Erwähnung in den Elternbriefen vornehmlich im Hinblick auf gesellschaftlich getragene Moral- und Normvorstellungen verstanden wurde. Auch die gesellschaftlich verbreitete Vorstel-lung, dass eine Partnerschaft spätestens bei Kindern in einer Ehe mündet, könnte bei den Gesprächspartnern verbreitet, die Konvention internalisiert worden sein.

Natürlich lassen sich hier auch Mutmaßungen darüber anstellen, warum keine Nichtverheirateten an der Befragung teilnahmen. Eventuell wählen Menschen, die sich auch nach der Geburt ihrer Kinder gegen eine Eheschließung entscheiden, kei-nen konfessionellen Kindergarten, da sie hier Diskussiokei-nen und Unverständnis vermuten (befürchten).

3.4. Zusammenfassung

Insgesamt lässt die Betrachtung des Samples ein Bild entstehen, das im Goffman-schen Sinne eine sehr eingegrenzte Gruppierung zeigt. Gutsituierte, gut gebildete ältere Eltern des Mittelstandes, die bereits vor der Geburt ihrer Kinder aufgrund der familialen Konstellationen mit den Themen Religion, Glaube und Zugehörigkeit kon-frontiert waren und in irgendeiner Weise Stellung bezogen (hier ist sowohl eine Konfrontation aufgrund der familiären Sozialisation als auch hinsichtlich ihrer

Part-nerschaft denkbar - oder beides), meldeten sich eigeninitiativ zur Teilnahme an der Studie.

Es kann darüber hinaus vermutet werden, dass es sich bei den Interviewpartnern um hochgradig reflektierende Eltern handelt, die nicht nur den Kindergarten be-wusst wählten, sondern sich auch in der Frage der Elternschaft im Vorfeld eine Reihe von Gedanken gemacht haben. Sie sind vermutlich von der Relevanz ihrer Meinung überzeugt und sprechen sich selbst Kommunikationskompetenz zu.

Auch in anderen Lebenszusammenhängen waren diese Personen offensichtlich ge-zwungen, weitreichende Entscheidungen zu treffen und sich mit biographischen Veränderungen zu arrangieren – darauf verweisen die Wanderbewegungen. Sie sind aufgrund dessen vermutlich eher kontaktfreudig, initiativ und flexibel.

Bei den Narrationen kann demzufolge angenommen werden, dass es sich um reflek-tierte, eher argumentativ strukturierte, vorbereitete Formulierungen handelt. Im Vorfeld gab es vermutlich eine Reihe von Überlegungen, was zum Thema der Studie beigetragen werden soll, so dass wenig Eintauchen in Erinnerungen und Anekdo-ten zu erwarAnekdo-ten ist. Im Interview werden ‘Lösungen’ für den Umgang mit Religion und Glaube in der heutigen Gesellschaft bzw. in der eigenen Biographie angeboten, eventuell wird es Brüche in den Interviews geben oder "Vorher-Nachher-Texte", die den Umgang mit den Themen ‘Religion’, ‘Glaube’ und ‘Kirche’ verdeutlichen sollen.

Wir haben mit der Betrachtung der Gruppe der Gesprächspartner nun zunächst ers-te, nicht an der Narration überprüfte Thesen aufstellen können, ohne uns bereits auf der Ebene der Analyse zu bewegen. Noch geht es lediglich um die Stufe der Beo-bachtung und Mutmaßung, was sich für Texte hinter dieser Konstellation verbergen könnten. Trotzdem ist dieser Schritt außerordentlich bedeutsam, da die intensive Auseinandersetzung mit der Zusammensetzung des Samples davor bewahrt, bei der späteren Analyse dem Eindruck zu erliegen, hier handle es sich um generell ge-sellschaftlich typische Figuren des Handelns.

Exkurs III

Was ist ein Beleg?

