• Keine Ergebnisse gefunden

II. Fiktionale Darstellungen des ‚Buchs im Buch’ bis in die 1990er Jahre und postmoderne Einflüsse auf die Verwendung des Jahre und postmoderne Einflüsse auf die Verwendung des

8 Das Buch in gegenwärtigen literarisc

lfe und Archie Goodwin, Kommissar Maigret oder Philip Marlowe95. Die Comicreihe The League of Extraordinary Gentlemen (1999−2003) von Alan Moore, die 2003 verfilmt wurde, spielt im Jahr 1898 und handelt von literarischen Figuren, darunter Mina Harker, Allan Quatermain, Kapi-tän Nemo und Dr. Jekyll, die sich zur Rettung des britischen Empires zusammenschließen.

Mögliche Bezugnahmen auf bekannte Texte können aber auch Fortschreibungen sein, sei es als Verbeugung vor dem Original oder aus wirtschaftlichen Gründen, um aus der Neugier der Leser, die sich eine Ergänzung zum Beliebten erhoffen, Profit zu ziehen. Wohl hauptsächlich von den überaus erfolgreichen Vorbildern profitieren möchten die Parodien Bored of the Rings (1969) und die dreibändige Barry-Trotter-Reihe (2002−04). Eine Variante der Fortschreibungen stellen fik-tive Vorgeschichten zu den Handlungen literarischer Klassiker dar. Auf diese Weise kann sicher-gestellt werden, dass ein großes Publikum den Inhalt der Romane kennt und an zusätzlichen Informationen und weiteren fiktiven Erlebnissen der Romanhelden interessiert ist. Meist steht eine Hauptfigur im Vordergrund, deren Erlebniss

nten Romanhandlung geschildert werden, wie in Sally Beaumans Rebecca’s Tale (2001), die das

‚Vorleben’ der Titelheldin aus Daphne DuMauriers Rebecca (1938) beschreibt. Ein Sequel bildet die Fortsetzung eines bekannten Textes, wie z. B. Scarlett (1991) von Alexandra Ripley als Fortsetzung von Margaret Mitchells Gone with the Wind (1936).

Wie das vorangehende Kapitel zeigt, sind Bezugnahmen a

literarischen Figuren gewinnen die referentiellen Medien und Werke einen b

mit dem Wissen um das Bekannte spielt. Je nach Grad der Bekanntheit und des Erkennens von Anspielungen fällt der ästhetische Genuss für den Leser aus.

8 Das Buch in gegenwärtigen literarisc

genwärtige literarische Strömungen greifen auf literarische Überlieferungstraditionen zurück und bieten Raum für eine Vielzahl von Buch-Büchern. Vielfach ist aktuelle Literatur auch durch

95 Diese Konstellation erinnert an den Spielfilm Eine Leiche zum Dessert (Murder by Death, 1976, Regie: Robert Moore), der, hochkarätig besetzt, u. a. mit Truman Capote in seiner einzigen Filmrolle, zum Kultfilm wurde. Die Filmfiguren parodieren die literarischen Detektive Charlie Chan, Nick und Nora Charles aus der Thin-Man-Reihe, Sam Spade (Der Malteser-Falke), Hercule Poirot und Miss Marple.

postmoderne Konstrukte beeinflusst und verweist so auf den Zeitgeist, und neben der Tradition, in der sie verankert ist, auf einen literarischen Trend.

Ende des letzten Jahrhunderts entstanden hochliterarische Werke im Umfeld der Buch-Bücher, in denen ein intellektuelles Spiel mit dem Leser um Literatur, Perspektiven und Handlun-gen getrieben wird. Leser, lesen und das Buch als Erzählstoff im Roman erlebten 1979 einen besonderen Höhepunkt, als sowohl ein Roman für jugendliche Leser (Michael Ende: Die unend-liche Geschichte) als auch einer für Erwachsene (Italo Calvino: Wenn ein Reisender in einer Winternacht) Selb

Phi

ie Fah

A des 19.

streferenz und Metafiktionalität zum Thema der Fiktion machten96. Ein Vertreter der Post-moderne, der eine bekannte fiktive Welt als Handlungsort einsetzt, ist Christoph Ransmayrs Ro-man Die letzte Welt (1988). Darin reist ein Bewunderer Ovids in dessen Heimat, um herauszufin-den, ob Ovid tatsächlich im Exil verstorben ist. Auf seiner Reise stößt er auf eine Stadt, in der die Welt der Ovidschen Metamorphosen lebendig geworden ist.

