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Beauftragungsgeschichten von alttestamentlichen und anderen Propheten

„Außerirdische“ und „Neureligiöse Bewegungen“

3.5 Konstruktion einer Prophetenbeauftragung

3.5.2 Beauftragungsgeschichten von alttestamentlichen und anderen Propheten

Das Beauftragungsgeschehen für Prophetinnen und Propheten scheint einige wiederkehrende Elemente und Muster zu beinhalten. Meist sind diese mit einer autobiographischen Charakteristik365 versehen. Positiv dargestellte Propheten und Prophetinnen366 werden im Alten Testament an vielen Stellen mit einer Geschichte verbunden, in der sie von einer Gottheit (meist Jahwe) berufen werden. Diese wahrscheinlich legitimatorischen367 Berufungsgeschichten folgen bestimmten Mustern und einzelne Elemente368 und scheinen konstitutiv369 für die Legitimation der Beauftragung370 in dem nun skizzierten Rahmen zu sein (s.u.). Ähnliche Vorgänge können auch bei den heutigen Neureligiösen Bewegungen beobachtet werden.

Die Autoren der Schriften, in denen Prophetinnen und Propheten auftauchen, gehen mit Selbstverständlichkeit von der Möglichkeit aus, Informationen über eine nahe oder ferne

359 Vgl. Kehrer, G., 1998, S. 124.

360 „In verschiedenen Schichten des NT begegnen die typischen Kennzeichen der göttlichen Berufung eines

»Knechtes Gottes« bzw. »Christi« und eines »auserwählten Rüstzeugs « [...]. Es sind Gesicht, Berufungswort, und Auftrag, Aussonderung und Ausrüstung.“ Michel, O., 1986, S. 1086. Zum Propheten in

religionssoziologischer Sicht vgl. z.B. Lipp, W., 1994, S. 178.

361 Vgl. z.B. Apg. 21,5ff.

362 Vgl. 1. Kor. 14,38ff.

363 Vgl. zur Apokalypse in der christlichen Kulturgeschichte z.B. Senkel, C., W., 1999, S. 80ff.

364 „In der Tradition der atl. Prophetie steht Johannes der Täufer (Matthäus 11,9; Markus 6,15; 11,32). Auch Jesus selbst konnte wegen der Umkehrpredigt (vgl. Mark. 4,24) und der Auslegung des Willen Gottes (Mark.

1,22) als Prophet angesehen werden. [...] Eine andere Rezeption der alt. Prophetie begegnet in den

urchristlichen Gemeinden (Apg. 2). Paulus [im O. i. Grossbuchstaben / G. M.] legitimiert die Prophetie und zähmt sie zugleich [...].“ Ebach, J., 1998, S. 355.

365 Vgl. Fichtner, J., 1986, S. 1084f. Wolff spricht von „autobiographischer Natur“. Wolff, H. W., 1987, S. 19.

366 Im AT sind zwar nur wenige Prophetinnen genannt, sie kommen aber durchaus vor. Vgl. 2. Mo. 15,20; Ri.

4,4; 2. Kön. 22,14; 2. Chr. 34,22; Neh. 6,14 u.a.m..

367 Vgl. z.B. Rad, G. v., 1987, S. 62f.

368 Vgl. hier Fichtner und seine knappe Auflistung möglicher Elemente im Alten Testament. Fichtner, J., 1986, Sp. 1084f.

369 Die Aufzählung ist keinesfalls vollständig, aber auf die Darstellung in späteren Kapiteln bezogen.

370 Vgl. hier die sog. „Berufungsgeschichten“ aus 1. Mo. 3,1ff, Jo. 1,1ff, Jes. 6,1ff, Jer. 1,4ff.

Zukunft zu erhalten. Die Informationen seien durch spezielle Kommunikationsvorgänge mit extramundanen Entitäten371 zu erhalten.

Nachfolgend werden nun einige dieser konstitutiven Elemente für eine Prophetengenese aufgeführt:

a) Der besondere Ort

In vielen Berichten werden Propheten und Prophetinnen immer wieder an einen speziellen Ort

„geführt“. Dieser Ort ist durch eine besondere Lage, Abgeschiedenheit oder durch ein unerklärliches oder besonderes Naturschauspiel gekennzeichnet. Es erfolgt in vielen Fällen eine erste, oft noch sehr distanzierte Begegnung372 mit dem Gegenüber.

b) Die Kommunikationsform

In Visionen, Träumen373, Auditionen374 und auch „ganz direkt“ werden Propheten und Prophetinnen dialogisch375, oft von der Gottheit oder den Außerirdischen meist in einer ihnen bekannten Sprache angesprochen. In einigen Fällen wird ein Zwischenwesen eingeschaltet376. c) Der Name des Gesprächspartners

Die Gottheit oder der Außerirdische nennt in einigen Fällen seinen Namen, gegebenenfalls auch die Namen des oder der Auftraggeber seiner Mission377.

371 Vgl. auch in diesem Zusammenhang die Übersicht zu UFO-Vorstellungen von Michel Schäfer, vor allem hier die Darstellung der verschiedenen Begegnungsformen mit Außerirdischen der ersten bis vierten Art (CE1-CE4): Schäfer, M., 2000, S. 547ff.

