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Kapitel 1 – Einfach gesetzliches Umfeld

B. Die Behandlung gemischter Aufwendungen

II. Aufteilung gemischter Aufwendungen

3. Die Aufteilung nach der Verhältnismethode

Wie die Aufteilung nach Mehraufwand geht auch die Aufteilung nach Verhältnissen auf eine lange, historische Anwendungspraxis von Seiten der Rechtsprechung zurück.306 Und auch die Verhältnismethode307 hat nur wenig genauere Präzisierung oder Durchdringung erfahren.

3.1 Gesetzliche Grundlagen der Verhältnismethode

Gesetzliche Fundierung hat die Verhältnismethode im Bereich gemischter Aufwendungen nur für die Nutzung von Kfz in den Bewertungsvorschriften der § 6 I Nr. 4 Satz 3, § 8 II 4 EStG gefunden.308 Danach können die Vorteile aus der (teilweise) privaten Nutzung von Kfz neben der pauschalierenden Regelung über den Listenpreis auch durch die Teilung des Gesamtauf-wands anhand des Verhältnisses von privaten und erwerbsdienlichen Fahrten bewertet werden.

Auch wenn die Vorschriften damit direkt die Bewertung der Einnahmeseite regeln, so ergibt sich aufgrund der vorgenommenen Aufteilung als Kehrseite auch eine Aufteilung für den Ab-zug von Erwerbsaufwendungen.

304 Generell heranziehend scheinbar Schmitt/Meyen DB 2013, 1578 (1579); Geserich NWB 2012, 4201

305 Siehe dazu unten S. 74 ff.

306 So ist etwa die Aufteilung von Kfz-Kosten nach Verhältnissen schon früh angewendet worden RFH v.

29.04.1931 VI A 860/31 = RStBl 1931, 905 (906)

307 Bezeichnung nach Heymann (Fn 1) S. 51 ff.

308 Verhältnisse werden im EStG allerdings häufiger zur Teilung von Aufwendungen gebildet. So etwa:

§ 10a IV 2, 3 EStG; § 22 Nr. 1 Satz 3 lit a) lit aa) Satz 6 EStG

Bei der Verhältnismethode ist allerdings noch weniger Aufklärung durch den Gesetzgeber als bei Mehraufwand zu erwarten. Die entsprechenden Vorschriften wurden durch Gesetz vom 11.10.1995309 in das EStG eingeführt. Allerdings war diese Art der Bewertung im ursprüngli-chen Gesetzentwurf310 noch nicht vorgesehen und wurde erst im Laufe des Vermittlungsver-fahrens311 eingeführt, so dass der Hintergrund dieser Änderung nicht klar ist.

3.2 Regelungsmechanismus der Verhältnismethode

Die Aufteilung nach Verhältnissen setzt daran an, dass gemischte Aufwendungen an sich nicht entsprechend ihrer unmittelbaren Veranlassung getrennt werden können. Vielmehr nimmt die Methode die dem gemischten Aufwand technisch oder auch rechtlich unmittelbar vor- oder nachgelagerten Vorgänge als Ausgangspunkt, soweit diesen selbst eine eindeutig erwerbsdienliche oder private Veranlassung zugrunde liegt. Bei diesen vor- oder nachgelager-ten Vorgängen handelt es sich zumeist um variable Nutzungsvorgänge, während der eigent-lich gemischt veranlasste Aufwand zumeist den Charakter von Fixkosten hat.312 Den Charak-ter von Fixkosten erhält der gemischt veranlasste Aufwand dadurch, dass er technische oder rechtliche Voraussetzung für den einzelnen Nutzungsvorgang ist. Die Nutzungsvorgänge selbst werden in verschiedenen technischen Einheiten wie Kilometer für Kfz-Nutzung, Flä-chen für Gebäudenutzung, Personenzahlen für (fixe) Bewirtungskosten oder Zeitanteile für Reisekosten bemessen.313

Die Methode lässt sich anhand der gesetzlichen Regelung des § 6 I Nr. 4 Satz 3 EStG für die Bewertung der privaten Nutzung eines Kfz erläutern. Im Rahmen der Nutzung eines Kfz ist es unvermeidlich, einerseits fixe Kosten (Anschaffungskosten, Versicherungskosten, Kfz-Steuer) und andererseits variable (nutzungsabhängige) Kosten (Spritkosten, Verschleißkosten) zu tra-gen. Während man bei den variablen Kosten – je nach Verwaltungsaufwand – wohl meist noch eine eindeutige Veranlassung feststellen könnte, ist dies bei den Fixkosten unmöglich.

