• Keine Ergebnisse gefunden

6.1 Die innermedizinische Perspektive

6.1.2 Der Arzt als (Mit-)Erzeuger?

Wie ich zeigen konnte, verstehen die Ärzte im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit unter Zeugung im weitesten Sinne die Schaffung neuen Lebens, die entweder im Labor statt-finden kann und/oder Teil einer (körperlichen und emotionalen) Beziehung des Paares ist, die außerhalb der Klinik oder Praxis gelebt wird. Sie vermeiden den Begriff der Zeugung und verwenden dafür lieber den Begriff der Befruchtung, der sich auf die kör-perlichen Vorgänge bei der Entstehung menschlichen Lebens bezieht. Im Zusammen-hang mit der Vorstellung von Zeugung stellte ich in den Interviews auch explizit die Frage nach einem Zeugungszeitpunkt. Anhand der IVF/ICSI-Methode wird deutlich, wie viele verschiedene Stadien es bei der Schaffung neuen Lebens geben kann: Zu-nächst werden nach einer Hormonbehandlung Eizellen entnommen, die danach entwe-der im Reagenzglas mit Samenzellen zusammengeführt oentwe-der direkt in die Eizelle einge-bracht werden (Kap. 4.3.1.2). Hat eine Befruchtung stattgefunden, werden kurz darauf die Embryonen auf die Frau übertragen, wobei auch die Möglichkeit der Kryokonser-vierung von befruchteten Eizellen (Vorkernstadien), die in einem späteren Zyklus trans-feriert werden sollen, gegeben ist. Nach Ansicht des Arztes Rolf Wellmann beschränkt sich Zeugung nicht auf einen einzigen Moment, wobei er allerdings das „technische“

Zusammenkommen von Ei- und Samenzelle formal als Zeitpunkt der Zeugung im Sinne von Lebensbeginn bezeichnet (Kap. 6.1.1). Da das Zusammenführen der Körpersub-stanzen jedoch nur möglich werden kann durch den beruflichen Einsatz verschiedener Experten, insbesondere des Arztes, stellt sich bei dieser Vorstellung von Zeugung auch die Frage nach dessen Rolle. Im folgenden Interview sprach Dr. Norbert Krüger (43) von der Befruchtung „als symbolischem Zeugungsakt“ und vom Embryotransfer als einem Zeitpunkt, der symbolhaft einen hohen Stellenwert für die Paare trage und ging auf Nachfragen auch auf die Rolle als ‚Erzeuger‘ ein.

N.K.: „Es findet natürlich eine gewisse Entkoppelung [zwischen dem Zeitpunkt der Befruchtung und dem des Embryotransfers] statt, das ist korrekt. Gerade wenn man das

mit der Kryokonservierung hier mit einbringt. Für die Paare ist es dann meist so, dass der Zeitpunkt der Übertragung ein sehr wichtiger Zeitpunkt ist und eigentlich erst in dem Moment das Gefühl bei vielen Paaren aufkommt, so jetzt ist das meins, jetzt gehört es mir wieder, und von den Paaren, die zumindest IVF machen, ist dieser Embryotrans-fer ein Zeitpunkt, der symbolhaft einen hohen Stellenwert eben auch trägt.“

I.S.: „Es gibt da allerdings auch ganz unterschiedliche Aussagen. Einige Paare sagen, Zeugung ist für sie das rein Technische, die Verschmelzung. Das macht es für sie auch nicht mehr so schwierig damit umzugehen, weil das bei der normalen Zeugung genauso wie bei der sogenannten künstlichen passiert. Da versucht man dann, dieses Problem irgendwie zu lösen.“

N.K.: „Ich denke zum Beispiel jemand, der aus der katholischen Glaubenslehre kommt, der sieht das auch noch wieder ganz anders. Auch die Penetration im engeren Sinne ist schon ein Teil des Zeugungsaktes und das ist auch ein längerer Prozess: Aber in der heutigen Zeit können sie durch die Anwendung von Verhütungsmitteln auf der einen Seite ihre Sexualität ausleben, ihre Gefühle ausleben, auf der anderen Seite eben auch terminiert ihren Kinderwunsch erfüllen, wenn sie es gerade möchten, oder wenn sie eben denken, dass es zeitlich günstig ist. Für sie persönlich als Paar [...].“

I.S.: „Wenn, wie Sie sagen, der Embryotransfer für die Paare eine besondere Situation ist oder im weitesten Sinne symbolisch die Zeugung, wie sehen Sie da ihre Rolle?“

N.K.: „Im juristischen Sinn bin ich der Erzeuger. Das bin ich auch schon in dem Mo-ment, wo ich eine Insemination durchführe, weil eben diejenige Person, die der Frau beiwohnt innerhalb einer gewissen Zeit vor der Entbindung – und das kann im medizi-nischen Bereich ein Mann als auch eine Frau sein, die der Frau beiwohnt – Erzeuger des Kindes ist, was auch gewisse unterhaltsrechtliche Dinge nach sich ziehen kann.

