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Stand der Forschung, methodischer Ansatz

3 Aspektualität: Tempus, Aspekt und Aktionsart 105

Da Defektivität und Suppletion eng mit den Kategorien Tempus, Aspekt und Aktionsart zusammenhängen, scheint hier eine Behandlung dieser drei konstitutiven Verbategorien angebracht, um ihre Rolle und ihr Verhältnis zueinander zu definieren. Die drei Kategorien bestimmen auf unterschiedliche Art die zeitliche Strukturierung der vom Verb ausgedrückten Handlung, sie sind aber in der Literatur stark umstrittene Begriffe.106 Sie sind in einer Untersuchung über Bewegungsverben deshalb gerade dann zu berücksichtigen, weil

wie im vorigen Teil dieses Kapitels bezüglich gesprochener Sprachen gezeigt – räumliche und zeitliche Faktoren die Auswahl eines Verbs beeinflussen. Die oben vorgestellten Ergebnisse der typologischen Forschung im Bereich Deixis werden also an dieser Stelle mit den wesentlichen Kategorien des griechischen Verbsystems konfrontiert. Damit wird die räumliche Dimension, die auf die Bedeutung dieser Verben zurückzuführen ist, mit der zeitlichen Dimension der Handlung, die die Wortart Verb prägt, verbunden.

3.1 Tempus

Tempus ist eine grammatikalische Kategorie, die die zeitliche Lokalisierung einer Handlung definiert. Es handelt sich um eine deiktische Kategorie (vgl. SS. 16-19), weil sich

105Aspektualität wird häufig als Hauptkategorie bzw. Hauptbegriff verwendet, um alle möglichen Kodierungsverfahren zu umfassen, welche die innere zeitliche Struktur einer Handlung ausdrücken. Zu diesen gehören morphologisch-flektierende Mittel – damit ist der Aspekt gemeint – und lexikalisch-derivative Strategien – damit sind der Verbalcharakter und die Aktionsart gemeint (vgl. Garcia Ramon 2002).

106Hirt (1912: 473) unterscheidet beispielsweise nicht zwischen Aspekt und Aktionsart. Für eine historische Betrachtung des Begriffs 'Aspekt' aus dem russischen vid wird auf Eco Conti 2004-2005 hingewiesen: Hier werden auch Probleme und Perspektiven der Forschung thematisiert. Für einen Überblick und die Diskussion des Verhältnisses zwischen den beiden Kategorien mit Hinweisen auf die wichtigste Literatur vgl. Krifka 1989: 95-190, Coulter 2014 und Hewson 2014.

die zeitliche Einordnung auf den Sprechzeitpunkt 'jetzt' bezieht und in Bezug auf diesen Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft unterschieden werden (Comrie 1985: 14). Wie Raum kann auch das Tempus sowohl als eine absolute als auch als eine relative Kategorie verstanden werden: Im letzten Fall werden die verschieden zeitlichen Verortungen zweier ausgedrückten Handlungen in ein Verhältnis zueinander gesetzt.107

Die Definition von Tempus ist im Unterschied zu denjenigen von Aspekt und Aktionsart in der Forschung am wenigsten umstritten, da diese Kategorie im Vergleich zu den anderen beiden eine geringere Bedeutung für das griechische Verbsystem hat.108 Das Griechische gilt überwiegend als Aspekt-Sprache (u.a. Siebenthal 2011: 308), d.h. eine zeitliche Verortung der Handlung bezüglich der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft wird nur selten von der Verbform ausgedrückt. Die verschiedenen Verbstämme sind eher Aspektstämme, weil sie zwar die zeitliche Struktur der Handlung, nicht aber die Relation zwischen der vom Verb ausgedrückten Handlung und der Sprechzeit ausdrücken.109 Die Formen im Indikativ der verschiedenen Verbstämme (Präsens, Aorist und Perfekt) können jedoch neben dem Ausdruck des Aspektes auch einen temporalen Sinn besitzen und eine unterschiedliche zeitliche Verortung der Handlung oppositionell ausdrücken. Die beiden Kategorien Tempus und Aspekt sind im Indikativ nicht trennbar, sondern treten kombiniert auf, da jede Verbform auf einen bestimmten Verbstamm zurückzuführen ist (vgl. Siebenthal 2011: 308 f.).110 Eine Besprechung des besonderen Status des Indikativs Präsens folgt im folgenden Abschnitt.

