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29. November 2007 (1. Tag) Begrüßung:

3.4 Zusammenfassung

Gesetzliche Vorgaben 72

und der Frage, welche Gründe die Alten daran hindern, im Arbeitsleben zu verbleiben.

Im Herbst 2001 gründete das Wirtschaftsministerium die Arbeitsgruppe Seni-orgruppen, die kurzfristige Perspektiven erarbeiten soll. Soweit es ihr notwen-dig erscheint, kann sie auch Verfassungsänderungen vorschlagen. Sie steht im Erfahrungsaustausch mit ihren skandinavischen Nachbarstaaten und erar-beitet thematische Vorschläge. Flexible Anstellungsformen, flexible Übergän-ge vom Erwerbsleben in den Ruhestand, flexible Möglichkeiten der Anpas-sung des Arbeitslebens an die Fähigkeiten und Fertigkeiten von Älteren ste-hen im Focus der Arbeitsgruppe.

Forum 50+, ein Verein, der sich dem Thema einer gesellschaftlichen Sensibili-sierung widmet, kritisierte, dass gegen Ende 2002 immer noch keine von der Arbeitsgruppe vorgeschlagenen Projekte umgesetzt wurden.85

Eine von der Senior 2005 in Auftrag gegebene Studie ergab, dass für die Un-ternehmer/innen Personen mit 45 Jahren als „alt“ gelten. Obwohl den Älteren ein guter Kundenumgang attestiert wird, kreidet man ihnen die Absicht an, bald in Pension zu gehen bzw. mehr Freizeit haben zu wollen, ein geringeres Arbeitstempo zu besitzen und unflexibel zu sein. In einem Zwischenbericht schlägt Senior 2005 vor, dass eine Veränderung der Einstellung gegenüber äl-teren Arbeitskräften erreicht werden müsse, da die herrschende Meinung auf Vorurteilen und Wissensmangel beruhe. Die Branchen „Bildung“ und „Ge-sundheit“ sind am wenigsten für Altersdiskriminierung anfällig. Auch Unter-nehmen mit einer jungen Belegschaft besitzen häufig eine positive Sichtweise in Bezug auf ältere Arbeitskräfte.86

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Soweit gesundheitliche bzw. sicherheitsrelevante gesetzliche o. ä. Vorgaben zu respektieren sind, vermag insbesondere der ältere Mitarbeiter noch ein gewis-ses Verständnis für diese Altersgrenzen aufbringen. Völlig anders stellt sich die Sachlage bei einem ausschließlich vom Lebensalter abhängigen Ausscheiden aus dem Beruf dar. Die Methode der gesetzlich sanktionierten Altersgrenzen wird sich an dem Altern eines Volkes und den sich verändernden Lebenszyklen ausrichten müssen. Hierzu wird im Schrifttum auf eine biologisch definierte Ausweitung des Erwachsenenalters (früher Beginn der Reifezeit, später einset-zende Unfruchtbarkeit), dem eine Verengung des soziologisch definierten Er-wachsenenalters (späterer Berufsbeginn, früheres Berufsende) gegenübersteht, verwiesen.

„Hier sind Konfliktsituationen sowohl bei der Jugend (biologisch reif, aber nicht ökonomisch) wie auch bei den Endfünfzigern/Anfang Sechzigern (körperlich und geistig noch leistungsfähig, aber nicht mehr gebraucht) zu erwarten.“87

„Ein Blick über die Grenzen zeigt, wie sich die Probleme der Alterssicherung auf intelligente Weise lösen lassen. In den USA gibt es keine Altersgrenze, deshalb hat jeder zweite zwischen 60 und 65 Jahren noch seinen Job.“88

Stattdessen wird in der Bundesrepublik Deutschland, gesetzlich flankiert, teures Wissen einfach weggeworfen. So berichtet Julia Bornstein u. a., dass amerika-nische Universitäten systematisch deutsche Professoren kurz vor der Emeritie-rung anwerben. Der Aussicht, noch weitere Jahre wissenschaftlich tätig zu sein, können sich insbesondere Naturwissenschaftler kaum entziehen. „Leider wan-dern dabei junge Doktoranden gleich mit ihrem grauen Leitwolf aus“ stellt sie hierzu fest.89

