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6.2 Die Sichtweise der Paare

6.2.2 Die Gleichsetzung von Zeugung und Befruchtung

Anhand von 25 Interviews lässt sich jedoch auch feststellen, dass eine Vorstellung von Zeugung dominiert, die sich auf die Verschmelzung von Ei- und Samenzelle bezieht und Zeugung und Befruchtung somit gleichsetzt. Inge Groß (38) ist der Auffassung, dass Zeugung und Befruchtung zwar verschiedene Begriffe sind, letztlich jedoch das gleiche Phänomen beschreiben:

„Zeugung ist das, was bei uns jetzt nicht mehr klappt, wo wir uns helfen lassen müssen.

Das ist für mich die Zeugung, ja also die künstliche Befruchtung. Verschiedene Namen, aber letztlich geht es um das gleiche. Aber das hat nichts mit Sexuellem zu tun, das ist, wie wenn ein Mechanismus kaputt ist.“

Diejenigen, die Zeugung und Befruchtung nicht unterscheiden, sind der Ansicht, dass die Zeugung gleichermaßen im Körper der Frau oder im Reagenzglas stattfinden könne, was letztlich für das ‚Ergebnis‘ keine große Rolle spiele. Aus diesem Grunde haben sie auch keine größeren Schwierigkeiten damit, medizinische Hilfe in Anspruch zu neh-men.166 Wie die Befruchtung letztendlich zustande komme und wo sie stattfinde, sei nicht entscheidend.

Ein wichtiger Aspekt scheint hier zu sein, dass die reproduktiven Techniken den Zeu-gungsort- und -zeitpunkt genauer fassbar machen können. Bei der In-vitro-Fertilisation (IVF) werden die Körperzellen im Reagenzglas zusammengeführt, und bei der Mikro-injektion (ICSI) wird die Samenzelle unter dem Mikroskop direkt in die Eizelle einge-bracht. Danach folgt eine Wartezeit von 24 Stunden, nach der festgestellt werden kann, ob eine Verschmelzung der Zellen stattgefunden hat. Die Interviews zeigen, dass bei beiden Techniken der ‚Zeugungszeitpunkt‘ (Befruchtung) und ‚Zeugungsort‘ (Labor) aufgrund der Gleichsetzung von Zeugung und Befruchtung für die Paare eindeutig zu sein scheint. Wie ich schon in Kapitel 4.3.1.2 beschrieben habe, besteht die Möglich-keit, Vorkern-Stadien einzufrieren (Kryokonservierung) und erst nach einem längeren Zeitraum aufzutauen, um sie in die Gebärmutter der Frau zu transferieren. In diesem Fall ‚verlegen‘ viele Paare den Zeugungszeitpunkt und datieren ihn vor, so als ob das Verschmelzen der Zellen und ihre Teilung erst 48 Stunden zuvor stattgefunden hätte.167 So berichteten Juliana und Tim Bergmann (33 und 38 Jahre):

J.B.: „Der Zeitpunkt der Zeugung ist, wenn die Eizelle in die Samenzelle eindringt. Wir haben damals gesagt, am 31. August haben wir unser Kind gemacht. Das war der Tag der Punktion, und da werden sie dann auch zusammengeführt im Reagenzglas.“

T.B.: „Denk ich auch. Wobei bei uns, gerade wo wir jetzt ein Vierteljahr dazwischen haben [zwischen zwei Embryonentransfers], die Kühlschrankzeit mal abziehen würde.

166 Siehe dazu auch Kapitel 6.2.3.

167 Die Zeitspanne, nach der die Embryonen ohne Kryokonservierung transferiert würden (siehe Kap. 4.3.1.2).

Im Grunde genommen wäre das also gestern gewesen. Die Befruchtung des Eies mit dem Samen. Die Gefrierzeit würde ich jetzt mal abziehen. Die kann man ja vernachläs-sigen, also spielt ja auch keine so wichtige Rolle.“

Die Hervorhebung der Bedeutung des Befruchtungszeitpunktes seitens der Betroffenen macht es somit ermöglicht, die Zeit der Kryokonservierung gedanklich von der Zeu-gung abzuziehen.