372 „A prophet has had a "prophetic call", and the authority is founded on revelation and personal charisma. This may lead to a formal position in which he is held to manifest extraordinary powers, which according to Weber, include "the capacity to achieve the ecstatic states which are viewed, in accordance with primitive experience, as the preconditions for producing certain effects in meteorology, healing divination and telepathy".

All leaders received a prophetic call: Rael in the volcano, King while doing his dishes, and the Normans through channeling sessions. The truth of our extraterrestrial origin was suddenly revealed to them through telepathic messages from beings in outer space. By continuous channeling of the masters' messages they then founded their organizations in order to spread the cosmic teachings of otherworldly salvation. They also show great charisma, especially Ruth who in her flamboyant outfits impressively incorporated her role as Uriel;

Universal Radiant Infinite Eternal Light.“ Isaksson, S., 2000,

http://www.anthrobase.com/Txt/I/Isaksson_S_01.htm (30.01.03). Hier auch weitergehende Ausführungen zur Figur des Propheten in Neureligiösen Bewegungen.

373 Vgl. 4. Mo. 12,3.

374 Vgl. Mensching, G., 1986, S. 1084. Vgl. hierzu Tworuschka, U., 1990, S. 103

375 Vgl. Fraas, H.-J., 1993, S. 27.

376 Vgl. 1. Kön. 13,18.

377 Vgl. z.B. 2. Mo. 3,14.

d) Der Beauftragungsprozess

Im nächsten Schritt erfolgt in der Regel die Beauftragung. Der Prophet lehnt oft die Beauftragung378 ab oder sucht diese mit dem Hinweis auf seinen Beruf379 oder seine Herkunft oder andere Gründe einzuschränken380. Der Auftrag wird erneut bekräftigt. Gegebenenfalls wird der Prophet genötigt, den Auftrag anzunehmen381, da sonst der Prophet oder die Welt schaden nehmen könnte.

e) Der Beauftragungszeitraum und mögliche Reaktionen

Es wird die zeitliche Komponente und die mögliche Ablehnung des Propheten außerhalb seiner Bezugsgruppe oder allgemein von der Welt angesprochen.

f) Die Hilfestellung

Dem Propheten oder der Prophetin wird Hilfe382 seitens des Auftraggebers zugesagt.

g) Die Prophetengenese

Das Selbstverständnis des Propheten oder der Prophetin scheint sich in der Form zu verändern, dass sich manche Personen nach der Berufung als „Mittlerwesen“ zwischen den Menschen und Gott beziehungsweise den Außerirdischen verstehen383.

h) Der Rückgriff auf bisherige Strukturen

Eine Person aus dem Kultpersonal des Umfeldes wirkt im Rahmen des Beauftragungsgeschehens teilweise initiierend, hinführend oder erklärend mit. Dem Prophet wird an dieser oder anderer Stelle mitgeteilt, dass es schon eine Auserwählung in der Kindheit oder in den vorigen Existenzen gegeben haben soll384.

So hat z.B. ein Mensch Namens Steve zum ersten Mal eine Begegnung mit einem Außerirdischen, der ihn in folgender Weise anspricht: „Wir wissen alles über dich, Steve. Wir haben dich seit Jahren beobachtet. Wir wissen, daß du bereit bist dich mit uns zu treffen, um mit uns zusammen deinem Planeten zu helfen. Möchtest du hereinkommen und dir das Schiff ansehen?“385

378 Vgl. hier beispielsweise Wolff, H., W., 1987, S. 19.

379 Vgl. z.B. Amos 7, 14.

380 Vgl. 2. Mo. 6,30ff.

381 Vgl. Fraas, H.-J., 1993, S. 25.

382 Vgl. Jer. 1,8.

383 Ebach, J., 1998, S. 350.

384 Vgl. Jer. 1.

385 Mondashi, 1995, S. 30.

i) Die besondere und exemplarische Lebensführung

Nachdem die Konstitutierung des Propheten vollzogen ist, strebt er eine besondere Lebensführung386 an. Diese Lebensführung dient auch zur Qualifikation innerhalb der Beauftragung. Oft sind ihm besondere Ge- oder Verbote auferlegt oder Freiheiten gegeben worden387.

Der Befund innerhalb der Websites lässt erkennen, dass bei vielen Neureligiösen Bewegungen, in denen UFOs und Außerirdische eine zentrale Rolle spielen, diese Vorstellungen rezipiert werden. Immer wieder füllt ein singulärer Prophet eine oder die zentrale Funktion innerhalb der Gemeinschaft aus und viele dieser oben angeführten Elemente (a-i) kommen innerhalb der Initiation vor. Die einzelnen Elemente werden in vielen Fällen jeweils spezifisch gefüllt. Zum Beispiel kann der besondere Ort eine Wüstengegend, ein Planet oder ein Raumschiff sein.

Man kann davon ausgehen, dass die strukturelle Übernahme einiger dieser Elemente konstituierend für den innergemeinschaftlichen Legitimationsprozess ist und auch für die Webpräsentation im größeren Kontext notwendig erscheint.

Nach der Initiation als Prophet oder Prophetin erfolgt bei einigen Propheten zusätzlich eine Singularitätskonzeption, die in vielen Fällen in einer Abgrenzung zu anderen religiösen Gemeinschaften oder Propheten oder Prophetinnen und deren Aussagen besteht.

Auf diese Beauftragungsmuster von neuen Propheten wird in den nächsten Kapiteln immer wieder Bezug genommen.

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