Manchmal kommt mir die Situation ein bisschen vor, wie einst bei der Jungfrau Maria mit der unbefleckten Empfängnis. Es ist die Entkoppelung irgendwo da, weil der Akt der Zeugung außerhalb des Körpers stattfindet, zumindest auf IVF bezogen. Ich versu-che das eher so zu betrachten, dass ich mich in den Dienst des Paares stelle. Allerdings ist es eine Gemeinschaftsaktivität, weil noch eine Helferin mit dabei ist, die dann tat-sächlich den Stempel auch drückt,158 und dann die Flüssigkeit mit den Embryonen ein-gibt. So gesehen, muss man das eher im Team sehen, wenngleich ich mir bewusst bin, dass ich da eine herausgehobene Position einnehme, und ich weiß nicht, ob es vielleicht auch manchmal so ist, dass es für viele dann, nicht dass ich ein Gott bin, das möchte ich mir auch nicht anmaßen, aber dass man vielleicht auch in so eine Rolle hineingedrängt wird, oder dass das so gesehen wird, dass man eine gewisse Allmacht hat.“

Auch Dr. Jan Hagemann (47) wies die Rolle als ‚Erzeuger‘ von sich:

„Ich sehe mich nicht so. Ich sehe mich eigentlich auch nicht als jemand, der Dinge möglich macht, die dem Herrgott vorbehalten sein sollen, aus welcher Religion man auch kommen mag. Sondern ich sehe eigentlich, dass ich jemand bin, der aufgrund sei-ner Ausbildung in der Lage ist, dieses Problem in seisei-ner Komplexität zu erfassen und es so zu therapieren, dass das, was durch mechanische oder organische oder sonstige

158 Der Embryotransfer erfolgt durch die Scheide, indem durch den Arzt ein dünner Plastikkatheder in die Gebärmutter eingeführt wird. Eine medizinische Mitarbeiterin drückt die Flüssigkeit mit den Embryonen dann direkt in die Ge-bärmutter hinein.

chen nicht möglich ist, doch möglich wird. Der Zeugungsakt selber ist für mich, und das hat sich ja in den letzten dreißig Jahren auch nicht geändert, das ist für mich eine faszi-nierende Sache. Wir wissen viel zu wenig davon. Gucken Sie, ich bin gelernter Bio-chemiker, wenn ich mir überlege, wie wenig wir über das wissen, was wir letztendlich hier machen, kann ich sagen, eigentlich bin ich ein Höhlenbewohner, der einen Chagall oder Picasso beschreiben soll.“

Anhand dieser Interviews wird deutlich, wie verschiedenartig die Vorstellungen von Zeugung sind. Im ersten Ausschnitt spricht Dr. Krüger vom Geschlechtsakt als Teil des Zeugungsaktes, aber auch davon, dass die Zeugung außerhalb des Körpers stattfindet, womit er hier den Embryotransfer meint, bei dem sowohl er als auch Helferinnen betei-ligt sind. Dr. Hagemann bezeichnet den Zeugungsakt als faszinierende Sache, wobei er damit nach meiner Interpretation auf die Verschmelzung von Ei- und Samenzelle ver-weist und nicht auf den Geschlechtsverkehr. Es ist offensichtlich, dass im innermedizi-nischen Diskurs und im konkreten Berufsleben die Betonung in erster Linie auf dem (technischen) Vorgang der Befruchtung liegt. Der Begriff der Zeugung wird überwie-gend nicht verwendet, denn er beinhaltet sowohl soziale als auch körperliche und leibli-che Beziehungen, die seitens der Ärzteschaft im Namen ihres Amtes zu den Paaren und den entstandenen Kindern nicht gewünscht werden. So äußerte sich Dr. Norbert Krüger:

