• Keine Ergebnisse gefunden

Die Ashtar-Command-Bewegung als Neureligiöse Bewegung

4 Charakteristik der Ashtar-Command-Bewegung

4.3 Die Ashtar-Command-Bewegung als Neureligiöse Bewegung

Ob „die“ Ashtar-Command-Bewegung inhaltlich auf die I-AM-Bewegung zurückgeht, lässt sich nur mit Einschränkungen und mit größter Vorsicht sagen. Denn genauso ist es möglich, dass der Rückgriff als Legitimationsgrundlage genutzt und funktionalisiert wird438. Der Rückgriff auf vermeintlich „alte“ oder „anerkannte“ Vorstellungen aus der Religionsgeschichte ist bei vielen dieser Gemeinschaften eine Stereotype und nicht ein Merkmal, das den besondern Charakter nur einer einzelnen Gemeinschaft ausmacht439.

Dass aber die Beschreibung der Ashtar-Command-Bewegung sich nicht nur an herkömmlichen Modellen orientiert, wird an einigen Elementen der Beschreibungen selbst

435 Ebd..

436 Ebd..

437 Ebd..

438 Dafür spricht beispielsweise das Ende vieler Channelings. Häufig lässt sich hier „I AM Ashtar“ in dieser Schreibweise finden. Vgl. Wolf, R., http://wtv-zone.com/Reniyah/lightpages/ashtar90901.html (03.04.03).

439 Vgl. hier z.B. die Bandbreite der Gestalten, die sich „melden“: Gruber, T., http://www.bewusstessein.net/channelings/who_is_who.htm (03.04.03).

deutlich. So wird in einer oben genannten Formulierung von Georg Otto Schmid440 (vgl. S.

118 und Fußnote 414) deutlich, dass die Ashtar-Command-Bewegung nicht genau bestimmbar ist. Die an dieser Stelle gebrauchte Formulierung ist wahrscheinlich die treffendste, denn sie beschreibt den variablen Charakter der Gemeinschaft. Die Inhalte und deren Abbildungen beziehungsweise die Bewegungen selbst spiegeln nur sehr selten einen klar und scharf umrissenen Vorstellungsbereich wider, dem alle Mitglieder oder Teilnehmer der Bewegung441 zuzurechnen sind. Man kann bei Bewegungen dieser Art immer mit einer sehr großen Bandbreite und vielschichtigen Austauschprozessen zwischen unterschiedlichen Gemeinschaften der Bewegung und ihren Ideen rechnen. Die I-AM-Bewegung besitzt wie die Ashtar-Command-Bewegung keine monolithische Struktur, sondern ist in sich selbst höchst disparat.

Mit Sicherheit liegt aber eine gegenseitige Überschneidung vor. Wenn Gruppen aufgrund eines sich überschneidenden Personenkreises gemeinsame Bereiche besitzen, kann der religiöse Austauschprozess einen transformierenden Charakter gewinnen. Diese Transformationen können entstehen, wenn gechannelte Botschaften aus divergierenden Systemen in die je andere Vorstellungswelt integriert werden. Synergieeffekte können sich bilden, die oftmals unter dem Label Synkretismus gefasst werden.

Diese Effekte wiederum scheinen eine Veränderung mit vielen Variablen sowie die Weiterentwicklung der Gemeinschaften zu bewirken. Es gelang aber bisher kaum, diese hochvariablen, einander überlagernden Strukturen der Religionsgemeinschaften darzustellen und dabei gleichzeitig die Variationsbreite und Bewegung in einer dynamischen Weise abzubilden.

Dass Religionsgemeinschaften und deren Inhalte schon immer weitaus mehr fluktuierende Elemente beinhalteten, als dies von den jeweiligen religiösen Spezialisten angenommen wurde, war auch schon vor der Etablierung des Internets gegeben. Dieser Sachverhalt der hohen Variationsbreite religiöser Vorstellungen hat sich aber aufgrund des Internets und der dort verfügbaren Quellen nicht nur potenziert. Gleichzeitig bildet sich die „reale religiöse Lage“ in allen Ländern parallel ab, in denen das Internet bisher verbreitet ist. Für die neue internetbezogene Untersuchung bedeutet dies, dass durch die Vielzahl der verfügbaren religiösen Websites im Internet nun eine Befundaufnahme frei und relativ ungefiltert möglich ist, die weit über bisherige Vorstellungen und Möglichkeiten hinausgeht.