In der fantastischen Literatur ist das ‚Buch im Buch’ ein beliebtes Motiv und gerade in der Verquickung von Realität und Fiktion und dem Überschreiten von Erzählebenen in vielen litera-rischen Milieus vielfach eingesetzt worden. Der bekannteste Roman von Science-Fiction-Autor

lip K. Dick, Das Orakel vom Berge (1962), bezieht seine Handlung zu weiten Teilen aus einem fiktiven Buch. Die Dystopie zeigt eine Alternativwelt, in der die Kriegsgegner der Alliierten den 2. Weltkrieg gewonnen haben. In dem in der Erzählwirklichkeit verbotenen ‚Buch im Buch’ „The Grasshopper lies heavy“ werden die Zustände der Erzählwelt beschrieben. Mithilfe des Heuschre-ckenbuchs entdecken die beiden Protagonisten letztlich, dass ihre Welt die eigentliche Fiktion ist.

Ray Bradburys inzwischen hauptsächlich als Schulbuchklassiker wahrgenommene Dystop renheit 451 (1953) zeigt weniger das Buch als vielmehr seine Abwesenheit. Im geschilderten tota-litären System haben Bücherverbrennungen im Zuge eines Buch- und Leseverbots den Zweck, das Gedächtnis der Menschheit auszulöschen. Erst angesichts ihrer Vernichtung wird den Menschen klar, wie wichtig Bücher für Menschen sein können: ”There must be something in books, things we can’t imagine, to make a woman stay in a burning house; there must be something there. You don’t stay for nothing.”97

Als ‚Buch im Buch’ kann eines der größten Werke der Weltliteratur auch in einem Thriller auf-treten. In The Dante Club (2003) schildert Matthew Pearl einen Serienmörder in den US

Jahrhunderts, der sich am Vorbild von Dantes Göttlicher Komödie orientiert98. Die Opfer werden den bei Dante beschriebenen infernalischen Strafen zugeführt, obgleich das Werk in den USA zur

96 Vgl. Löffler (2005), S. 12.

97 Ray Bradbury: Fahrenheit 451 [zuerst 1953]. Hg. v. Norbert Köhn. Stuttgart: Reclam, 1991, S. 67.

98 Darüber hinaus zeigt der Roman auffällige Parallelen zu dem David-Fincher-Thriller Sieben (1995), in dem ein Serienmörder die sieben Todsünden inszeniert. Auch dieser Antagonist ist außergewöhnlich belesen und zitiert kanonische klassische Literatur, wenn er der Polizei Hinweise zu seiner Person gibt, z. B. Chaucer, Shakespeare oder Milton.

Zeit der Romanhandlung noch kaum bekannt war und somit nur der titelgebende Literaturclub die Zusammenhänge erkennt. Ein weiterer Roman von Pearl, The Last Dickens (2009), befasst sich mit dem verschwundenen letzten Kapitel zu Dickens’ angeblich unvollendetem letzten Roman.

Buch-Bücher gab es zu allen Zeiten, das Motiv ‚Buch im Buch’ seit es Bücher gibt. In heu-alls, und zwar auffallend häufig.

n der postmodernen Aneignung des Stilmittels ‚Buch im Buch’

aus

ssant geworden, man wollte etwas Neues wagen. Postmoderne be-deu

die „modernistische Kritik am Rationalismus, am Hegelianismus, am Vernunft- und Subjekt-tigen literarischen Strömungen zeigt sich das Buch-Motiv ebenf

Dies mag zum einen an der literarischen Tradition liegen, in der die Romane stehen, zum anderen mögen aktuelle Entwicklungen, wie die Ausbildung neuer medialer Technologien, die besondere Beachtung des Buchs, als aussterbendes und dennoch überlebendes Medium, bedingen.

