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Eine kurze Betrachtung der Konsequenzen der heterologen Insemination

4.3 Staatlich legitimierte Wege und Möglichkeiten der „assistierten“

4.3.1 Die Reproduktionstechnologien in Deutschland

4.3.1.3 Eine kurze Betrachtung der Konsequenzen der heterologen Insemination

Personen

Aus dem bisher Dargelegten ist deutlich geworden, dass Verwandtschaft im rechtlichen Diskurs in Deutschland als eine besondere Form sozialer Beziehungen dargestellt wird, die sich über eine geteilte biogenetische Körpersubstanz konstituiert und soziale Konse-quenzen beinhaltet. Die Reproduktionstechnologien propagieren die Schaffung von leiblichen Kindern eines (Ehe-)Paares und arbeiten somit an der Schnittstelle zwischen Ehe, Familie und Verwandtschaft. Die Anwendung der Maßnahmen zur Behandlung von „Sterilität“, insbesondere bei der Verwendung von Keimzellen Dritter, werfen je-doch auch Fragen auf nach den Auswirkungen der Vorstellungen von Verwandtschaft als materielle, auf Körpersubstanzen basierende, Beziehungen zwischen Menschen und deren statusrechtliche Zuordnungen, Zugehörigkeiten, Rechten und Pflichten.

Wie ich zeigen konnte, geht es in der deutschen Gesetzgebung um eindeutige personen-standsrechtliche Zuordnungen von Personen, wobei „natürlicher“ Verwandtschaft im Verhältnis zu anderen Kategorien von Verwandtschaft eine zentrale Bedeutung beige-messen wird. Bei dem im homologen System gezeugten Kind mittels Insemination, IVF, GIFT oder ICSI ist diese Zuordnung ebenso wie die damit zusammenhängenden gesetzlich festgelegten Rechte und Pflichten eindeutig geregelt, da es genetisch von der Mutter und deren Ehemann abstammt. Anders verhält es sich bei dem heterolog ge-zeugten Kind, das in einer Ehe geboren wird. Als Mutter gilt immer die Frau, die es geboren hat (siehe § 1591 BGB). In rechtlicher Hinsicht gilt das Kind solange als Kind des Ehemannes der Mutter, bis dessen Vaterschaft erfolgreich angefochten wird. Auch im Fall der heterologen Insemination ist die Anfechtung der Vaterschaft durch den Ehemann möglich, da der Bundesgerichtshof jedem Mann bei berechtigten Zweifeln die Anfechtung der Vaterschaft innerhalb einer festgelegten Klagefrist zubilligt; Dies gilt auch für den Ehemann bei vorheriger Zustimmung zur „Samenspende“. Das gegenwär-tige deutsche Recht kennt keine bindenden Personenentscheidungen vor der Geburt. Ein nichteheliches Kind kann somit zwar vor der Geburt anerkannt werden (§ 1594 BGB), jedoch ist diese Anerkennung aufgrund des geltenden Rechts anfechtbar (§ 1600 BGB n.F.). Vom Anfechtungsrecht zu trennen ist jedoch die Unterhaltspflicht. Dass das Kind bei Vertragsabschluss noch nicht gezeugt war, ist in diesem Fall kein Hindernis. Die Einwilligung zur Unterhaltsverpflichtung ist nicht ohne weiteres widerrufbar. In diesem Fall wird unterschieden zwischen dem Status als Vater und dem Unterhalt (vgl. Lüderitz

1999:277). Wenn die Vaterschaft erfolgreich angefochten wurde, ist der Mann folglich nicht mehr gesetzlich verpflichtet, den Unterhalt für das Kind zu zahlen. An die Stelle der gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung tritt nun allerdings eine rechtsgeschäftliche Unterhaltsverpflichtung, da der Ehemann der heterologen Insemination seiner Ehefrau zugestimmt hat. Dies hat zur Folge, dass der Unterhaltsanspruch des Kindes auch bei der Anfechtung der Vaterschaft durch den Ehemann bestehen bleibt. Anders stellt sich die Situation jedoch dar, wenn das Kind (oder als dessen gesetzliche Vertreterin die Mutter) die Vaterschaft anficht. Wurde die Vaterschaft durch das Kind erfolgreich ange-fochten, entfällt der Unterhaltsanspruch des Kindes und damit auch sein Erbrecht.110 Ein weiterer Aspekt sind die Rechtsbeziehungen zwischen dem Kind und den an seiner Erzeugung beteiligten Personen wie zum Arzt und zum „Samenspender“. Wenn der Ehemann erfolgreich die Vaterschaft anfechten konnte, hat das Kind einen Anspruch darauf, die gerichtliche Feststellung des „Samenspenders“ zu verlangen. Im gegenwär-tigen Recht ist der „Samenspender“ Vater im Sinne von § 1592 Nr 3 BGB n.F., daher als solcher feststellbar und damit unterhaltspflichtig, wenn vom sozialen Vater kein Unterhalt zu erwarten ist (vgl. Lüderitz 1999:278f). Da es eine gesetzliche Verpflich-tung für den Arzt zur Dokumentation der Unterlagen über den „Samenspender“ gibt, kann dieser somit ermittelt werden. Nach vorherrschender juristischer Meinung haftet der Arzt auf Schadensersatz, wenn er dieser Pflicht nicht nachkommen kann und der

„Samenspender“ nicht ermittelbar ist. Begründet wird diese Auffassung u.a. damit, dass der Arzt das Persönlichkeitsrecht des Kindes verletzt hat.