440 Schmid, G. O., http://www.relinfo.ch\ASHTAR\info.html (24.09.00).

441 Vgl. in diesem Zusammenhang die Ansichten von Beckerlegge. Er rekurriert in der Frage der Untersuchung von virtuellen Gemeinschaften auf die Unterscheidung zwischen Gemeinschaft (community) und Gesellschaft (association) von Ferdinand Tönnie. Beckerlegge, G., 2001a, S. 252ff.

Bildlich gesprochen kann die Charakteristik des Internetbefundes der Ashtar-Command-Bewegung mit einem fließenden Gewässer auf einer relativ ebenen Fläche mit Sumpfgebieten veranschaulicht werden. Zahllose große und kleine Bäche, Rinnsale und größere Ströme verzweigen oder vereinigen sich, sie versickern und treten manchmal an anderer Stelle wieder zu Tage beziehungsweise am Datenhorizont auf. Diesem variablen Charakter der Gemeinschaft wird im nächsten Abschnitt besondere Beachtung geschenkt.

Gemeinschaften wie die Ashtar-Command-Bewegung sollten nicht nur mit dem Raster einer

„herkömmlichen“ Beschreibung betrachtet werden442. Bisherige Darstellungen der Ashtar-Command-Bewegung, die ihre Dimensionen in einer historischen Genese suchen, bilden meines Erachtens aufgrund der inneren Struktur und der Variabilität der Ashtar-Command-Bewegung diese nur unzureichend ab. Beispielsweise erzielen die oben genannten Ergebnisse über einen Anfang oder die Struktur der Ashtar-Command-Bewegung meiner Einschätzung nach nur ungenügende Resultate. So ist der Geltungsbereich bezüglich der Frage, wo und wann der Anfang sei beziehungsweise ob zentrale (Gründer-)Figuren der Ashtar-Command-Bewegung erkannt werden könnten, bei der Ashtar-Command-Ashtar-Command-Bewegung (im Gegensatz zu FIGU-Gemeinschaft) eher etwas kleiner anzusiedeln.

Die bisherigen Methoden dienen sicherlich einer ersten Beschreibung, sind jedoch weit davon entfernt, die Dynamik der Gemeinschaft und ihre internen Bewegungen anzugeben. Dies bedeutet aber keinesfalls, dass man auf historische Fragestellungen verzichten darf. Am Beispiel der Ashtar-Command-Bewegung wird ein neues Raster entworfen, um Neureligiöse Gemeinschaften in ihrer besonderen Form abzubilden, wie sie sich im Internet darstellen.

Grundlage dieses Rasters sind die in den ersten Kapiteln gemachten Beobachtungen zu Internetgemeinschaften und ihrer möglichen Beschreibbarkeit auf der jeweiligen Datengrundlage.

Eine der Hauptschwierigkeiten, die gelöst werden sollte, ist die Frage, inwiefern Teilsysteme, die in sich schon variantenreich und komplex sind, dazu dienen können, eine Gesamtstruktur abzubilden, ohne definitorische Grenzen zu ziehen. Die Teilsysteme für sich arbeiten mit jeweils eigenen Teilmengen in divergierenden Systemen.

Es ist davon auszugehen, dass viele Websites Einzelpersonen oder kleinsten Gemeinschaften zuzurechen sind, die allgemein zugängliche Symbole, Bilder, Inhalte und Hinweise auf rituelle Handlungen in ihre Webseiten aufnehmen. Die Aufnahme erfolgt aktiv und dient meiner Ansicht nach der aktiven Positionierung innerhalb einer Bewegung. Der Begriff Ashtar-Command selbst kann somit auch als Integrationsbegriff und als integrierendes

442 Die ACB wird als weitweite Bewegung verstanden im Sinne der Verbreitung des Internets. Zu anderen

„global“ ausgerichteten Neureligiösen Bewegungen und deren regionalen Strukturen vgl. z.B.: Waterhouse, H., 2002, S. 109ff. bzw. Wolffe, J., 2002 S. 13ff.

