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Ebeling: Eine ereignishermeneutische Vertiefung des Kerygmas – das Wortgeschehen als theologisches Sprachverständnis

2. Weiterentwicklung: Die Rezeption des gemeinsamen Problemfeldes durch Ernst Fuchs und Gerhard Ebeling

2.2. Ebeling: Eine ereignishermeneutische Vertiefung des Kerygmas – das Wortgeschehen als theologisches Sprachverständnis

Eine übergreifende Struktur in EBELINGs Konzept des Wortgeschehens, nämlich die Ambivalenz von Gesetz und Evangelium, ist weder seiner Auseinandersetzung mit BULTMANN

noch mit HEIDEGGER, sondern mit LUTHER zuzuschreiben. Unter dieser Voraussetzung ordnet EBELING das Verhältnis von Theologie und Philosophie so, dass die Philosophie nur an konkreten Stellen für theologische Fragen relevant wird. Das hermeneutische Problemfeld, auf dem schließlich auch EBELINGs Wortgeschehen entsteht, trifft allerdings genau auf diese Stellen, wenn es um die Fragen nach der menschlichen Existenz und nach der Sprache geht.

Anhand dieser beiden Fragen soll nun jeweils zunächst EBELINGs Auseinandersetzung mit BULTMANN dargestellt werden.162 Anschließend werden aber auch die entsprechenden Parallelen zu HEIDEGGERs Denken aufgezeigt. Die philosophische Rezeption vertieft EBELINGs Interpretation des Kerygmas um eine ereignishermeneutische Perspektive. In seinem eigenen Konzept des Wortgeschehens finden sich diese Einflüsse wieder, allerdings strukturiert durch den lutherischen Ambivalenzgedanken, wie er in der grundlegenden Unterscheidung zwischen Gesetz und Evangelium begegnet und sich bei EBELING dann auf der Ebene des Wortes, der Wirklichkeit und des Menschen selbst spiegelt.163

EBELING bezieht sich auf sehr unterschiedliche Weise und in sehr unterschiedlichem Umfang auf HEIDEGGER und BULTMANN. Während der Theologe einer seiner Hauptreferenzpunkte ist, zeichnen sich Verweise auf den Philosophen eher im Hintergrund ab, dann allerdings an umso entscheidenderen Punkten. Insofern fällt ein quantitativer Vergleich zweifellos für die

162 Eine zusammenfassende Darstellung des Verhältnisses von BULTMANN und EBELING bietet Beutel 2017.

163 Auch wenn diese Struktur hier schon vereinzelt vorkommt, soll sie ausführlich erst in I.5. dargestellt werden, weil sie eben weniger den Einfluss HEIDEGGERs oder BULTMANNs auf EBELING zeigt, sondern eine dritte Komponente seines Entwurfs bildet.

43 BULTMANNrezeption aus, qualitativ ist HEIDEGGERs Einfluss allerdings nicht zu unterschätzen.

Diese Differenz begründet sich insbesondere in EBELINGs Verhältnisbestimmung von Theologie und Philosophie.164 Schon auf dieser Metaebene schließt er sich seinen beiden Lehrern an, wenn er für eine Trennung der beiden Fächer eintritt. Die Philosophie erhält eine klare und wichtige Zuständigkeit innerhalb seiner Theologie und zwar die Wirklichkeit, die alle Menschen – auch die Glaubenden – betrifft, zu interpretieren. Damit arbeitet sie theologisch gesehen am Verständnis der Welt, des Gewissens des Menschen und des Gesetzeswortes. Die Philosophie entspricht somit zu einem gewissen Grad der theologischen Thematik. Allerdings versteht sie die Wirklichkeit nicht theologisch, also „bringt gerade nicht das Gesetz als Gesetz zur Sprache“165. Damit ist nun sicher keine begriffliche Problematik gemeint, sondern vielmehr die Bedeutung der theologischen Kategorien Welt, Gesetz und Gewissen, zu denen nämlich der jeweilige wirklichkeitsverändernde Gegenpol Gott, Rechtfertigung und Evangelium gehört.

