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Stand der Forschung, methodischer Ansatz

I. V. Das Analysecorpus und seiner Aufbau

2 Das Textcorpus der Analyse

2.2 Das Corpus des Neuen Testaments

Das Neue Testament (im folgenden NT) gehört zum Hauptcorpus der vorliegenden Untersuchung, da es einen diachronen Vergleich zu der Verwendung der allgemeinen Bewegungsverben in der klassischen Zeit erlaubt. Bereits in Kölligan 2007 werden neben den

sind sehr eng miteinander verbunden, der Kontext muss also für eine Analyse der deiktischen Komponente zwingend analysiert werden. Wenn im Text kein expliziter Hinweis auf den Raum außerhalb der Handlung vorkommt oder ein solcher nicht abzuleiten ist, bleibt die Perspektive des Sprechers auf die Bewegung das entscheidende Kriterium für die Feststellung der Origo: Für ein konkretes Bespiel vgl. (54), wo die Bewegung der Wolken (d.h. des Sprechers) als zentrifugal zu interpretieren ist, während sie aus Sicht des Publikums zentripetal wäre.

130Dazu zählt z.B. die Verwendung von Ellipsen, Interjektionen, diminutiven Anreden, Ausrufen, Obszönitäten, Anakoluten, phonetischen Simplifizierungen wie Krasis oder Prodelisionen. Für die verschiedenen Aspekte der Sprache der Komödie des Aristophanes sei auf die soziolinguistisch orientierten Werke von Willi (2002 und 2003) verwiesen. Die Bemerkungen von Willi über die Elemente des attischen Dialektes des Aristophanes weisen auf den engen Zusammenhang zwischen seinem Theater, seiner Stadt und seinem Publikum hin. Vgl. darüber hinaus Zimmermann 2014: 135-137 mit Hinweis auf weitere Literatur über die Sprache der Komödie.

Die Nähe der Komödie zur gesprochenen Sprache ist von Vorteil für die Analyse von deiktischen Merkmalen, weil die Handlung der Codierung der prototypischen Kontexte enger entspricht. Aufgrund dieses Aspektes sind Komödien zudem besser als die Tragödie für solch eine Analyse geeignet: Die Tragödie ist auch ein performativer Text, aber verglichen zu der Komödie, gehobener Stilebene und für den engen Bezug mit dem Mythos entfernt von dem alltäglichen Leben (vgl. Scafuro 2014: 232-234). Für eine Besprechung der Unterschiede zwischen Komödie und Tragödie hinsichtlich der Beziehung zwischen der Welt der Szene und derjenigen des Publikums vgl. Taplin 1986, und hinsichtlich der Sprache und des Stils vgl. Seidensticker 2005: 39-43, 49-53.

homerischen Belegen einige aus dem NT analysiert. Abgesehen von der bereits besprochenen Kritik an den Kriterien der Raumanalyse ist diese Arbeit aber auch deshalb zum Teil ungenügend, weil die Ergebnisse der Auswahl der Bewegungsverben nur zum Teil aus diachroner Perspektive betrachtet worden sind. Außerdem fehlt die Besprechung der Überlappungen in der Verwendung sowohl einiger einfacher als auch präverbierter Bewegungsverben. Grund für diese fehlenden Teile ist, dass das Forschungsinteresse auch in Kölligans Arbeit ausschließlich dem Suppletionsverhältnis bei Bewegungsverben gilt. Ein weiterer interessanter Beitrag über die Bewegungsverben im Neuen Testament, der in der Forschung jedoch wenig Berücksichtigung gefunden hat, ist Schawaller 1990: Die Autorin konzentriert sich auf den Vergleich des altgriechischen Dokumentes mit der altkirchenslavischen Übersetzung des Neuen Testaments, schenkt den diachronen Veränderungen innerhalb der griechischen Sprache zum Ausdruck von Deixis mittels allgemeiner Bewegungsverben aber weniger Aufmerksamkeit.

Das NT ist für eine Analyse über Deixis als Corpus aus pragmatischen Gründen besonders geeignet: Obwohl es sich dabei primär um narrative Texte handelt, ist der Zusammenhang zu dem Kontext und der erzählten Handlung sehr stark. Es stehen deshalb viele eindeutige Beispiele zur Verfügung, die mit den untersuchten Kontexten übereinstimmen, die der Identifizierung von deiktischen Verwendungen von Bewegungsverben dienen: In den Texten wird sehr oft die direkte Rede verwendet, sodass personal-deiktische Bezüge auf die erste und zweite Person möglich sind. Darüber hinaus nähert sich die Sprache des NTs eher der gesprochenen als der literarischen Sprache in der Koiné an.131

Was den Charakter der neutestamentarischen Sprache angeht, handelt es sich um einen komplexen Fall – sowohl wegen des Einflusses der LXX auf diese Sprachvariante als auch, weil das NT aus einem Corpus von Texten unterschiedlicher Autoren besteht. Aus diesem Grund sollte nicht mit einer homogenen Sprache, sondern mit internen stilistischen Unterschieden gerechnet werden (Duff 2005: 10). Der Verfasserin dieser Arbeit sind die Schwierigkeiten bewusst, die die Auswahl des NTs als Analysecorpus hinsichtlich einer Argumentation über diachrone Veränderungen bedeuten kann. Dazu zählen besonders der spezifische Entstehungskontext des Textes in einer Zeit und Gegend eines intensiven Kultur-und Sprachkontaktes sowie der Einfluss der Bibelübersetzung, der Septuaginta, auf die

131Vgl. unter anderen Blass, Debrunner & Rehkopf 2011: 2; Wallace 2000: 20-23.

Sprache des NTs.132 Trotz ihrer Berechtigung können diese Einwände die Bedeutung der LXX als Analysegrundlage nicht schmälern - insbesondere da es aus dieser Epoche nicht viele genuine griechische Texte gibt. Um möglichst viel Transparenz zu schaffen und der möglichen Kritik am Analyseverfahren bereits von Beginn an zu begegnen, ist die Analyse der LXX als Schlüsselkorpus besonders kleinschrittig und mit dem Ziel erfolgt, einen detaillierten Überblick über die Entwicklungstendenzen der griechischen Sprache zu bieten.

Weiterhin sind zusätzliche Studien bzgl. der Bibel und ihrer Übersetzung berücksichtigt und in die Analyse integriert worden, um die Typologie der dort verwendeten Sprache bezüglich räumlicher Deixis darzustellen und einen Vergleich mit der Veränderung in den verschiedenen Stufen der griechischen Sprache zu ermöglichen. Die vielen Parallelen zur Typologie der Deixis in modernen Sprachen in diesem einführenden Teil und im letzten Teil dieser Arbeit dienen demselben Zweck. Die gewisse Ähnlichkeit, die sich in der Anwendung der allgemeinen Bewegungsverben zwischen dem NT und dem NG beobachten lässt, verweist auch rückwirkend auf die Vorteile, die die Wahl des NTs als Teil des untersuchten Corpus' hat.

132Durch ein Schema illustriert Wallace (2000: 21) die verschiedenen Einflussfaktoren, welche in der neutestamentarischen Sprache auf verschiedenen Ebenen wirken, d.h. die Sprache der LXX besonders auf den Stil, die gesprochene Sprache auf den Wortschatz und die Koiné auf die Syntax.