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Mit der heterologen Insemination kann mit Hilfe eines anonymen „Samenspenders“ ein

„eigenes“ Kind eines Ehepaares geschaffen werden, wobei sich nur die Beziehung zwi-schen Mutter und Kind über Körper (und Leib) konstituiert. Der Ehemann der Mutter übernimmt die soziale Vaterschaft, und der biologische ‚Zeugungsanteil‘ des „Spen-ders“ wird sozial ausgeblendet. Diese Behandlungsmethode kann dann in Anspruch genommen werden, wenn mit den Samenzellen des Ehemannes die Befruchtung der Eizelle nicht möglich ist. Die Frau ist jedoch zumeist körperlich „fruchtbar“ und könnte demnach mit dem Sperma eines anderen Mannes schwanger werden, sei es durch Ge-schlechtsverkehr oder Insemination.

Anhand meiner Darstellungen verschiedener Perspektiven zur Definition und zum Um-gang mit Zeugung in den letzten Kapiteln lässt sich feststellen, dass im Kontext der Re-produktionsmedizin entweder eine Trennung vollzogen wird zwischen Zeugung im

178 An diesen Aussagen wird meiner Ansicht nach sehr deutlich, dass der „natürliche“ Weg idealerweise eine kör-perliche und leibliche Komponente der ‚Zeugungsparteien‘ beinhalten sollte, auch wenn kontext- und positionsspezi-fisch die „natürlichen“ Tatsachen immer weiter auf körperliche (biogenetische) Prozesse reduziert werden.

ne von intimen sozialen Beziehungen und Befruchtung als körperlichem Teil der Fort-pflanzung, oder dass Zeugung als biologische Zeugung definiert und der Befruchtung gleichgesetzt wird. Die Befruchtung und das Verschmelzen von Ei- und Samenzellen kann entweder im Körper der Frau nach Einbringen der Spermien des Ehemannes durch den Arzt (Insemination) oder im Labor durch Zusammenführen der Gameten im Rea-genzglas (IVF/ICSI) stattfinden, d.h. es kommt zu direkten und indirekten Körperbezie-hungen durch den Austausch der Zeugungssubstanzen sowohl zwischen den ‚Zeu-gungsparteien‘ als auch zwischen diesen und dem Arzt, wobei nur die Paarbeziehung sowohl eine körperliche als auch eine leibliche Dimension beinhaltet (Kap. 6.2). Im Fall der heterologen Insemination kommt ein weiterer Aspekt hinzu, nämlich die Verwen-dung von „Spendersperma“, um die Befruchtung der Eizellen einer Frau zu erreichen;

Eine dritte (unbekannte) Person kommt somit ins Spiel. Aufgrund der „Spende“ von Samenzellen ist sie direkt am Zeugungsprozess beteiligt bzw. macht eine Befruchtung und somit eine Schwangerschaft überhaupt erst möglich. Damit besteht zwar eine kör-perliche Verbindung zwischen dem „Samenspender“ und der „Empfängerin“ ebenso wie zwischen dem „Spender“ und dem Kind, die jedoch losgelöst von Leib und Leib-lichkeit sozial unsichtbar gemacht wird.

In Kapitel 4.3.1.3 habe ich mich als Teil des rechtlichen Verwandtschaftsdiskurses in Deutschland mit den zivilrechtlichen Konsequenzen der heterologen Insemination in Bezug auf die Zuordnung, Rechte und Pflichten der beteiligten Personen beschäftigt. Im Folgenden möchte ich den konkreten sozialen Umgang mit der fremden Körpersubstanz untersuchen, die zur Zeugung des „eigenen“ Kindes eines Paares notwendig ist. In mei-ner Arbeit ist deutlich geworden, dass im Zentrum der deutschen Ideologie von „natür-licher“ Verwandtschaft die Idee biogenetischer Verwandtschaft steht. Zeugung gilt da-bei als Grundlage für „natürliche“ und soziale Verwandtschaft. Den männlichen und weiblichen Zeugungsbeiträgen, Sperma und Ei, werden dabei grundlegende Bedeutun-gen beigemessen, weil sich „natürliche“ Verwandtschaft über Körper und Körpersub-stanzen konstituiert. Im Zusammenhang mit dem Konzept eines „eigenen“ Kindes im Kontext der Reproduktionsmedizin (Kap. 5.1.4) wurde deutlich, welche Vorstellungen mit der Weitergabe von Körpersubstanz verknüpft sind, was sich insbesondere auf phy-sische und psychische Merkmale bezieht, und welche leiblichen Eigenschaften dem

„eigenen“ Kind zugesprochen werden. Ich möchte hier nun der Frage nachgehen, in-wieweit diese kulturell dominanten Vorstellungen das soziale Handeln in Bezug auf die Zeugung mit Hilfe der heterologen Insemination beeinflussen, da hier die Körpersub-stanz einer dritten Person losgelöst von sozialen Beziehungen beteiligt ist, und deren

‚Verwendung‘ zum Zweck der Erzeugung eines Kindes keine Folgen hat für jene Be-ziehungen, die sich aus der Fortpflanzung ergeben. Welche Rolle spielt in diesem Zu-sammenhang der materielle Körper bei der Konstituierung von Verwandtschaft, und wie

wird mit Elementen, die die ‚traditionellen‘ Vorstellungen der Zeugung von „eigenen“

Kindern stören oder diesen widersprechen, umgegangen?

