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Zusammenfassung des ersten Teils

II. I. Die Koinzidenz der räumlichen und zeitlichen Dimension von Deixis: ἥκω und οἴχομαι

1 Das Verb ἥκω

1.2 Überprüfung der Bewegungsorientierung

1.2.2 Beschreibung einer Bewegung im Präsens

Auch im Fall der Beschreibung einer Bewegung im Präsens stellen die Komödien des Aristophanes ein gutes Corpus dar, weil ἥκω im Indikativ Präsens sehr häufig vorkommt (52 von 97 Gesamtbelegen im Präsensstamm) und es darüber hinaus ausreichend viele Belege des Verbs für die verschiedenen Personen gibt (1. Sg.: 12-mal; 2. Sg.: 12-mal; 3. Sg.: 13-mal; 1.

Pl.: 4-mal; 2. Pl.: 4-mal; 3. Pl.: 6-mal; 2. und 3. Du.: einmal). Von der vorigen Analyse des Imperativ-Kontextes ausgehend ist zu erwarten, dass das Verb auch hier eine Annäherung zur origo ausdrückt. Neben der stabilen zentripetalen Orientierung behält das Verb im Unterschied zum Imperativ-Kontext aber auch seine perfektive Bedeutung, sodass die beschriebene Handlung sich stets auf die Vergangenheit bezieht:145

(31)

«ἀσπάζομαι» δ’ ὁτιὴ προθύμως ἥκετε / καὶ

aspàzomai d' hotiè prothúmōs hékete kaì

begrüßen:PRS.IND.SG.1 PTCL weil freudig:ADV PRS.IND.PL.2 und συντεταμένως κοὐ κατεβλακευμένως.

suntetaménōs kou kateblakeuménōs.

willig:ADV und_NEG faul:ADV

„'Ich begrüße euch', denn ihr kommt sehr erfreut, so willig schnell und nicht faul.“ (Ar. Pl.

324-325) (32)

Ἀλλ’ ἐφ’ ὅτῳπερ πράγματι τὴν

All' eph' hótōiper prágmati tèn

Aber wegen welcher:INT.DAT Geschäft:DAT DEF.AKK.SG.F

σὴν ἥκεις γνώμην

sèn hékeis gnómēn

dein:POSS:AKK.F PRS.IND.SG.2 Meinung:AKK.SG.F

ἀναπείσας, / λέγε θαρρήσας·

anapeísas lége tharrésas;

vertrauen:AOR.PTCP.N.SG sagen:PRS.IMP.SG.2 mütig_sein:AOR.PTCP.N.SG

145Weitere Beispiele aus Aristophanes sind Ar. Ach. 91-92; Ar. Eq. 1319-1320; Ar. V. 288-289; Ar. Pax 824; Ar.

Av. 992; Ar. Lys. 985, 1074-1075.

„Auf deine Meinung vertrauend, sag mutig, wieso bist du gekommen;“ (Ar. Av. 460-461) (33)

Ἀλλ’ οὐκέτ’ ἂν κρύψαιμι. Τὸν Πλοῦτον

all' oukét' àn krúpsaimi. Tòn Ploȗton

aber nicht länger PTCL verstecken:AOR.OPT.SG.1 DEF.AKK.SG P:AKK

γάρ, ὦνδρες, ἥκει / ἄγων

gár, ôndres, hékei ágōn ho

PTCL Mann:INTJ_VOK PRS.IND.SG.3 PRS.PTCP.N.SG DEF.N.SG

δεσπότης, ὃς ὑμᾶς πλουσίους ποήσει.

despótēs hòs humâs plousíous poései.

Herr:N.SG REL.N.SG wir:AKK reich:AKK machen:FUT.IND.SG.3

„Nicht länger könnte ich es verschweigen. Leute, mein Herr ist mit Plutos heute gekommen, der euch alle reich machen wird.“ (Ar. Pl. 284-285)

(34)

Ἥκει γάρ τις δριμὺς πρέσβυς / καινὸς

hékei gár tis drimùs présbus kainòs

PRS.IND.SG.3 PTCL INDEF.N klug:N.SG alt:N.SG neu:N.SG

γνώμην / καινῶν τ᾽ ἔργων ἐγχειρητής.

gnómēn kainôn t' érgōn encheirētés.

Plan:AKK.SG neu:GEN.PL und Werk:GEN.PL Unternehmer:N.SG

„Denn Unternehmer eines neuen Werks und eines neuen Plans ist ein alter kluger Mann gekommen.“ (Ar. Av. 255-257)

In (31) begrüßt Chremylos (der Sprecher) die Ankunft des Chors: Dieser ist soeben angekommen und bereit, ihm bei der Rettung des Plutos zu helfen. Die positive Einstellung des Chors wird durch προθύμως und die vom Partizip Perfekt abgeleiteten Adverbien συντεταμένως und κατεβλακευμένως ausgedrückt. In (32) fragt der Chorführer Pisthetairos, aus welchem Grund bzw. mit welchem Ziel (ἐφ’ὅτῳπερ πράγματι) er gekommen ist. In (33) kommentiert Karion, dass sein Herr den Plutos mit zu sich nach Hause genommen hat und deshalb alle reich machen wird. In (34) meldet der Wiedehopf durch seinen Gesang die Ankunft von Euelpides und Pisthetairos: Er ruft alle Vögel zu sich, damit sie das Vorhaben der beiden Fremden hören können. Alle Verbbelege drücken offensichtlich einerseits eine Annäherung an den Standort des Sprechers aus und andererseits eine Bewegung, welche im Moment der Aussage schon abgeschlossen ist. Das sich bewegende Objekt ist zur Sprechzeit bereits in einer Ruhe-Position angelangt (SZnachBZ). In diesem Kontext liegen also beide Komponenten vor, sowohl die zentripetale Orientierung als auch der perfektive Sinn.