Nachdem auf den letzten Seiten vom Erhebungsdesign so wie dem Sample die Rede war, und die sich hieraus ergebenden Interpretationen zur Diskussion gestellt wur-den, soll es in den nächsten Kapiteln darum gehen, Ergebnisse einzelner Analyseschritte zu präsentieren, die eine Rekonstruktion der Fälle als Basis für die angestrebte Fallkontrastierung ermöglichen. Es werden dann Interviewzitate und schriftlich festgehaltene Beobachtungen aus den Gesprächsprotokollen vorgestellt und damit Daten aus dem ‘wirklichen Leben’ mit Kontextwissen gemeinsam thema-tisiert.

Da stellt sich zwangsläufig die Frage, inwieweit das Anschauungsmaterial ein Be-leg für Analysen und daraus resultierende ‘Ergebnisse’ der Studie sein kann?

Natürlich ist der Grad der Abstraktion in den zur Anwendung gelangten Auswer-tungsstrategien unterschiedlich; bei der abschließenden Typenbildung bspw.

größer als bei der Fallrekonstruktion. Aber hier offenbaren sich meines Erachtens zwei Problembereiche, die durchaus gleich zu Beginn angesprochen werden sollten – noch bevor am Ende der Analyse ‘genetisch’ ‘heuristische’ Begriffe präsentiert werden – wie Weber es nennt (vgl. Weber 1904).

Der eine Grundgedanke betrifft die Ebenen der jeweils zur Darstellung kommenden

‘Daten’. Hier geht es mir vornehmlich um ihre Bewandtnis und ihr Zusammenspiel.

Der zweite Aspekt betrifft die Ergebnisdarstellung. Die „Ergebnisse qualitativer Forschung lassen sich häufig nicht ... prägnant präsentieren, ohne die ihnen eigene Komplexität zu vernachlässigen. Zentral geht es bei der Darstellung um das Prob-lem der Vermittlung von Interpretations- und Verallgemeinerungsprozessen“ (Flick 1995, 169). Ich werde hier in der gebotenen Kürze auf den Gegenstand der Ebenen der erhobenen Daten eingehen.

Da wäre vorab die Idee, eine vage Vorstellung darüber, wie die bewusste Wahl ei-nes konfessionellen Kindergartens in einer säkularen Gesellschaft begründet sein könnte, welche elterlichen Konzepte hinter dieser Entscheidung rekonstruierbar sind und welche Funktionen der gewählten Organisation zugeschrieben werden.

Nach der Planung und der sich daran anschließenden Durchführung des Projektes ergeben sich weitere Fragen und das erste Material liegt vor.

So gibt es zunächst ein zu beschreibendes Sample, das aufgrund von soziodemo-graphischen Angaben skizziert werden kann. Hier handelt es sich gewisser Weise um ‘Kontextwissen’, da die Angaben aufgrund verschiedener zur Verfügung ste-hender Informationen aus anderen Studien eingeordnet und interpretiert werden können. Es ist also hier von außen, durch den Forscher eingebrachtes Wissen not-wendig, um die Befragten gesamtgesellschaftlich zu verorten. Dieser Arbeitsschritt ist vor allem für die Rahmung der späteren Narrationsanalyse von Bedeutung. Deu-tungsrekonstruktionen lassen sich rekursiv in das Sample einbetten, womit es möglich wird, den ‘Fall’ dem historischen Milieu zuzugliedern und ihn zu ‘typisie-ren’. Darüber hinaus führt die sorgfältige Betrachtung des Samples zu weiteren Fragen, die dann gezielt am Textmaterial überprüft werden können oder zu Konse-quenzen hinsichtlich des weiteren Vorgehens führen. So lassen sich an dieser Stelle beispielsweise mögliche Anschlussuntersuchungen erkennen – wenn, wie in mei-nem Fall, das Untersuchungsfeld sehr homogen ist und schwerlich kontrastiv vorgegangen werden kann.