Bei der Methode der Insemination findet die Befruchtung im Körper statt, was ca. zwei bis drei Tage nach dem Einbringen des Spermas in die Gebärmutter sein kann, also nachdem die Frau/das Paar die Klinik verlassen hat und sich wieder zuhause befindet.

Es kristallisiert sich aus den Interviews heraus, dass dem Moment der Insemination168 im homologen System häufig eine besondere Bedeutung zuteil wird. So sprach das Paar Christine und Karl Lenz (30 und 39 Jahre) von ihren widersprüchlichen Empfindungen:

C.L.: „Zeugung ist Befruchtung, also Verschmelzung von seinen und meinen Zellen.

Das findet ja z.B. bei Inseminationen im Körper statt, vielleicht eine Stunde später. Da wird dann erst was gezeugt und nicht im Moment der Insemination. Ist doch beim Ge-schlechtsverkehr auch nicht so, dass in dem Moment die Befruchtung stattfindet, son-dern das kann viele Stunden später sein. Aber (zögert) der Moment der Insemination war doch schon was besonderes, also da wird mir das Sperma von meinem Mann einge-führt. Das hat nun wirklich nicht weh getan. Aber wie soll ich das erklären, obwohl wir ja schon einiges mitmachen für unseren Kinderwunsch, also auch so technische Sachen und so. Mit denen man sich ja auch abgefunden hat. Na ja, da denkt man dann doch daran, dass so was sonst woanders passiert, also wenn man normal ein Kind zeugen kann.“

K.L.: „Also ich komme damit auch gut klar. Ist für uns prinzipiell kein Problem, das wir das jetzt hier so machen lassen. Aber Sie können sich das sicher nicht so vorstellen, dass man da so sitzt und sieht, dass da gerade mein Sperma inseminiert wird. Also ir-gendwie sitzt man so distanziert oder so als Betrachter dabei, während der Arzt da mit dem eigenen Sperma hantiert, so personslos irgendwie. Also, dem ist das ja egal, ob er da nun meins einführt oder von jemandem anders. Ich meine, die sind hier schon freundlich, das war vorher in der großen Klinik ganz anders, da war alles völlig steril und ich hatte quasi keinen Zugang. Aber ich bin eben doch nur der Statist am Rande.

Wenn es dann hinterher klappt, wäre es mir aber sicher total egal, dann wäre es ja mein eigenes Kind, also dann kommt ja das Gleiche dabei raus wie normal auch.“

C.L.: „Es gibt viele Frauen, das weiß ich, die wollen ihre Männer gar nicht dabei haben, um sie aus dem Ganzen herauszuhalten. Ich bin aber schon ganz froh, wenn mein Mann dann noch da ist. Sonst wäre es so ganz getrennt von ihm, also eben nur Samen und Technik, verstehen Sie?“

Hier wird deutlich, dass die persönliche Definition von Zeugung sich auf die Befruch-tung bezieht, die im Fall einer Insemination im Körper der Frau stattfinden kann, also

168 Die heterologe Insemination wird in Kapitel 6.3 noch ausführlicher diskutiert.

räumlich und zeitlich getrennt von der Person des Arztes und der Klinik.169 Dennoch ist auch ersichtlich, dass eine wesentliche Schwierigkeit für beide Partner170 gerade darin besteht (und ähnliches wird auch in neun weiteren Interviews genannt) damit umzuge-hen, dass es im Moment der Insemination einzig um Körperzellen, nämlich das im La-bor aufbereitete Sperma, geht, die losgelöst von der eigenen Leiblichkeit vom Arzt171