Diese Bedeutung zu reflektieren stellt die Aufgabe der Theologie dar. Die Philosophie sucht dagegen nach Sinnstrukturen innerhalb der objektiv beschreibbaren Wirklichkeit.

Für die konkrete Rezeption HEIDEGGERs in EBELINGs Theologie folgt daraus, dass er den Philosophen für diejenigen Fragen der Wirklichkeitsinterpretation einbringt, die sich auf die inneren Strukturen der Wirklichkeit beziehen.166 Im Grunde sieht aber auch EBELING ein

„weitgehende[s] Einverständnis“167 in der zentralen Stellung der Hermeneutik, die Theologie und Philosophie dieser Zeit teilten,168 sowie hinsichtlich HEIDEGGERs phänomenologischen und ontologischen Analysen. Dies betrifft vor allem die Auseinandersetzung mit der Metaphysik, gegen die EBELING zwaraus theologischen Gründen argumentiert, dann aber zugesteht, dass HEIDEGGERs Kritik an der Metaphysik das Problem durchaus vertiefen kann.169

Kommt HEIDEGGERs Denken aber in dieser Frage zu dem ontologischen Schluss, eine Differenz von Sein und Seiendem anzunehmen, muss die Theologie dagegen christologisch ansetzen und die Differenz von Schöpfer und Geschöpf interpretieren.170 EBELING betont: „Es wäre ein Rückfall in metaphysisches Denken, die ontologische Differenz theologisch zu deuten.“171 Insofern zeigt sich zwar eine vergleichbare Struktur, die jedoch aufgrund der unterschiedlichen Wirklichkeitszugänge der Fächer auf unterschiedliche Kategorien angewandt wird. Dies läuft

164 Dazu seine Thesen zu HEIDEGGERs Philosophie: Ebeling ³1975h.

165 Ebeling ³1975h, 96.

166 Exemplarisch bietet er ein langes HEIDEGGERzitat in seinem Aufsatz zum Gewissen: Ebeling ³1967e, 443.

167 Ebeling ³1975h, 96.

168 Ebeling ³1967g, 333.

169 Ebeling ³1975h, 97.

170 Ebeling ³1975h, 97.

171 Ebeling ³1975h, 97.

44 nach EBELING letztlich auf eine Unterscheidung des Wortgeschehens hinaus, denn es gibt eine theologische und eine philosophische „Weise[ ] des Wortes“.172 Das Wort steht am Anfang jeder Wirklichkeitswahrnehmung und wird schließlich zur Form des Interpretationsprozesses.

Die Theologie kann und sollte sich also durchaus an der Philosophie orientieren, um dem Phänomen des Wortes genauer nachzugehen, zumal es gerade in der gemeinsamen hermeneutischen Frage eine zentrale Rolle spielt. Am Ende trennt sie aber die Frage nach der Weise des Wortes, also danach, mit welcher Autorität und Intention das Wort spricht. Zwar ist hinsichtlich der grundlegenden Sprachauffassung eine Parallele zwischen dem philosophischen Ereignis und dem theologischen Wortgeschehen gegeben, hinsichtlich der Interpretation dessen, was die Sprache für die Wirklichkeit bedeutet, unterscheiden sie sich jedoch ebenso grundlegend. Beide Seiten dieses ambivalenten Verhältnisses sind im Folgenden noch genauer darzustellen.

Um die Hintergründe vonEBELINGs theologischem Konzept Wortgeschehen zu verstehen, muss seine Verhältnisbestimmung von Theologie und Philosophie berücksichtigt werden. So steht das Konzept in erster Linie in einem theologischen Rahmen, für den die Rezeption von BULTMANNs Kerygma entscheidend ist. EBELINGs Anfragen an BULTMANN weisen dann allerdings in genau diejenige Richtung, in der er auf HEIDEGGERs Ansatz zurückgreifen kann, nämlich das Problem der Sprache, genauer, ihres Bezugs zur Wirklichkeit. Berührungspunkte mit HEIDEGGERs Ereignis lassen sich durchaus erkennen, EBELINGs Wortgeschehen ist allerdings seinem Anspruch nach ein theologisches Konzept, das er explizit (und wohl nicht zuletzt durch die Wortwahl) von dem philosophischen Anknüpfungspunkt abgrenzt.