Nicht nur die normierende Kraft der gesetzlichen Altersbegrenzung führt dazu, dass ältere Menschen aus dem Erwerbsprozess ausscheiden. Die Unterneh-menspolitik des Shareholder Value mit dem Zwang der Kostenreduktion führte zusätzlich zum Ausspielen der Karte des Vorruhestandes und der Frühverren-tung, um Personalverkleinerungen und –verjüngungen zu erreichen.90

Hier ist die bundesrepublikanische Politik, insbesondere die Sozialpolitik, gefor-dert, Rollenmöglichkeiten, für die so aufs „Altenteil“ gesetzten Menschen anzu-bieten. Auf diese Weise im Alter noch produktiv sein zu können stellt somit An-forderungen an den Einzelnen wie auch an die Gesellschaft zur Bereitstellung geeigneter Rahmenbedingungen. In diesem Kontext ist festzuhalten:

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1. Produktivität ist nicht mit Aktivität gleichzusetzen. Der Wunsch vieler Men-schen, im Alter noch tätig, aber auch erschöpft sein zu dürfen, muss von ei-ner leistungsorientierten Gesellschaft akzeptiert werden.

2. Die interaktive Natur des Menschen ist auch für das Verständnis der psycho-logischen Produktivität des Alters von Bedeutung. Für die nachfolgende Ge-neration stellt der alte Mensch einen nicht zu unterschätzender Entwick-lungskontext und umgekehrt dar. Dies wird an folgendem Gedankenexperi-ment deutlich:

„Stellen wir uns eine Gesellschaft vor, in der alle Menschen mit dem Austritt aus dem Erwerbsleben sterben. Welche Folgen hätte dies für die emotionale und motivationale Verfassung der im Erwerbsleben Stehenden?“91

3. Bei entsprechender Unterstützung durch die soziale Umwelt umfasst die Produktivität im Alter das gesamte menschliche Spektrum (d. h. nicht nur die Gesunden und Aktiven, sondern auch die Pflege- und Hilfsbedürftigen).

4. Auf die Bedeutsamkeit der gesellschaftlichen Strukturen und der Öffentlich-keit mit ihren förderlichen, aber auch leider häufig hinderlichen Auswirkungen auf die Produktivität und Selbstentfaltung im Alter muss hingewiesen wer-den.92

Die Problematik der parlamentarischen Umsetzung von EU-Richtlinien zum Dis-kriminierungsschutz soll an der Vorgehensweise der bundesdeutschen Parla-mente und der Meinungsvielfalt gesellschaftlicher Gruppierungen aufgezeigt werden. In diesem Kontext ist bereits nach einer für Gesetze kurzen Wirkzeit schon erkennbar, dass die häufig – entsprechend ihrem Klientel - ausformulier-ten Schreckenszenarien der Organisationen sich bis heute nicht bewahrheiteausformulier-ten.

So ist die prophezeiten Prozesslawine noch nicht angelaufen bzw. die befürchte-ten Beweissicherungsaktivitäbefürchte-ten sind noch nicht erkennbar.93,94

Das AGG steht weiterhin in der rechtspolitischen Kritik von Seiten der Wirt-schaftsverbände und der FDP95. Zurzeit überprüft die Europäische Kommission schwerpunktmäßig (z. B.: § 2 Abs. 4 - Kündigungsschutz; § 8 Abs.1, Satz 1 – unterschiedliche Behandlung; § 15 Absätze 1,3 und 4 u.a.m.) ob die europäi-schen Richtlinien ausreichend ins nationale Recht umgesetzt wurden.96 In die-sem Kontext könnten auch die bisher nicht im § 1 AGG aufgeführten Diskrimi-nierungsgründe „soziale Herkunft“ und „Kinderreichtum“ Eingang finden.

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Der Blick über die Grenzen zeigt, wie unverkrampft dagegen unsere Nachbarn mit der Bekämpfung der Diskriminierung insbesondere wegen des Alters verfah-ren.

1 Die klageführende Partei (drei Piloten) beabsichtigen das Eu GH anzurufen.

2 Läufer, Thomas (2000): Vertrag von Amsterdam, S. 49.

3 Däubler, Wolfgang (2002): Die Europäische Union als Wirtschafts- und Sozialgemeinschaft.

S. 477.

4 Der EG-Vertrag baut auf dem früheren EWG-Vertrag v. 25. März 1957 auf (BGBl. 1957 II S.

766, ber. S. 1678, u. BGBl. 1958 II S. 64, in Kraft getreten am 1. Januar 1958 gem. Bek.

vom 27. Dezember 1957, BGBl. 1958 II S.1), geändert durch die Einheitliche Europäische Akte (EEA) v. 28. Februar 1986 (BGBl. 1986 II S. 1104 in Kraft getreten am 1. Juli 1987 gem. Bek. v. 31. Juli 1987 (BGBl. 1987 II S. 451).