„vor Ort“ gebracht werden. Herr Lenz empfindet sich als Statist und nur am Rande be-teiligt, da er persönlich nichts beitragen kann und nichts (er)spürt. Auch spricht er die Austauschbarkeit des Spermas an, indem er darauf hinweist, dass es für ihn zwar eine sehr intime und ‚einzigartige‘ Substanz sei, die in die Gebärmutter seiner Frau einge-führt werde, es sich jedoch für den Arzt um nur eine von vielen in der täglichen Berufs-routine handele und damit entpersonalisiert werde. Diese Aussage verdeutlicht, dass zwar einerseits seitens der Paare versucht wird, Sperma wie Eizellen als Körpersubstan-zen zu sehen, die auch losgelöst vom eigenen Leib verwendet werden können, um eine Befruchtung zu erreichen (letztlich zu ‚zeugen‘). Doch lässt sich auch feststellen, dass eben diese Vorstellung der Loslösbarkeit der Körperzellen nur schwer gelingt, insbe-sondere da das Ziel dieser Behandlung des Körpers die Schaffung von Leiblichkeit im Sinne eines leiblichen Kindes ist. Der Austausch von Körpersubstanzen zwischen Ehe-partnern wird überdies ‚normalerweise‘ mit einer sexuellen körperlichen und leiblichen Beziehung assoziiert, was an der Aussage von Frau Lenz deutlich wird, der die Anwe-senheit ihres Mannes bei der Insemination wichtig ist.

Es lässt sich vermuten, dass auch hier die Vorstellung von Zeugung nicht ausschließlich auf körperliche Vorgänge reduziert und von der eigenen Leiblichkeit losgelöst werden kann, wie im Interview zunächst angesprochen. Der Zwiespalt des Paares wird deutlich, die zwar einerseits Zeugung als einen Vorgang beschreiben, der auch problemlos an einen anderen Ort bzw. in einen anderen Kontext verlagert werden kann, auf der ande-ren Seite allerdings den ‚Weg zur Zeugung‘ thematisieande-ren, auf dem die Transformation

169 Die raumzeitliche Organisation von reproduktionsmedizinischen Behandlungen kann ausführlicher in Hauser-Schäublin et al. (2001:70-73) nachgelesen werden.

170 Eine detailliertere Diskussion der geschlechtsspezifischen Wahrnehmungsunterschiede soll hier nicht erfolgen.

Deutlich wird, dass beide Partner Schwierigkeiten haben. Ob die Frau eine andere Perspektive hat als ihr Mann und die Situation weniger ‚fremd‘ empfindet, da sie das Sperma ihres Mannes wie beim Geschlechtsverkehr eher ‚passiv‘

empfängt (wobei ich ausdrücklich darauf hinweise, dass ich hiermit nicht das passive sexuelle Verhalten meine, sondern mich ausschließlich auf die Samenübertragung beziehe im Sinne von ‚etwas in sich aufnehmen‘), kann hier nicht beantwortet werden. Ebenso kann über die Möglichkeit, dass der Mann sich hier gerade deshalb so sehr als Statist empfindet, da er in diesem Fall passiv daneben sitzt, wohingegen er im Geschlechtsakt ‚aktiv‘ handelt (im Sinne von ‚etwas verteilen/weitergeben‘), nur spekuliert werden.

171 Auf die Rolle des männlichen Arztes, der die Insemination durchführt und dadurch aktiv ‚zeugend‘ tätig ist, während der Ehemann eher unbeteiligt am Rande sitzt, wird hier nicht näher eingegangen, da ein mögliches Insuffizi-enzgefühl gegenüber dem Arzt bei der homologen Insemination seitens der Interviewten nicht angesprochen wurde und somit nur Vermutungen angestellt werden könnten (siehe dazu auch Hauser-Schäublin et al. 2001:278ff). Fest-stellen kann ich jedoch, dass dieser Aspekt im Zusammenhang mit den von Ärztinnen durchgeführten Inseminationen nicht thematisiert wurde.

von Leib zu Körper vollzogen werden muss. Diese Hypothese soll durch einen weiteren Interviewausschnitt gefestigt werden, in dem Marion Wieger (34) schilderte, warum ihr Mann bei den Inseminationen nicht dabei war. Trotz der Definition von Zeugung als einem „medizinischen Vorgang“ mittels medizinischer Eingriffe ist erkennbar, dass auch sie Klinik und Ärzte von Zuhause und Ehemann und damit von Sexualität und intimen Beziehungen trennen möchte.172

