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2. Demografische Einflussgrößen

2.2 Generative Dynamik

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b) das physiologische Alter nach dem Grad der Geschlechtsreife, c) das morphologische Alter nach Körpergröße und Gewicht, 3. das intellektuelle Alter durch vergleichende Intelligenzprüfungen, 4. das pädagogische Alter nach der Schulentwicklung des Kindes.

Diese der individualisierten Selbstbeurteilung zuzuordnenden Kriterien zeigen das Verhältnis einer Person zu sich selbst, entsprechend der landläufigen An-sicht: „Man ist nur so alt, wie man sich fühlt, ob z. B. der Körperbau, die Zäh-ne, die Körpergröße, das Gewicht, der Geisteszustand usw. in Ordnung ist.“

Dagegen ist der Altersbegriff bei einer Fremdeinschätzung (soziologisches Al-tern) anders gelagert. Bewertungsrelevant ist das gesellschaftliche Ansehen.

Aktuell ist der gesellschaftliche Status des Alters nicht gut, nach dem Motto:

„Alle möchten alt werden, aber niemand alt sein.“ Dieses ist als erste Reaktion auf die demografische Entwicklung zu bewerten und suggeriert, dass es oh-nehin schon viele Alte in Deutschland gibt.

Die allgemeine Begriffsdefinition des Alterns lautet jedoch:

„Altern bedeutet jede irreversible Veränderung der lebenden Substanz als Funktion der Zeit.“5

Diese Auslegung des Begriffs „Altern“ ausschließlich im zeitlichen Duktus stößt auf Kritik in der Wissenschaft. So kann der Lebens(ab)lauf nicht als ein einheitliches Ganzes gesehen werden, da er sowohl psychologische und so-ziologische Elemente enthält (s. Abb. 1 und 2). So wird in der Fachwelt, und das nicht widerspruchslos, häufig die zweite Lebensphase als das „eigentli-che“ Altern angesehen.6

Abb. 1: Schematische Darstellung der somatischen, psychischen und sozialen Potenziale des Menschen in der Altersabhängigkeit

entnommen aus: Ries, Werner; Saur, Ilse , S. 7

Diese (Lebens-)Phasenbetrachtung kann die damit einhergehende Verände-rung des Rollenverständnisses nicht unberücksichtigt lassen (s. Abb. 2).

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Hierbei unterscheidet Olbrich drei Rollencharakteristiken:

Die formale bzw. institutionalisierte Rolle. In diese wächst das Individuum im Laufe seines Erwachsenenalters hinein. Im Pensionsfall verliert diese in der Regel schlagartig an Bedeutung, zumal die dafür aufgebrachten Aktivitäten entfallen. Diese Rollen sind an eine fest umschriebene Position gebunden und verlangen eine relativ definierte Aktivität bei der Rollenausübung bzw. besit-zen einen eindeutig zugeordneten Status.

Davon zu unterscheiden sind die informellen Rollen. Diese beziehen sich nicht auf eine fixierte Position, besitzen keinen eindeutigen Status bzw. verlangen kein vorgegebenes Rollenverhalten. Dem Individuum verbleibt mehr individu-eller Spielraum bei der Rollenausübung (z. B. Schriftführer eines Vereins).

Auch diese Rollencharakteristik erfährt einen Bedeutungszuwachs im Erwach-senenalter. Der „Absturz“ im Alter (z. B. bei der Pensionierung) ist im Gegen-satz zu den institutionellen Rollen weniger ausgeprägt.

Bei den spärlich definierten Rollen handelt es sich um Positionen mit einem hohen Status, mit einer nicht klar definierten Position und einem unscharf konzeptualisierten Aufgabenbereich (z. B. die Rolle des päpstlichen Hausprä-laten).

Abb. 2: Relative Bedeutung verschiedener Rollen im Lebenslauf

entnommen: Olbrich, S. 133

Der konkave Verlauf des Graphs in der Abb. 2 zeigt, dass die spärlich definier-te Rolle mit fortschreidefinier-tendem Aldefinier-ter gewöhnlich an Bedeutung gewinnt.7

Der schraffierte Bereich ab dem Schnittpunkt der institutionalisierten und der spärlich definierten Rolle stellt das eintretende Bedeutungsdefizit zu den in-formellen Rollen im Lebenslauf dar.

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Andere altersrelevante Theorien sprechen von einem Zusammenwirken vieler Faktoren. Empirisch wurden diese mit dem Ziel der Wahrscheinlichkeit, ein höheres Alter zu erreichen, eruiert. So berichtet Ursula Lehr in ihrem Werk

„Psychologie des Alterns“,

„keine der genannten Variablen allein ist in der Lage, Langlebigkeit zu erklä-ren. So einflussreich auch genetische, physiologische und ökologische Fakto-ren sein mögen und so sehr die Bedeutung biologischer FaktoFakto-ren zu un-terstreichen ist, so unzureichend sind Versuche, hierin alleinige Bestimmungs-faktoren für die Langlebigkeit zu sehen.“8

Sie berichtet, dass es trotz der neueren internationalen Ergebnisse gegenwär-tig noch verfrüht sei, Theorien oder auch nur Gesetzmäßigkeiten, die für eine längere Lebenserwartung relevant sein könnten, abzuleiten. Lehr verweist auf

„… möglicherweise auf eine höhere Lebenserwartung einflussnehmenden Faktoren“, die sich gegenseitig beeinflussen und in einer problematischen Wechselbeziehung stehen. Diese Abhängigkeit bzw. Wechselbeziehungen macht sie an einem Netzwerk (s. Abb. 3) deutlich und betont, dass dieses Mo-dell keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, jedoch für die Prognose eines gesunden, zufrieden stellenden Daseins von Bedeutung sein kann.9

Abb. 3: Korrelate der Langlebigkeit

(Ein interaktionistisches Modell der Bedingungen von Langlebigkeit und Altwerden)

entnommen: Lehr, Ursula (2007): Psychologie des Alterns, S. 72

Erläuterung der korrelativen Abhängigkeiten:

(1) Genetische, physiologische Elemente beeinflussen direkt die Lang lebigkeit, aber auch

(2) die Entwicklung der Persönlichkeit.

