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29. November 2007 (1. Tag) Begrüßung:

4.3 Quintessenz

Der demografische Wandel 105 4.2.7 Der Statistikzeitraum

Zufall oder Absicht? Bei genauer Betrachtung des vom Statistischen Bun-desamt prognostizierten Zeitraumes fällt auf, dass mit dem Endjahr 2050 die schlechteste 10-Jahres-Stufe ausgewählt wurde. Eine günstigere Vorhersage hätte sich ergeben, wenn diese bis zum Jahr 2060 geführt worden wäre. Bis zu diesem Zeitpunkt wären die heute geburtenstarken Jahrgänge der 30- bis 40-Jährigen, die 2050 noch in nennenswerter Zahl leben, überwiegend ver-storben. Selbst im Jahr 2040 zeigt die Prognose des Bundesamtes gegen-über dem Endjahr 2050 eine günstigere Verhältniszahl (s. Tab. 14).

Tab. 14: Bevölkerung 2040/2050

(Alters- u. Gesamtquotienten53 AQ,GQ(mittlere Variante 5)

Auf 100 20- bis < 60-Jährige kommen:

Alter/Jahr 2040 2050

< 20 33,9 34,1

>60 72,8 77,8 Gesamt: 106,7 111,9 Auf 100 20- bis < 65-Jährige kommen:

< 20 30,0 29,7

>65 53,1 54,5 Gesamt: 83,1 84,2

Diese Tabelle zeigt:

Beim AQ <60 kommt auf 100 Aktive (20 bis

<60 Jahre) im Jahr 2040 ein GQ >60 von 106,7 Passiven und 111,9 Passiven im Jahr 2050.

Beim AQ <65 ergibt sich entsprechend ein GQ >65 von 83,1 im Jahr 2040 und 84,2 im Jahr 2050.

entnommen: Statistisches Bundesamt (2003), S.42

Es stellt sich in diesem Kontext die Frage, ob mit dem Argument der Demo-grafie nicht eigentlich von einem gänzlich anderen Schauplatz gesellschaftli-cher Auseinandersetzungen abgelenkt werden soll? Besteht damit vielleicht die Absicht, Löhne und Gehälter von der Teilhabe am Produktivitätsfortschritt abzukoppeln oder massive Eingriffe in das Gesundheitswesen oder das Ren-tensystem mit Auswirkungen auf die Lebensqualität und –dauer54 zu begrün-den?55

Der demografische Wandel 106 Da die Politik und teilweise auch die Wissenschaft über die wahren Zusam-menhänge nicht referieren, erscheinen dem uninformierten Bürger die einge-leiteten Strategien (z. B. Erhöhung des Renteneintrittsalters, Verlängerung der Wochenarbeitszeit, Beschränkung der Transferleistungen, Abbau der Ar-beitnehmerschutzrechte u.a.m.) sogar als berechtigt und alternativlos. Zu-sätzlich erhält sie noch Rückendeckung durch die offizielle Statistik, die zu-sätzlich durch Äußerungen politischer Führungspersonen (z. B.: Franz Mün-tefering, Gerhard Schröder – SPD -, Sommer 2003) gestützt wird..

Die Treffsicherheit der Langfristprognosen ist, und das wissen auch die amtli-chen Statistiker, sehr ungenau. Sie beschreiben eine mögliche Tendenz, die Entwicklungen jeglicher Art nicht berücksichtigen können. So sind in der Ver-gangenheit alle Langfristprognosen daran gescheitert, dass es nicht vorher-sehbare Strukturveränderungen, wie die Anti-Baby-Pille, die Wiedervereini-gung, die Anwerbung und den Zuzug von ausländischen Arbeitskräften und ihren Familien, einen Trend zur Kleinfamilie bzw. zu einem Single-Dasein, gab.