In dem theologischen Rahmen stellt sich für EBELING die Frage nach dem Kerygma als Frage danach, inwiefern der historische Jesus den heutigen Glauben begründet und das heißt konkreter, wie sich die im Neuen Testament bezeugte Verkündigung Jesu zur aktuellen Verkündigung verhält. Die Frage läuft so auf ein grundsätzliches hermeneutisches Problem zu:173 das Verhältnis von Sprache und Wirklichkeit. Dies ist die grundlegende Anfrage, die EBELING an BULTMANN stellt, wobei sich zeigt, dass es ihm ebenso wie FUCHS weniger auf den Begriff als vielmehr auf das theologische Konzept des Kerygmas ankommt.174 EBELING

172 Ebeling ³1975h, 94.

173 Ebeling 1962, 30.

174 Ausführliche Arbeit an BULTMANNs Begriff: Ebeling 1962. Für die Auseinandersetzung mit dem Konzept ist außerdem relevant: Ebeling ³1975j. Es ist für diese Arbeit nicht weiterführend zu fragen, ob EBELING BULTMANN

„richtig“ verstanden hat, vielmehr interessiert, wie er ihn interpretiert und aufnimmt, welche Anstöße er also explizit auf BULTMANN zurückführt.

45 übernimmt entscheidende strukturelle Aspekte dieses Konzeptes und schließt sich grundsätzlich dessen Intention an. Allerdings bemüht er sich auch, kritische Anfragen zu bearbeiten, indem er einerseits bereits angelegte Strukturen vertieft und andererseits weiterführende Aspekte vorschlägt.

EBELING zeigt auf, dass für BULTMANNs Kerygmakonzept einen bestimmte Sprachauffassung vorausgesetzt ist, die sich aus den Besonderheiten der Rede von Gott ergibt.175 Diese ist nämlich nicht eine wissenschaftliche und objektive Sprache, sondern kann immer nur konkret die Situation des Menschen ausdrücken. In diesem Sinne schließt sich EBELING BULTMANNs Unterscheidung von uneigentlicher, objektiver und existentialer, also eigentlicher Sprache an.176 Das Kerygma als existentiale Sprache zielt auf den Kern der menschlichen Existenz, weil es artikuliert, was der Mensch ist und was der Sinn seiner Existenz ist.177 Der Mensch ist insofern immer schon an dieser Sprache beteiligt, er wird nicht über einen Sachverhalt informiert, sondern grundsätzlich hinterfragt und bestimmt. Charakteristischerweise ist das Kerygma als Anrede zu verstehen und das heißt folglich auch: als ein Ruf, der auf Antwort wartet.178 Insofern vollzieht sich der Inhalt des Kerygmas darin, dass es geschieht:

„Zum Vollzug des Redens gehört jeweils die ihm gemäße Situation. Wortinhalt und Wortsituation gehören aufs innigste zusammen.“179

Diese hermeneutische Struktur beschreibt die existentiale Verankerung des Wortes, die im Glauben erfahren wird. Schon BULTMANN bestimmt in diesem Zusammenhang das Gewissen als den Ort, an dem über den Menschen im Wort entschieden wird.180 Insofern verortet EBELING

bereits diese Frage nach der Struktur des Kerygmas innerhalb der Rechtfertigungslehre, weil das Wort Autorität über die Existenz des Menschen hat.181 Das Verhältnis zwischen Gott und Mensch, Rechtfertigung und Glaube, wird daher sprachlich als Verhältnis von Wort und Gehorsam bestimmt. Wo BULTMANN allerdings das Gewissen mit dem Willen des Menschen in Verbindung bringt, interpretiert EBELING das Gewissen rein sprachlich als Wortgeschehen.