Im rechtlichen Diskurs über Verwandtschaft ist deutlich geworden, dass es bei den ho-mologen Inseminationen sowie bei den Methoden der IVF und ICSI eine eindeutige personenstandsrechtliche Zuordnung des entstandenen Kindes gibt. Per Gesetz (siehe Kap. 4.1.3) ist festgelegt, dass die im Rahmen einer Ehe geborenen Kinder dem Ehe-mann der Mutter zugeordnet werden und somit staatlicherseits davon ausgegangen wird, dass es sich um die Übereinstimmung von biologischer und sozialer Vaterschaft handelt (ungeachtet der „tatsächlichen“ biologischen Abstammung). Im Fall der heterologen Insemination, bei der es sich bei dem biologischen Vater um einen „Samenspender“

handelt, wird vor Durchführung der Behandlung durch einen Vertrag zwischen der Kli-nik und dem Ehemann festgelegt, dass dieser die Vaterschaft anerkennt und damit auch unterhaltsrechtliche Verpflichtungen eingeht. Er unterschreibt, dass er den Akt der In-semination als seinen eigenen anerkennt, d.h., dass er der ‚Erzeuger‘ ist, was auch bein-haltet, dass er verneint, dass jemand anders sexuellen Kontakt zu seiner Frau hatte, der zur Schwangerschaft geführt haben könnte.179 Es wird somit zum einen per Kontrakt geregelt, dass es keine sexuelle Beziehung zwischen der Ehefrau und dem „Spender“

gegeben hat und gleichzeitig schriftlich bestätigt, dass eine Sexualbeziehung zwischen den Ehepartnern existiert, durch die es theoretisch auch zur Zeugung hätte kommen können.180 Im folgenden Interview mit Dr. Norbert Krüger wird jedoch deutlich, dass trotz aller schriftlichen Fixierungen jeder Mann bei berechtigten Zweifeln innerhalb von zwei Jahren das Recht hat, die Vaterschaft anzufechten (vgl. Kap. 4.1.3). Aufgrund der vorherigen Einverständniserklärung zu der Behandlung wäre diese Anfechtung vermut-lich nicht ganz einfach, jedoch prinzipiell zulässig. Bei erfolgreicher Vaterschaftsan-fechtung könnte es dazu kommen, dass die Ärzte gezwungen wären, die persönlichen Daten des biologischen Vaters aufzudecken, damit dieser seinen unterhaltsrechtlichen Verpflichtungen nachkommt.181

179 Diese Aussagen beruhen sowohl auf einem Vertrag, der mir persönlich aus einer Klinik vorliegt, als auch auf persönlichen Gesprächen mit verschiedenen Ärzten während meiner Feldforschung.

180 Nach Darstellung einiger Ärzte besteht bei den anderen Methoden der „assistierten“ Reproduktion im homologen System zumindest trotz allem theoretisch die Möglichkeit, dass es aufgrund einer (angenommenen) sexuellen Bezie-hung zwischen den Ehepartnern zur Zeugung auch ohne Hilfe von außen kommen könnte. Das unterscheidet diese von der heterologen Insemination, bei der ohne die Unterstützung eines Arztes eine Befruchtung der Eizelle nicht möglich wäre. Der Arzt Rolf Wellmann äußerte mir gegenüber in einem persönlichen Gespräch, dass es trotz eindeu-tiger medizinischer Indikation der männlichen „Sterilität“ immer wieder vorkäme, dass Ehemänner bei einer einge-tretenen Schwangerschaft nach heterologer Insemination daran glaubten, dass sie vielleicht doch die biologischen Väter seien, da sie ja weiterhin mit ihrer Ehefrau Geschlechtsverkehr hatten: „Und die denken dann einfach manch-mal, sie sind doch die biologischen Väter und nicht der Samenspender. Wenn auch medizinisch alles dagegen spricht, aber sie denken, es könnte ja dennoch einmal geklappt haben.“ Dieser Aspekt soll hier zwar erwähnt werden, kann jedoch mit dem empirischen Material nicht weiter belegt und diskutiert werden.