Teile der Wissenschaft (z. B. Gerd Bosbach) weisen jedoch auf die Schwach-stellen der amtlichen Statistiken hin und zeigen auf, dass wesentliche Fakto-ren, wie z. B.: der Produktivitätsfortschritt (Leistungssteigerung bis zum Jahr 2050 gem. der Herzog-Kommission mind. 84 Prozent, nach Errechnung der Rürup-Kommission ca. 140 Prozent), der Abbau der Arbeitslosigkeit, die Auswirkung einer familien- und kinderfreundlichen Politik, nicht in den Prog-nosen berücksichtigt werden.

Letztlich stellt sich der Verfasser die provokative Frage, ob nicht mit dem

„Schreckgespenst“ demografische Entwicklung von einem anderen Schauplatz gesellschaftlicher Konflikte (wie z. B.: Teilhabe am Produktivitätsfortschritt durch die Arbeitnehmer, Verlängerung der Lebensarbeitszeit, Abbau des Kün-digungsschutzes, Rentenabzüge bei vorzeitigem Ausscheiden aus dem Be-rufsleben u.a.m.) abgelenkt werden soll. Denn angesichts der prognostizierten Produktivitätsfortschritte der Kommissionen fiele es dem Arbeitnehmer nicht schwer, die Versorgung der Jungen und Alten zu übernehmen, wenn seine Partizipation an der Produktivität Realität würde.

1 Statistisches Bundesamt (2004), S.54.

Der demografische Wandel 107

2 Anm. d. V.: bei Beibehaltung der arbeitsplatzabhängigen Beitragserhebung sowie der staatlich veranlassten Ausgaben von versicherungsfremden Leistungen ohne ausreichenden Bundeszu-schuss.

3 Birg, Herwig (2004): Historische Entwicklung der Weltbevölkerung, S. 5.

4 Ebenda, S. 5.

5 Geißler, Rainer (2000): Struktur und Entwicklung der Bevölkerung, S. 3.

6 Statistisches Bundesamt (2003), S. 10.

7 Statistisches Bundesamt (2004), S.38.

8 Statistisches Bundesamt (2003), S. 5 ff.

9 In diesem Zusammenhang ist die Feststellung des Jugendpsychiaters Dr. Michael Winterhoff, Bonn, zur Frage einen praktischen Einsatzes von Jugendlichen von Bedeutung. Nach seinen Er-kenntnissen sind: „20 Prozent aller über 18-jährigen arbeitsunfähig.“

In dem in der Zeitschrift „Bild der Frau“ veröffentlichten Artikel über eine repräsentative FORSA-Umfrage wurde berichtet, dass sich rd. 20 Prozent aller Kinder und Jugendlichen in ergothera-peutischer, logopädischer und psychotherapeutischer Behandlung befinden bzw. ein Viertel der Schulabgänger Probleme hat, die Ausbildung durchzustehen. (Exklusiv-Umfrage in „Bild der Frau“, Nr. 49 vom 29.11.2008, S. 32 f., Hamburg: Springer).

10 Dieser Begriff wird hier in Anlehnung an die betriebswirtschaftliche Betrachtungsweise verwen-det und stellt die Wertzumessung eines Vermögensteils innerhalb einer Gesamtheit (d. h. den Beitrag des Einzelnen für die Gemeinschaft) dar. Die Kostenrechnung differenziert zusätzlich in:

qualifizierte Substanzerhaltung, die von der Sicherung der Leistungsfähigkeit (hier dergestalt, ob sich die nachwachsenden Kinder den Lebensanforderungen gewachsen zeigen) entsprechend der Wachstumsrate ausgeht;

leistungsäquivalente Substanzerhaltung, ständige Leistungsanpassung (hier thematisch z. B.

durch permanente Personalschulung bzw. bedarfsorientierte Aus- und Fortbildung) an die Be-darfsverschiebungen und den technischen Fortschritt. (hierzu analog: Olfert, Klaus; Rahn, Horst-Joachim (1997), lfd. Nr. 877 und Fäßler, Klaus; Rehkugler Heinz; Wegenast, Claudius , S. 427 f.).