175 Ebeling 1962, 35: „Die außerordentliche Bedeutung der Bultmannschen Fassung des Kerygmabegriffs scheint mir nun gerade darin zu liegen, daß das, was man oberflächlich in inhaltliche und formale Bedeutung auseinanderlegt, auf seinen inneren Zusammenhang hin reflektiert wird: Inwiefern ist das, worum es im christlichen Glauben geht, untrennbar verbunden mit einem bestimmten Verständnis von Wortgeschehen?“

176 Deswegen sind neutestamentliche Texte als rein historische (objektive) Texte missverstanden, vielmehr müssen sie als kerygmatische Texte gelesen werden, das heißt mit kritischer Funktion gegenüber dem Kerygma, sowohl in seiner sprachlichen, mythischen Erscheinungsform als auch in seinem „Entscheidungsanspruch“ (Ebeling

³1975g, 520f).

177 Ebeling 1962, 30.

178 Ebeling 1962, 36; 39.

179 Ebeling ³1975g, 517.

180 Ebeling 1962, 36 (mit Belegen bei BULTMANN).

181 Ebeling 1962, 28f. Vgl. zum Kerygma im rechtfertigungstheologischen Zusammenhang: Beyer 1996, bes. 154f;

Hammann ³2012, 214 (in Bezug auf Bultmann 1984).

46 Dahinter stehen unterschiedliche anthropologische Vorstellungen, insofern nach BULTMANN

die Entscheidung über die menschliche Existenz in ihrer Handlung fällt, EBELING dagegen die Existenz vom Wort her bestimmt, zumal auch Handlungen in seinem Konzept letztlich Worte sind.182

In verschiedener Hinsicht spielt bei diesem im Kerygma vorausgesetzten Sprachverständnis auch HEIDEGGERs Ereignis eine Rolle. Hier begegnet bereits der Gedanke, dass Sprache das Seiende in seinem Wesen erscheinen lässt.183 Diese Funktion der Sprache grenzt sich von einer uneigentlichen, rein objektivierenden Sprache ab und stellt insofern den Schlüsselgedanken eines existenzialen hermeneutischen Ansatzes dar. Damit verbindet sich eine aktive Rolle der Sprache, weil der Mensch in seinem Denken darauf angewiesen ist, von ihr in das Ereignis hineingenommen zu werden.184 Insofern besteht eine grundsätzliche Empfangshaltung vor jedem menschlichen Zugang zum Sein. Die Beschreibung ontologischer Strukturen, wie sie philosophisch intendiert ist, steht bei EBELING allerdings nicht im Vordergrund. Zwar nutzt er – selten explizit,185 meist implizit – dieses existenziale Sprachverständnis, bindet es aber stets in seine theologische Fragestellung ein. Wird die Verbindung der Sprache zum Sein philosophisch als Ereignis verstanden, das eine ontologische Aussage trifft, interpretiert EBELING sie theologisch als Wortgeschehen, in dem Gottes Anrede an den Menschen zu erfahren ist.186 Dieses Konzept geht dabei über das philosophische Verständnis hinaus, das bei der Unverfügbarkeit des Ereignisses stehen bleibt und sich dagegen wehrt, subjektvierte oder personale Strukturen darin aufzuzeigen.187

Um allerdings gegenüber BULTMANN Sprache als die anthropologische Grundstruktur überhaupt aufzufassen, rückt EBELINGs Position in die Nähe von HEIDEGGERs Sprachverständnis, wenn auch mit theologischer Intention.188 Gerade die Unverfügbarkeit und

182 „Taten, die auch Worte, und Worte, die auch Taten sind“ (Ebeling ³1975c, 31), lassen auch Taten unter das Wortgeschehen fallen. Außerdem gilt: „Worte sind […] die folgenreichsten Werke des Menschen“ (aaO., 30).

JÜNGEL stimmt EBELING zu, dass das Wort als Medium der Schöpfung und Rechtfertigung den Menschen erst zu seiner Wahrheit bringt und somit sein Dasein bestimmt (Jüngel 1990, 72f). Hier geht es um die Frage, welche Struktur Passivität (gegenüber Gott) und Aktivität (als freies Geschöpf) des Menschen am besten fassen kann.