3.2 Aspekt

Comrie (1976) hat dem Aspekt unter typologischen Gesichtspunkten eine wichtige Arbeit gewidmet. Laut seiner Definition „aspects are different ways of viewing the internal temporal constituency of a situation“ (Comrie 1976: 3). Der Sprecher kann seine Perspektive auf die Handlung ob es sich um ein abgeschlossenes, perfektives Ereignis oder ein noch im Verlauf befindliches, imperfektives handelt – durch die Auswahl einer gewissen Verbform ausdrücken. Es handelt sich dabei nicht um die reine Wiedergabe des zeitlichen Verlaufs, sondern mehr um die Berücksichtigung der internen Struktur der Handlung aus der

107Zur relativen temporalen Verwendung einer Verbform vgl. u.a. Rijksbaron 2002: 4-6; Siebenthal 2011: 307 f.

108Kühner & Gerth 1898: 129 f.; Schwyzer 1939: 639-642; Schwyzer & Debrunner 1950: 246-269; Duhoux 2000: 138 f., 159-163; Rijksbaron 2002: 2 n.1.

109Das Futur stellt im griechischen Verbsystem eine Ausnahme dar, weil es konstant eine zeitliche Relation ausdrückt.

110Vgl. auch Duhoux 2000: 352; Kühner & Gerth 1898: 182 und de la Villa 2014.

Perspektive des Sprechers. Die Vollendung bzw. die Nichtvollendung der Handlung wird im Griechischen durch verschiedene Verbformen ausgedrückt, die unterschiedlichen Verbstämmen zuzuordnen sind. Aspekt ist deshalb als eine morphologische Kategorie zu betrachten, eben weil sie davon abhängt, aus welchem Verbstamm die Form gebildet wird.

Um später Aspekt und Aktionsart besser unterscheiden zu können, sind hier einige Worte über Aspekt als subjektive Kategorie erforderlich.111 Laut Comries Definition erfolgt die Festlegung eines gewissen Aspekts ausgehend vom Sprecher: Perfektivität und Imperfektivität entsprechen der Perspektive des Betrachters auf die Handlung und sind deshalb nicht als innere Eigenschaften der Handlung zu verstehen. Abgeschlossenheit und Verlauf können durch das reziproke Verhältnis zwischen Sprecher und Ereignis aufgezeigt werden: Eine imperfektive Beschreibung setzt einen in der Handlung befindlichen Sprecher voraus, der die Handlungsstruktur von innen heraus wahrnimmt. Eine perfektive Beschreibung hingegen setzt einen externen Blick des Sprechers voraus, den er erst im Nachhinein annehmen kann, wenn das Ereignis als Ganzes bereits hinter ihm liegt:

Abbildung 10: Verhältnis zwischen Sprecher (S) und Ereignis (E) je nach perfektivem und imperfektivem Aspekt (modifiziert aus Krifka, unveröffentlichtes Material)

Um erneuert Comrie zu zitieren: „The perfective looks at the situation from outside, without necessarily distinguishing any of the internal structure of the situation, whereas the imperfective looks at the situation from inside“ (Comrie 1976: 4). Dieses Zitat und die schematische Darstellung in Abbildung 10 unterstreichen das verschiedene Verhältnis zwischen Sprecher und Ereignis im Fall der zwei Aspekte.

Im griechischen Verbsystem ist die Verbkategorie Aspekt von großer Bedeutung. Die morphologischen Ausdrucksmittel sind die verschiedenen Verbstämme: Präsens-, Aorist- und Perfektstamm. Die Hauptopposition besteht zwischen den ersten beiden: Das Präsens wird üblicherweise für unvollendete Handlungen gebraucht, der Aorist für vollendete. Es wird hier nur eines der zur Erläuterung des Begriffes oft verwendeten Beispiele angegeben (vgl.