Es folgten Änderungen und Ergänzungen z. B. durch Titel II des Vertrages über die Euro-päische Union v. 7. Februar 1992 (Vertrag von Maastricht), BGBl. 1992 II S. 1253; in Kraft getreten am 1. November 1993 gem. Bek. v. 19. Oktober 1993 (BGBl. 1993 II S. 1947), sowie Änderungen durch den Beitrittsvertrag v. 24. Juni 1994 (BGBl. 1994 II S. 2024) und den Anpassungsbeschluss des Rates Nr. 95/1/EG, Euratom, EGKS v. 1. Januar 1995 (ABl. EG Nr. L1/1995, S.1), in Kraft getreten am 1. Januar 1995, sowie die Änderungen und Ergänzungen durch den Vertrag von Amsterdam vom 2. Oktober 1997, BGBl. 1998 II S.

387 (465) i.d.F. der Bek. v. 28. April 1999 (BGBl. 1999 II S. 416); in Kraft getreten am 1.

Mai 1999 gem. Bek. v. 6. April 1999 (BGBl 1999 II S. 296).

(Läufer, Thomas (2000): Vertrag von Amsterdam. S. 45)

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5 Ebenda, S. 111.

6 Schmuck, Otto; Hillenbrand, Olaf (2000): Die Zukunft der Europäischen Union. Osterweite-rung und Fortsetzung des Einigungsweges als doppelte HerausfordeOsterweite-rung. S. 182.

7 „Artikel 13

(1) Unbeschadet der sonstigen Bestimmungen dieses Vertrages kann der Rat im Rah-men der durch den Vertrag auf die Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments ein-stimmig geeignete Vorkehrungen treffen, um Diskriminierungen aus Gründen des Ge-schlechts, der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschau-ung, einer BehinderWeltanschau-ung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung zu bekämpfen.“

(Läufer, Thomas (2000): Vertrag von Amsterdam. S. 54)

(2) .„Abweichend von Absatz 1 beschließt der Rat gemäß dem Verfahren des Artikels 251, wenn er gemeinschaftliche Fördermaßnahmen unter Ausschluss jeglicher Harmoni-sierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedsstaaten zur Unterstüt-zung der Maßnahmen annimmt, die die Mitgliedsstaaten treffen, um zur Verwirkli-chung der in Absatz 1 genannten Ziele beizutragen.“

(Europäische Kommission (2004), S.7)

8 Beschluss des Rates 2000/750/EG vom 27. November 2000 über ein Aktionsprogramm der Gemeinschaft zur Bekämpfung von Diskriminierungen (2001 – 2006).

9 Mit Ausnahme einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts. Mit dieser befasst sich ein gesondertes Programm der EU zur Gleichstellung von Frauen und Männern.

10 „EU-Charta der Grundrechte, Artikel 21:

1. Diskriminierungen, insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion oder Weltanschauung, der politischen oder sonstigen Anschauung, der Zu-gehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt, einer Behin-derung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung, sind verboten.

2. Im Anwendungsbereich des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft und des Vertrages über die Europäische Union ist unbeschadet der besonderen Be-stimmungen dieser Verträge jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörig-keit verboten.“ (Europäische Kommission (2004), S. 12)

11 „Z. B. Rechtssache 29/69, Stauder gegen Stadt Ulm, Rechtssache 4/73 Slg. 1969, 419, Nold gegen Kommission; Rechtssache C-60/00 Slg. 1974, 491, Rechtssache C-60/2000, Mary Carpenter gegen Sevretary of State for the Home Departement Slg. 2002, I-6279.“

(Europäische Kommission (2004), S. 13)

12 „Z. B. Rechtssache C-245/01 – RTL Television GmbH gegen Niedersächsische Landes-medienanstalt für privaten Rundfunk Slg. 2003, 0000, Rechtssachen T-116/01 & T-118/01 – P & O European Ferries (Vizcaya) SA und Diputación Foral de Vizcaya gegen Kommis-sion der Europäischen Gemeinschaften Slg. 2003 0000.“ (Europäische KommisKommis-sion (2004), S. 13)

13 „Z. B. Rechtssache C-13/94, P. gegen S. und Cornwall County Council Slg. 1996 I-2143, Rechtssache C-55/00, Gottardo Slg. 2002, I-413.”