Auf entstehende Fragen können in der Folge vorläufige Antworten in Form von Hypothesen gesucht werden. Momentan bewegen wir uns also zum großen Teil auf der Ebene der, zunächst nicht überprüfbaren aber durch dokumentierte Angaben der Befragten und Kontextwissen des Forschers, begründeten Annahmen. Je nach Untersuchungsablauf können die erstellten Hypothesen durch weitere Beobachtun-gen überprüft werden – und damit den Status einer fundierten Annahme einnehmen – oder sie kommen über den Status der Hypothese nicht hinaus. Lässt sich der For-scher von theoretischen Überlegungen dieser Art leiten, kann das Sampling gegebenenfalls ausgedehnt werden. Eine Vorgehensweise die ich allerdings nicht angewendet habe.

Auch bei den bereits erwähnten Gesprächsnotizen befinden wir uns auf der Ebene der unüberprüfbaren Annahmen, noch mehr als zuvor. Denn war die Samplebe-schreibung zumindest durch demographische Angaben ‘abgesichert’, handelt es sich bei den Gesprächsnotizen um teilnehmende Beobachtungen, Beschreibungen eines subjektiven Eindrucks des Forschers.

Trotzdem sind diese Dokumente wichtig für das Gesamtkonzept der Auswertung, und dies hat zwei Gründe: Zum einen können in der Notiz räumliche Besonderhei-ten dokumentiert werden, die gerade im Fall meiner Untersuchung unter Umständen die spätere Analyse rahmt und auf sprachlich nicht fassbare Besonder-heiten zwischen den Befragten hinweist – etwa der Unterschied in der sichtbaren religiösen Symbolik in den jeweiligen Wohnungen. Zum anderen, das ist bereits er-wähnt worden, sind diese Gesprächsnotizen unerlässlich, um Vermutungen und Hypothesen nicht unkontrolliert in die Narrrationsanalyse mit hineinzutragen.

Einen völlig anders gearteter Sektor von Daten stellen die Interviewtranskripte dar.

Diese verschrifteten Narrationen sind für den Leser auf Wunsch zugänglich und in Gänze nachzulesen (vgl. Materialband I); sie gelten als Grundlage der Hypothesen-bildung und Analyse, da alle Interpretationen und präsentierten Ergebnisse am Text selbst überprüft werden können. Es geht nicht mehr um Beobachtungen und Eindrücke, sondern um vorliegendes Textmaterial, das von den Befragten im Inter-view produziert wurde. Aber sind diese Daten jetzt ‘mehr wert’ als die vorherigen?

Meines Erachtens trägt eine solche ‘Qualifizierung’ unterschiedlicher Datenebenen nicht dazu bei, dem Forschungsinteresse näher zu kommen. Vielmehr kann nur das Zusammenspiel der Fülle von gesammelten Informationen und deren sorgfältige Analyse am Ende ein facettenreiches Bild bieten, das über die Beweggründe der Befragten hinsichtlich der getroffenen Einrichtungswahl für ihre Kinder Auskunft gibt. Hierzu gehört auch, dass biographische Angaben aus den Narrationen mit in die Analyse einfließen, ein Umstand der den Beobachtungen anderer Studien ge-schuldet ist, der eigene Umgang mit Religion sei untrennbar mit der eigenen Biographie verknüpft aber auch daher rührt, dass viele Interviewpartner diese Kons-tellation sehr ausführlich im Interview thematisierten.

Bei der objektiven Hermeneutik wird häufig vom Einzelfall auf ‘die Allgemeinheit’

geschlossen aber obwohl ich mich ja vornehmlich an hermeneutischen Ansätzen orientierte, habe ich versucht, der Zusammenfassung typenbildende Zwischen-schritte in Anlehnung an Weber voran zu setzen (vgl. Weber 1904). Hier wären wir bereits bei der für den Leser notwendiger Weise nachvollziehbaren Darstellung der Analysen.