„Zeugung ist für mich ein rein medizinischer Vorgang. Mehr ist es nicht. Da befruchten sich Zellen, was zwar ein Wunder ist, aber dennoch ein rein medizinischer Vorgang schlussendlich. Und so sehe ich das auch. Habe da kein Problem mit. [...] Mein Mann geht nicht mit zu den Inseminationen. Ich finde es auch eigentlich gar nicht verkehrt. So belastet es ihn weniger und hat nicht so viele Auswirkungen auf unsere Beziehung. Al-so, na ja, auch was das Miteinanderschlafen angeht. Ich finde, man lässt da schon viele Illusionen. Ich will das gar nicht unbedingt, dass er da mitkommt zu den gynäkologi-schen Untersuchungen. Manchmal ist es so einfacher, gerade in Situationen, wo es so frustrierend ist oder wo man so mit sich selber hadert. Das braucht er ja nicht alles mit-zukriegen. Er weiß ja, dass es belastend ist und dass es mich belastet und dass es uns belastet, aber er braucht ja nicht überall mit hin zu dackeln.“

Wie ich schon erwähnt habe, bezeichnen auch Paare, die die Methoden der IVF und ICSI nutzen, als Zeugung die Verschmelzung von Ei- und Samenzelle und legen diese somit auf einen bestimmten Moment fest. Dass diese im Labor stattfindet, während bei-de Partner sich an anbei-deren Örtlichkeiten aufhalten, und somit aus bei-der Intimbeziehung des Paares herausgenommen wird, wird zwar in zwei Interviews thematisiert, allerdings nicht als Problem empfunden.173 In vielen Gesprächen geht es hingegen um die Beteili-gung der zahlreichen medizinischen Mitarbeiter, insbesondere um die Rolle des Arztes,

„ohne den die Zeugung ja gar nicht erst zustande kommen könnte“.174 Da Zeugung hier jedoch als „biologische Zeugung“ definiert wird, die medizinische Unterstützung braucht, sehen die Paare den Arzt als jemanden „der so eine Art Mechanik macht“, weil er das gelernt habe. Es fällt auf, dass hier der medizinische Diskurs übernommen wird, da diese Beschreibungen mit den Eigendefinitionen der Ärzte übereinstimmen ebenso wie die gleiche sprachliche Begrifflichkeit verwendet wird (siehe Kap. 6.1.2).

172 Auf die konkreten Gründe der Abwesenheit von den Männern ist keine der Frauen direkt eingegangen. Erst auf mein Nachfragen wurden Überlegungen angestellt. Zumeist wurden jedoch zeitliche Probleme und Schwierigkeiten mit dem Arbeitgeber genannt, in keinem Fall persönliche Widerstände. Auffällig war jedoch, dass die genannten Probleme ebenso bzw. stärker die Frauen betreffen, die ja noch viel mehr Zeit in den Kliniken verbringen müssen.

Diese Diskrepanz ist offensichtlich, scheint allerdings aus Gründen, die hier nicht näher untersucht worden sind, bei den Frauen eher als zwar problematischer aber dennoch notwendiger ‚Teil‘ der Behandlung akzeptiert zu werden.

173 Gedanken über den Aspekt, dass mit Hilfe der Technik Kinder ‚gezeugt‘ werden können, obwohl sich das poten-tielle Elternpaar gerade nicht gut versteht (siehe dazu Kapitel 6.2.1), sind nicht angesprochen worden.