Dieser kurze Exkurs macht deutlich, dass die Anonymität des „Spenders“, die sowohl den Paaren als auch den „Spendern“ von Seiten der Ärzteschaft zugesichert wird111, und damit verbunden dessen soziale Ausblendung, ein im Extremfall nicht einzuhaltendes Versprechen darstellt. Durch das gesetzliche Verbot der Anonymisierung der Spender-daten (vgl. Lüderitz 1999:278) soll dem Kind das in der Bundesverfassung festgelegte Recht auf Kenntnis seiner Abstammung zugesichert werden (Art. 2 Abs. 1 GG). Dieses Recht basiert auf der herausragenden Bedeutung, die der genetischen Herkunft für die Identitätsbildung eines Kindes in Deutschland zugesprochen wird. Darin spiegelt sich auch das biogenetische Zeugungsmodell wider, das davon ausgeht, dass durch

110 Vom Anfechtungsrecht zu trennen ist demnach die Unterhaltsverpflichtung. Die Einwilligung des Ehemannes in die Durchführung der heterologen Insemination kann als Vertrag zugunsten des Kindes verstanden werden. Dieser Vertrag ist nicht ohne weiteres widerrufbar, d.h. auch wenn der Ehemann die Vaterschaft erfolgreich angefochten hat, kann ihm zwar der Status als Vater aberkannt werden, die Verpflichtung zur Zahlung des kindlichen Unterhalts be-steht jedoch weiterhin. Anders verhielt es sich in einem Fall, in dem die Mutter nach Scheidung der Ehe dem sozialen Vater, der weiterhin Unterhalt zahlte, das Umgangsrecht verweigerte und als gesetzliche Vertreterin des Kindes Anfechtungsklage erhob. Nachdem die Anfechtung anerkannt wurde, stellte der Mann die Zahlungen ein. Der Bun-desgerichtshof gab ihm dabei Recht (BGH NJW 1995, 2031).

111 Siehe dazu auch Kapitel 5.1.4 und 6.

pflanzung die genetischen Informationen eines Elternpaares weitergegeben werden, die die Grundlage bilden für die genetische Identität und die Individualität des Kindes (Kap.

2.2.2). Diese „natürlichen“ Verbindungen zwischen den biologischen Eltern und dem Kind gelten als festgelegt und damit unveränderlich. Was jedoch auffällt, ist die Tatsa-che, dass sich das Recht auf Kenntnis der Abstammung einzig auf die Aszendenz be-zieht, da nur das Kind auf gerichtliche Feststellung der genetischen Vaterschaft klagen kann (siehe auch Kap. 4.1.3). Dem „Samenspender“ ist ein Einklagen der genetischen Vaterschaft, also das Recht auf Kenntnis der Deszendenz, verwehrt, solange ein Mann, in der Regel der Ehemann der Mutter, die Vaterschaft anerkennt. Sofern der Ehemann zur Übernahme der sozialen Vaterschaft bereit ist, erfährt – unter dem Gedanken der Priorität von Eheschutz und „Kindeswohl“112 – die biologische Vater-Kind-Beziehung seitens des Gesetzgebers keine Anerkennung (vgl. Stein-Hilbers 1994:200). In diesem Fall wird die soziale Dimension von Vaterschaft höher gewichtet als die biologische und die strukturelle Einheit einer Kernfamilie aufrecht erhalten. Wie ich schon in Kapi-tel 4.1.3 herausgesKapi-tellt habe, mischt sich der Staat nicht in die persönliche Gestaltung der rechtlich als Verwandtschaft anerkannten Beziehungen ein, solange die personen-standsrechtliche Zuordnung eindeutig ist. Es bleibt somit dem persönlichen Ermessen eines Elternpaares überlassen, ob es dem Kind mitteilt, dass es mit Hilfe einer „Samen-spende“ entstanden ist und somit mit dem „Spender“ (biogenetisch) verwandt ist. Er-fährt das Kind jedoch von der gespaltenen Vaterschaft, kann es sich auf das Recht auf Kenntnis der Abstammung berufen, das es ihm ermöglicht, die rechtlich anerkannte Vaterschaft anzufechten. Bei Feststellung des „Samenspenders“ könnte dieser demnach aufgrund des Primats von biologischer Verwandtschaft (§ 1589 BGB) in Deutschland den formalrechtlich anerkannten Verwandtschaftsstatus als Vater übernehmen. Ob da-mit auch die Übernahme der sozialen Vaterschaft und dada-mit das Ausüben elterlicher Verantwortung verbunden ist, bleibt allerdings Teil der individuellen Handlungsfreiheit und Ausgestaltung verwandtschaftlicher Statusbeziehungen, in die sich der Gesetzgeber nicht einmischt.

112 Das BGB verwendet den Begriff des „Kindeswohls“ als orientierenden Begriff zur Ausübung der elterlichen Sorge (§ 1627) und zur Regelung elterlicher Konflikte bei Eingriffen in die elterliche Sorge. Coester (1986) benennt vier Grundfunktionen des Kindeswohlpostulats: Es legitimiert Eingriffe in die Familienautonomie (z.B. bei Kindes-misshandlungen), es dient als Entscheidungsmaßstab bei positiv zu treffenden Maßnahmen (z.B. im Umgangsrecht), es ist Verfahrensrichtlinie bei richterlichen Interventionen, und es bezeichnet einen rechtspolitischen Gestaltungsauf-trag an den Gesetzgeber. Longino (1998:49) spricht im Zusammenhang mit dem „Kindeswohl“ von der Entwicklung einer selbstständigen und selbstverantwortlichen Persönlichkeit mit der gleichzeitigen Fähigkeit zur sozialen Koexi-stenz. Weiterhin fällt seiner Ansicht darunter eine Kontinuität von Beziehungen, die sich in stabilen äußeren Verhält-nissen und dauernden Gefühlsbindungen ausdrückt.

4.3.2 Adoptionen und Pflegschaften: Ein Blick auf die rechtliche Situation