• Keine Ergebnisse gefunden

Die hier diskutierten elterlichen Beweggründe zur Inanspruchnahme konfessioneller Sozialisationseinrichtungen und die dahinterliegenden Orientierungsmuster haben zur Folge, dass beobachtbare Kirchlichkeit bisweilen areligiös motiviert ist; ein As-pekt, der bisher weder von der Kirche selbst, noch theoretisch zur Kenntnis genommen wurde. Kirche als Institution hat demnach im Sinne eines Obdaches in-stitutionalisierter Religion (noch immer) einen hohen gesellschaftlichen Stellenwert, allerdings häufig im Hinblick auf areligiöse Interessen.

Betrachtet man die vorangegangenen Aspekte mit Blick auf mögliche Aussagen zu unserer säkularen Gesellschaft, lassen sich einige sehr spannende Thesen aufstel-len, die zwar einer weiteren Überprüfung bedürfen, aber doch hypothetisch diverse gesellschaftsbezogene Aussagen der Soziologie der letzten Jahre zur Diskussion stellen.83

Einige Menschen suchen in der institutionellen Religion für ihre Kinder Gemein-schaft und traditionelle Sicherheiten (vgl. Typ I aber auch Beck 1986). Dies belegt zum einen, dass Religion tatsächlich ein ‘Wir-Gefühl’ bereitstellen kann (vgl. Weber 1972), lässt aber auch die Vermutung zu, dass die vielbeschworene Individualisie-rung offenbar an ihre Grenzen in der Akzeptanz der Menschen stößt (vgl. Schröder 2005, 168 ff.). Die düstere Prophezeiung einer egoistischen ‘Spaßgesellschaft’ halten viele Sozialwissenschaftler ohnehin für widerlegt. Doch neben dem zunehmend be-obachtbaren gesamtgesellschaftlichen Engagement scheint auch in der Erziehung ein ‘Wir-Gefühl’ gesucht. Menschen trachten wieder vermehrt nach Halt und

83 Ich werde hier nicht erneut betonen, dass die Studie nur bedingt verallgemeinerbar ist, sondern theoretisch abstrahieren und mich hierbei auch auf Beobachtungen anderer Arbeiten beziehen, die diverse Überlegungen unter Umständen untermauern können.

Schutz, zwei Aspekte die für die Erziehung zwar obligatorisch, einigen aber in der eigenen Wahrnehmung der individualisierten Gesellschaft abhanden gekommen zu sein scheinen. So könnte die inhaltlich intendierte Abgabe der Sozialisationsleis-tung im Hinblick auf die Nachkommen auf der Basis der Narrationsanalysen auch dahingehend interpretiert werden, dass Eltern sich aufgrund der Verunsicherung bezüglich ihres eigenen Könnens bereits früh aus der Erziehungsaufgabe zurück-ziehen und stattdessen den Ruf nach Experten und Fremdverantwortung in einer gewählten Gemeinschaft anstimmen. Mit dem erklärten Wunsch, die Kinder mit Hilfe von (christlicher) Religion gesellschaftsfähig zu machen, wird der Tenor der Individualisierung zurückgedrängt (vgl. Kalupner 2003). Doch ist hier definitiv nur ein Herausziehen aus Erziehungsverantwortung rekonstruierbar? Meines Erachtens kann hinsichtlich der Analysen durchaus von einer Synthese der Orientierungsmus-ter Abgabe von Verantwortung und Suche nach neuen Lösungen in der Erziehungsarbeit gesprochen werden. Statt die Einführung der Kinder in die Gesell-schaft völlig aus der eigenen Hand zu geben, suchen Eltern offensichtlich nach unkonventionellen Wegen, ihren Kindern optimale Möglichkeiten zu bieten – und finden in der institutionalisierten Form von Religion eine Handhabe. Hierfür werden aber emotionale Komponenten zugunsten bildungsbetonter in den Hintergrund ge-rückt und das Erziehungsziel gesellschaftlich in gewisser Weise verallgemeinert – zumal subjektive Erfahrungen nicht mehr in die intendierte Vermittlung eingepasst werden.