Die Aufgliederung der vorliegenden Narrationen kann niemals ‘real’ sein – das sollte immer mit in Betracht gezogen werden, wenn über Beobachtungen und Analysen

gesprochen wird. Die ‘Realität’, die mir der Gesprächspartner präsentiert, ist ja be-reits durch ihn vor-interpretiert und wird durch meine Analyse erneut auslegt (vgl.

Soeffner 1985). Doch auch wenn die rekonstruierten Fälle zunächst nur einen ‘be-schreibenden’ Status innerhalb des Forschungsgegenstandes einnehmen, stellen sie „sozialwissenschaftliche Auslegung [als] ... exemplarische Arbeit am Fall“ dar (Soeffner 1985, 118) und sind notwendig, um durch weitere Abstraktion eine gel-tende Typusstruktur zu rekonstruieren (vgl. Giegel et al. 1987, 408 ff.).

Die Darbietung erarbeiteten Materials kann sehr unterschiedlich aussehen. Aber für welche Form man sich auch entscheidet - Darstellung des ‘Notwendigsten’ oder ausführliche Präsentation von Datenmaterial – entscheidend ist, dass den Argumen-ten des Forschers Glaubwürdigkeit verliehen wird. Für ArbeiArgumen-ten, die im Sinne der objektiven Hermeneutik erstellt werden, ergibt sich spätestens hier das Problem, der Forderung nach Glaubwürdigkeit vor dem Hintergrund einer Fülle von unter-schiedlichen Analysemodi gerecht zu werden. ‘Rohes’ Datenmaterial wird dabei ohne analytischen Kommentar allerdings wenig beweiskräftig sein. "Im allgemeinen setzt man ... weitaus mehr Vertrauen in eine Verflechtung von diskursiven Aussa-gen ... und sorgfältig ausgewählten Datensegmenten. Diese bestehen vielleicht nur aus zitierten Sätzen in Verbindung mit den dazugehörigen theoretischen Bemer-kungen; es können auch sehr kurze Zitate oder Details aus dem Beobachtungsprotokoll sein, die auf einen systematisch aufgebauten theoretischen Punkt folgen" (Strauss 1994, 276).

Girtler erklärt diesbezüglich, dass er „die entsprechenden Abschnitte aus ... Beo-bachtungsprotokollen bzw. den Interviews“ zitiert, um auf diese Weise das

„Typische bzw. die typischen Regeln ... anschaulich und beweisbar zu machen“

(Girtler 1984, 146). Doch er betont selbst, dass es sich hier um eine ‘selektive Plau-sibilität’ handelt, da nur das zur Präsentation kommt, von dem er glaubt, es präsentiere „das Typische der entsprechenden Alltagswelt“ (Girtler 1984, 169).

Sobald analytische Abstraktionen entwickelt wurden, die auf der genauen Analyse der Daten gründen, bewegt man sich in gewisser Weise wieder von den Daten weg, um das Spezifische hervorzuheben. Hier besteht die Gefahr, dass paradigma-tische Elemente implizit bleiben oder in einem unsystemaparadigma-tischen Zusammenhang zu den untersuchten Phänomenen stehen. Um dem zu entgehen, wurden die Narra-tionen im letzten Analyseschritt Wort für Wort geprüft, Hypothesen erstellt,

Vergleiche angestellt, Ähnlichkeiten und Unterschiede exploriert. Trotzdem bleibt die Analyse vorläufig – bis zum Ende (Strauss ebd., 324).

Bei der endgültigen Darstellung ist dann nicht die Benennung von Kategorien und der dahinter liegenden Daten zentral, sondern die Bezugnahme zum gesamten

‘Bild’, das sich offenbart. Entscheidend für diese Arbeit ist auch, dass es sich bei dem Präsentierten nicht um Fallbeschreibungen handelt, sondern um Fallrekon-struktionen. Diese Unterscheidung ist relevant, da nicht versucht wird, eine Geschichte als solche zu erzählen; die Zeitlichkeit stellt also nicht das ordnende Prinzip dar.

