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Kapitel 1 – Einfach gesetzliches Umfeld

B. Die Behandlung gemischter Aufwendungen

II. Aufteilung gemischter Aufwendungen

2. Die Aufteilung nach Mehraufwand

2.4 Mehraufwand in der Rechtsprechung des BFH

2.4.1 Die Einteilung durch Mehraufwand „der Höhe nach“

Der BFH scheint bei der Teilung von gemischten Aufwendungen („der Höhe nach“) unter Heranziehung des Mehraufwands mittlerweile eher zurückhaltend zu sein. Das lässt sich etwa an der Rechtsprechung bezüglich Mehraufwendungen für bürgerliche Kleidung erkennen. So hatten der IV.275 und der VI.276 Senat des BFH in der Vergangenheit vereinzelt Aufwendun-gen für bürgerliche Kleidung als ErwerbsaufwendunAufwendun-gen anerkannt und als Kriterium für die Beurteilung jedenfalls unter anderem auch auf die „außerordentliche Höhe“ der Aufwendun-gen abgestellt. Man wird diese „außergewöhnlich hohen“ AufwendunAufwendun-gen nur in dem Sinne auffassen können, dass diese ohne die beruflichen Aufwendungen nicht oder nicht in dieser

274 Siehe dazu unten S. 74 ff.

275 Zu den Kosten von Kosmetika, Kleidung und Friseur einer Sängerin BFH v. 11.11.1976 IV R 3/73 = BB 1978, 1293 (1294)

276 Zu den Kosten eines schwarzen Anzugs eines Oberkellners als typische Berufskleidung BFH v. 09.03.1979 VI R 171/77 = BStBl II 1979, 519 (520)

Höhe angefallen wären. Es handelt sich also um Mehraufwendungen.277 Die Schätzung der Höhe des Mehraufwands wurde als zulässig erachtet.278 Diese Rechtsprechung wurde jedoch, soweit sie die vorherige Entscheidung des IV. Senats des BFH betraf, explizit aufgegeben.279 Die Aufgabe der Rechtsprechung stützte sich unter dem Eindruck des damals noch anerkann-ten allgemeinen Aufteilungs- und Abzugsverbotes aus § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG maßgeblich da-rauf, dass keine nach objektiven Kriterien leicht durchführbare Teilung zwischen dem Nor-malaufwand und dem Mehraufwand durchführbar sei.280 Mithin muss präzisiert werden, dass der BFH eine Teilung nach Mehraufwand (der Höhe nach) im Bereich von Kleidungsaufwen-dungen aufgegeben hat.281

Der 6. Senat des BFH scheint dagegen an seiner Entscheidung zum vollständigen Abzug (dem Grunde nach) von bürgerlichem Kleidungsmehraufwand weiterhin festhalten zu wollen.282

Andererseits kommt Mehraufwand seit jeher als Teilungsmethode der Höhe nach zur Anwen-dung. Ein eindeutiges Anwendungsgebiet für Mehraufwand sind dabei nicht die gemischten Aufwendungen selbst, sondern die außergewöhnlichen Belastungen (agB) nach § 33 EStG.

Dort stellen sich aber ganz ähnliche Fragen wie im Rahmen gemischter Aufwendungen.

§ 33 EStG regelt die Abziehbarkeit von privatem Aufwand und stellt somit eine Ausnahme von dem dargestellten Grundsatz der Unbeachtlichkeit von Privataufwand nach

§ 12 Nr. 1 Satz 1 EStG dar. § 33 I EStG legt als Voraussetzungen für einen Abzug fest, dass dem Steuerpflichtigen zwangsläufige Aufwendungen erwachsen müssen, die höher als bei der überwiegenden Mehrzahl vergleichbarer Steuerpflichtiger ausfallen. Im Kern geht es bei den agB um die Frage der Abgrenzung der gewöhnlichen Privataufwendungen, welche durch den Grundfreibetrag Berücksichtigung finden, von den außergewöhnlichen Privataufwendungen, welche nur im Rahmen von § 33 EStG berücksichtigt werden.283

Eine Fallgruppe, bei der die soeben angeführte Abgrenzung nach der Mehraufwandsmethode durchgeführt wird, ist die Abziehbarkeit von krankheits- oder behinderungsbedingten

277 In die Richtung auch die Interpretation von Kratzsch in: Frotscher EStG § 12 Rn 19a; BFH v. 06.07.1989 IV R 91-92/87 = BStBl II 1990, 49 (50); vgl. auch BFH v. 05.07.2012 VI R 50/10 = BStBl II 2013, 282 (283 f.)