„Ich denke, dass ich für einige Paare eine Position einnehme, dass ich derjenige bin, der diesem Paar zu dem Kind verholfen hat. Dass ich in deren Empfinden eine gewisse all-mächtige Position habe. [...] Ich habe eine gute Distanz dazu, dadurch dass ich selber zwei Kinder habe. Ich glaube, das ist auch sehr wichtig für jemanden, der in diesem Bereich tätig ist, dass er selber Kinder hat. Ich glaube, das hilft einem, diese Distanz dann auch zu wahren und zu sagen, das ist wirklich mein Kind, biologisches Kind, selbst erzeugt, und das sind jetzt die Kinder von den Paaren. Ich war eine Zeitlang daran beteiligt, aber ich kann dann auch, wenn ich so ein Kind auf den Arm nehme und das mal herumtrage und vielleicht auch ein Foto von mir mit dem Kind gemacht wird, auch gut sagen, hier, nehmt euer Kind wieder, denn das ist euer Kind. Man darf vor allen Dingen auch nicht vergessen, dass viel von der Arbeit ja gar nicht von mir allein erle-digt wird, sondern da sind die Helferinnen an der Rezeption, die Mitarbeiterinnen im Labor, die mit zu dem Gelingen einer Behandlung beitragen. Als Frauenarzt ist man da sicherlich in einer exponierten Stellung, weil man am häufigsten Kontakt hat mit dem Paar, aber die anderen sind ja genauso beteiligt.“

Auch der Arzt Rolf Wellmann ging auf den Aspekt der persönlichen Beziehungen ein, die die Paare (und hier besonders die Frauen) aufgrund seiner Mithilfe bei der Zeugung an ihn herantragen und betont besonders die Ungleichgewichtigkeit. Er freut sich an den geborenen Kindern, fühlt sich aber in keiner Weise für diese zuständig.

„Ein nicht unerheblicher Teil unserer Tätigkeit ist das Showgeschäft. Und wenn sie sich noch so wenig für das Ergebnis dieser Schwangerschaft, die Sie in Gang gebracht ha-ben, interessierten, könnten Sie das dem Paar doch nicht zu verstehen geha-ben, weil sich das Paar gekränkt fühlen würde. Die Mutter, die dieses Kind dem 30 bis 40 prozentigen Vater [meint sich selbst] auch noch vorführen will, will ja auch was dafür. Ich meine, wenn ich mir soviel Mühe gegeben habe, sie schwanger zu bekommen, dann will sie ja

zeigen, dass sie ihren Teil auch gut gemacht hat. Und das muss man wohl akzeptieren.

Ich muss ganz ehrlich sagen, die Kinder interessieren mich eigentlich nicht so sehr.

Denn sie unterscheiden sich nicht von anderen Kindern und nicht dadurch, dass ich das war. Für mich ist das Paar entscheidend. Ich habe die Beziehung zum Paar aufgebaut im Idealfall. Das ist mir wichtig. Dass dann zum Schluss auch noch das schönste Kind auf die Welt kommt, kann ich nicht nachvollziehen. Das habe ich bei meinen Kindern. Aber ich würde das Paar kränken, wenn ich nicht vermitteln würde, dass ich mich besonders über dieses Kind freuen würde. [...] Und es ist auch notwendig, denn die Paare wollen alle eine Rolle für sich. Sie wollen nicht in der Masse untergehen. Das ist auch irgend-wie verständlich. Ich freue mich wirklich über meine Paare. Das spiele ich denen nicht vor. Sie kriegen meine volle Zuwendung. Nicht nur fachlich, das sowieso. Den An-spruch hat jeder, der irgendwo hingeht, dass da jemand sitzt, der weiß, was gemacht wird oder eben nicht. Die Kinder sind mir, ehrlich gesagt, hinterher wurscht, weil ich mich dafür nicht zuständig fühle. Ich fühle mich absolut nicht als Vater.“