3.5. Auswertungsdesign

Da ja das Ziel der hier vorliegenden Studie darin liegt (und Bestreben aller qualitati-ver Erhebungs- und Auswertungsqualitati-verfahren sein sollte), mit wenigen Fällen verallgemeinerbare Aussagen zu gewinnen, in dem das Exemplarische rekonstruk-tiv herausgearbeitet wird, soll es im Folgenden zunächst darum gehen, die vorliegenden Narrationen fallspezifisch zu rekonstruieren und zu kontrastieren.

Hierbei werde ich zunächst ‘Idealtypen’ durch Zusammenschluss einer Fülle von Einzelergebnissen der jeweiligen Auswertungsschritte erstellen, bevor das empiri-sche Material dann neugeordnet wird. „Diese Neugruppierung führt [dann] zu komplexeren Typen, die ihrerseits dem Erkenntnisinteresse ... voll entsprechen (sollten)“ (Gerhardt 1995, 438).

Beginnen werde ich mit der Betrachtung der Gesprächsnotizen, um dann Schritt für Schritt die Analyse von Prozessstrukturen deutlich zu machen.

3.5.1. Die Gesprächsnotizen

Wie bereits erwähnt, wurden im Anschluss an die Interviews Notizen erstellt, um Vermutungen und Hypothesen nicht unkontrolliert in die hermeneutische Auswer-tung hineinzutragen aber auch, um spezifische, nicht unbedingt verbale Besonderheiten zu dokumentieren. Ziel der Gesprächsprotokolle ist es, Fragen auf-zuwerfen, von denen einige im Hinblick auf die spätere Textanalyse und den weiteren Verlauf der Studie generativ sind oder zumindest sein könnten. Viele Hypothesen sind in dieser Phase eher Andeutungen von Erwartbarem aber das Nachdenken über beobachtete ‘Entdeckungen’ lenkt die Aufmerksamkeit auf ein möglicherweise relevantes Phänomen – im Verhältnis zu bestimmten Daten aus an-deren Interviewsituationen.

Hat bereits die Betrachtung des Samples zu der Vermutung geführt, es wird sich textuell eher um rationale, argumentativ strukturierte Narrationen handeln, ver-stärkt ein Blick auf die erstellten Vermerke diesen Eindruck. Bei den Notizen gehörten zur Beschreibung der jeweiligen Interviewsituation und der häuslichen Umgebung auch eine erste Einschätzung der erwartbaren thematischen Felder und möglicherweise überwiegenden Textsorten.

Es fällt auf, dass einige Aspekte unabhängig voneinander immer wieder erwähnt werden und sich so ein Bild von offenbar analogen Gesprächen abzeichnet. Einige

Narrationen orientieren sich in ihrer Argumentation eindeutig an Dritten. Bei diesen Sprechern werden Erzählsequenzen voraussichtlich vor allem dann zu identifizieren sein, wenn es um die ‘Suche nach dem Sinn des Lebens’ geht – das lassen zumin-dest die Randbemerkungen vermuten. Gemeinsam scheint diesen Narrationen auch, dass Argumentationen offensichtlich dazu dienen sollen, sich zu positionieren bzw. dem Gesprächsgegenüber das eigene thematisierte Verhalten plausibel zu machen. Die Institution Kirche wird hier auf den ersten Blick vor allem in ihrer Funk-tion der Gemeinschaft angesprochen und mit der Gemeinde gleichgesetzt. Es wurde in den Notizen immer wieder vermerkt, dass das Thema Religion in der Bio-graphie des Sprechers eine exponierte Stellung einnahm und bereits vor der Geburt der forschungsrelevanten Kinder wesentlich war.63 Es kann vermutet werden, dass die Sprecher zum Zeitpunkt des Interviews eine Lösung im Umgang mit dem Thema für sich gefunden haben und diese auch präsentieren.

Im Hinblick auf die Hypothesen zu Sample und Interviewführung verdichtet sich

Im Hinblick auf die Hypothesen zu Sample und Interviewführung verdichtet sich