Dieses Handlungsweise führt unter Umständen so weit, dass der Institution Kirche Aufgaben zugeschrieben werden, die zutreffender im sozialpolitischen Bereich zu suchen wären. Religion erhielte dann tatsächlich den Status eines gesellschaftli-chen Überbauphänomens (vgl. Buckow 1984, 7) aber lediglich in ihrer institutionalisierten Form. Sie würde zum Gegenpol der Politik, der nicht mehr zu-getraut wird, gesellschaftlich relevante Problemfelder anzugehen.

Die Hinwendung zu konfessionellen Bezügen für andere in einer theoretisch weit-gehend säkularen Gesellschaft lässt aber auch Raum für eine weitere Hypothese wenn, wie rekonstruiert, christliche Kultur als Wurzel der eigenen Gesellschaft be-tont und deren notwendige Vermittlung als Orientierung bei der Wahl der Sozialisationseinrichtung in den Vordergrund gerückt wird. Diese Struktur lässt vermuten, die Globalisierung stoße hier an eine ihrer zentralen Grenzen (vgl.

Htington 1997). Religion machte demnach erst offensichtlich, worin sich Kulturen un-terscheiden und ermöglichte damit auch eine Abgrenzung zum anderen (vgl.

Goffman 1980; 2000; Berger, Berger 1993). Religion als Medium (elterlicher) Erzie-hung wäre damit zwar mit Blick auf die intendierten Vermittlungsziele nicht mehr intrinsisch motiviert (vgl. Grom 1981), mit Blick auf die dahinter rekonstruierbare Intention der Eltern aber um so mehr.

Ganz allgemein lässt sich bei der Rekonstruktion der Narrationen beobachten, dass Religion nur noch bedingt die Funktionen mit Blick auf die Kinder zugeschrieben werden, die bisher immer wieder zu ihrer Definition herangezogen wurden. Weiter-hin soll sie Identität stiften (wenn auch mit einer anderen Nuance, als von Weber entworfen), sozialintegrativ wirken und hinsichtlich moralischer Belange relevante Handlungsoptionen bereitstellen; kurz gesagt, Religion soll aus Sicht der Eltern, für ihre Kinder durchaus Lösungen individueller Probleme bieten. Doch als prophetisch oder kosmisierend scheint sie nicht (mehr) unbedingt erlebt zu werden. Es stellt sich folglich die Frage, ob dies bereits ein entscheidender Hinweis auf eine bereits etablierte neue Sozialform von Religion ist.

Mit dem Konzept der ‘unsichtbaren‘ Religion wurde darauf verwiesen, dass vor al-lem der Einzelne in ihr Sinn finde und nicht mehr unbedingt die Gesellschaft per se.

Doch entgegen der Annahme Luckmanns, der Mensch benötige Glauben, um mit der komplexen Umwelt zurecht zu kommen, benötigen die Gesprächspartner, zu-mindest die areligiösen, nicht den Glauben, sondern die institutionalisierte Form von christlicher Religion, um ihren Kindern ihrer Ansicht nach die Bewältigung der komplexen Welt zu ermöglichen. Religion wird nicht als Option gewertet, Fragen wie ‘Wofür bin ich da?’ zu lösen, sondern als konkrete Hilfe im bildungsbezogenen Alltag mit dem Fokus auf die Frage ‘Was kann ich aus mir machen?’.

Betrachtet man noch einmal die Analysen, ist hier – ganz in Luckmanns Sinne – von Religion die Rede, streben doch die meisten Eltern an, den Nachkommen mit Hilfe des konfessionellen Kindergartens moralisch beurteilbare Handlungsoptionen nahe zu bringen (vgl. Luckmann 1991, 165). Doch Spannungen zwischen profanen und sakralen Daseinsformen, die Luckmann als konkreten Hinweis für das Vorhanden-sein subjektiver Religion wertete, lassen sich fast ausschließlich in den Narrationen rekonstruieren, in denen der konfessionelle Kindergarten als Alliierter gegenüber dem säkularen Umfeld präsentiert wird. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass

andere Gesellschaftsmitglieder (repräsentiert durch weitere Gesprächspartner) be-reits aus diesem Stadium des Glaubens herausgetreten sind oder aber es (noch) nicht erreichten.