Sie fallen bei gemischter Nutzungsart „untrennbar“ (im Sinne einer eindeutigen Veranlassung) gemischt veranlasst an. Nach § 6 I Nr. 4 Satz 3 EStG werden aus Vereinfachungsgründen sämtliche (variablen und fixen) Kosten des Kfz314 anhand des Verhältnisses von privaten zu

309 BGBl I 1995, S. 1250 ff.; BStBl I 1995, 438 ff.

310 BT-Drs. 13/901

311 BT-Drs. 13/2100 S. 3 f.

312 Vergleiche dazu auch Fissenewert in: H/H/R § 12 Rn 66

313 Vergleiche dazu auch Fissenewert in: H/H/R § 12 Rn 68; BMF v. 06.07.2010 IV C 3-S 2227/07/10003:002, 2010/0522213 = BStBl I 2010, 614 (616)

314 Vgl. dazu Kulosa in: Schmidt EStG (33.Auflage) § 6 Rn 535

betrieblichen Fahrten aufgeteilt, welches durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachge-wiesenen werden muss.

Die Verhältnismethode zieht also für die Bewertung von gemischt veranlassten Aufwendun-gen das Verhältnis der unmittelbar vor- oder nachgelagerten NutzunAufwendun-gen, die selbst eindeutig veranlasst sein müssen, heran.

Im Gegensatz zur Aufteilung nach Angemessenheit oder nach Mehraufwand geht es bei der Verhältnismethode nicht um die Ermittlung eines „Exzesses“. Die Aufteilung des Aufwands ist hier also nicht vom Erreichen einer – wie auch immer ermittelten – Betragsgrenze abhän-gig. Der gemischte Aufwand kann jede beliebige absolute Höhe erreichen und wird dennoch weiter aufgeteilt, anstatt ab Erreichen einer bestimmten Höhe in das „Übliche“ und den „Ex-zess“ aufgeteilt zu werden. Deswegen kann man hier im Sinne der schon bemühten „räumli-chen Metapher“315 von einer „Aufteilung zu den Seiten“ sprechen.

Weiterhin lässt sich nicht feststellen, dass die Anwendung der Verhältnismethode auf eine be-stimmte Art gemischter Aufwendungen beschränkt ist. Sie kann auf alle Erscheinungsformen und unabhängig von einer typisierten Bewertung hinsichtlich der Veranlassung angewendet werden.

3.3 Kritik an der Verhältnismethode

Die Verhältnismethode scheint auf den ersten Blick eine relativ einfache und sachgerechte Methode zur Teilung gemischter Aufwendungen. Gegenüber Angemessenheit und Mehrauf-wand kommt sie insbesondere ohne einen Fremdvergleich mit einem nur typisiert bestimmba-ren Leitbild aus, was ihr den Charme einer bessebestimmba-ren Vorhersehbarkeit gibt.

Dieser Charme ist allerdings trügerisch. Genau wie bei der Problematik der Quantifizierbar-keit der WesentlichQuantifizierbar-keitstheorie316 verleitet das Abstellen auf die Verhältnisse dazu, in der Tei-lung von gemischtem Aufwand eine simple Rechenaufgabe zu sehen. Und genau wie bei der Quantifizierung der Wesentlichkeitstheorie gilt auch hier, dass die Frage, welches Verhältnis – als Vorfrage der „simplen“ Berechnung – in Betracht gezogen wird, entscheidend von Wer-tungsgesichtspunkten bestimmt wird, die wiederum nicht vorhersehbar sind. Die bereits

315 Siehe dazu oben S. 37 f. und S. 42 ff.

316 Siehe dazu oben S. 22 ff.

führten317 Beispiele über die Telefongrundgebühr oder auch die Bewertung einzelner Tage bei Reiseaufwendungen gelten insgesamt für die Verhältnismethode.318