(Europäische Kommission (2004), S.13)

14 Die Beschäftigungsquote älterer Arbeitnehmer in den zehn neuen Mitgliedsländern liegt bei nur 30,5 Prozent. (Europäische Kommission (2004), S. 17)

15 „Maßnahmen der Gewerkschaften zur Bekämpfung von Diskriminierungen aufgrund der Rasse und der Religion.

Dem Europäischen Gewerkschaftsbund ist im Rahmen des Aktionsprogramms der Ge-meinschaft zur Bekämpfung von Diskriminierungen eine finanzielle Unterstützung für ein Projekt mit seinen Mitgliedern gewährt worden, das sich mit Diskriminierungen aufgrund der Rasse und der Religion am Arbeitsplatz befasst. Ziel des Projektes ist es zu untersu-chen, inwieweit diese Problematik in den Tarifvereinbarungen Berücksichtigung findet.

Außerdem soll festgestellt werden, wie viele Personen, die religiösen und rassischen Min-derheiten angehören, an den Entscheidungsprozessen der Gewerkschaften mitwirken.“

(Europäische Kommission (2004), S. 22)

16 „Kosten und Nutzen personeller Vielfalt in Unternehmen

Die Europäische Kommission veröffentlichte im November 2003 eine unabhängige Studie, aus der hervorgeht, dass für die Unternehmen immer einsichtiger wird, dass Aufwendun-gen für die Durchführung von Maßnahmen in Sachen Mitarbeitervielfalt erforderlich sind.

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Die Studie, die sich auf eine Umfrage bei über 200 kleinen und großen Unternehmen stützt, zeigt eine Reihe von triftigen Gründen auf, die für eine personelle Vielfalt sprechen.

Dazu gehören die Aufwertung des Images des Unternehmens, der Aspekt Humankapital und die Vermeidung von Kosten infolge von Diskriminierungen und Mobbing am Arbeits-platz. Als Herausforderung werden u. a. mangelnde Sensibilisierung, Widerstand gegen organisatorische Änderungen und Schwierigkeiten bei der Datensammlung genannt.“

(Europäische Kommission (2004), S. 22)

17 siehe hierzu: Nachtwey, Claus (2004): Vortrag im ICCR. Thema: Anders sein und älter werden: Lesben und Schwule im Alter.

18 Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft vom 19.07.2000

19 Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft vom 02.12.2000

20 Die Richtlinie 2002/73 vom 23.09.2002 wird aufgeführt, da in dieser zusätzliche Begriffs-definitionen zur Diskriminierung enthalten sind, die in der Praxis durchaus (z. B. Mehr-fachdiskriminierungen: eine ältere, weibliche und schwer behinderte Wohnungs- oder Ar-beitssuchende aus einem fremdländischen Kulturkreis) bedeutend sind und insofern eine hohe Relevanz besitzen.

21 Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft vom 05.10.2002

22 Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft vom 19.07.2000, S. L 180/24 und Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft vom 02.12.2000, S. L303/18.

23 Ebenda, S. L 180/24 und S. L 303/18.

24 Ebenda, S. L 180/24 und S. L 303/19.

25 UN-Generalversammlung, Deklaration vom 10. Dezember 1948.

26 Deutscher Bundestag (1986): Drucksache 10/6137.

27 Deutscher Bundestag (1998): Drucksache 13/10081.

28 Diskussionsentwurf eines Gesetzes zur Verhinderung von Diskriminierungen im Zivil-recht (Stand: 10. Dezember 2001) durch das BMJ.