11 Statistisches Bundesamt (2004), S. 38 .

12 Nach Ansicht von Roland und Andrea Tichy kommt Deutschland nicht mehr darum herum, mit Blick auf unsere Nachbarn, über eine aktive Bevölkerungspolitik nachzudenken. Sie sind der An-sicht, dass die bisherigen Instrumente der Geburtensteigerung wegen der political correctnes bis-lang nicht öffentlich thematisiert wurden. Dabei kann das Kindergeld sachlich als eine ultimative Form des paternalistischen Wohlfahrtsstaates angesehen werden. Der Bonner Politikwissen-schaftler Georg Schild stellt dazu fest, dass der Staat seinen Bürgern Geld für die Erziehung nachfolgender Generationen gewährt und sie damit ermutigt, (mehr) Kinder zu zeugen. Auch weitergehende Maßnahmen, wie Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub, seien „vergiftete Ge-schenke“ für Frauen auf dem Arbeitsmarkt, stellt Jeanne Fagnani, Forschungsdirektorin am Centre National de la Recherche Scientifique der Universität Paris fest. Diese Maßnahmen seien ungeeignet, Kinder und Beruf unter einen Hut zu bringen. Eine Harmonisierung ist jedoch wendig, wenn das Entscheidungs-Dilemma moderner Familien entschärft werden soll. Als not-wendig wird sowohl eine Unterstützung in der Sozialpolitik, ein generativer Lastenausgleich als auch ein Arbeits- und Sozialsystem gesehen, damit beide Elternteile die Möglichkeit erhalten, gleichzeitig arbeiten zu können.

Hierzu einen Blick über die Landesgrenzen:

Seit Ende der dreißiger Jahre leistet Schweden Pionierarbeit im Sozialbereich (Mutterschaftsur-laub und Kindergeld). Als neue Leistung ist die 1980 eingeführte so genannte „Geschwindig-keitsprämie“ für das nächste Kind zu nennen. Dieses soziale Instrument bedeutet, dass Mütter den Mutterschaftsurlaub auf der Grundlage ihres Einkommens vor dem ersten Kind erhalten, wenn alsbald ein zweites Kind geboren wird. Diese Maßnahme zeigte Wirkung, da die Frauen wussten, dass sich im Falle einer späteren Geburt ihr Einkommen, aufgrund der dann verrichte-ten Teilzeitarbeit, reduzieren wird.

Die Familienpolitik in Frankreich verfolgt andere Ziele. Vorrang hat die möglichst optimale Ausnutzung des Arbeitskräftepotenzials. Traditionell wird die Familie durch ein hohes Angebot an Ganztagsbetreuungseinrichtungen (Ganztagsschulen gibt es zwischenzeitlich in den meisten eu-ropäischen Ländern. Nur in Deutschlang, Österreich und in Griechenland endet mittags die Betreuung) für Kinder jeden Alters unterstützt. Dort arbeiten 80 Prozent der Frauen mit einem Kleinkind, in Deutschland sind es knapp 60 Prozent. Um das geringe Kindergeld zu erhalten, müssen mindestens zwei Kinder (107 Euro im Monat), bzw. drei Kinder (240 Euro im Monat) ge-boren sein. Als Besonderheit muss die staatliche Zuwendung zum Schuljahresbeginn für

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pflichtige Kinder (ca. 235 Euro) genannt werden. Eine Anrechnung von Kindererziehungszeiten in der Rentenversicherung setzt eine lange Berufstätigkeit voraus: Erst ab dem dritten Kind er-folgt eine pauschale Rentenerhöhung von zehn Prozent. Eine besondere Entlastung der Privat-haushalte erfolgt durch eine steuerliche Anerkennung der Erziehungsleistung mit der Folge, dass nur 50 Prozent der Haushalte einkommenssteuerpflichtig sind.