111Die Bezeichnung des Aspektes als subjektive Kategorie gegenüber der Aktionsart als objektiver Kategorie kommt bereits in Hermann 1927 vor.

Siebenthal 2011: 311, 315):112

Präsensstamm (Ind. Impf.) ἀπέθνῃσκεν er lag im Sterben

Aoriststamm (Ind. Aor.) ἀπέθανε er starb

Perfektstamm (Ind. Perf.) τέθνηκεν er ist (gestorben und nun) tot Tabelle 4: Übersicht der Bedeutung der Aspektstämme im Griechischen

Die Tabelle stellt die unterschiedlichen Ausdrucksmöglichkeiten der Verbformen abhängig vom Verbstamm dar: Das Imperfekt bezeichnet eine Handlung, die noch im Verlauf begriffen ist; der Aorist hingegen eine, die ihren Endpunkt bereits erreicht hat. Darüber hinaus dienen Formen aus dem Perfektstamm dazu, den gegenwärtigen Zustand nach dem Abschluss einer Handlung auszudrücken.

Die Unterscheidung zwischen einem perfektiven und einem imperfektiven Aspekt, die auf der Opposition vollendet vs. unvollendet beruht, folgt Comries Auffassung. Diese ist aber nicht unumstritten. Comries Meinung hinsichtlich der Kategorie Aspekt vertreten, bezogen auf das Griechische, u.a. Holt 1943, Grassi 1963 und 1966, Rijksbaron 2002, McKay 1974 und 1986 und Porter 1989 (über das biblische Griechisch). Ein anderes Konzept von Aspekt vertreten Chantraine 1938, Ruiperez 1954 und Duhoux 1995: Sie unterscheiden zwischen einer dauerhaften Handlung (Präsensstamm) und einer punktuellen bzw. einer bezüglich der Dauer neutralen Handlung (Aoriststamm). Der grundsätzliche Unterschied zwischen den beiden Auffassungen ist, dass der Aspekt im ersten Fall die Eigenschaft perfektiv vs.

imperfektiv, im zweiten Fall hingegen dauerhaft vs. nicht-dauerhaft ausdrückt. Die Mehrheit der Verbformen in ihrem Kontext kann nach beiden Auffassungen analysiert werden, manche Verbverwendungen lassen sich jedoch durch keinen der beiden Ansätze befriedigend erklären (Eco Conti 2004-2005). Relevanter als die Unterschiede zwischen den beiden Ansätzen – die die zumeist theoretischer Natur sind – sind für die vorliegende Arbeit die Gemeinsamkeiten:

Die Hauptopposition wird nach beiden Auffassungen morphologisch durch den Präsens- und den Aoriststamm ausgedrückt; der Perfektstamm deutet einen nach einer Handlung erreichten Zustand an und, indem er einen Zustand nach der Durchführung einer Handlung ausdrückt, steht er bereits deshalb in Opposition zu den anderen beiden Verbstämmen.

Ein weiterer wichtiger und zum Teil bereits angesprochener Punkt ist die Abgrenzung zwischen den Kategorien Tempus und Aspekt im Indikativ Präsens. Bezüglich des Aspekts wird der Indikativ Präsens für unmarkiert gehalten (vgl. z.B. Duhoux 2000: 352). Die

112Vgl. auch Schwyzer & Debrunner 1950: 252; Kühner & Gerth 1898: 130; Duhoux 2000: 145.