9 ‚Buch im Buch’ und postmoderne Einflüsse

Postmoderne Literatur ist geprägt von Intertextualität, Metafiktionalität und Kontextualität, ideale Bedingungen also, ein Buch im Buch zu reflektieren. Ein starkes Merkmal postmoderner Literatur ist es, dass sie Lesen und Schreiben als Selbstreferenzierung von Literatur ins Zentrum stellt. Hier ist es allerdings auch üblich, den Text auf unterschiedlichen Leseebenen verständlich und vergnüglich zu gestalten, so dass unterschiedliche Adressatengruppen z. B. Der Name der Rose als Mönchskrimi ebenso zu goutieren vermögen wie als hochliterarische philosophisch-theologi-sche Erörterung. Die Krise der Objektivität, die der Radikale Konstruktivismus beschreibt, (vgl.

Kap. III.4.1) drückt sich auch i

, denn jeder Leser besitzt eigene subjektive Assoziationen mit dem Buch, so dass unterschied-liche Leseebenen möglich werden. Die folgenden Ausführungen zur literarischen Postmoderne sind nicht als tiefergehende Auseinandersetzung mit dieser Strömung gedacht, da sie hauptsäch-lich versuchen, einen Überblick über postmoderne Charakteristika in Romanen zu bieten, die Buch und Lesen thematisieren.

Die Postmoderne als gesellschaftlicher, philosophischer und auch künstlerischer Diskurs zeigte ihre ersten Ausprägungen als ‚Nach’-Moderne ausgehend von den USA in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und war zunächst ein Sammelbegriff besonders für neue Entwicklun-gen in der Architektur. Jedoch sind sowohl Berechtigung als auch Definition dieses Terminus umstritten und uneindeutig. Die ästhetischen Konzepte der Moderne hatten sich eingeschliffen und abgenutzt, waren unintere

tet immer auch Überwindung oder ‚über etwas hinausgehen’. Wo die Moderne vor allem mit dem Erbe der Aufklärung identifiziert wird und rationalisiert99, führt die postmoderne Literatur

99 Vgl. Peter V. Zima: Moderne − Postmoderne. Gesellschaft, Philosophie, Literatur. 2. A. Tübingen & Basel: 2001, S. 23.

Zima verweist hier auf Jürgen Habermas’ Aufsatz „Die Moderne − ein unvollendetes Projekt“.

begriff“100 weiter und radikalisiert sie. In der Folge bezieht sich die literarische Postmoderne u. a.

auf Konzepte der Romantik.

Im postmodernen Roman findet die Postmoderne ihre literarische Manifestation. Dieser geht über die literarischen Strukturen der Moderne hinaus und probiert als „Experimentierfeld“101 neu

als typischer Roman der Postmo-der

S jektivität, e Wirklichkeit und Sinn außer Kraft setzt und dekonstruiert, bzw. abwandelt oder sogar parodiert. Obwohl es schwierig ist, den Terminus ‚Postmoderne’ scharf zu umreißen, wird

erst für sich konstruieren, um sie zu verstehen.

us als Konstrukt erkennbar, außerdem sind die Kon-e WKon-egKon-e dKon-es litKon-erarischKon-en SchrKon-eibKon-ens aus. DabKon-ei bKon-etont dKon-er postmodKon-ernKon-e Roman dKon-en spiKon-elKon-e- spiele-rischen Aspekt und lässt Sinnfindung durch Kunst eher außer Acht. Für von der Postmoderne beeinflusste Künstler ist bei der Schaffung von Kunst alles möglich, denn kein künstlerisches Produkt ist mehr wirklich neu, da jeder Künstler auf bereits Bekanntes zurückgreift und verweist.