In den Niederlanden kann der Elternurlaub noch in späteren Lebensphasen des Kindes in Anspruch genommen werden.

In Dänemark können die Eltern jeweils ein Jahr Erziehungsurlaub (rd. 1.500 Euro im Monat) nehmen. Eine weitere familienfreundliche staatliche Leistung ist die Bereitstellung von Krabbel-stuben. Dank dieser Einrichtung kehren rd. 70 Prozent der Däninnen ins Arbeitsleben zurück, wenn ihr Kind sechs Monate alt ist.

Es gibt auch völlig andere Regeln. In Irland, das Land mit der höchsten Geburtenrate in Europa, überlässt der Staat die Vereinbarkeit zwischen Kindern und Beruf den freien Kräften des Mark-tes. Hier greifen die entsprechenden Angebote der Unternehmen und Betriebe. Erst Ende 1997 wurde die EU-Richtlinie zur Gewährung eines Elternurlaubs von drei Monaten gesetzlich festge-legt.

Obwohl Luxemburg ein ähnliches Familienmodell wie Deutschland praktiziert, zeigt sich durch die hohe Geburtenrate eine demografisch positive Entwicklung. Das Betreuungsangebot ist ge-ring. In der Politik dominiert die Vorstellung, dass Kinder in den ersten Lebensjahren die Mutter als feste Bezugsperson benötigen. Umfragen zeigten, dass dieses Hausfrauenmodell den Wunschvorstellungen der Frauen entspricht.

(Tichy; Roland und Andrea (2003): Die Pyramide steht Kopf. Die Wirtschaft in der Altersfalle und wie sie ihr entkommt, S. 226 ff.).

13 Statistisches Bundesamt (2003), S.12 f.

14 Lehr, Ursula (2003): Die Jugend von gestern – und die Senioren von morgen, S.28.

15 Anm. d. V.: Derzeit erlebt Deutschland jedoch eine kostenorientierte und damit kontraproduktive Sozialpolitik. Z. B. durch die zunehmende Verlagerung von bisherigen GKV-Leistungen zu den individuellen Gesundheitsleistungen entscheidet zunehmend die finanzielle Leistungsfähigkeit des Patienten über seine Teilhabe am medizinischen Fortschritt.

16 VdK-Zeitung. Ausgabe: Hessen. (9/2003), S. 1.

17 Ebenda, S. 1.

18 Statistisches Bundesamt (2003), S.19.

19 Deutschland erlebte nach dem Zweiten Weltkrieg sechs maßgebliche, sich teilweise überlagern-de Wanüberlagern-derungsströme:

1944 – 1950, mehr als 14 Millionen Vertriebene und Flüchtlinge aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten, von denen ca. acht Millionen in die Bundesrepublik und ca. vier Millionen in die DDR einreisten.

1945 – 1961, bis zum Bau der Mauer kamen etwa drei Millionen Flüchtlinge und Übersiedler aus der DDR in die Bundesrepublik.

1961 – 1973 und 1989, Zuwanderung von Arbeitsemigranten. Im Jahr 1999 lebten mehr als sieben Millionen von ihnen (einschließlich ihrer Familienangehörigen) in Deutschland. Davon 6,1 Millionen als „Ausländer“.

1950 – 1999, Zuzug von vier Millionen deutschstämmigen Spät-Aussiedlern aus Südosteuropa.

(davon seit 1988 allein 2,6 Millionen).

1989 – 1999, etwa 2,5 Millionen Übersiedler kommen aus der DDR in die Bundesrepublik, und ca. 1,2 Millionen ziehen in die neuen Bundesländer.

Etwa 1,2 Millionen Flüchtlinge und Asylbewerber kommen seit Mitte der achtziger Jahre, vorwie-gend aus europäischen Kriegs- und Krisenregionen (z. B. Ex-Jugoslawien, Türkei, Rumänien, Bulgarien), aber auch aus außereuropäischen Ländern in die Bundesrepublik.