Die Analyse der Belege aus den Komödien des Menander zeigt keine merklichen

Unterschiede zu den Befunden aus Aristophanes: Auch bei diesen Beispielen ist die Orientierung stabil zentripetal und wie beim Imperativ-Kontext ist die Anwesenheit der Figur relevant für die Weiterführung der Handlung: Das Verb kommt auch hier oft zusammen mit dem Adverb πάλιν vor und steht damit in engem Bezug zur aktuellen Bühnenhandlung.146

Aus den hier besprochenen Beispielen wird darüber hinaus deutlich, wie selten ein direktionales Raumkomplement vom Verb gefordert wird. Von insgesamt 107 Vorkommnissen bei Aristophanes ist das Verb 67-mal ohne Raumkomplement, 10-mal mit einem ablativen Ausdruck, 9-mal mit Dativ (mit oder ohne Präposition) und 21-mal mit einem allativen Ausdruck belegt. Bereits Létoublon hat das seltene Vorkommen eines Raumkomplements im Fall des homerischen ἵκω besprochen und auf die ursprüngliche transitive Etymologie des Verbs zurückgeführt (Létoublon 1985: 145; 150 f.). Deutlich wird aus den aristophanischen Belegen, dass ἥκω nur sehr selten in Verbindung mit räumlichen Informationen auftritt.

Gelegentlich scheint es aber um eine Beschreibung der Bewegungsmotivation – wie in (32) – oder um die Präzisierung der Einstellung der sich bewegenden Figur mittels eines Adverbs bzw. eines anderen Verbs – wie z.B. in (31) und (32) – erweitert zu werden. Trotz der beobachteten Nähe von ἥκω zu der Klasse der Bewegungsverben – der transitive Satzbau ist nicht belegt – scheint ein zusätzliches direktionales Raumkomplement hier nicht notwendig zu sein. Dieses Merkmal des Verbgebrauchs kann auf die stabile perfektive Bedeutung, die durch eine niedrige Einstufung im Dynamizitätskontinuum gekennzeichnet ist, zurückgeführt und mit der ebenso stabilen Orientierung des Verbs in Verbindung gebracht werden: Weil die vom Verb ausgedrückte Relation zentripetal ist, reicht ἥκω allein für die Verdeutlichung des Verhältnisses zwischen figure und ground; streng genommen werden keine weiteren räumlichen Informationen benötigt, um die Bewegung hinsichtlich ihrer Ausrichtung zu definieren: Das Ziel der Bewegung stimmt mit der Position der origo überein.

Die Analyse der beiden Kontexte hat die Relevanz sowohl der deiktisch räumlichen als auch der zeitlichen Dimension einer Bewegungshandlung im Gebrauch von ἥκω gezeigt.

146Von den 26 Gesamtbelegen werden hier einige Beispiele vorgelegt: Men. Dysc. 264-265 ἐρρῶσθαι δὲ τῆι / θυσίαι φράσας ἥκω πάλιν πρὸς τἀνθάδε. „Ich habe das Opfer missachtet und bin wieder hierher gekommen.“; Men. Pk. 467-468 ἐκεῖθεν ἥκει χρήματ’εἰληφώς, ἐμοὶ / πίστευε· προδίδωσίν σε καὶ τὸ στρατόπεδον. „Von dort ist er gekommen, nachdem er das Geld weggenommen hat. Glaub mir, er betrügt dich und das Heer.“ An beiden Stellen ist die Bewegung bereits beendet und die sich bewegende Person hat eine Ruheposition erreicht: In Men. Dysc. 264-265 hat Sostratos nicht am Opfer teilgenommen und ist auf die Bühne, hierher (πρὸς τἀνθάδε), zurückgekommen, um sich um seine eigenen Interessen zu kümmern. Im letzten Beleg beschuldigt Sostratos Polemon, Gelder gestohlen zu haben und dann wieder zurückgekehrt zu sein: Mit diesem Verhalten betrüge er sowohl Pataikos als auch das ganze Heer. Auch in diesem Fall ist die Bewegung schon abgeschlossen und Polemons Anwesenheit ist Voraussetzung für die Weiterführung der Handlung: Sein Verhalten hat Folgen für alle anderen Figuren.

Dieser Aspekt wird anhand des Imperativs verdeutlicht: Das Verb hat hier zwar keine perfektive Bedeutung, aber die Bewegung muss im Verlauf der Handlung zeitnah durchgeführt werden. Im folgenden Abschnitt wird für die beiden nachgewiesenen stabilen Merkmale – die zentripetale Orientierung und das Zeitverhältnis SZnachBZ – eine gemeinsame Erklärung gesucht.