• Keine Ergebnisse gefunden

Aufgrund der geringen Anzahl geführter Gruppengespräche in konfessionellen Ein-richtung, ist es nicht möglich, hier Idealtypen zu konstruieren und anschließend die Ergebnisse zur Diskussion zu stellen. Ich werde aber versuchen, die zuvor präsen-tierten Narrative zu kontrastieren, da sie meines Erachtens viele relevante Aspekte thematisieren und im Hinblick auf die gebildeten Typen auf Seiten der Eltern diese noch einmal differenzieren und aus einer anderen Perspektive heraus beleuchten.

Wichtig ist an dieser Stelle darauf zu verweisen, dass es sich bei beiden hier kon-trastierten Gesprächen um Narrative von Kindergärtnerinnen und Leiterinnen katholischer Einrichtungen in Trier handelt.

Zusammenfassend können bei den Dialogen einige Aspekte herausgegriffen wer-den, die den alltäglichen Umgang mit Multikulturalität, die Abnahme konfessioneller (und kultureller) Bezüge im Elternhaus, so wie zugeschriebene Er-wartungen der Außenwelt an professionell arbeitende konfessionelle Einrichtungen beleuchten. Darüber hinaus wird auch gerade im ersten Gespräch der Bezug zur aktuellen wirtschaftlichen Lage des Landes im Hinblick auf die Abhängigkeit von Beschäftigung deutlich. Vor dem Hintergrund der Elterngespräche zeigt sich dar-über hinaus erneut die, schon des öfteren in der vorliegenden Studie thematisierte, fehlende Verständigung und Klärung gegenseitiger Erwartungen von Eltern und Erzieherinnen im Kindergarten. Ich werde im Folgenden auf die einzelnen Kompo-nenten eingehen.

Die partiell unreflektierte Erziehungsarbeit ist das erste zentrale Thema der präsen-tierten ‘Expertengespräche’. Die unpersönliche und distanzierte Art der Darstellung der zugeschriebener Maßen religionspädagogischen Tätigkeit lässt vor dem Hinter-grund des Alters der Befragten und der wirtschaftlichen Lage in Deutschland zum einen schlussfolgern, dass hier nicht die gezielte Weitergabe ganz gewichtiger In-halte im Vordergrund steht, sondern der Zielgedanke, eine Stelle zu erIn-halten, mit der der Lebensunterhalt gesichert werden kann. Es wird sequentiell deutlich, dass hier die Arbeit hinsichtlich der religiösen (resp. katholischen) Komponente nicht reflektiert wurde und die Akteurinnen sich ihrer pädagogischen Vorgehensweise diesbezüglich nicht bewusst sind. Religiöse Erziehung scheint nicht geplant, son-dern als lebenspraktischer Bestandteil der eigenen Sozialisation legitimiert zu werden.

Hier deuten sich ganz klar Parallelen zur Studie von Boschki und Nanino an, die in Frage stellen, inwieweit die persönliche Religiosität von Erzieherinnen einen Hin-weis auf deren Erziehungspraxis zulässt (vgl. Boschki, Nanino 2000, 244 ff.).

Auch wird hier erneut relevant, was Dippelhofer-Stiem bereits 2002 reklamierte:

Offensichtlich zeigt sich eine erhebliche Diskrepanz zwischen den Vorstellungen einiger Beschäftigter konfessioneller Einrichtungen und den Erwartungen der El-tern, die sich bewusst für eine religiös geprägte Fremdsozialisation ihres Nachwuchses entscheiden (vgl. Dippelhofer-Stiem 2002, 660 ff.).

Zum anderen verweist die Analyse des Gruppengesprächs auch darauf, dass offen-bar auch aufgrund der äußeren Zuschreibung bzw. mit Hilfe der Außenpräsentation der Einrichtung ‘konfessionelle Erziehung’ funktioniert. In einer katholisch dominier-ten Umgebung wie Trier werden dem Anschein nach christliche Werte häufig als alltäglicher Bestandteil des Lebens interpretiert, Erziehung damit per se als christ-lich gewertet. Dies wirft einen weiteren Blick auf die, hier schon oft erwähnte, fehlende Kommunikation zwischen Eltern und Erziehenden einer Einrichtung. Beide Seiten haben ungeprüfte Vorannahmen, die in den Erziehungsalltag miteinfließen;

die einen von der Seite der beauftragten Erzieherinnen, die anderen von der eigenen Arbeit. Während aber die Eltern zum Teil sehr konkrete Vorstellungen davon entwi-ckeln, welche Inhalte (religiöser oder areligiöser Natur) im konfessionellen Kindergarten vermittelt werden (sollen), machen sich einige Akteurinnen ihr päda-gogisches Vorgehen vor allem im Hinblick auf konfessionelle Bezüge kaum bewusst.