Unbestimmtheit dieser Form spiegelt sich auch in Bezug auf die Kategorie Tempus wider:

Statt eine konstante Relation zur Sprechzeit auszudrücken (d.h. gleichzeitig zur Sprechzeit), verweisen die möglichen Zeitverhältnisse des Indikativs Präsens auf alle drei zeitlich-deiktischen Anordnungen (Duhoux 2000: 354).113 Bezüglich der zwei Kategorien von Tempus und Aspekt ist diese Form als neutral zu interpretieren und ihre Charakterisierung kann demzufolge von vielen Faktoren abhängen, wie z.B. dem verwendeten Lexem, dem Kontext und dem Ko-Text des Vorkommens. Die Auswahl der zu analysierenden Kontexte bezüglich Deixis bei allgemeinen Bewegungsverben erweist sich in diesem Fall als besonders günstig, weil sie ermöglicht, neben der Orientierung auch gleichzeitig diese zeitbezogenen Elemente zu untersuchen: Die Beschreibung der Bewegung im Präsens erlaubt, auch die von den jeweiligen Verben ausgedrückte zeitliche Relation zwischen Sprechzeit (coding time, im folgenden auch SZ) und Bewegungszeit (reference time, im folgenden auch BZ) zu definieren. Während der Analyse der jeweiligen Bewegungsverben wird also auch das zeitliche Verhältnis SZ/BZ überprüft. Die möglichen Zeitverhältnisse sind: SZ=BZ für den Fall, dass die Bewegung gleichzeitig zur Sprechzeit stattfindet; SZvorBZ, wenn der Ausdruck der Bewegung ihrer Durchführung vorangeht; SZnachBZ, wenn der Sprecher sich auf ein Bewegungsereignis bezieht, das zur Zeit seiner Aussage bereits abgeschlossen ist.

3.3 Aktionsart

In diesem Abschnitt wird schließlich die Kategorie Aktionsart definiert, die sich mit derjenigen des Aspekts zum Teil überschneidet und mit ihr interagiert. Während der Aspekt eine subjektive, morphologische Kategorie darstellt, ist die Aktionsart eine objektive Kategorie (bereits in Hermann 1927), die durch lexikalische Mittel (unterschiedliche Lexeme oder Affixe) ausgedrückt wird. Es handelt sich auch in diesem Fall um eine Verbkategorie, welche die innere Konstitution bzw. zeitliche Struktur der Handlung ausdrückt; allerdings erfolgt diese Bestimmung unabhängig von der subjektiven Perspektive des Sprechers. Die Ausdrucksmittel der zwei Kategorien sind unterschiedlich: Aktionsart beschreibt eine objektive Eigenschaft der Handlung, abhängig von dem verwendeten Verblexem, so dass auch der Begriff 'Verbalcharakter' bezüglich der Aktionsart zutrifft (García Ramon 2002).114

113Vgl. auch Schwyzer & Debrunner 1950: 269.

114Bezüglich dieser letzten beiden Begriffe wird die Unterscheidung zwischen lexikalischen und derivativen Mitteln, also die Präverbierung von einfachen Formen bzw. Hinzufügung von Adfixen, nicht in allen Arbeiten wie in der von García Ramon 2002 berücksichtigt: Letztendlich können auch durch die Präverbierung neue Verben entstehen, die einen eigenen Verbalcharacker besitzen. Hier werden deshalb die Termini Aktionsart und Verbalcharakter unterschiedslos verwendet.

Vendler 1957 (Neudruck 1967) ist das Referenzwerk für die Klassifizierung der verschiedenen Aktionsarten, auf die sich die darauf folgenden Arbeiten beziehen. Vendler teilt die Verben abhängig von der inneren zeitlichen Struktur bzw. dem zeitlichen Ablauf der von ihnen ausgedrückten Handlung in vier Klassen ein: state, activity, accomplishment und achievement, deren Definition durch die folgenden Beispiele am einfachsten dargestellt werden kann:

State: Maria sits ('Maria sitzt')

Activity: Maria runs ('Maria rennt')

Accomplishment: Maria runs a kilometer ('Maria rennt einen Kilometer')

Achievement: Maria finds the place ('Maria findet den Raum')