Der von Luckmann immer wieder erwähnte Interessenpluralismus führt offenbar nicht nur zur ‘Bastelei’ an der eigenen Identität, sondern hat auch zur Folge, dass die Elternrolle dazu beiträgt, formend in die Bearbeitung der Identität des Kindes eingreifen zu wollen. Entweder, um die Nachkommen aus der eigenen Perspektive heraus auf ‘den rechten Weg’ zu führen (Typ III) oder ihnen ein optimales Maß an Möglichkeiten zu bieten (Typ II). Dies spricht hinsichtlich der nachfolgenden Gene-ration für ein vorsortiertes „Warenlager letzter Bedeutung“ (Luckmann 1991, 145).

Zentral ist bei diesem Gedanken die Beobachtung, dass aus Sicht einiger Befragter der konfessionelle Kindergarten dazu beitragen soll, gerade die Erfahrung des

‘Nicht-Ich’ zu filtern (bspw. da in ihm zugeschriebener Maßen keine nicht-christlichen Kulturen zu finden sind, was zu dessen Wahl führte). Die Schlussfolge-rung könnte in dieser Konstellation die These sein, institutionelle Religion, verlöre ganz und gar nicht an gesellschaftlichem Einfluss, wäre sie doch in der Lage, die Erfahrungsbereiche der ‘Nicht-Alltäglichkeit’ zu sieben.

Es wäre demnach aus Sicht einiger Eltern in keinster Weise erwünscht, die Kinder mit Grenzerfahrungen jeglicher Couleur zu konfrontieren. Institutionalisierte Religi-on in Gestalt des kReligi-onfessiReligi-onellen Kindergartens übernähme in diesem Verhältnis die Funktion, Kinder innerhalb einer unklaren Daseinswelt abzuschirmen und wür-de damit – entgegen wür-der ursprünglichen Intention Luckmanns – zu einem

„besonderen Ort“ (vgl. Luckmann 1963, 41).

Die bei Luckmann zentrale Problematik, Transzendenz sprachlich weiterzugeben, wo doch deren Erfahrung höchst subjektiv geworden ist und alltagssprachlich kaum zu bewerkstelligen scheint, stellt sich in den Interviews so nicht dar. Zwar sind viele Narrationen von Sprachlosigkeit gekennzeichnet, doch diese Beobach-tung hat meines Erachtens wenig damit zu tun, dass die eigene Religiosität sprachlich schwer fassbar erscheint. Vielmehr sind es vor allem die areligiös moti-vierten Eltern, die keine Worte finden, wenn es darum geht, ihre Intentionen der Kindergartenwahl nachträglich konfessionell einzurahmen oder wenn sie auf signi-fikant religiöse Orientierungsmuster bezüglich der eigenen Person angesprochen werden. Kirchlich gebundene Eltern dagegen wählen eine institutionalisierte

Aus-drucksweise ihres Glaubens und zeigen auf diese Weise, dass es hier ihrer Ansicht nach wenig Raum für Individualisierung gibt.

Trotzdem lässt sich ein enormer Stellenwert von Sprache im Rahmen von Erziehung rekonstruieren. Es geht dabei nicht um die verwendete Semantik, sondern um den Stellenwert, der Sprache im gesellschaftlichen Kontext von Seiten der Eltern zuge-ordnet wird. Dieser zugeschriebenen Bedeutung wollen sie mit Hilfe institutioneller konfessioneller Fremdsozialisation gerecht werden.

Insgesamt scheint sich Luckmanns These eines zunehmend privatisierten Modells von Religion auf den ersten Blick auch im Hinblick auf die nachfolgende Generation zu bestätigen – zumindest, was die Begründungen der Anbindung an konfessionel-le Bezüge seitens der Eltern betrifft. Sie betonen die Rekonfessionel-levanz der Gemeinschaft (in der institutionalisierten Form) und definieren je nach individueller religiöser Erfah-rung oder biographischem Bezug Religiosität sehr subjektiv.