( Geißler, Rainer (2000): Struktur und Entwicklung der Bevölkerung, S. 5 f.)

20 Statistisches Bundesamt (2003), S.22 f.

21 Mittlere Wanderungsannahme W2 – jährlich ein Wanderungssaldo von 200.000 Personen und mittlere Lebenserwartung L2 – im Jahr 2050 bei 81 (M) bzw. 87 (W) Jahren.

22 Statistisches Bundesamt (2003), S. 25 ff.

23 1) Ab 2002 Schätzwerte der 10. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung.

2) Variante 9: Hohe Wanderungsannahme W3 (jährlicher Saldo von mindestens 300.000) und hohe Lebenserwartungsannahme L2 (durchschnittliche Lebenserwartung 2050 bei 83 bzw.

88 Jahren).

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3) Variante 5: Mittlere Wanderungsannahme W2 (jährlicher Saldo von mindestens 200.000) und mittlere Lebenserwartungsannahme L2 (durchschnittliche Lebenserwartung 2050 bei 81 bzw. 87 Jahren).

4) Variante 1: Niedrige Wanderungsannahme W1 (jährlicher Saldo von mindestens 100.000) und niedrige Lebenserwartungsannahme L1 (durchschnittliche Lebenserwartung 2050 bei 79 bzw. 86 Jahren.

24 Ebenda (2003), S. 27 f.

25 Ebenda (2003), S.9.

26 Professor Dr. Gerd Bosbach, geboren 1953 lehrt Statistik, Mathematik und Empirie an der FH Koblenz. Er war von 1988 bis 1991 im Statistischen Bundesamt, in der Bonner Beratungsstelle für Ministerien und dem Bundestag sowie in der Abteilung Statistik der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung tätig.

27 Bosbach, Gerd (2005): Demografische Entwicklung – kein Anlass zur Dramatik, S. 1.

28 http://www.destatis.de/presse/pm2003/p2301022.htm

29 Bosbach, Gerd (2005): Demografische Entwicklung – kein Anlass zur Dramatik, S. 1.

30 Ebenda, S. 4

31 Geißler, Heiner (1998): Zeit, das Visier zu öffnen, S. 14 ff.

32 Ebenda, S. 9.

33 Bosbach, Gerd (2005): Demografische Entwicklung – kein Anlass zur Dramatik, S. 4.

34 Statistisches Bundesamt (2003), S.11 f.

35 Spies, Thomas (2004): Die Herausforderung annehmen! Demographischer Wandel: eine landes- und kommunalpolitische Aufgabe, S. 16.

36 Bosbach, Gerd (2005): Demografische Entwicklung – kein Anlass zur Dramatik, S. 4.

37 Solms-Braunfelser vom 21.08.2005, S. 3.

38 Niejahr, Elisabeth (2005): Wirtschaftswunder in Grau. Die Deutschen werden immer älter und trotzdem kann es ihnen besser gehen, S. 3.

39 Ein Beispiel dafür sind die Finanzzuweisungen der Länder an ihre Gemeinden im Rahmen des Finanzausgleichs, der die Unterschiede zwischen armen und reichen Gemeinden ausgleichen soll. Seit der Änderung des Grundgesetzes vom 24.12.1956 (Art. 106 Abs.7) – (BGBL I 1077) haben die Gemeinden sogar einen Rechtsanspruch darauf, dass ihnen die Länder einen Teil ih-res Gemeinschaftssteueranteils (von Bund und Land) weitergeben, wobei die Höhe des Anteils und die Modalitäten der Vergabe Sache des Landes sind“.

Neben einer allgemeinen Verbesserung der gemeindlichen Finanzsituation hat der Finanzaus-gleich das Ziel, sowohl allzu große Unterschiede in der Steuerkraft auszuFinanzaus-gleichen (redistributive Funktion), als auch Sonderlasten tragen zu helfen (allokative und raumordnungspolitische Funk-tion). (BpB – Information für politische Bildung Nr. 242, (1998), S. 11 ff.).