(3) Die Persönlichkeit wird zusätzlich durch Sozialisierungsprozesse (El-tern, Schule, soziale Umwelt) bzw. durch epochale Elemente geformt.

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(4) Prägung der Persönlichkeit durch ökologische Faktoren (dingliche Um welt, Stimulationsgrad der Umgebung, klimatische Bedingungen).

(5) Die Abhängigkeit zwischen körperlichen Aktivitäten und Langlebigkeit gilt heute als bewiesen.

(6) Ebenso gilt heute der Nachweis zwischen ökologischen Faktoren und Langlebigkeit als erbracht.

(7) Bestimmung des sozialen Status durch Persönlichkeit, Schulbildung, Berufsausbildung und Berufsausübung.

(8) Berücksichtigung weiterer intervenierender Variablen für den Zusam-menhang zwischen sozialem Status und Langlebigkeit.

(9) Der soziale Status haben Einfluss auf (10) sowie die Persönlichkeit die

(11) und ökologische Faktoren Ernährungsgewohnheiten.

(12) Unbestritten ist der direkte Zusammenhang zwischen der Ernährung sowie den ernährungsbedingten Krankheiten und der Langlebigkeit.

(13) Der Lebensstil, das gesundheitsbewusste Verhalten (Ernährung, Hygiene, Gesundheitsvorsorge, körperliche Aktivität) sind gene- tisch - biologische Faktoren,

(14) von der Persönlichkeit

(15) und von ökologischen Einflüssen sowie Umweltgegebenheiten mit bestimmt.

(16) Ebenso beeinflussen die Schulbildung und der soziale Status gleicher maßen den Lebensstil,

(17) der eine enge Verflechtung mit der Langlebigkeit eingeht.

Diesen auch medizinisch geprägten Annahmen wird aus betrieblicher Sicht teilweise widersprochen. Die Frage, ob z. B. die Geschwindigkeitsabnahme bei der Informationsverarbeitung und der Rückgang der fluiden Intelligenz ein unabwendbares Schicksal des Alters darstellen, wird aus zwei Gründen ver-neint.

Erstens führt der moderne Arbeitsplatz durch die von ihm ausgehenden Anre-gungen zu einem geistigen Training, welches „mit hoher DNA-Aktivität mit der Folge andauernder Plastizität der Nervenzellen verbunden ist.“10

Zweitens ist eine Zunahme der kompensatorischen Fähigkeiten der Intelligenz im Alter festzustellen, „… so dass die Korrelation zwischen Alter und berufli-cher Leistungsfähigkeit extrem gering ist.“11

Zur gleichen Kernaussage gelangte das Institut für Arbeitsphysiologie der Uni-versität Dortmund. Die Forscher untersuchen seit geraumer Zeit die Vorgänge im Hirn Älterer und wurden nach eigenen Worten positiv überrascht 12:

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• „Ältere Menschen lernen mehr aus ihren Fehlern.“

• Die verzögerten Reaktionszeiten seien kein Defizit, „sondern eine Strategie der Älteren, die Reaktionsschwelle zu erhöhen – also vorsichtiger zu sein als jüngere.

• Die verzögerte Reizwahrnehmung bei Älteren wird durch eine beschleunig-te Entscheidungsfindung kompensiert. Ein Teil des Denkvorganges läuft also schneller ab als bei Jüngeren.

• „Ältere Menschen ermüden nicht schneller als junge.′…sie ließen sich eher ablenken: Sie blenden unwichtige Informationen schlechter aus′“.

Eine auf biologisch fassbaren Alterungsprozessen basierende vorzeitige Be-grenzung der Tätigkeitsdauer erscheint nahezu irrelevant. Dies bedeutet je-doch nicht, dass mit wachsendem Alter keine Wandlung der Leistungsfähig-keit einhergeht. Bemerkenswert ist jedoch, dass einige mit 70 Jahren noch in-novativ und produktiv, andere jedoch schon mit 45 Jahren zu alt für ihre Tätig-keit sind. Offensichtlich liegt dieser eklatante Unterschied:

„weniger an biologisch determinierten, altersbedingten Wandlungen der menschlichen Leistungsfähigkeit, sondern […] eher an der Art der Tätigkeit und dem Erwerbsverlauf, der zu ihr führte.“13

Diese Erkenntnisse zeigen, dass durch geeignete betriebliche Weichenstel-lungen (z. B. gesundheitliche Betreuung, Fort- und Weiterbildung) einem vor-zeitigen beruflichen Altern entgegengewirkt werden kann. Dieser Gesichts-punkt wird in einer eigenen Betrachtung noch thematisiert.