Die vier Beispiele unterscheiden sich in der zeitlichen Abstufung des Ablaufs der ausgedrückten Handlung. Im Falle eines Zustands (state) kann die Handlung – die keine Ortsveränderung impliziert – beliebig lange fortgesetzt werden. Ebenso ist auch im zweiten Beispiel (activity) eine Handlung gemeint, die keiner zeitlichen Begrenzung unterliegt.115 Für die gleiche Handlung rennen kann aber auch ein bestimmtes Ziel festgelegt werden, wie im dritten Beispiel (accomplishment): Die Dauer der Handlung ist hier, im Gegensatz zu activity, durch den Ausdruck eines Objektes begrenzt. Im letzten Beispiel (achievement) stimmen Anfang und Vollendung der Handlung überein. Auffällig ist, dass der Unterschied zwischen activity und accomplishment nicht auf dem Verblexem, sondern auf dem vom Verb geforderten Satzbau beruht: Die Zuordnung zur einen oder anderen Klasse hängt nach Vendlers Auffassung vom Verhältnis des Verbs zu anderen Satzgliedern ab und der Verbalcharakter erweist sich demzufolge als eine kompositionale Fähigkeit des Verbs, die vom syntaktischen Kontext gegebenenfalls modifiziert werden kann.116 An dieser Stelle erweist sich aber Vendlers Kategorisierung als problematisch, weil sie auf dem Englischem basiert: Es wird nicht klar, ob die zeitliche Einteilung einer Handlung in Phasen ausschließlich vom Verblexem abhängt, d.h. stabil ist, und inwiefern sie vom ko-textuellen Satzbau modifiziert werden kann.117 In der vorliegenden Arbeit wird der Verbalcharakter als eine Eigenschaft des Verblexems betrachtet und der zeitliche Charakter der Verben aufgrund der folgenden semantischen Merkmale analysiert: Dynamizität, Dauer und Telizität. Sie sind als prototypische Kategorien zu verstehen:

115Die Einteilung in Zustandsverben und Vorgänge stellt den Hauptunterschied dar, der auf der kognitiven Domäne Dynamizität und auf der Opposition Zustand vs. Bewegung beruht.

116Vgl. darüber hinaus Verkuyl 1972. Für zwei Studien zur Aktionsart bei Artverben im Alt- und Neugriechischen vgl. Horrocks & Stavrou 2003 und 2007.

117Für eine kritische Besprechung des Ansatzes von Vendler vgl. Sicking 1991: 39-42.

Dynamizität Dauer Telizität Beispiele

Zustandsverben - + - bleiben, stehen

Undefinierte Prozesse + + - fliegen, rennen

Definierte Prozesse + + + zielen, erröten

Momentane Handlungen + - + finden, erreichen

Tabelle 5: Kategorisierung der Verblexeme nach Verbalcharakter

Diese drei Kategorien dienen dazu, die verschiedenen zeitlichen Eigenschaften der Verblexeme zu differenzieren. Eine Hauptunterscheidung besteht zwischen Zustandsverben und den anderen drei Verbklassen, die sich wiederum in der Ausprägung der Kategorie Telizität unterscheiden. Dieses Merkmal definiert, ob eine Handlung zusammen mit ihrem Endpunkt konzipiert wird, d.h. ob sie zeitlich grenzbezogen ist.118 Die letzte Verbklasse identifiziert dynamische und telische Verbhandlungen, die aber keine zeitliche Ausdehnung haben. Die Unterscheidung dieser vier Klassen stellt die Hauptkategorisierung dar, aber innerhalb der jeweiligen Verbklassen können gelegentlich auch die folgenden, kontextgebundenen Präzisierungen der zeitlichen Konstitution der Handlung angegeben werden. Eine Handlung kann regelmäßig stattfinden (habituell), z.B. rauchen, oder wiederholt werden (iterativ), wie es beispielsweise bei schütteln der Fall ist. Sie kann aber auch eine Phase des Ereignisses fokussieren (inchoativ bzw. ingressiv – die Anfangsphase ausdrückend – und terminativ bzw. resultativ – die Endphase fokussierend). Beispiele für solche Handlungen sind z.B. erblühen und verblühen.