Kommen wir vor dem Hintergrund dieser Beobachtung zu der zweiten Narration und den hier thematisierten Erwartungen von Eltern an den gewählten Kindergar-ten bzw. die von SeiKindergar-ten der Kindergärtnerinnen als mangelhaft erlebte Verständigung.

Gerade in der zweiten Narration wird thematisiert, inwieweit die Befragten sich in der Rolle eines Dienstleisters begreifen. Der Kindergarten wird ihrer Ansicht nach zur (sozialen) Anlaufstelle, zur Seelsorgeeinrichtung. Dieser Aspekt verweist meines Erachtens auf den verblassten Einfluss oder auf das verlorene, zumindest in der Öf-fentlichkeit nicht mehr wahrgenommene, Ansehen der Institution Kirche hinsichtlich alltäglicher Belange in der Gesellschaft. Er verweist aber andererseits auch sehr anschaulich auf die, in der westlichen Gesellschaft etablierte, Passagere-ligiosität, in der Eltern aus Sicht der Erziehenden eine inhaltsleere, konfessionelle

Begleitung ihrer Kinder wünschen.79 Der Kindergarten erhält damit augenscheinlich eine neue Funktion: Er wird zur Organisation, die den Kindern für wichtige familiäre Anlässe explizit zugeschnittene und generationsübergreifend bekannte Hand-lungsmuster nahe bringen soll. Aus Sicht der Kindergärtnerinnen könnte hier ohne weiteres von einer bereits erfolgten Profanisierung hinsichtlich des Aufgabenbe-reichs des konfessionellen Kindergartens gesprochen werden, während dieser Beobachtung aus Sicht der Eltern ja durchaus religiöse Intentionen zuzuschreiben sind.

Diese Beobachtung schließt an eine weitere, rekonstruierte Figur an: Die reklamier-te Abnahme elreklamier-terlicher Bereklamier-teiligung am (konfessionellen) Erziehungsprozess. Doch anders als in der Literatur wird in der Narration die erlebte fehlende Unterstützung in konkreten Alltagssituationen beanstandet und nicht die Problematik der dadurch fehlenden Nachhaltigkeit konfessioneller Sozialisation. Die Qualität der Vermitt-lung, so der Tenor, hänge wesentlich vom Engagement der Eltern ab, womit auch die Verantwortlichkeit für misslungene aktuelle Arbeitsaufgaben der Kindergärtnerinnen dem Elternhaus zugeschrieben wird und nicht nur, wie sonst nachzulesen, die Zuständigkeit bei fehlgeschlagener Nachhaltigkeit religiöser Sozialisation: Der Kindergarten könne nur gemäß seines Auftrages agieren, stoße aber aufgrund äußerer Gegebenheiten und gesamtgesellschaftlicher Entwicklungen zunehmend an unüberwindbare Schranken, so die Präsentation.

Diese Konstellation führt zu einer nachhaltigen und in der Narration eindeutig re-konstruierbaren Verunsicherung der Akteure. Denn, anders als die jungen Erzieherinnen, haben sich die befragten Älteren ausdrücklich mit der eigenen Glau-benseinstellung und dem konkreten Arbeitsauftrag auseinandergesetzt; müssen nun aber erleben, dass es offenbar hinsichtlich der selbst- und fremdzugeschriebe-nen Funktion erhebliche Differenzen gibt. Sie erleben die eigene religiöse Aufgabe vor dem Hintergrund eines angenommenen bzw. beobachteten Rückgangs konfes-sioneller Bezüge als notwendig gewordene Bewahrung und nicht etwa als Dienst der Tradierung.

Dies hängt nicht zuletzt, so die Aufschichtung innerhalb der thematischen Felder, mit dem notwendig gewordenen alltäglichen Umgang mit Multikulturalität

79 Welche Intentionen auf Seiten der Eltern hinter dieser augenscheinlichen Einforderung passagere-ligiös orientierter Erziehungsinhalte noch stecken können, wurde bei den Typisierungen diskutiert.

men. Interessanterweise wird hier die ungeprüfte Annahme des zweiten Typus ad absurdum geführt, die christliche Primärsozialisation mit Hilfe einer konfessionellen Einrichtung sei ein Garant für eine Erziehung ohne Sprachbarrieren. Nichtsdesto-trotz werden ausländische Kinder als Ursache dafür thematisiert, dass sich die Arbeit in konfessionellen Einrichtungen erheblich verändert, vereinzelt auch ‘Aus-nahmesituationen’ erzeugt. Es ist hier rekonstruierbar, inwieweit es auch von Seiten der Erziehenden eine ‘Angst vor Überfremdung’ gibt, die ihren Arbeitsauftrag be-trifft, deren Erfüllung sie bedroht sehen.