Doch diese Sichtweise unterschlägt zwei wichtige Perspektiven, die eine theoreti-sche Weiterentwicklung der bisherigen Herangehensweise an subjektive Religion für angebracht erscheinen lassen. Zum einen der rekonstruierbare Aspekt der Pro-fanisierung und zum anderen eine Form der Passagereligiosität, die bisher in den religionssoziologischen Arbeiten nicht angesprochen wurde.84 Es geht nicht mehr nur darum, symbolische Handlungen zu nutzen, um lebensgeschichtliche Ereignisse zu erhöhen, sondern es geht im Eltern-Kind-Verhältnis um die Idee, mit Hilfe symbo-lischer Handlungen einen Zugang zur möglichen Tradierung (unsichtbarer) Religion zu finden.

Um diese beiden Theorien hier jedoch adäquat miteinbeziehen zu können, ist es meines Erachtens erforderlich zu unterscheiden, ob es sich um religiös oder areligi-ös motivierte Entscheidungsmuster in der Rekonstruktion der Narrationen handelt.

Betrachtet man zunächst die säkular motivierten Erziehungsziele, die hinter der Wahl des konfessionellen Kindergartens rekonstruiert wurden, kann verallgemei-nernd von einer Profanisierung und Funktionsverschiebung gesprochen werden.

Nachweislich ist am Material ein Prozess der Säkularisierung im Sinne einer

84 Die in den theoretischen Implikationen vorgestellte ‘sekundäre Anpassung’ ist in den Narrationen nicht nachweisbar, vorausgesetzt, man interpretiert die Bezugnahme zum Schlagwort ‘christliche Kultur’ nicht als solche, sondern als Teil eines Profanisierungs- und Modernisierungsprozesses des Religionsbegriffs.

setzung profaner Begründungsstrukturen aus dem Einflussbereich religiös be-stimmter Vorstellungen rekonstruierbar. Der konfessionelle Kindergarten wird nicht aufgrund religiös motivierter Überlegungen gewählt, sondern um gesellschaftlich relevante Problembereiche aufzufangen (erschwerte Bildungschancen, abnehmen-der Gemeinschaftssinn, Multikulturalität mit all ihren Schwierigkeiten bspw.).

Eltern verknüpfen die Hinwendung zu institutionalisierter konfessioneller Sozialisa-tion mit nichtreligiösen Inhalten – und das sehr überlegt und unverhohlen. Religiöse Aspekte werden folglich aus ihren Bezügen gelöst und als allgemeingültige, weltli-che Belange und Lernziele definiert. Des Weiteren werden der konfessionellen Organisation Kindergarten aber auch gänzlich säkulare Funktionen zugeschrieben, die zwar auf eine bewusste Distanz zum gewählten Rahmen deuten, sich aber nicht mit religiöser Herkunft begründen lassen. Ersteres führt in einigen Fällen in der Tat dazu, dass Werthaltungen eine enorme Bedeutungsverlagerung erfahren und da-durch von Seiten einiger Eltern angestrebt wird, christlich beeinflusste Erziehungsaspekte vermitteln zu lassen (intendiert), die über ihren ursprünglichen Einflussbereich hinaus als ‘allgemeingültig’ präsentiert werden.

Institutionelle Religion wird damit – in ihrer profanisierten Form – zu einem höchst bedeutenden Medium elterlicher Erziehung, kann doch zugeschriebener Maßen mit ihrer Hilfe der eigene (subjektive) Denkweg gesellschaftlich etabliert werden, indem die eigenen Weltanschauungen als allgemeingültige Wirklichkeitskonstruktion pro-klamiert werden. Der christliche Glaube fungiert damit in der institutionalisierten Version nicht mehr als Erlösung, sondern als Hilfe säkularen Gelingens im Alltag.

Diese Ergebnisse verdeutlichen die Notwendigkeit, sich theoretisch wieder mehr mit dem Aspekt der Profanisierung als Teil des Säkularisierungsprozesses zu be-schäftigen. Die diesbezüglichen Arbeiten sind nunmehr fast 50 Jahre alt und beschäftigten sich ohnehin (nur) mit ursprünglich religiös motivierten Darstellungs-formen. Es gibt aber meines Erachtens in dieser Studie nachweislich (auch) im Bereich der institutionalisierten Fremdsozialisation von Seiten der Eltern Bedeu-tungsverlagerungen und Entwicklungen hin zur Herauslösungen, „theologisch fixierte[r] Vorstellungen“ (Fürstenberg 1999, 10) von Werthaltungen.

Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob die Studie nicht ein Hinweis darauf ist, wie mit Hilfe der Profanisierung religiöser Gesichtspunkte die Religion an sich weiterhin eine zentrale Rolle in der Gesellschaft einnimmt, da gesamtgesellschaftliche

Prob-lembereiche in den Raum des institutionell Religiösen verlagert werden, um ihrer – losgelöst von transzendenten Bezügen – habhaft zu werden.

Wenden wir uns schließlich den religiösen Motiven der Befragten zu. Hier lässt sich zunächst allgemein rekonstruieren, dass dem konfessionellen Kindergarten die Funktion eines ‘Mediums’ zwischen der eigenen Religiosität und dem säkularen Umfeld zugeschrieben wird. Handelt es sich bei den Befragten, die hinsichtlich ih-res eigenen Glaubens verunsichert sind, eher um ein Bindeglied im Sinne eines Verbündeten, ist bei den religiös Gefestigten rekonstruierbar, inwieweit der konfes-sionelle Kindergarten als Möglichkeit betrachtet wird, die eigene subjektive Religiosität mit Hilfe traditioneller, institutionalisierter Sprach- und Handlungsre-geln vermittelbar zu machen. Hier spielt die bereits oft erwähnte Sprachlosigkeit bei der Vermittlung subjektiver Transzendenzerfahrungen eine außerordentliche Rolle.

So, wie sich die Semantik in den Gesprächen bezüglich konfessioneller Einstellun-gen stark an der ‘Kirchensprache’ orientierte, soll diese nun auch mit Blick auf die Kinder dazu dienen, subjektive Religiosität zu ermöglichen. Auch hier, in Anlehnung an das Konzept der Passagereligiosität, soll der institutionelle Rahmen auf die Be-gehung biographisch relevanter Ereignisse reagieren, aber – und hier tritt meines Erachtens eine notwendige Fortschreibung des Konzepts zu Tage – nicht, um fami-liale Begebenheiten inhaltsgelöst stimmungsvoll werden zu lassen. Vielmehr liegt die Intention im Grundgedanken begründet, die sichtbare Form von Religion könne dazu genutzt werden, die eigenen Schwierigkeiten in der Vermittlung subjektiver Vorstellungen zu verringern. Hier wird deutlich, wie die Auseinandersetzung mit dem sichtbaren Teil einer inzwischen unsichtbaren Religion gesellschaftlich vor sich gehen kann (vgl. Soeffner 1993). Interessanter Weise sind die elterlichen Inten-tionen nicht außerhalb transzendenter Bezüge zu suchen, fügen sich aber dennoch äußerlich in das Konzept der Passagereligiosität ein. Auch hier werden biogra-phisch besondere Ereignisse symbolisch und rituell begleitet und auch hier ist die Ausrichtung der Riten mit Blick auf die Kinder nicht uneingeschränkt auf das Jen-seits gerichtet – diese Bezogenheit trifft eher auf die Eltern zu. Für die Nachkommen ist die Handhabung zunächst gedacht, um einer Gemeinschaft im Diesseits näher gebracht zu werden und den elterlichen Vorstellung näher zu kommen. Inwieweit hieraus später subjektive Religiosität erwächst, bleibt zunächst offen.