29 http://baer.rewi.hu-berlin.de/wissen/antidiskriminierungsrecht/ antidiskriminierungsgesetz-gebung/

30 Deutscher Bundestag (2004): Drucksache 15/4538.

31 EuGH Urteil vom 28.04.2005, C-329/04.

32 EuGH Urteil vom 23.02.2006. C-43/05 .

33 Deutscher Bundestag (2005): Drucksache 15/5717.

34 Deutscher Bundestag (2006): Drucksache 16/370.

35 Deutscher Bundestag (2006): Drucksache 16/1780.

36 Bundesrat (2006): Drucksache 329/2/06.

37 BGBL. (2006): Teil I, Nr. 39, S. 1897 .

38 Entsprechende Gesetzentwürfe gab es in den Jahren 2001, 2004, 2005 und der aktuelle von 2006.

39 Bundesministerium der Justiz (2006), Pressemitteilung vom 04. Mai 2006.

40 Es drohte eine Strafzahlung an die EU in Höhe von 960.000 € pro Tag bei Fristüberschrei-tung.

41 Bundesgesetzblatt, Jahrgang: (2006), Teil I, Nr. 3, S. 1897 – 1910.

42 ver.di – Bundesvorstand (2006a).

43 Der Vorsitzende des Ausschusses für Gesundheitsförderung der Bundesärztekammer, Rudolf Henke, bestätigte die Binsenweisheit: „Weil du arm bist, musst du früher sterben.“

An dieser Gleichung hat sich nach der auf dem Ärztetag in Berlin diskutierten Thematik nicht viel geändert. Neben einer um sieben Jahre kürzeren Lebenserwartung der Armen haben diese gegenüber den Wohlhabenden noch ein doppelt so großes Risiko, ernsthaft krank zu werden.

Der Düsseldorfer Medizinsoziologe, Johannes Siegrist stellt zu seiner eigenen Verwunde-rung fest, dass selbst in der reichen Schweiz einfache Arbeiter und Angestellte 4,4 Jahre früher als Männer in Führungspositionen sterben. Diese Zeitspanne beträgt in Finnland sieben Jahre und ist in Frankreich und Großbritannien nicht viel geringer. Außerordentlich beunruhigend sei die Tatsache, dass sich die ökonomische Schere in den vergangenen 15 Jahren weiter geöffnet habe. Eine schlechte soziale Lage lege bereits im Mutterleib den Keim für eine kürzere Lebenserwartung und ein höheres Krankheitsrisiko. Eltern aus niedrigen sozialen Schichten haben in der Schwangerschaft häufiger Stoffwechselstörun-gen, die Kinder sind bei der Geburt untergewichtig und werden im Schulalter zu dick. Feh-lernährung, Rauchen und Alkoholkonsum findet sich häufiger bei benachteiligten Jugend-lichen als bei reicheren Altersgenossen.

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Im mittleren Erwachsenenalter wird erkennbar, dass der Herzinfarkt nicht unbedingt nur eine Managerkrankheit ist. Herzinfarkt und Depressionen sind in den unteren Schichten häufiger als bei den Wohlsituierten anzutreffen. ( Stern vom 05.05.2005)

Die Zahl der in Armut* lebenden Jugendlichen bis zum 17. Lebensjahr wird vom Robert-Koch-Institut (RKI) mit 27,6 Prozent gegenüber 15,5 Prozent bei den oberen Schichten angegeben (Solms-Braunfelser vom 26.09.2006, S. 1).

*Nach einer Definition der EU gilt als arm, wer weniger als 50 Prozent des landesüblichen Durchschnittsnettoeinkommens zur Verfügung hat und/oder Hilfe zum Lebensunterhalt erhält. In Deutschland liegt die so genannte Einkommensarmut bei weniger als 833,- Euro für eine Ein-Eltern-Familie mit einem Kind unter 15 Jahren bzw. bei weniger als 1.499,- Euro für eine Zwei-Eltern-Familie mit zwei Kindern unter 15 Jahren. (Ebd. 23.09.2006, S.19)

44 Da z. B. Kredit- und Hypothekenvergaben Individualgeschäfte sind, bleibt in diesem Be-reich die Altersdiskriminierung bestehen. (Büro gegen Altersdiskriminierung (2006a)

45 Am 18.02.2008 scheiterte vor dem Arbeitsgericht Wiesbaden eine türkischstämmige Mit-arbeiterin einer Versicherungsgesellschaft mit ihrer Klage auf Schadenersatz und Schmerzensgeld i.H.v. rund 500.000 Euro. Das Gericht erkannte keinen Gesetzesver-stoß durch die Neubesetzung ihrer wegen einer Schwangerschaft frei werdenden Plan-stelle zu besseren Konditionen. ( Solms-Braunfelser, vom 19.02.2002, S. 3.)