174 Diese Art von Aussagen tauchen in Interviews mit den Paaren, die Zeugung als Prozess definieren, nur selten auf.

Da Zeugung als komplexer Vorgang, der sich über einen langen Zeitraum hinziehen kann, vorgestellt wird, und eng mit einer emotionalen Intimbeziehung des Paares verknüpft ist, finden sich dort eher Äußerungen darüber, dass es ohne eine starke emotionale Paarbindung nicht zu einer Zeugung kommen könne unabhängig vom Einsatz des Arztes oder der Ärzteschaft (siehe dazu Kapitel 6.2.1).

len lässt sich, dass sich die Paare von dem sie betreuenden Arzt oder den Ärzten Freundlichkeit und Verständnis wünschen und froh sind, wenn eine „gute Beziehung“

zwischen ihnen vorherrscht. Jedoch wurde auf meine Nachfrage deutlich, dass der Arzt zwar „so eine Art Mit-Erzeuger ist“, weil er alles dazu tut, damit eine Befruchtung zu-stande kommen könne, nähere Beziehungen während der Behandlungen jedoch nicht unbedingt erwartet würden. So äußerten sich auch Ilona und Christoph Ottmers (30 und 33 Jahre), die den zweiten ICSI-Versuch unternahmen:

I.S.: „Dr. Hagemann hat vorhin, als er die Embryonen in die Gebärmutter eingebracht hat, zu ihnen gesagt, ‚Vater wird’s schon richten‘. Was haben Sie denn dabei gedacht?“

C.O.: „Sicher ist er von keinem Kind der richtige Vater, aber der Macher ist er schon irgendwie. Allerdings finde ich, der eine repariert ein Auto, der nächste einen Arm, und er macht halt Kinder. Da ist eine Dienstleistung. Aber sonst bringt das keinen Bezug.

Wenn ich meinem Kind das mal erzählen sollt, würde ich sagen, der da hinten hat ein bisschen nachgeholfen bei der Zeugung. Aber wen soll ich denn da überhaupt zuordnen, hier rennen doch so viele herum, und wir sind ja hier auch nicht gerade das einzige Paar mit einem Problem. An unserer Geschichte haben schon so viele herumgemengt, da wird es ein bisschen unübersichtlich. Aber die haben eben alle ihre Lebensberechtigung, ihr Einkommen.“

I.O.: „Natürlich ist er kein Vater, meint er wahrscheinlich so im übertragenen Sinne, weil er so viel an der ganzen Sache beteiligt war. Klingt ja auch irgendwie nett und per-sönlich, und wir hatten ja auch eine gute Beziehung im weitesten Sinne. Aber mehr ver-bindet uns ja nicht. Ich meine, ohne ihn hätte es keine Befruchtung gegeben, wäre eben kein Kind gezeugt worden, wobei man ja hier nicht den Biologen vergessen darf, der das ja schließlich alles im Labor macht. Man darf sich da nicht so reinhängen, muss das abgeklärter sehen.“

Das Paar ist hier übereinstimmend der Ansicht, dass sich die Ärzte kraft ihres Amtes um sie kümmern und freundlich sind, ansonsten eine bezahlte Dienstleistung vollbringen wie in anderen Berufssparten auch. Mein empirisches Material zeigt jedoch, dass es geschlechtsspezifische Unterschiede gibt, was die Erwartung an die Beziehung zu ei-nem Arzt angeht. Frauen entwickeln oftmals engere Bindungen an den Arzt, da sie re-gelmäßige Termine zu Ultraschallkontrollen haben und somit mehr Zeit in der Klinik verbringen als ihre Männer (vgl. Kap. 4.3.1.1). Hinzu kann gerade bei einem männli-chen Arzt das Gefühl von Vertrauen, Verständnis und intensiver Unterstützung bei der Erfüllung des „Kinderwunsches“ entstehen. Wie ich schon an anderer Stelle gezeigt habe (vgl. Hauser-Schäublin et al. 2001:280f), bestehen die Beziehungen seitens der Ärzte zum Paar, auch nach Geburt eines Kindes, in erster Linie im Namen ihres Beru-fes, der sich mit der ‚Reparatur‘ von Körpern und nicht mit Leibern beschäftigt. Bei einer Trennung von Zeugung und Befruchtung und damit zwischen Intimität und sozia-len Beziehungen versus der beruflichen Beschäftigung am und mit Körper ist es mög-lich, sowohl seitens der Ärzte (vgl. Kap. 6.1.1) als auch seitens der Paare, die Rolle des Mediziners auf einen Raum und eine Zeit festzulegen, die mit der Privatsphäre aller

Beteiligten nichts zu tun haben muss. Mein Material zeigt, dass diese Trennung theore-tisch seitens der Paare zwar vollzogen wird, dass es im konkreten Umgang jedoch im-mer wieder zu Brüchen kommen kann und es sich oftmals eher um ein Oszillieren zwi-schen beiden Aspekten handelt.