278 BFH BB 1978, 1293 (1294)

279 BFH v. 16.08.1994 I B 5/94 = BFH/NV 1995, 207 „Keine Gleichbehandlung im Unrecht“; BFH v.

18.04.1991 IV R 13/90 = BStBl II 1991, 751 (752); BFH v. 07.09.1989 IV R 128/88 = BStBl II 1990, 19 (20) [Bezüglich der Anwendung auf Tageszeitungen]; BFH v. 06.07.1989 IV R 91-92/87 = BStBl II 1990, 49 (50)

280 BFH BStBl II 1991, 751 (752); BFH BStBl II 1990, 49 (50)

281 So auch anscheinend die neueste Rechtsprechung des VI. Senats zur Aufteilung von bürgerlicher Kleidung BFH v.13.11.2013 VI B 40/13 = BFH/NV 2014, 335 (335)

282 BFH v. 05.07.2012 VI R 50/10 = BStBl II 2013, 282 (283)

283 BFH v. 07.05.2013 VIII R 51/10 = BStBl II 2013, 808 (812); Nacke in: L/B/P EStR § 33 Rn 1; Stöcker in:

Lademann EStG § 33 Rn 5; Heger in: Blümich EStG § 33 Rn 6

kosten. Die Sachverhalte gestalten sich dabei zumeist so, dass der Steuerpflichtige aufgrund von Krankheit oder Behinderung nicht mehr selbständig leben kann und deswegen seinen Hausstand auflösen muss und in eine – meist spezielle – Betreuungseinrichtung zieht.

Hier bedient sich der BFH senatsübergreifend der Mehraufwandsmethode, weshalb man von einer ständigen Rechtsprechung sprechen muss. 284 Im Rahmen der Berücksichtigung von Heimkosten als außergewöhnliche Belastungen geht es um die Frage, in welcher Höhe diese Kosten außergewöhnliche Belastungen darstellen. Nach der Rechtsprechung des BFH darf dabei nur der Anteil (Mehraufwand) an Heimkosten als außergewöhnliche Belastung aner-kannt werden, der über den „üblichen“ (eventuell auch nur altersbedingten) Wohnaufwand hinausgeht, da dieser bereits durch den Grundfreibetrag berücksichtigt wurde.285 Die Recht-sprechung greift zur Benennung dieses üblichen Wohnaufwands wieder auf den schon be-kannten Begriff der „Haushaltsersparnis“ zurück.286 Auch in diesen Fällen wird eine Art „Dif-ferenzhypothese“ durchgeführt, indem von den real ermittelbaren Heimkosten die nach

§ 33 I, III EStG vorgeschriebene zumutbare Belastung und dann die nur hypothetisch an-nehmbare „Haushaltsersparnis“ abgezogen wird. Dabei soll die Haushaltsersparnis durch ei-nen Vergleich mit den Aufwendungen von entsprechenden „gesunden“ Persoei-nen ermittelt werden, was auch im Schätzungswege geschehen kann.287

Im Unterschied zur Anwendung bei gemischten Aufwendungen, wird bei den agB also zwi-schen privatem Normalaufwand und privatem Mehraufwand differenziert. Letztlich handelt es sich aber um die gleichen Probleme und die gleichen Lösungsansätze, auch wenn man bei den agB – im Gegensatz zu den gemischten Aufwendungen – eine gewisse gesetzliche Fundie-rung der Mehraufwandsmethodik in § 33 I EStG erblicken kann.288 Man muss sich somit fra-gen, ob es durchgreifende Gründe gibt, Mehraufwand nicht auch als Teilungsmethode für gemischte Aufwendungen anzuwenden. Diese Frage soll später beantwortet werden.289

284 BFH v. 14.11.2013 VI R 20/12 = BStBl II 2014, 456 (458); BFH v. 13.10.2010 VI R 38/09 = BStBl II 2011, 1010; BFH v. 15.04.2010 VI R 51/09 = BStBl II 2010, 794; BFH v. 10.05.2007 III R 39/05 = BStBl II 2007, 764;

BFH v. 18.04.2002 III R 15/00 = BStBl II 2003, 70; BFH v. 24.02.2000 III R 80/97 = BStBl II 2000, 294

285 BFH v. 13.10.2010 VI R 38/09 = BStBl II 2011, 1010 (1010 f.); BFH v. 15.04.2010 VI R 51/09 = BStBl II 2010, 794 (796); BFH v. 10.05.2007 III R 39/05 = BStBl II 2007, 764 (765); BFH v. 18.04.2002 III R 15/00 = BStBl II 2003, 70 (70 f.); BFH v. 24.02.2000 III R 80/97 = BStBl II 2000, 294 (295)

286 BFH BStBl II 2011, 1010 (1011); BFH BStBl II 2010, 794 (797 f.); BFH BStBl II 2007, 764 (765); BFH BStBl II 2003, 70 (71); BFH BStBl II 2000, 294 (296)

287 BFH BStBl II 2010, 794 (798); BFH BStBl II 2000, 294 (296); vgl. auch BFH v. 22.08.1980 VI R 138/77 = BStBl II 1981, 23 (24 f.)

288 So lässt sich Mehraufwand durch den in § 33 I EStG angelegten Vergleich mit „vergleichbaren Steuerpflich-tigen“ fundiert sehen. Zu diesem Gedanken etwa Kanzler in: H/H/R EStG § 33 Rn 51

289 Siehe dazu unten S. 84 ff.