Neben der Gefahr, gemischte Aufwendungen als reines „Rechenproblem“ zu sehen, wird der Verhältnismethode auch ein gewisses Missbrauchspotential319 unterstellt. Gelegentlich wird der Methode der Vorwurf der mangelnden „Kausallogik“ gemacht.320 Dahinter verbirgt sich eine Kritik an der Aufteilung von Fixkosten durch die Verhältnismethode. Der Vorwurf be-steht darin, dass die Verhältnismethode bei Fixkosten eben gerade nicht ausschließen kann, dass der Aufwand im Sinne einer „steuerrechtlichen Differenzhypothese“ so oder so angefal-len wäre. Im Gegensatz zu Mehraufwand321 oder Angemessenheit, kann die Verhältnismetho-de in sich selbst schon nicht erklären, ob Verhältnismetho-der Steuerpflichtige die Fixkosten auch ohne er-werbsdienliche oder ohne private Veranlassungsbeiträge getragen hätte.322 Kauft sich der Steuerpflichtige ein Kfz, so hat er Fixkosten zu tragen. Nutzt er dieses Kfz für private und er-werbsdienliche Zwecke, so werden die Fixkosten zu gemischten Aufwendungen. Die Ver-hältnismethode kann nun nicht klären, ob der Steuerpflichtige sich dieses Kfz auch gekauft hätte, wenn er es nur für private oder nur für erwerbsdienliche Zwecke genutzt hätte. Gleich-zeitig wären die Fixkosten aber sowohl bei ausschließlich privater oder auch bei ausschließ-lich erwerbsdienausschließ-licher Nutzung voll angefallen. Die Verhältnismethode krankt also daran, dass sie die Verlagerung von „so oder so“ privat angefallenen Aufwendungen in die Sphäre der Erwerbsaufwendungen nicht verhindern kann. Eine solche missbräuchliche Verlagerung wurde von der Rechtsprechung ursprünglich gerade als Begründung für die Notwendigkeit eines allgemeinen Aufteilungs- und Abzugsverbots herangezogen.323

Diese Kritik ist zwar im Kern richtig, sollte jedoch nicht dazu führen, dass die Verhältnisme-thode nicht angewendet wird. Dass die VerhältnismeVerhältnisme-thode diese Schwäche hat, muss dem Ge-setzgeber bewusst gewesen sein und er dürfte diese Unschärfe bei der Schaffung der oben

317 Siehe dazu oben S. 22 ff.

318 Eine Reihe von denkbaren Verhältnissen, auf die für verschiedene Arten von Aufwendungen abgestellt wer-den könnte, zeigt Heymann (Fn 1) S. 51 ff. auf.

319 „Mitnahmeeffekte“ Englisch DStR 2009 Beihefter Heft 34, 92 (95)

320 Der Term „Kausallogik“ geht wohl auf Englisch DStR 2009 Beihefter Heft 34, 92 (95) zurück; zustimmend Kanzler StbJb 2010/2011, 43 (52); ders. FR 2011, 680 (681); in diese Richtung schon Tipke StuW 1979, 193 (205)

321 Wobei Mehraufwand durch die „Schwammigkeit“ des Normalaufwands hierbei auch versagen kann. Siehe oben S. 45 ff.

322 Vgl. Englisch DStR 2009 Beihefter Heft 34, 92 (95); Kanzler FR 2011, 680 (681) für Reisekosten zum Ur-laubs- und Fachtagungsort; Tipke StuW 1979, 193 (205) allgemein zu Fixkosten

323 BFH BStBl II 1971, 17 (19)

nannten Vorschriften in Kauf genommen haben. Diese Unschärfe ist der Systematik des EStG – etwa der Ausgestaltung als Jahressteuer – insgesamt immanent.324

Baut ein Steuerpflichtiger ein Haus und zieht dort ein, so erzielt er keine steuerbaren Einkünf-te.325 Sämtlicher auf das Haus getätigter Aufwand ist Privataufwand. Ändert er nun nach eini-gen Jahren seine Meinung und vermietet das Haus, so erzielt er Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG). Variable und fixe Kosten (etwa die AfA nach