40 Spies, Thomas (2004): Die Herausforderung annehmen! Demographischer Wandel: eine landes- und kommunalpolitische Aufgabe, S. 19 f.

41 Tichy, Roland und Andrea (2003): Die Pyramide steht Kopf. Die Wirtschaft in der Altersfalle und wie sie ihr entkommt, S. 61 f.

42 Tab.: 15: Darstellung der Prognosen 1970 und 2050 von Bosbach (eigene Ableitung)

Jahr/Alter > 60 < 20 Gesamt

1970 40,0 60,0 100,0 2050 77,8 34,1 111,9 Veränderg. % 94,5 -43,2 11,9 43 Bosbach, Gerd (2005): Demografische Entwicklung – kein Anlass zur Dramatik, S. 6.

44 Ebenda (2005), S. 7.

45 Dieses Problem ist auch nicht neu und führte in der Vergangenheit bereits zu Vorhersagen von Horrorszenarien. So vertrat schon 1798 der englische Nationalökonom und Geistliche, Thomas Robert Malthus (*17.02.1766 Rockery, † 23.12.1834 Bath), eine pessimistische Bevölkerungs-theorie. Er war der Meinung, dass ein zu hohes Bevölkerungswachstum angesichts der knappen Ressourcen zu Hunger und Verarmung führe*.

Zwanzig Jahre später behaupteten Bevölkerungsoptimisten bereits das Gegenteil: Mehr Men-schen bedeuteten nun mehr Arbeitskräfte und zugleich eine verbesserte Arbeitsteilung und höhe-re Produktivität. Im Zeitverlauf versuchten Wachstumstheohöhe-retiker mit Hilfe aufwändiger Formeln den Zusammenhang zwischen der Bevölkerungsentwicklung und Wirtschaftswachstum darzu-stellen – doch diese Frage gehört immer noch zu den ungelösten Problemen der Ökonomie.

* Malthus vertrat die Meinung, dass sich die Bevölkerung in geometrischer Progression (1,2,4,8…) vermehre, die Nahrungsmittel jedoch nur eine arithmetische Progression (1,2,3,4…) aufwiesen. Er sah das Elend der Arbeiterschaft in der Überbevölkerung

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habe und forderte ein späteres Heiraten und Geburtenbeschränkung durch Enthaltsamkeit. Sei-ne Anhänger traten auch für die Schwangerschaftsverhütung und Abtreibung ein.

(Lexikon-Institut (1971), Bd.11, S. 391).

46 Niejahr, Elisabeth (2005): Wirtschaftswunder in Grau. Die Deutschen werden immer älter und trotzdem kann es ihnen besser gehen, S. 2.

47 Ebenda S.2.

48 Im November 2002 erhielt der Wirtschaftswissenschaftler Bert Rürup von der Bundesministerin für Gesundheit und Soziale Sicherung, Frau Ulla Schmidt den Auftrag, Reformvorschläge für ei-ne nachhaltige Finanzierung der Sozialversicherung zu erarbeiten.

Die vorgelegten Empfehlungen beinhalteten z. B.: die Einführung eines demografischen „Nach-haltigkeitsfaktors“ und die Anhebung der Regelaltersgrenze von 65 auf 67 Jahre bis 2035 in der Rentenversicherung. Zur Sanierung der Krankenversicherung schlug die Rürup-Kommission die Modelle einer Bürgerversicherung und einer Kopfpauschale vor.

Als Pendant zur Rürup-Kommission setzte die CDU im Frühjahr 2003 eine eigene

Reformkom-mission für den Sozialbereich unter der Leitung des Alt-Bundespräsidenten Roman Herzog ein.