183 Heidegger 2006, 46; Heidegger ⁴1981, 37f.

184 Heidegger 2006, 45.

185 Ebeling ³1967e, 443, mit Verweis auf Heidegger 1977.

186 Ebeling ³1967f, 380: „Denn was wir sagten, gilt allein im Blick darauf, daß das Wort es ist, was Gott und Welt zusammenbringt, und daß dieses Wort keine abstrakte Aussage, sondern konkretes Wortgeschehen, Anrede, Zuspruch ist, wodurch Gott in die Welt hineinproklamiert wird. Weil Gott und Welt im Wortgeschehen zusammenkommen, darum ist dieses Zusammenkommen selbst ein Geschehen: Geschehen Gottes und Geschehen der Welt.“ (vgl. nochmals: Heidegger 2006, 46, Zitat, s. S.20, Anm. 51).

187 Heidegger 1985c, 247.

188 Ebeling ³1975h, 94.

47 die Zuspruch- und Antwortstruktur, wie sie im Ereignis ausgedrückt werden, entsprechen dabei EBELINGs Verhältnisbestimmung von Mensch und Sprache.189 Dabei leitet ihn das Interesse, über die existentiale Bindung des Menschen an die Sprache die Rede von Gott verständlich zu machen.190

EBELING betont in diesem SinneBULTMANNs Absicht, mit der existentialen Interpretation zu zeigen, wie der Text des Neuen Testaments, im Besonderen die Verkündigung Jesu, sich auch auf den modernen Menschen beziehen kann und trotz historischer Kritik keineswegs irrelevant wird. Vielmehr gilt es, das Heilsgeschehen, das im Kerygma bezeugt wird, wieder verständlich zu machen.191 In BULTMANNs hermeneutischen Überlegungen dient daher die Entmythologisierung, die das Kerygma überhaupt wieder hervortreten lässt, in letzter Konsequenz der existentialen Interpretation.

Insofern interpretiert EBELING schon BULTMANNs Kerygma als eine wirksame, das heißt in erster Linie: existenzverändernde Handlung Gottes am Menschen. Es ist ein „eschatologisches Geschehen“,192 also ein Geschehen, bei dem es um die existentiale und letztgültige Entscheidung geht. Dabei ist seine Form, also die Anrede als eschatologischer Ruf zur Entscheidung, gleichzeitig seine „Sache“, also der eigentliche Zweck und gleichzeitig Inhalt der Rede.

Die damit verbundene Intention, den Existenzbezug des Wortes Gottes herauszustellen, will EBELING noch verstärken und hermeneutisch vertiefen. Denn die Frage, wie sich diese existentiale Interpretation des Kerygmas begründen lässt, sieht er bei BULTMANN noch nicht ausreichend bearbeitet. Indem EBELING interpretiert, dass das Kerygma stets zeitlich auf die Situation des Menschen bezogen ist und von dort aus alle Möglichkeiten anderer Zeiten eröffnet,193 benennt er die grundlegende Verknüpfung von Sprache und Existenz. Im Rahmen seines Konzeptes Wortgeschehen verallgemeinert er diese Verknüpfung und macht sie zum

189 Ebeling 1959, 254; Ebeling ³1967g, 343; Ebeling 1971, 102-104.

190 Vgl. die Anlage des großen Aufsatzes Ebeling ³1975e (I. Das Wort der Gottlosen, II. Das Wort „Gott“, III. Das Wort Gottes).

191 Ebeling 1962, 26.

192 Vgl. auch zum Folgenden: Ebeling 1962, 37: „Denn als eschatologische Anrede ist das Kerygma Anrede im radikalen Sinn, so daß das Kerygma als Anrede identisch ist mit der Sache des Kerygmas: eschatologisches Geschehen in der Relation von Wort und Glauben.“

193 Ebeling ³1975g, 519f: „Das Kerygma ist durch und durch zeithaft. Zeithaft ist der Grund, auf den es sich beruft:

die Person des gekreuzigten Jesus. Zeithaft ist, was das Kerygma ansagt: die Eröffnung der eschatologischen Heilszeit Gottes. Zeithaft ist, wie das Kerygma laut wird: durch verantwortliches Zeugnis in stets neuer Situation.