Die hier erwähnten alltäglichen Sprachbarrieren verändern aus Sicht der Befragten nicht nur die inhaltliche Komponente ihrer Arbeit, sondern auch die erlebte Funkti-onszuschreibung. Neben dem artikulierten Wunsch der (deutschsprachigen) Eltern, den Kindern mögliche religiös konnotierte Handlungsoptionen ohne inhaltlichen Bezug an die Hand zu geben, kommt nun noch die angenommene Aufgabenzu-schreibung der (nicht deutschsprachigen) Eltern, die Kinder sprachlich in die Gesellschaft zu integrieren und für den weiteren Lebensweg ‘fit’ zu machen.

So wird offenbar eine Intention mancher Eltern erfüllt – wenn auch aufgrund ande-rer Konstellationen: Der Kindergarten wird aus Sicht einiger Erzieherinnen zunehmend zum Ort der Weitergabe kulturspezifischer (Grund-) Elemente der west-lichen Gesellschaft, ohne den institutionell vorgegebenen konfessionellen Auftrag in Gänze erfüllen zu können. Ich möchte sogar soweit gehen zu behaupten, dass auf diesem Wege auf beiden Seiten unter Umständen eine zunehmend funktionalisti-sche Sichtweise institutionalisierter Religion entsteht.

6 Zusammenfassung und Ausblick

Wird berücksichtigt, dass die präsentierten Ergebnisse nicht uneingeschränkt ver-allgemeinerbar sind, da ihnen kein ‘gesättigtes’ Sample im klassischen Sinne zugrunde liegt, lassen sich doch für die befragte ‘eingegrenzte Gruppierung’ der gutsituierten, gut gebildeten ‘älteren’ Eltern der Mittelschicht, die vermutlich nicht nur den Kindergarten sondern auch die Elternschaft selbst sehr bewusst wählten, einige Resultate pointiert zur Diskussion stellen, die insgesamt wissenssoziologisch bedeutsam erscheinen.

Sehr knapp kann zunächst verdichtet werden, welche Typen von Orientierungs-handlungen für die Eltern rekonstruiert wurden:

- Bei dem ersten Typ geht es um eine problematische Auseinandersetzung mit Religion im Rahmen der eigenen Biographie, bei der diese einen disziplinie-renden Charakter in der Tradierung erhielt. Dieser Aspekt führt zur Verunsicherung und späteren Delegation elternspezifischer Aufgaben an vermeintliche Experten der institutionalisierten Religion. Die säkulare Um-welt führt zur erzwungenen Entzauberung eigener Glaubensvorstellungen;

institutionalisierte Religion fungiert im Rahmen der elterlichen Erziehungs-aufgaben in erster Linie als Hilfe für die Eltern, eigene Unzulänglichkeiten zu kompensieren und gezielt Erziehungsziele an eine selbstgewählte Institution abzutreten.

- Bei der zweiten Typisierung führen fehlende religiöse Wurzeln in der eigenen Biographie in Kombination mit einem säkularen Umfeld zum Versuch, Religi-on als relevanten Erziehungsaspekt hervorzuheben, ihm aber weltliche Aufgaben zuzuschreiben. Glaubenspraktische oder transzendente Aspekte werden ausgeklammert. Es kommt somit zu einer sekundären Anpassung hinsichtlich der gewählten Institution mit stark profanisierenden Tendenzen bei der Funktionszuschreibung. Institutionalisierte Religion fungiert hier im Rahmen elterlicher Erziehung zu aller erst als autorisierte Vermittlerin kultu-reller und Werte bezeichnender Aspekt mit der Separation im Hinblick auf andere Kulturen.

- Der letzte Typus thematisiert den Versuch, den eigenen (privaten) Glauben mit Hilfe der institutionalisierten Form von Religion zu vermitteln, dem Nachwuchs eine Möglichkeit zu bieten, an Transzendenz teilhaben zu kön-nen. Institutionalisierte Religion wird zum Bindeglied im Rahmen der Aufgabe, unsichtbare Religion zu tradieren.