Gesamthaft betrachtet zeigen die Aussagen in den Interviews, dass die Definitionen von Zeugung komplex, heterogen und kontextspezifisch sind und sich nicht allein auf die Beschreibung der geschlechtlichen Fortpflanzung beziehen. Zeugung hängt für die Ärzte in unterschiedlichem Ausmaß mit Intimität und Emotionen zusammen. Es lässt sich feststellen, dass die verwendete Begrifflichkeit unterschiedliche Perspektiven zwi-schen Beruf und Privatleben ausdrückt. Geht es im Beruf um den Umgang mit Körper als objektiviertem und materiellen Leib als Gegenstand der reproduktionsmedizinischen Behandlungen, steht im Privatleben der Ärzte der Leib als subjektives Empfindungs-und Erfahrungsorgan, mit dem sie ihre eigene Lebenswelt wahrnehmen, im Zentrum. In diesem Kontext ist die Vorstellung von Zeugung direkt verknüpft mit einer emotionalen sexuellen und somit leiblich erfahrbaren Paarbeziehung ebenso wie mit Gedanken an das leibliche Kind, das entstehen soll. Diesen Aspekt möchte ich anhand eines Intervie-wausschnitts mit Rolf Wellmann noch verdeutlichen:

„Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, Zeugung ist schon ein eher lustvoller Akt. Mei-ne Frau ist immer im zweiten nicht verhüteten Monat schwanger geworden. Von daher kann ich die Trennung von dem, was ich zielgerichtet tue, um meinen Wunsch zu er-füllen, also ein Kind zu haben, und lustvoller Sexualität, nicht so auseinanderhalten, während das ja bei unseren Patienten hier was ganz anderes ist. Das eine verdrängt das andere ja offensichtlich völlig.“

Bei allen Methoden der „assistierten“ Fortpflanzung arbeiten die Ärzte im Namen ihres (bezahlten) Amtes oder ihres beruflichen Auftrages und reduzieren ihren Beitrag auf die Unterstützung bei der Befruchtung von Körperzellen (bzw. heben diesen Beitrag beson-ders hervor). Als ‚professionelle Zeugungshelfer‘ bleiben sie sozial unsichtbar, obwohl sie den Anstoß für die Befruchtung und damit für das Entstehen eines Kindes geben.

Durch die Konzentration auf den Befruchtungsvorgang und damit den rein körperlichen Teil der Fortpflanzung sehen sie sich nicht als ‚(Mit-)Erzeuger‘, da diese Rolle ihrer

Ansicht nach auch die Teilhabe an der sozialen Elternschaft bedeutet.159 Zeugung wird hier demnach assoziiert mit einer körperlichen und leiblichen Erfahrungswelt. „Der Natur auf die Sprünge helfen“

In Kapitel vier habe ich die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für die Forschung und Anwendung der reproduktiven Technologien beschrieben, die in den Gesetzestex-ten sowie den Richtlinien für die Ärzte als „künstliche Befruchtung“ bezeichnet werden und damit ein Gegensatzpaar mit der „natürlichen Befruchtung“ bildet.160 In meinen Gesprächen mit den Ärzten thematisierte ich diese Gegenüberstellung von „natürlich“

und „künstlich“, da letzterer Begriff schließlich ihre Tätigkeit beschreibt: die Durchfüh-rung von „künstlicher“ Befruchtung. In der reproduktionsmedizinischen Praxis, insbe-sondere in der Interaktion mit den Paaren, wird die Verwendung dieser Unterscheidung in „natürlich“ versus „künstlich“ ebenso wie das Hervorheben der technischen Eingriffe seitens der Ärzteschaft vermieden. In den Gesprächen mit den Paaren betonen die Ärzte häufig, dass die fortpflanzungsmedizinischen Behandlungen gerade nichts „Künstli-ches“ seien.161 Die Ambivalenz der Terminologie wird in einem Interview mit dem Arzt

159 Die Frage nach der Rolle des Arztes als ‚Erzeuger‘ im Zusammenhang mit der Nutzung der Reproduktionstech-nologien von Frauen, die zwar Babys, aber keine sexuelle Beziehung wollen, diskutiert Strathern (2001:359-395) aus kulturanthropologischer Perspektive. So verweist sie u.a. auf die Witze über die „väterliche“ Rolle des Klinikers, der durch seine Anstrengung ein Kind „hervorgebracht“ hat und sieht sie als eine Art kulturellen Kommentar über die Beziehung zwischen technologisch unterstützten und natürlichen Empfängnisprozessen, die aus den involvierten Personen in euro-amerikanischen Gesellschaften Eltern machen. In Situationen, in denen ein zukünftiger Vater vor-handen ist – gleich ob ein bevollmächtigter oder ein genetischer Vater – handelt der Kliniker selbst bloß als Stellver-treter. Problematisch wird es dann, wenn Frauen eine reproduktionsmedizinische Behandlung wünschen, ohne dass ein Vater vorhanden ist und den Arzt somit in eine „quasi-sexuelle“ Rolle drängen, da der Sexualakt eine zentrale Bedeutung innerhalb einer ehelichen Gemeinschaft hat und den Bund der Partner und ihre Liebe zueinander symboli-siert (vgl. Strathern 2001:360, 372). Wie auch in meiner Arbeit deutlich geworden ist, werden im Kontext der Repro-duktionsmedizin jedoch alle Anstrengungen unternommen, Beziehungen zu umgehen. Ich möchte hier allerdings erwähnen, dass verschiedene reproduktionsmedizinische Kliniken Treffen organisieren, zu denen alle ‚erfolgreich‘