Zeithaft ist auch, wie es ankommt: als Anrede, die Mut gibt zum Gehorsam des Glaubens und durch den Glauben Freiheit zum Dienst der Liebe. Zeithaft ist endlich das Geschehen des Kerygmas im ganzen: das Wortgeschehen, in dem das durch Christus vollbrachte Heilsgeschehen verheißungsvoll gegenwärtig ist.“

48 Leitfaden seiner Anthropologie und Theologie.194 EBELING weitet damit BULTMANNs Konzept mit dem Anspruch aus, den Sprachbegriff zu differenzieren und es nicht bei der pauschal wertenden Unterscheidung von objektiver und existentieller Sprache zu belassen.195 Zwar spitzt EBELING gerade diesen Gegensatz noch dadurch zu, dass er ihn im Rahmen des Gegensatzes von Gesetz und Evangelium theologisch einordnet, innerhalb dieser grundlegenden Zuordnung setzt er allerdings genauer einzelne Prozesse ins Verhältnis. So argumentiert EBELING für ein dialektisches Verhältnis, in dem das Evangelium auch und gerade innerhalb des Gesetzes zur Sprache kommt, weil die menschliche Wirklichkeit der Ort ist, an dem Gott wirken will.196 Die Ausweitung der hermeneutischen Struktur des Kerygmas ermöglicht es EBELING, eine weitere Anfrage an BULTMANN zu bearbeiten, nämlich die nach der Legitimation des Kerygmas: „Warum muß das Wort, das im Glaubensgeschehen zum Ziel kommt, das Wort sein, das ausdrücklich vom Christus-Geschehen herkommt?“197 Diese Frage zielt darauf, dass über das Faktum „historischer Jesus“ hinaus doch auch der Inhalt seiner Verkündigung für den Glauben relevant ist. Insofern möchte EBELING die Frage nach dem „Grund des Glaubens“

erneut stellen, obwohl BULTMANN sie abgewiesen hat.198 Dies ist vor allem deswegen notwendig, weil nicht mehr davon ausgegangen werden kann, dass sich das Kerygma selbst als Wort Gottes und damit als Grund des Glaubens unhinterfragt legitimiert. Die kerygmatische Situation, die Voraussetzung für das Verständnis des Kerygmas, ist nicht mehr gegeben.199 EBELING analysiert, dass die Theologie vielmehr von einem „Zeitalter des Atheismus“

ausgehen muss,200 das sich für ihn vor allem darin ausdrückt, dass das Wort „Gott“ seine Bedeutung verliert und ungebräuchlich wird. Dieses Problem begründet sich in einer allgemeinen „Sprachnot“ oder „Sprachkrise“,201 in der das Wort seinen Bezug zur Erfahrung verliert und zu einer bedeutungslosen Hülse wird, sodass ihm kein Vertrauen mehr geschenkt wird. Mit dieser Problematisierung setzt EBELING einen hermeneutischen Schritt vor der

194 Z.B. die Reflexion in Ebeling 1959, 248f, oder der grundlegende Aufsatz Ebeling ³1975e.

195 Es geht „um ein tieferes Eindringen in das Sprachproblem als Angelpunkt des Wirklichkeitsverständnisses“

(Ebeling 1962, 31, Anm. 1) oder anders gesagt um die „verschiedenen Weisen und Aspekte des Wortgeschehens“

(Ebeling ³1975j, 368f).

196 Ebeling ³1975c, 37f; Ebeling ³1967d, 293. Aufgrund der ambivalenten menschlichen Wirklichkeit muss diese Unterscheidung immer wieder neu getroffen werden (Ebeling 1979b, 293).

197 Ebeling 1962, 30. Vgl. Goebel 1972, 165f.

198 Ebeling 1962, 31; vgl. Ebeling ³1975j, 370. Sie ist gleichzeitig „die Frage nach der Bedingung der Möglichkeit wirksamer Verkündigung“ (Beutel 2012, 267).