46 So bestätigt das baden-württembergische Landesarbeitsgericht, dass in den ersten acht Monaten der AGG-Existenz nur 0,3 Prozent aller Arbeitsgerichtverfahren diskriminierende Hintergründe hatten. (AGG-Hopping)

(http://politik-gesellschaft-deutschland.suite101.de/print _ article.cfm/ keine_klagewelle_durc...).

47 Das Gesetz ist in zwei Artikel gegliedert; Artikel 1 betrifft das „Allgemeine Gleichbehand-lungsgesetz (AGG)“, Artikel 2 beinhaltet das „Gesetz über die Gleichstellung der Soldatin-nen und Soldaten (SoldatinSoldatin-nen- und Soldaten-Gleichbehandlungsgesetz – SoldGG). Arti-kel 2 ist nicht Gegenstand dieser Arbeit.

48 Bundesministerium der Justiz 04. Mai 2006.

49 CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag (2006a).

50 CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag (2006b).

51 SPD-Bundestagsfraktion (2006).

52 Bündnis 90/DIE GRÜNEN – Bundestagsfraktion (2006a).

53 Ebenda.

54 Bündnis 90/DIE GRÜNEN – Bundestagsfraktion (2006b).

55 FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag (2006b).

56 Ebenda.

57 Ebenda.

58 DIE LINKE IM BUNDESTAG (2006).

59 Bundesverband der Freien Berufe (2005).

60 Der VdK ist mit 1,4 Mio. Mitglieder der größte Sozialverband in Deutschland (Stand:

4/2009).

61 VdK-Sozialverband (2005): VdK., Elsheimerstr. 10, 60322 Frankfurt

62 ADS-Tagung: http://www.altersdiskriminierung.de/themen/artikel.php?id=2251

63 http://www.altersdiskriminierung.de/justiz.php vom 20.10.2004, S. 13 f. und http://www.altersdiskriminierung.de/internationales.php vom 15.11.2004, S. 1 ff.

64 Ebenda, S.4 /S.14.

65 Vogt, Marion (2003), S. 35.

66 http://www.altersdiskriminierung.de/internationales.php vom 15.11.2004, S. 5 f.

67 http://www.altersdiskriminierung.de/justiz.php vom 20.10.2004, S. 14 und http://www.altersdiskriminierung.de/internationales.php vom 15.11.2004, S. 4 f.

68 Ebenda.

69 Im Art. 1 des Protokolls über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit zum Artikel 104 Abs. 2 des EU-Vertrages sind folgende Referenzwerte festgelegt:

- „3% für das Verhältnis zwischen dem geplanten oder tatsächlichen öffentlichen Defizit und dem Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen,

- 60% für das Verhältnis zwischen dem öffentlichen Schuldenstand und dem Bruttoinlands-produkt zu Marktpreisen. (Läufer, Thomas (2000), S.89 f. und S. 232)“

70 red@mallorcamagazin.net - vom 01. Januar 2004.

71 http://www.altersdiskriminierung.de/justiz.php vom 20.10.2004, S. 14. und http://www.altersdiskriminierung.de/internationales.php vom 15.11.2004, S. 7.

Gesetzliche Vorgaben 79

72 „Robert Johnson, ehemaliger Gefängnisarzt, hat in den USA gegen seine unfreiwillige Pensionierung im Alter von 81 Jahren geklagt. Ein Gericht sprach dem heute 85-Jährigen dafür 20 Millionen Dollar (16,6 Millionen Euro) Schmerzensgeld zu. Ein Experte hatte ver-sichert, der Kläger hätte noch bis zum Alter von 96 Jahren arbeiten können. Johnson war leitender Arzt an einem staatlichen Gefängnis in Lancaster nordöstlich von Los Angeles und wurde 2001 gezwungen, in Rente zu gehen, nachdem er nicht freiwillig gehen wollte.

Ein Großteil der Entschädigungssumme wurde dem Mediziner wegen des Kummers zuer-kannt, den die Zwangspensionierung mit sich brachte. 1,6 Millionen Dollar sollen ihn für den entgangenen Verdienst entschädigen. Die kalifornische Gefängnisbehörde kündigte Berufung an.“

(Solms-Braunfelser vom 22.07.2005, S. 4)

73 http://www.eeoc.gov/laws/adea.html

74 http://www.altersdiskriminierung.de/justiz.php vom 20.10.2004, S. 14. und http://www.altersdiskriminierung.de/internationales.php vom 15.11.2004, S. 1.