Strukturmerkmal für ein Selbstverständnis gedeutet werden, das in der Gesamtheit zur Bewegung wird.

Die historische Darstellung der Ashtar-Command-Bewegung wie z.B. von Grünschloß stellt in anschaulicher Weise das erste Auftreten der Begriffe „Ashtar“ beziehungsweise „Ashtar Command“ und der Symbole dar. Diese haben sich aber ihrerseits verselbständigt und Eingang in unterschiedliche Bereiche disparater Gemeinschaften gefunden. Dort wiederum sind sie neue Verbindungen eingegangen und haben Wechselwirkungen ausgelöst, Rezeptionen begonnen oder weitergeführt. Der Befund zeigt, dass Webseitengestalter ihrerseits variabel mit den Symbolen, Bildern, Hinweisen, Inhalten und rituellen Handlungen umgehen und diese auch durch andere Substitute ersetzen können. Dies kann bedeuten, dass beispielsweise nur ein Symbol der Ashtar-Command-Bewegung auf einer Webseite auftaucht und dieses Symbol eher zu den selten gebrauchten Symbolen der Ikonographie gehört.

Die erwähnten integrierenden Strukturmerkmale können meines Erachtens dazu herangezogen werden, eine solche Webseite im Ensemble vieler Webseiten zu verorten, die diese Symbole gebrauchen. Zusätzlich lässt sich mit dem Vorhandensein weiterer integrierender Strukturmerkmale eine relative Nähe oder Ferne zu anderen Webseiten aufzeigen.

Auf einen Sachverhalt kann nicht genug hingewiesen werden: Die Beschreibung und Einordnung einzelner Websites innerhalb der Ashtar-Command-Bewegung ist eine Momentaufnahme, denn es lässt sich kaum sagen, wie diese Bewegung oder einzelne Websites sich weiterentwickeln werden. Die theoretische Konkretisierung einer Religionsgemeinschaft unter einer statischen Prämisse ist nicht haltbar. Der Terminus

„Ashtar-Command-Bewegung“ ist im Grunde lediglich ein heuristisches Label, dessen Inhalt, Struktur und Bedeutung einem schnellem Wandel unterzogen ist. Der Einwand, dass dies auch bei sog. älteren Religionen aus der Religionsgeschichte so sei, ist richtig, aber die nun möglichen Darstellungen und Kommunikationsformen im Internet sowie die aktiven, sich überlagernden und zeitnahen Verbindungen erlauben kaum noch eine Fokussierung.

Deshalb ist vielmehr zu fragen, inwieweit das Internet die „reale“ religiöse Variationsbreite abbildet, die auch schon in Zeiten alter Religionen vorhanden war. Die Quellenlage der Religionsgeschichte im Internet erlaubt heute, individuelle Kompilationen in ihrer aktiven Konkretisierung beziehungsweise Distanz und Nähe zu größeren Gemeinschaften zu beschreiben. Bisher war dies nur durch aufwendige Befragungen möglich.

Die Schwierigkeit liegt darin, konkret ein neues (semantisches) Raster, Netz oder Folie zur Beschreibung von Neureligiösen Bewegungen zu entwerfen. Das Bild einer Integrationsmatrix wird von der Gewichtung der einzelnen „Knoten“ oder zentralen Punkte dieses Rasters bestimmt. Um bei dem Beispiel des Netzes zu bleiben: Wichtig sind bei einem

neuen (semantischen) Netz nicht nur die Knoten, sondern in gleicher Weise auch die Leerstellen443.

4.4 Die imaginierte Folie einer Neureligiösen Bewegung am Beispiel

Outline

ÄHNLICHE DOKUMENTE