behandelten Paare mit ihren Kindern eingeladen werden. In diesem Zusammenhang wird oftmals – meiner Ansicht nach werbewirksam – von den männlichen Ärzten eine ‚symbolische Vaterschaft‘ übernommen, in dem darauf ver-wiesen wird, dass es „alles unsere Kinder“ sind. Damit wird den Paaren und der über die Medien erreichten Öffent-lichkeit eine Form von sozialer Beziehung zu den ‚gezeugten‘ Kindern suggeriert, die jedoch kontext- und situations-spezifisch ist und letztlich keine sozialen Konsequenzen beinhaltet. Mir ist bisher kein Fall einer öffentlichen Prä-sentation von ‚symbolischer Mutterschaft‘ bekannt, auch wenn zahlreiche „Sterilitätsbehandlungen“ von Ärztinnen durchgeführt werden. Eine Erklärung liegt meiner Ansicht nach in den unterschiedlichen Kriterien für die Konstituie-rung von Mutterschaft und Vaterschaft in Deutschland, die Vaterschaft im Gegensatz zu Mutterschaft ‚verhandelbar‘

macht und die nicht durch Schwangerschaft und Geburt offensichtlich ist (vgl. Kap. 4.1.3). Ich möchte auf diesen Aspekt hier zwar verweisen, werde ihn aber aufgrund mangelnden Datenmaterials in meiner Arbeit nicht weiter bearbeiten.

160 Ich möchte hier noch mal explizit auf die sprachliche Begrifflichkeit der ‚Befruchtung‘ und nicht der ‚Zeugung‘

in den Gesetzestexten zum Umgang mit den Reproduktionstechnologien hinweisen.

161 Diese Aussage beruht auf meiner teilnehmenden Beobachtung von Interaktionen zwischen Paaren und Ärzten in den reproduktionsmedizinischen Kliniken. Auch die Literatur zeigt, dass diese Ansicht unter Reproduktionsmedizi-nern dominiert. So äußert sich zum Beispiel Beier (1997:9) zum Begriff der „künstlichen Befruchtung“ und betont, wie verwirrend diese Bezeichnung für Mediziner und Laien gleichermaßen sei, denn die therapeutisch erstrebte und erzielte genetische Vereinigung der Keimzellen sei im echten Sinne des Wortes nicht künstlich. Beier ist der Ansicht, dass der Gesetzgeber bei der Formulierung des Embryonenschutzgesetzes von „künstlicher Befruchtung“ gesprochen habe, da er damit lediglich die durch ärztliche Kunst, d.h. durch ärztlichen Eingriff gebahnte und unterstützte Be-fruchtung gemeint habe. Der biologisch definierte BeBe-fruchtungsvorgang selbst bleibe bezüglich der Vereinigung der haploiden Chromosomensätze von Vater und Mutter auch bei der „künstlichen“ Befruchtung ein genetisch völlig (Fortsetzung siehe nächste Seite)

Rolf Wellmann sehr deutlich, indem es sich seiner Ansicht nach sehr wohl um ein

„künstliches“ Verfahren handele, das prinzipiell jedoch nicht von großer Bedeutung sei.

So solle man das auch den Patienten vermitteln, damit sie sich angstfreier in die Be-handlungen hineinbegeben könnten. Die technische Seite der Behandlung werde seiner Ansicht nach von Kollegen dann hervorgehoben, wenn diese sich selbst als „Hightech-Kinderproduzierer“ definierten und daraus ihr Selbstbewusstsein bezögen.