Die Kindergartennarrative verdeutlichen schließlich zwei alltagsweltliche Aspekte institutionalisierter religiöser Sozialisation: In einer wirtschaftlichen Situation, in der Arbeit zum kostbaren und raren Gut geworden ist, geraten inhaltliche (konfessio-nelle) Komponenten der Arbeit in den Hintergrund. Darüber hinaus übernimmt eine konfessionelle Einrichtung in einer mulikulturellen Gesellschaft offenbar die

glei-chen Aufgaben wie eine areligiöse Organisation - die Integration der Fremden; auch damit gerät die religiöse Komponente ins Abseits.

Ich werde diese idealtypusorientierte Darstellung im Folgenden weiter ausführen und einzelne Komponenten soweit möglich miteinander verknüpfen. Da es ja auch um die Frage geht, ob Religion im Sinne eines Mediums von Erziehung interpretiert werden kann, werde ich die anfangs vorgestellten Theorien daraufhin hinterfragen, inwieweit die hier entwickelten Hypothesen haltbar sind. Es soll darum gehen, welcher Stellenwert Religion in der heutigen pluralistischen, säkularen Gesellschaft, ausgehend von den analysierten Narrativen, (noch) zugeschrieben wird. Darüber hinaus werde ich hinterfragen, welches Konzept von Glaube hinter den artikulierten Überlegungen steht und was dies für Eltern, ihre selbst- und fremdzugeschriebenen konfessionellen Erziehungsaufgaben, sowie die Geltung von Religion im Rahmen der Dimension des Eltern-Kind-Verhältnisses bedeutet.

Aufgrund der Rekonstruktion, welche Optionen den Befragten in unserer Gesell-schaft im Hinblick auf das Forschungsthema unter anderem zur Verfügung stehen, lassen sich meines Erachtens auch Konsequenzen des theoretischen Umgangs ge-sellschaftlich rekonstruierbarer Religiosität und hinsichtlich der Betrachtung beobachtbarer Kirchlichkeit aufzeigen. Somit können bestehende Theorien in der Religionssoziologie fortgeschrieben werden, bzw. ihre Modifikationen sinnvoll er-scheinen, handelt es sich doch nicht mehr nur um den eigenen Bezug zu christlicher Religion sondern um diesbezügliche Motivstrukturen und Handlungsmuster im Hinblick auf Dritte.

Die rekonstruierten Effekte sollen zunächst vor dem Hintergrund der eingangs ge-stellten Forschungsfragen resümierend beleuchtet werden, bevor ich auf die sich zeigenden theoretisch und gesellschaftlich relevanten Konsequenzen der Ergebnis-se eingehe. Im Hinblick auf den geErgebnis-sellschaftlichen Horizont will ich hierbei drei Bereiche grob differenzieren: Die Bedeutung der Analysen für die Organisation Kin-dergarten, für die Institution Kirche und nicht zuletzt für den gesellschaftspolitischen Umgang mit der rekonstruierten Herangehensweise an konfessionelle Sozialisation im Allgemeinen.

Bei der sehr grundsätzlichen Forschungsfrage, warum Eltern sich für ihre Kinder bewusst einem konfessionellen (christlichen) Kindergarten zuwenden, ging es im Hinblick auf den Erziehungsgedanken darum zu rekonstruieren, welche elterlichen

Erziehungsziele offenbar werden, wie Eltern dementsprechend christliche Religion resp. kirchlich gebundene christliche Religion für ihre Kinder definieren und auch, was für Eltern institutionelle Religion im Hinblick auf ihre Kinder bedeutet.

Mit Blick auf die Eltern-Kind-Beziehung interessierte mich darüber hinaus, ob ein säkularer Umgang mit institutioneller Religion rekonstruierbar ist, welche elterli-chen Handlungs- und Orientierungsmuster ich im Zusammenhang mit der Entscheidung, das Kind konfessionell einzubinden, herausarbeiten kann und in-wieweit diese Motivstrukturen biographisch oder lebensweltlich erklärbar sind.

Schließlich ging es aber auch um die Ebene des Umgangs mit Institutionen am Bei-spiel religiöser, institutionalisierter Fremdsozialisation. Mich interessierten die Erwartungen an die gewählte Organisation, die damit zusammenhängende Funkti-onszuschreibung, sowie die Intentionen der Abgabe der Sozialisationsaufgabe der eigenen Kinder an eine konfessionelle Einrichtung.

Mit Blick auf den rekonstruierten Erziehungsgedanken können sehr differenzierte Erziehungsziele präsentiert werden. Diese werden im Folgenden getrennt betrach-tet, da es einen erheblichen Unterschied macht, ob areligiöse oder gläubige Menschen interviewt wurden.