199 Pilnei 2007, 267.

200 Vgl. nur den Titel: „Die Botschaft von Gott an das Zeitalter des Atheismus“ (Ebeling ³1975b). Dieser Ansatz verbindet ihn mit BONHOEFFER, bei demEBELING noch das Predigerseminar besuchte und der sich für EBELINGs Promotion einsetzte (Ebeling 2006, 19-23. Dazu und über das enge Verhältnis der Theologen ausführlich: Beutel 2012, 46ff). S. Ebeling 1971, 69ff, wo sich EBELING BONHOEFFERs Analysen zur gegenwärtigen Sprachkrise anschließt. Dazu auch Robinson und Cobb 1965, 95.

201 „Sprachnot“: Ebeling 1959, 255f; „Sprachkrise“: Ebeling 1971, 69ff.

49 Entmythologisierung an, die die Rede von Gott durchaus noch als gegeben voraussetzt.202 Was BULTMANN deswegen vernachlässigen kann,203 stellt sich EBELING als zentrales Problem der aktuellen Theologie: das Verhältnis des Menschen zur Sprache als ein existentiales Geschehen zu erweisen, in dem sich letztlich das Verhältnis Gottes zum Menschen offenbart.204 Abweichend von BULTMANN will EBELING deswegen das reine Faktum des historischen Jesus (BULTMANNs „Daß“) inhaltlich füllen, denn hier liegt der Zugang zu einem vertieften Gottesverständnis.205 Dieses Verständnis zeigt die Verbindung von Gott und dem Menschen im Wort an, sodass eine „Sprachnot“ des Menschen als existentielle Bedrohung erscheint. Um diese abzuwehren, muss das Wort „Gott“ wieder Bedeutung erlangen. Dabei sind die christologischen Fragen der Kern des Sprachverständnisses, das EBELING in der Auseinandersetzung mit dem Kerygma reflektiert.206

Um dem Wort „Gott“ hermeneutisch gerecht zu werden, bedarf es einer vertieften Reflexion auf die Funktion von „Wort“ überhaupt, besonders im Hinblick auf seine existentiale Bedeutung. Gerade weil der Mensch seine ursprüngliche Beziehung zur Sprache verloren hat, ist es notwendig, diese erneut aufzuzeigen. Darin besteht eine gemeinsame Aufgabe von Theologie und Philosophie, wenn auch mit unterschiedlichem Interesse. Will die Philosophie die „Seinsvergessenheit“207 des Menschen bekämpfen und deswegen die Beziehung von Seienden und Sein in der Sprache aufzeigen, liegt das theologische Interesse darin, die Rede vom Wort Gottes wieder verständlich zu machen und seine Relevanz für die menschliche Existenz aufzuweisen und zwar so, dass die menschliche Existenz an diesem Wort verifiziert wird.208 Beide greifen dazu auf eine Interpretation des Wortes zurück, die dessen enthüllende Funktion für die menschliche Existenz betont. Wie in HEIDEGGERs Ereignis das sonst abwesende Sein anwesend wird und sich als Wesen des Seienden erkennbar macht, enthüllt das Wort bei EBELING die „Sprachsituation“, in der der Mensch sich schon immer befindet.209

202 Zu BULTMANN: Ebeling 1962, 31, und Ebeling ³1975j, 343.

203 Vgl. auch zum Folgenden EBELINGs Kritikpunkte an BULTMANN und seine entsprechende Aufgabenbestimmung für die Theologie: Ebeling ³1975j, 368-371. Nach Kienzler 1976, 75f, verbindet sich dieses spezifische Problem mit der allgemeinen „Fraglichkeit“ des Menschen, sodass man hermeneutisch grundsätzlich vom, „Nichtverstehen“ ausgehen muss.

204 Kienzler 1976, 68-70.

205 Zu EBELINGs Auseinandersetzung mit BULTMANNs Kerygma an diesem Punkt: Körtner 2006, 57.

206 Ebeling ³1975g, 521: „Das Kerygma will bei Jesus behaftet sein: denn die durch Jesus bestimmte Situation hat

206 Ebeling ³1975g, 521: „Das Kerygma will bei Jesus behaftet sein: denn die durch Jesus bestimmte Situation hat

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