„Es ist etwas Künstliches, darüber brauchen wir nicht zu diskutieren. Das Problem ist aus meiner Sicht ein anderes. Wenn ich mich als Hightech-Kinderproduzierer definiere, dann werde ich in den Vordergrund stellen, welch schwierige hormonelle Konstellatio-nen wir bewältigen müssen, welche technisch aufwendigen Ultraschalluntersuchungen, und dass wir dann auch noch mit Mikroinjektionsapparaten hochsensibles Zellmaterial manipulieren. Das ist die eine Sache. Das liegt an mir. Wenn das für mich wichtig ist, und ich das brauche, es so hoch zu spielen, dann werde ich es als künstliche Befruch-tung sehen. Ich sage mir, wir überwinden oder wir helfen an Stellen nach, die in der Natur normalerweise sowieso genauso ablaufen. Wir beheben keine Störung, wir ma-chen in dem Sinne keine Medizin, sondern wir mama-chen ein bissma-chen Mechanik, ein chen Feinmechanik. Wenn man es auf die Mikroinjektion bezieht. Wir helfen ein biss-chen nach an den Stellen, wo es bei den Paaren hakt. So sehe ich es! Ich meine, wenn ich für meine Definition der Tätigkeit und für meine Wichtigkeit brauche, es hoch zu spielen, dann muss ich auch lernen, dass ich bei den Patienten Widerstände aufbaue, die sich dann natürlich dagegen wehren und Angst davor haben, ob sie das nun aussprechen oder nicht. Sie werden auf jeden Fall sehr viel kritischer und angstbesetzter damit um-gehen. Ich rufe die Geister selber, und wenn ich denen sage, natürlich ist das technisch aufwendig, aber im Grunde genommen tun wir das Sperma da hin, wo es sowieso von der Natur aus hingehört, dann fühlen sich die Patienten meistens auch ein bisschen lok-kerer und sagen: ‚Eigentlich haben sie recht.‘ (lacht). Das kommt immer darauf an, warum man etwas macht, und was man selber davon hat. Und den Patienten nützt das Hochspielen schon gar nicht. Da werden sie nur mehr Widerstände haben, und wenn sie dann einen einfachen Vorgang wie einen Transfer auch noch bei einer verspannten

„Es ist etwas Künstliches, darüber brauchen wir nicht zu diskutieren. Das Problem ist aus meiner Sicht ein anderes. Wenn ich mich als Hightech-Kinderproduzierer definiere, dann werde ich in den Vordergrund stellen, welch schwierige hormonelle Konstellatio-nen wir bewältigen müssen, welche technisch aufwendigen Ultraschalluntersuchungen, und dass wir dann auch noch mit Mikroinjektionsapparaten hochsensibles Zellmaterial manipulieren. Das ist die eine Sache. Das liegt an mir. Wenn das für mich wichtig ist, und ich das brauche, es so hoch zu spielen, dann werde ich es als künstliche Befruch-tung sehen. Ich sage mir, wir überwinden oder wir helfen an Stellen nach, die in der Natur normalerweise sowieso genauso ablaufen. Wir beheben keine Störung, wir ma-chen in dem Sinne keine Medizin, sondern wir mama-chen ein bissma-chen Mechanik, ein chen Feinmechanik. Wenn man es auf die Mikroinjektion bezieht. Wir helfen ein biss-chen nach an den Stellen, wo es bei den Paaren hakt. So sehe ich es! Ich meine, wenn ich für meine Definition der Tätigkeit und für meine Wichtigkeit brauche, es hoch zu spielen, dann muss ich auch lernen, dass ich bei den Patienten Widerstände aufbaue, die sich dann natürlich dagegen wehren und Angst davor haben, ob sie das nun aussprechen oder nicht. Sie werden auf jeden Fall sehr viel kritischer und angstbesetzter damit um-gehen. Ich rufe die Geister selber, und wenn ich denen sage, natürlich ist das technisch aufwendig, aber im Grunde genommen tun wir das Sperma da hin, wo es sowieso von der Natur aus hingehört, dann fühlen sich die Patienten meistens auch ein bisschen lok-kerer und sagen: ‚Eigentlich haben sie recht.‘ (lacht). Das kommt immer darauf an, warum man etwas macht, und was man selber davon hat. Und den Patienten nützt das Hochspielen schon gar nicht. Da werden sie nur mehr Widerstände haben, und wenn sie dann einen einfachen Vorgang wie einen Transfer auch noch bei einer verspannten