Der postmoderne Roman hatte seine meist beachtete Zeit in der 1980er Jahren. Als typisch gelten zum einen die Schriften von Jorge Luis Borges, der die Vermischung von Realität und Konstruktion bzw. Fiktion ebenso schätzte wie die Täuschung des Lesers in einem intellektuellen Spiel. Zum anderen gilt Umberto Ecos Der Name der Rose

ne102, der das Konzept einem breiten Publikum bekannt machte. Durch alle Leserschichten hatte der Roman Erfolg, wie es dieser Art des Schreibens entspricht. An diesem Roman lassen sich beinahe alle Merkmale des postmodernen Schreibens beispielhaft zeigen, besonders Aspekte der Intertextualität und Metafiktionalität.

Das Charakteristische an der postmodernen Schreibart ist, dass sie Narrativität, ub Identität sowi

im Anschluss versucht, anhand dieser Faktoren einige Charakteristika des postmodernen Schrei-bens zu benennen, die jedoch nicht exklusiv in postmoderner Fiktion zu finden sind103.

Narrativität

 Die Erzählweise ist nicht linear, die Handlungselemente, die auch fragmentarisch sein kön-nen, folgen vielmehr einer nicht-chronologischen Abfolge. Der Leser muss das Geschehen, die Handlung

 Das Werk ist dabei durcha

mechanismen des Autors durchschaubar. Dieser Aspekt lehnt sich an den Radikalen

100 Ebd., S. 238.

101 Ruth Mayer: Art. „Postmoderne, Postmodernismus“. In: Nünning (32004), S. 543f, hier S. 544.

102 Vgl. Teresa de Lauretis: „Das Rätsel der Lösung − Umberto Ecos Der Name der Rose als postmoderner Roman“.

In: Andreas Huyssen & Klaus R. Scherpe: Postmoderne. Zeichen eines kulturellen Wandels. Reinbek: Rowohlt, 1986, S. 251−269.

103 Vgl. dazu Mayer (32004), S. 543f; Hans Ulrich Gumbrecht: Art. „Postmoderne“. In: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. 3., neubearb. A. Berlin & New York: de Gruyter. Bd. 3 P−Z. Hg. v. Jan-Dirk Müller, 2003, S. 136−140; Andreas Huyssen: „Postmoderne − eine amerikanische Internationale?“. In: Huyssen & Scherpe (1986), S. 13−44 sowie Magret Möckel: Erläuterungen zu Peter Stamm: Agnes, Hollfeld: Bange, 2001, S. 13f.

struktivismus an, dem gemäß die Welt nur ein Produkt der eigenen Wahrnehmung eines Indi-viduums ist.

 Besondere Erzählstruktur:

- Der Erzähler wendet sich an den Leser, der aktiv ins Geschehen einbezogen wird - In einem Text werden verschiedene Erzählmodi und -stimmen eingesetzt.

 Der Text verwendet Umgangs- und Alltagssprache, unterschiedliche Sprachebenen und -register.

Metafiktion: Als ‚Fiktion über Fiktion’ referenziert der Text auf andere Werke oder sich selbst

Kontextualität: Der Text ist begründet auf einem früheren, der als Subtext sichtbar ist. Dieses

aufgelöst, die Genregrenzen verschwimmen, ride Genres entstehen („Mystery“). Damit einhergehend wird die Grenze zwischen Unterhaltungs- und Hochliteratur, zwischen E- und U-Kultur, aufgeweicht und überschritten.

Subjektivität

und reflektiert dabei sich selbst. In einer unendlichen Steigerung liest der Leser z. B. über ein Buch, das denselben Titel trägt wie das vorliegende, wobei er sich selbst im fiktiven Leser erkennen kann. Postmoderne Metafiktion ist inspiriert von der Romantischen Ironie (vgl.

Kap. III.7.2.4.4), die den Text im Text selbst reflektiert und das Spiel mit den Erwartungen des Lesers auslotet.

Selbstreferenz, Metatextualität: Der Autor flicht Reflexionen über Schreiben und Lesen sowie über den Entstehungsprozess des Geschriebenen in den Text ein. Hierzu zählt auch die mit dem Motiv des Buchfundes verwandte Herausgeberfiktion, wenn ein fiktiver Herausgeber behauptet, den vorliegenden Text von Dritten erhalten zu haben und nun zu veröffentlichen oder die Geschichte von jemand anderem zu übersetzen (vgl. Kap. II.1.3.1).