§ 9 I 3 Nr. 7 EStG) kann er als Werbungskosten nach § 9 I 1 EStG absetzen. Niemand zwei-felt in diesem Fall an der Rechtmäßigkeit des Werbungskostenabzugs für die Jahre der Ver-mietung, auch wenn nicht mehr klar ist, ob der Steuerpflichtige dieses Haus auch ohne die Absicht der Eigennutzung erworben hätte. Das ist Ausdruck der Ausgestaltung als Jahressteu-er nach § 25 I EStG. Es kann nun abJahressteu-er nicht davon abhängen, ob Aufwendungen wegen dJahressteu-er langen Nutzungsdauer des Wirtschaftsguts über mehrere Veranlagungszeiträume hinweg ge-tätigt werden oder ob sie wegen der kurzen Nutzungsdauer nur einmalig anfallen. In der To-talbetrachtung über die gesamte Nutzungszeit sind die Fixkosten beider Vorfälle gemischt veranlasst. Die Aufwendungen für das Haus sind nur über mehrere Veranlagungszeiträume nach Veranlassungen getrennt. Die Aufwendungen für einen einmaligen Vorfall ballen sich in einem Veranlagungszeitraum zusammen. Letztlich kommt es aber in beiden Fällen zu einer prozentualen Aufteilung der Fixkosten.

Indes kann man der Kritik allerdings zugestehen, dass wohl gerade bei einmaligen Vorfällen ein gewisses Potential für „Mitnahmeeffekte“326 nicht von der Hand zu weisen ist. Ein beruf-licher Termin auf Mallorca eröffnet mehr private Gestaltungsmöglichkeiten als der Erwerb eines Hauses zur Vermietung. Das sollte man im Einzelfall jedoch eher in der Weise berück-sichtigen, dass man eventuell eine Aufteilung nach Angemessenheit oder Mehraufwand der Aufteilung nach Verhältnissen vorzieht, je nach dem, ob man in dem zu beurteilenden Fall ty-pischerweise Privataufwand oder Erwerbsaufwand mit jeweiligem „Exzesspotential“ sehen will. Der Verhältnismethode stehen diese Bedenken jedenfalls nicht grundsätzlich entgegen.

3.4 Die Verhältnismethode in der Rechtsprechung des BFH

Die Verhältnismethode ist die vom BFH schon vor der Aufgabe des allgemeinen Aufteilungs- und Abzugsverbots zumeist gewählte Aufteilungsmethode gewesen. Der BFH hatte auch während seiner ständigen Rechtsprechung anerkannt, dass eine Aufteilung gemischter

324 Ähnlich schon Drenseck DB 1987, 2483 (2484); Ruppe DStJG 3 (1980), 103 (142 f.); vgl. auch Söhn in:

K/S/M EStG § 4 Rn E110 (dort Fn 215)

325 Das Beispiel ist eine Modifikation des von Drenseck DB 1987, 2483 (2484) genutzten Beispiels

326 So Englisch DStR 2009 Beihefter Heft 34, 92 (95)

wendungen dann möglich sei, wenn diese leicht vorzunehmen sei und nach objektiv über-prüfbaren Kriterien erfolgen könne.327 So hat der BFH wohl stets unbenannt angenommen, dass die Verhältnismethode eine leichte Trennung ermögliche. Wenn die die Verhältnisse be-stimmenden Faktoren objektiv nachprüfbar waren, kam eine Aufteilung in Betracht.

Eine Aufteilung nach Verhältnissen hat der BFH etwa für zulässig erachtet bei der Telefon-grundgebühr nach dem Verhältnis der Kosten der Einzelgespräche,328 bei den Kosten für die Erhaltung einer Fluglizenz entsprechend dem Verhältnis der Flüge,329 bei Kontoführungsge-bühren nach dem Verhältnis privater und erwerbsdienlicher Kontobewegungen330 und bei wechselnder Eigennutzung/Fremdvermietung einer Ferienwohnung entsprechend den zeitli-chen Verhältnissen der Nutzung.331