6.2.3 „Natürlich“ versus „künstlich“?

In den Interviews über „Zeugung“ fallen auch die Begriffe „natürlich“ und „künstlich“, eine Dichotomie, mit der die Paare im Kontext der Reproduktionsmedizin immer wie-der konfrontiert werden. Besonwie-ders im öffentlichen Diskurs findet sich diese Gegen-überstellung, und insbesondere diejenigen Paare müssen sich damit auseinandersetzen, die ihre soziale Umgebung über die reproduktionsmedizinische Behandlung, in die sie sich begeben haben, informieren. Die Reaktionen des Umfeldes auf diese Nachricht sind oft kritisch oder ablehnend bezüglich einer „künstlich“ herbeigeführten Befruch-tung. Sehr häufig wird daher die Behandlung verschwiegen, um sich nicht negative Bemerkungen anhören zu müssen, wie Tim Bergmann (38), im zweiten IVF-Versuch, berichtete:

„So richtig bewusst geworden, dass es sich um was Künstliches handelt, ist es uns erst, als wir das einigen Verwandten und Freunden erzählt haben. Ach du liebe Güte, da gab es Horrorvorstellungen von dem, was wir da jetzt machen lassen. Besonders die ältere Generation hat ja gar keine Ahnung. Die denken ja, das ist Teufelszeug, was da passiert.

Aber selbst unsere ach so aufgeklärten Freunde meinten zum Teil nur: ‚Ihr müsst es ja wissen, was ihr macht. Aber wenn ihr mich fragt, man sollte sich doch überlegen, ob das nicht von irgendwo her so gewollt ist oder dass es nicht sein soll. Da pfuscht man doch der Natur ins Handwerk.‘ Solche Sprüche haben wir uns da anhören müssen. Also ob wir uns nicht auch Gedanken darüber gemacht haben. Aber das ist doch Blödsinn, dass man die Natur künstlich zu etwas zwingt, wie behauptet wird. Wenn es nicht sein soll, dann wird es sich nicht befruchten oder einnisten, egal was man vorher versucht.

Aber warum soll man es nicht erst mal versuchen, es ist doch nichts anderes, als was in der Natur auch passiert. So haben uns das die Ärzte auch erklärt und es stimmt ja auch.

Aber wir sind jetzt schlauer und machen das nur für uns selbst. Mit Außenstehenden reden wir nicht mehr darüber.“

Die meisten Paare lehnen spontan die Unterteilung in „natürliche“ versus „künstliche“

Befruchtung ab mit ähnlichen Begründungen, wie sie Herr Bergmann im obigen Inter-viewausschnitt gibt. Alle finden übereinstimmend die spontane „natürliche“ Befruch-tung schöner und wären froh, wenn es auf „natürlichem“ Wege klappen würde. Da dies jedoch bei ihnen nicht der Fall sei, würden sie dafür eben Hilfe in Anspruch nehmen.

Sie betonen immer wieder, dass es doch gar nichts „Künstliches“ sei, da es sich um die Körperzellen beider Partner handele, die statt im Körper im Reagenzglas zusammenkä-men. Wenn das Kind dann da sei, würde doch „normal“ auch niemand fragen, wie es

Sie betonen immer wieder, dass es doch gar nichts „Künstliches“ sei, da es sich um die Körperzellen beider Partner handele, die statt im Körper im Reagenzglas zusammenkä-men. Wenn das Kind dann da sei, würde doch „normal“ auch niemand fragen, wie es