Zu guter Letzt möchte ich noch einmal auf die beobachtbare Kirchlichkeit bzw. die Orientierung an den Organisationen von institutionalisierter Religion eingehen – auch wenn mir ein singulärer theoretischer Verweis hier schwer fällt. Neben den theoretisch meines Erachtens sehr aussagekräftigen Analyseergebnissen, dass der Blick auf ein Generationenverhältnis hinsichtlich des Umgangs mit institutionali-sierter Religion durchaus dazu beiträgt, bestehende Theorien bezüglich der Funktionszuschreibung von Religion zu überdenken, deuten die Ergebnisse auf eine weitere Perspektive hin. Kirchlichkeit scheint nicht – wie bisher theoretisch ge-bräuchlich – ausschließlich mit religiöser Gebundenheit begründbar. Vielmehr lohnt es, sich die Analysen unter dem Gesichtspunkt der dahinterliegenden Motivstruktu-ren zu betrachten. Wie in den Narrationen rekonstruiert, passt die Gleichung

‘Kirchlichkeit = Gläubigkeit’ nicht uneingeschränkt. Neben der – auch hier – vor-findbaren Passagereligiosität im Sinne Knoblauchs lassen sich zwei weitere Teilnahmeintentionen belegen. Zum einen wird die Institution (und ihre Organisati-on) dazu genutzt, konfessionsferne Ziele mit Blick auf die Sozialisation der Kinder zu verfolgen, zum anderen erscheint die (aktive) Teilnahme als hilfreich, eine Grundla-ge für subjektiven Glauben Dritter einzurichten. Beides hat zur FolGrundla-ge, dass die eigentliche Adressatengruppe (die Kinder), später unter Umständen keinen Bezug zur institutionellen Religion entwickelt haben wird. Entweder, da die Motivstruktu-ren der InitiatoMotivstruktu-ren (Eltern) ohnehin säkular begründet waMotivstruktu-ren oder aber, da die

‘kindliche Kirchlichkeit’ lediglich dazu dienen sollte, eine subjektive, unter Umstän-den ‘institutionen-distanzierte’ Religiosität zu entfalten.

Abschließend kann zusammengefasst werden, dass selbst die hier befragte ‘einge-grenzte Gruppierung’ dazu beitragen konnte, diverse Modifikationen in vorfindbaren religionstheoretischen Arbeiten anzuregen. Es erscheint gewinnbrin-gend, sich im Hinblick auf den Umgang mit Institutionen (für den die Wahl des konfessionellen Kindergartens hier exemplarisch vorgestellt wurde) auch mit dem diesbezüglichen Verhältnis unterschiedlicher Generationen miteinander (das Eltern-Kind-Verhältnis fungierte hier als Modell) zu befassen.

7 Literatur

Abeln, R. (1979): Religiöse Erziehung heute. Leutesdorf

Alheit, P. (1986): Religion, Kirche und Lebenslauf. In: Theologia Practica 21; Jg. 21, 130-143

Allbus (1998): Allgemeine Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften. Zent-ralarchiv für Empirische Sozialforschung an der Universität zu Köln. Köln Allensbach, Institut für Demoskopie (1989): Weitergabe des Glaubens. Einflüsse

auf die Tradierungschancen des Glaubens in der Familie. Allensbach (un-veröffentlichter Forschungsbericht)

Arbeitskreis katholischer Schulen in freier Trägerschaft (1999): Katholische Schu-len in freier Trägerschaft – Ergebnisse der Umfragen im Schuljahr 1997/1998.

In: Engagement. Zeitschrift für Erziehung und Schule, 3, 177-242

Bandler, G. (1979): Religiöse Erziehung heute. Paderborn, München

Bauer, G. (2005): Woran wir glauben. Umfrage im Auftrag des Magazins "Reader´s Digest Deutschland" von EMNID. Am 24.02.2005 durch die DPA veröffent-licht

Baumann, M. (2005): Viele Religionen schaden der Gesellschaft nicht. Von den Ge-fahren und Chancen der Religionspopularität. Neue Zürcher Zeitung, 24; 71 Beck, U. (1986): Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne.

Frank-furt/Main

Behnken, I.; Zinnecker, J. (1993): Kirchlich-religiöse Sozialisation in der Familie.