Die Zielsetzung dieser Herzog-Kommission wurde vom der CDU-Vorsitzenden Merkel vorgege-ben und umfasste den Umbau des Systems der Sozialversicherungen und dessen Verzahnung mit dem Steuersystem für die kommenden zwanzig Jahre.

Die gegen Mitte 2003 veröffentlichten Vorschläge sprachen sich gegen eine Steuerfinanzierung und für Sparmaßnahmen aus.

49 Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) schlägt vor, das Renteneintrittsalter auf 70 Jahre anzuheben.

Diese Verlängerung der Lebensarbeitszeit würde angesichts der Tatsache, dass fast 60 Prozent der Unternehmen keine Arbeitnehmer über 50 Jahren mehr beschäftigen, dazu führen, dass mit einer fünf Jahre längeren Arbeitslosigkeit nach Hartz IV und mit hohen Rentenabschlägen von 18 Prozent (0,3 Prozent pro Monat) zu rechnen ist.

Hierzu stellt der Behindertenverband VdK fest, dass die Politik endlich begreifen möge, dass die Kosten der Wiedervereinigung zu einem Großteil über die Sozialsysteme finanziert wurden. Auch aus diesem Grunde seien die Lohnnebenkosten so hoch. Gerechter wäre es gewesen, diese Wiedervereinigungskosten über die Steuer zu finanzieren, da so alle Bevölkerungskreise, ent-sprechend ihrer Leistungsfähigkeit, beteiligt gewesen wären. Diese einseitige Belastung der So-zialversicherten führe zu einer Erhöhung der Lohnnebenkosten von vier Prozent. Der derzeit ge-führten Fehlerdiskussion über Kürzungen oder Einschränkungen der Sozialleistungen würde so der Boden entzogen. Schließlich sind diese Wiedervereinigungskosten versicherungsfremde Leistungen, die ersetzt werden müssten. (VdK-Zeitung. Ausgabe: Hessen-Thüringen., Septem-ber 2005, S. 1).

50 Bosbach, Gerd (2005): Demografische Entwicklung – kein Anlass zur Dramatik, S. 2.

51 Geißler, Heiner (1998): Zeit, das Visier zu öffnen, S. 198.

52 Ebenda S. 198 f.

53 Das Statistische Bundesamt arbeitet in seiner 10. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung im Ergebnisteil mit folgenden Quotienten:

Jungendquotienten (JQ <20), der die unter 20-jährigen erfasst.

Altenquotienten (AQ), der die ab 60-jährigen (AQ >60) bzw. ab 65-jährigen (AQ >65) registriert.

Gesamtquotienten (GQ), der die Addition der unter 20-jährigen plus den über 60-jährigen (GQ >

60) bzw. die unter 20-jährigen zuzüglich der über 65-jährigen (GQ >65) beinhaltet.

Gesamtquotienten des aktiven Bevölkerungsteils, d. h. die 20- bis unter 60-jährigen (GQ <60), bzw. 20- bis unter 65-jährigen (GQ <65).

54 Wissenschaftler der TU Berlin stellten in einer Studie zur Frage des Zusammenhangs zwischen sozialer Stellung und Gesundheit fest, dass ein mehr als doppelt so hohes Sterberisiko bei An-gehörigen der unteren sozialen Schicht existiert. Als Gründe wurden ein ungesünderes Verhal-ten (z. B. ZigaretVerhal-ten-, Alkoholkonsum, geringe sportliche AktivitäVerhal-ten), aber auch eine selVerhal-tene Teilnahme an Vorsorgeuntersuchungen gefunden.

„Das Sterberisiko ist aber auch unabhängig vom Gesundheitsverhalten in den unteren sozialen Schichten erhöht“, erklärte der wissenschaftliche Mitarbeiter der TU Berlin, Stephan Müters.

(Solms-Braunfelser vom 21.07.2005, S.4).

55 Bosbach, Gerd (2005): Demografische Entwicklung – kein Anlass zur Dramatik, S. 8 f.

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