3.4 Aspekt und Aktionsart

Während einerseits die Abgrenzung der zwei Verbkategorien theoretisch auf grundlegenden Unterschieden (z.B. den verschiedenen Ausdrucksmitteln) beruht, ist sie andererseits in manchen konkreten Fällen problematisch, weil Aspekt und Aktionsart zur Präzisierung der inneren zeitlichen Struktur der Handlung miteinander konkurrieren: Aspekt und Aktionsart nutzen zwar unterschiedliche Ausdrucksmittel – morphologische und lexikalische bzw. morphonematische – aber ihr Einfluss auf die Bedeutung einer Verbform ist manchmal nicht genau zu trennen. Die auf die Aktionsart zurückzuführenden Bestimmungen

118Andere Termini, die statt (a)-/telisch verwendet werden, sind (un)-/bounded und non-/terminative. Das Merkmal Telizität wird von Comrie (1976: 44-48) und Dahl (1985: 29) als kompositional und kontextgebunden interpretiert. Sie beziehen sich, wie Vendler, auf das Englische. In dieser Arbeit wird Telizität als eine Eigenschaft des Verblexems betrachtet. Die Interpretation des Begriffes ist in der Literatur sehr umstritten und unterscheidet sich von Autor zu Autor. Für die Besprechung unterschiedlicher Auffassungen sei auf Bertinetto 1986, Bertinetto & Delfitto 2000 und Tatevosov 2002 verwiesen.

der Handlung werden durch morphonematische Mittel wie Affixe oder durch die Auswahl eines bestimmten Lexems realisiert, aber die grammatikalische Zuordnung zu dem einen oder anderen Verbstamm ist ein unabhängiges und zusätzliches Element jeder Verbform. Die Funktionen von Aspekt und Aktionsart überschneiden sich, weil sie demselben kognitiven Bereich der Aspektualität angehören, d.h. gemeinsam zur Gestaltung der inneren zeitlichen Struktur einer Aktion beitragen. Zur Erläuterung wird an dieser Stelle kurz der Ansatz Sgarbis 2009 vorgestellt: Fusionale Prozesse sind nicht nur im Fall morphonematischer Elemente anzunehmen, sondern sie können auch zwischen grammatikalischen Funktionen entstehen.

Dies scheint zwischen Aspekt und Aktionsart der Fall zu sein – zwei Ressourcen der Sprache, die zur Anreicherung des Wortschatzes zur Verfügung stehen.119 Sgarbi weist darauf hin, dass es wichtig ist, die zwei Kategorien theoretisch zu unterscheiden, obwohl ihr jeweiliger Einfluss auf die Bestimmung der Semantik des Verbs häufig fusional durchdrungen ist (Sgarbi 2009).

Für die vorliegende Arbeit reicht diese Einführung in die Diskussion um die Verbkategorien vollkommen aus. Die in diesen Abschnitten besprochenen Definitionen dienen als Grundlage für die Analyse der allgemeinen Bewegungsverben. Mithilfe der Darlegung der Typologie dieser Gruppe von Bewegungsverben in modernen Sprachen wurde neben der räumlichen auch die Relevanz der zeitlichen Dimension einer Bewegungshandlung gezeigt.

Eine weitere Herausforderung für die vorliegende Arbeit besteht also einerseits in der Überprüfung der Verwendungen der allgemeinen Bewegungsverben bezüglich räumlicher Deixis und andererseits in der Abgrenzung von den drei Verbkategorien des griechischen Verbsystems, welche den zeitlichen Charakter eines Verbs definieren. Anders ausgedrückt handelt es sich um die Integration der räumlichen und zeitlichen Domäne einer Handlung. Im Falle eines Bewegungsereignisses sind beide kognitiv gleichermaßen relevant.

119Anders gesagt sind Aspekt und Aktionsart prototypische Kategorien, deren genaue Abgrenzung nicht möglich ist.