Fallstudien zum Wandel von Kindheit und Kirchengemeinde in den letzten drei Generationen. In: Hilger, G.; Reilly, G. (Hrsg.): Religionsunterricht im Abseits? Das Spannungsfeld Jugend – Schule – Religion. München, 147-170 Beile, H. (2000): Kinder glauben anders. In: Biesinger, A.; Bendel, H. (Hrsg.):

Got-tesbeziehung in der Familie. Ostfildern, 44-72

Beinert, W. (1986): Den Glauben weitergeben. Wege aus der Krise. Regensburg Berger, P. L. (1994): Sehnsucht nach Sinn. Frankfurt/Main

Berger, P. L.; Luckmann, Th. (1992): Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirk-lichkeit. Frankfurt/Main. Unveränderter Nachdruck d. 5. Aufl. 1977

Berger, P. L.; Luckmann, Th. (1995): Modernität, Pluralismus und Sinnkrise. Güters-loh

Berger, P. L.; Berger, B. (1993): Wir und die Gesellschaft. Reinbek bei Hamburg Bettinger, A. (1994): Leben im Alltag der Gegenwart: Herausforderung an die

christliche Spiritualität. Würzburg

Bibel, die (1985): Nach der Übersetzung Martin Luthers. Stuttgart

Biesinger, A. (2001): Kinder nicht um Gott betrügen – Anstiftungen für Mütter und Väter. Freiburg/Breisgau

Bock, K. (2000): Politische Sozialisation in der Drei-Generationen-Familie. Eine qua-litative Studie aus Ostdeutschland. Opladen

Bohnsack, R. (2000): Rekonstruktive Sozialforschung. Einführung in Methodologie und Praxis qualitativer Forschung. Opladen. 4. Aufl.

Boos-Nünning, U. (1974): Religiöses Verhalten im Wandel. Essen

Borchers, A. (1997): Die Sandwich-Generation. Ihre zeitlichen und finanziellen Leistungen und Belastungen. Frankfurt/Main

Bortz, J. (1984): Lehrbuch der empirischen Forschung. Berlin

Boschki, R.; Nanino, Sr. C. (2000): "Hat Gott Füße?" Kindergärten und religiöse El-ternbildung. In: Biesinger, A.; Bendel, H. (Hrsg.): Gottesbeziehung in der Familie. Ostfildern, 242-264

Bourdieu, P.; Passeron, J.-C. (1971): Die Illusion der Chancengleichheit. Stuttgart Breckner, R. (1994): Von den ‘Zeitzeugen’ zu den ‘Biographen’. In: Berliner

Ge-schichtswerkstatt (Hrsg.): Alltagskultur, Subjektivität und Geschichte.

Essen, 199-222

Bröking-Bortfeld, M. (1994): Konfessioneller Religionsunterricht? Oldenburger Uni-versitätsreden Nr. 59. Oldenburg

Bubmann, P.; Tischer, R. (1992) (Hrsg.): Pop & Religion. Auf dem Weg zu einer neuen Volksfrömmigkeit? Stuttgart

Bucher, A. A.; Reich, K. H. (1989) (Hrsg.): Entwicklung von Religiosität. Freiburg (Schweiz)

Buckow, W.-D. (1984): Kritik der Alltagsreligion. Ein Beitrag zu den Regulations- und Legitimationsproblemen des Alltags. Frankfurt/Main

Buggle, F. (1992): Denn sie wissen nicht, was sie glauben. Oder warum man redli-cherweise nicht mehr Christ sein kann. Eine Streitschrift. Reinbek bei Hamburg

Buhleier, K. (1993): Materialbuch Erstkommunion. Elternkatechese, Kinderkateche-se, Gottesdienste. Mainz

Burgard, P. (1989): Zum Problem des Messens religiöser Urteilsstrukturen. In: Bu-cher, A. A.; Reich, K. H. (Hrsg.): Entwicklung von Religiosität. Grundlagen - Theorieprobleme - Praktische Anwendung. Freiburg (Schweiz), 103-119 Buri, F. (1978): Religion haben und religiös sein. In: Theologia Practica, 83-87

Burgard, P. (1989): Zum Problem des Messens religiöser Urteilsstrukturen. In: Bu-cher, A. A.; Reich, K. H. (Hrsg.): Entwicklung von Religiosität. Grundlagen - Theorieprobleme - Praktische Anwendung. Freiburg (Schweiz), 103-119 Buri, F. (1978): Religion haben und religiös sein. In: Theologia Practica, 83-87