75 Ebenda, S. 13 / S. 2.

76 Vogt, Marion (2003), S. 119 f.

77 Europäische Kommission (2000), S. 67.

78 http://www.altersdiskriminierung.de/justiz.php vom 20.10.2004, S. 14. und http://www.altersdiskriminierung.de/internationales.php vom 15.11.2004

79 http://www.altersdiskriminierung.de/justiz.php vom 20.10.2004, S. 14. und http://www.altersdiskriminierung.de/internationales.php vom 15.11.2004, S. 8

80 Vogt, Marion (2003), S. 59 f.

81 http://www.altersdiskriminierung.de/justiz.php vom 20.10.2004, S. 14.

82 http://www.altersdiskriminierung.de/internationales.php vom 15.11.2004, S. 9.

83 http://www.wien.gv.at/queerwien/disk.htm

84 http://www.altersdiskriminierung.de/justiz.php vom 20.10.2004, S. 14. und http://www.altersdiskriminierung.de/internationales.php vom 15.11.2004, S. 9.

85 Vogt, Marion (2003), S. 66 f.

86 Ebenda, S. 81 f.

87 Lehr, Ursula (2003), S. 43.

88 Tichy; Roland und Andrea (2003), S. 255.

89 Bornstein, Julia u. a., 9/2004,. S.40.

90 Tichy; Roland und Andrea (2003), S. 256.

91 Staudinger, Ursula M. (2003): S. 3 aus: http://wwwbpb.de/publikationen/de – vom 16.03.2005.

92 Ebenda, S. 3.

93 http://www.lsvd.de/336.0.html?&cHash=60f2f280a&tx_ttnews)=7442LSVD:Ende der Lü-gengeschichten.

94 http://www.tagesspiegel.de/politik/;art771,2593409

95 Die FDP-Bundestagsfraktion stellte im Dezember 2006 eine Große Anfrage: „Praxistaug-lichkeit des AGG“ über vermeintlichen Missbrauch des AGG (s. Deutscher Bundestag (2006): Bt.-Drs. 16/3725) – ( http://dip.bundestag.de/btd/16/037/ 1603725.pdf)

96 Disch, Peter (2007): Gleicher Lohn und gleiche Chancen. In: Frankfurter Rundschau vom 21. März 2007.

Der demografische Wandel 80 4. Der demografische Wandel

In diesem Kapitel werden die vom Statistischen Bundesamt verwendeten demografischen Rechengrößen, deren Charakteristikum, Ursachen, Auswir-kungen und Schwachstellen sowie die Möglichkeiten einer Einflussnahme und deren spekulativer Charakter vorgestellt. Das enge „Zusammenspiel“

dieser statistischen Faktoren und die Ergebnistransformation in die gesell-schaftliche Realität bilden häufig das Fundament zur Diskriminierung der Al-ten.

Ein eigener Abschnitt behandelt die amtliche Betrachtungsweise und stellt in einer Modell-Lohnabrechnung (s. Tab.:13) die positive Wirkung des - nicht in die amtliche Berechnung mit einbezogenen - Parameters „Produktivität“ auf die Leistungsfähigkeit eines Beschäftigten dar, unter der Prämisse, dass die-ser an der Produktivität angemessen partizipiert.

Die Aussagen in diesem Kapitel basieren auf den Ergebnissen der 10. koor-dinierten Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes bis zum Jahr 2050. Auf dieser Basis sollen neben der Ergebnisanalyse eine kri-tische Würdigung der aktuellen sowie zukünftigen Herausforderungen an die Gesellschaft und deren mögliche Umsetzungen – schwerpunktmäßig am Be-reich der Wohnung i.w.S. - dargestellt werden.

Das Grundelement jeder Gesellschaft ist die Bevölkerung. Dieses ist mehr als nur eine Ansammlung von Individuen, die sich durch gemeinsame Merk-male, wie z. B. Wohnsitz, Sprache, Arbeitsstätte, und darüber hinaus durch mannigfache soziale, ökonomische und kulturelle Beziehungen definiert. Die-se Bevölkerung ist ständigen Bewegungen unterworfen, die durch die variab-len Faktoren, wie Geburtenziffern, Lebenserwartung, Sterbefälle und Zu- bzw. Abwanderungen gegenüber anderen Gebieten des gleichen Landes (Binnenwanderung) oder gegenüber dem Ausland (Außenwanderung), verur-sacht werden. Aber auch soziale Faktoren, wie die gesellschaftlichen Vorstel-lungen über Ehe und Familie, nehmen Einfluss auf die Lebensgestaltung und damit u. a. auch auf die Bevölkerungsstruktur (z. B. Kinderzahl).