181 Im gegenwärtigen Recht ist der „Spender“ Vater i.S.v. § 1592 Br. 3 BGB und daher feststellbar (§ 1600 BGB). Ist der „Samenspender“ als Vater des fremdgezeugten Kindes gerichtlich festgestellt worden, stellt sich die Frage nach (Fortsetzung siehe nächste Seite)

I.S.: „Sie haben vorhin gesagt, juristisch gesehen sind Sie der Vater, weil Sie praktisch der Frau beiwohnen. Allerdings ist es doch rechtlich gesehen so, dass das Kind, das im Rahmen einer Ehe zur Welt kommt, automatisch dem Ehemann zugeordnet wird, dass also der Ehemann zunächst grundsätzlich als der Vater gilt.“

N.K.: „Das ist korrekt. Das trifft zu, solange biologische und soziale Elternschaft nicht getrennt sind. Bei einer heterologen Behandlung, wo auf einen Samenspender zurück-gegriffen wird, haben Sie ja eine Trennung von biologischer und sozialer Elternschaft.

Wir führen deshalb die Behandlung nur bei Paaren durch, die verheiratet sind, und durch den vorherigen Abschluss des Notarvertrages verpflichtet sich das Paar ja auch, oder der Vater, hier die Elternschaft anzuerkennen. Bei heterologen Behandlungen las-sen wir die Paare vorher einen Notarvertrag abschließen. Der Mann erklärt dadurch ge-genüber seiner Frau, dass er den Akt der Zeugung, d.h. die Samenübertragung, automa-tisch als seine Handlung ansieht, dass er auch voll dahinter steht. Und das begründet dann auch eine unterhaltsrechtliche Verpflichtung gegenüber der Ehefrau und dem Kind. Allerdings kann hier die Elternschaft innerhalb von zwei Jahren nach der Geburt eines Kindes angefochten werden, wenn gewichtige Gründe vorliegen. Bei jemandem, der keine Samenzellen im Ejakulat hat, können gewichtige Gründe vorliegen.“

I.S.: „Aber der soziale Vater unterschreibt vor der Behandlung, dass er dieses Kind als seines anerkennt mit allen Konsequenzen. Wäre das nicht ein Problem, wenn er anfan-gen würde, die Vaterschaft anzufechten?“

N.K.: „Grundsätzlich verzichtet er auf der einen Seite in diesem Notariatsvertrag die Vaterschaft anzufechten, auf der anderen Seite hat er nach BGB zwei Jahre nach Geburt des Kindes das Recht dazu. Wenn die zwei Jahre um sind, hat er das nicht mehr. Jeder Mann in Deutschland hat innerhalb von zwei Jahren nach Geburt eines Kindes die Möglichkeit, die Vaterschaft anzufechten.“

I.S.: „Ob das nun vorher notariell festgehalten wurde oder nicht?“

N.K.: „Theoretisch ja. Er würde dann sicher aufgrund des Passus in dem Notariatsver-trag Probleme haben damit durchzukommen. Aber das Grundrecht können sie nicht durch einen Vertrag aufheben. Grundsätzlich ist der Arzt verpflichtet, die Herkunft der Samenzellen zu dokumentieren. Und da sie dann in den Krankenunterlagen sind, sind sie verpflichtet, diese zehn Jahre lang aufzuheben. Diese Daten unterliegen erst mal der ärztlichen Schweigepflicht. Es wäre denkbar, wenn man mal wieder auf die rechtliche Schiene geht, dass ein Jugendamt per Gerichtsverfahren die biologische Vaterschaft abklären lassen könnte. Dann könnte ein Richter einen Arzt von der Schweigepflicht entbinden. Es heißt also, dass jeder, der einem Samenspender in Deutschland absolute Anonymität zusichert, lügt. Weil er das nicht kann.“

Wie ich schon an anderer Stelle gezeigt habe, wird der Ehemann der Frau solange legal als Vater anerkannt und die „tatsächliche“ Abstammung durch den deutschen Staat nicht in Frage gestellt, solange sich das Ehepaar einig ist (Kap. 4.1.3). Auch seitens der Ärzteschaft und insbesondere seitens der interviewten Paare wird der „Samenspender“

in sozialer Hinsicht vollständig ausgeblendet und tritt nicht in Erscheinung. Einerseits,

der Unterhaltsverpflichtung. Wenn der Ehemann der heterologen Insemination zugestimmt hat, ergibt sich für ihn als sozialen Vater die Pflicht, für das Kind wie ein ehelicher Vater zu sorgen. Ist der soziale Vater jedoch mittellos, kann der „Samenspender“ für den Unterhalt des Kindes herangezogen werden (vgl. Hauser-Schäublin et al. 2001:273).