Ferner berührt das Wohlstandsniveau einer Gesellschaft auch die Lebenser-wartung sowie deren Wanderungsbewegungen. Notstände verursachen ei-nen Auswanderungsdruck, Wohlstand zieht Einwanderer an. Die Struktur der Bevölkerung ist daher keine einheitliche Masse, sondern unterliegt

unter-Der demografische Wandel 81 schiedlichen quantitativen und qualitativen Veränderungen. Hierzu wird auf die nachstehende Tabelle (Tab. 4), welche die Wanderungsbewegungen zwischen dem früheren Bundesgebiet und den neuen Ländern für den Zeit-raum 1950 – 2002 aufzeigt, verwiesen.

„Die Entwicklung der Wanderungen zwischen dem früheren Bundesgebiet sowie den neuen Ländern und Berlin-Ost war in den 1990er-Jahren gegen-läufig, d. h. sie war durch eine Verringerung der Zuzüge aus den neuen Län-dern und Berlin-Ost bei gleichzeitigem Anstieg der Wanderungen in entge-gengesetzter Richtung gekennzeichnet, sodass die Wanderungsbilanz zwi-schen Ost und West inzwizwi-schen nahezu ausgeglichen war. Seit 1998 ist eine Umkehr des bisherigen Trends erkennbar. 2002 verlegten 176.700 Men-schen ihren Wohnsitz von den neuen in eines der alten Bundesländer, und 95.900 wählten den umgekehrten Weg. Daraus ergab sich für die neuen Länder ein Abwanderungsüberschuss von rund 80.800 Personen.“1

Hierdurch werden vielfältige Rückwirkungen auf die Gesellschaft, auf die so-ziale Infrastruktur sowie auf die Lebensbedingungen der Menschen, wie z. B.

die ökonomische Situation (Erwerbs- und Einkommenschancen), die Famili-en- und Haushaltsformen (Eheschließung, Single-Haushalt, Zusammenleben ohne Trauschein), das Bildungswesen und auf die Systeme der sozialen Si-cherung, initiiert.

Tab. 4: Wanderungen zwischen dem früheren Bundesgebiet und den Neuen Ländern und Berlin-Ost seit 1950

Quelle. Statistisches Bundesamt (2004), S.53

Von den vier die Gesellschaftsstruktur bestimmenden Einflussfaktoren nimmt die Geburtenrate die Vorrangstellung ein. Von ihr hängen die übrigen drei in elementarer Weise ab: Irgendwann führt jede Geburt zu einem Sterbefall und häufig auch zu Wanderungsbewegungen. Die Summe dieser vier Elemente

Der demografische Wandel 82 ist in einer zeitlich begrenzten Betrachtung entweder positiv (bei einem Be-völkerungswachstum), negativ (bei einer Bevölkerungsschrumpfung) oder gleich bleibend (bei einer Bevölkerungsstagnation).

Das Ergebnis dieser individuellen Entscheidung (z. B. für oder gegen: Kinder, Wohnortwechsel, Ein- und Auswanderung o.ä.) besitzt sowohl gesamtgesell-schaftlich als auch für das Individuum eine gravierende Bedeutung. Für die Sozialsysteme (soweit diese nach dem Umlagesystem „funktionieren“) be-steht bei einfacher Betrachtungsweise die „Gefahr“, dass die sinkende Fertili-tät zu einer zurückgehenden Anzahl der Beitragszahler in die Sozialsysteme, sowie - bei gleichzeitig wachsender Zahl der zu versorgenden älteren Men-schen - zu Kürzungen der Transferleistungen und/oder zur Anhebung der Sozialabgaben führen kann.2

So bewirkt die aus privater Sicht als optimal zu beurteilende Verhaltensent-scheidung in ihrer Summe eine ökonomische und demografische Situation, durch die sich die Lebensqualität des Einzelnen verschlechtert, obwohl bzw.

gerade weil das Individuum eine für sich optimale Entscheidung getroffen hat.

Diese Systematik soll in diesem Kapitel dargestellt werden.