Merkmal tritt allerdings nicht originär im postmodernen Roman auf. Auch der moderne Ro-man der Neuzeit bringt Anspielungen auf andere Werke der Weltliteratur ein oder verwendet bekannte Stoffe als Subtext, u. a. verweist das beinahe schon klassische Beispiel von James Joyce’ Ulysses (1918/19) auf Odysseus’ Abenteuer; Thomas Manns Dr. Faustus (1947) auf die Faustsage.

 Die trennenden Gattungszuordnungen werden so dass hyb

 Techniken verschiedener Medien werden vermischt, z. B. kommen Strategien des Films in Romanen vor („It is necessary to use the same weapons as the enemy, his tricks and traps; that is to say, you have to put cinema and television into books.“104)

104 Anne L. Walsh: Arturo Pérez-Reverte. Narrative tricks and narrative strategies. Woodbridge etc.: Tamesis, 2007, S. 123.

Die Autorin gibt ein Zitat von Arturo Pérez-Reverte in Übersetzung wieder.

 Die Möglichkeit zur Selbstbestimmung des Subjekts wird in Frage gestellt, der Protagonist fühlt sich ‚fremd gesteuert’. Der Text setzt sich deshalb intensiv mit einem Protagonisten

aus- Der postmoderne Held ist mit seinen Schwächen und Unzulänglichkeiten ein Anti-Held, der

zersplittert ist.

Wirklichkeit

 Realität und Mythen oder Wunderbares verschmelzen auf der Ebene der Fiktion, fantastische

ise, aber auch explizite Bezüge auf

zugeben, was mitunter

einander, aus dessen Perspektive erzählt wird und dessen Innensicht, z. B. durch eine interne Fokalisierung oder erlebte Rede, vorgeführt wird.

Raum zur Identifikation bietet.

 Objektivität ist kaum möglich, die Welt nicht objektiv erfahrbar, da sie in die persönlichen Empfindungen, Erfahrungen und Anschauungen des Einzelnen

Identität

 Das Individuum ist sich seiner selbst nicht mehr sicher und zweifelt an sich und seiner Rolle in der Gesellschaft.

Elemente werden in den Text eingebracht. Realität und Fiktion sind sowohl auf der fiktiven Ebene als auch in der Realität kaum noch unterscheidbar.

Sinn

Intertextualität: Zitate, Anspielungen, intertextuelle Verwe

andere kulturelle Werke der Literatur, des Films, der Musik, der Wissenschaft oder der bil-denden Kunst etc. sind Teil des Textes. Es wird auf Bekanntes rekurriert, dieses wird demon-tiert und neu zusammen gesetzt statt einem Innovationszwang105 nach

als „eklektizistische […] Zitatkunst“106 empfunden wird.

 Es herrscht ein Nebeneinander mehrerer Lesarten des Textes. Der Text verweist auf ver-schiedene Bezugsebenen, so dass der Leser unterschiedliche Schlüsse aus dem Gelesenen zie-hen kann, wie es bei beinahe jedem (fiktionalen) Text der Fall ist.

Mehrfachkodierung: Der Text berücksichtigt unterschiedliche originäre Erwartungshaltungen von Lesern an den Text und eröffnet multiple Zugangsmöglichkeiten. Ein Dechiffrieren und Verstehen des „mehrfach codierte[n]“107 Textes auf verschiedenen Ebenen ist möglich und wird hervorgerufen durch die Vielfalt der intertextuellen und -kulturellen Bezüge. Der

Normal-105 Eben diesen „Innovationszwang“ sieht allerdings Gero von Wilpert in seinem Überblick über die Postmoderne als literarischem Phänomen als deren Merkmal, vgl. Gero von Wilpert: Art. „Postmoderne, Postmodernismus“.

In: Ders.: Sachwörterbuch der Literatur. 8., verb. u. erw. A. Stuttgart: Kröner, 2001, S. 627f, hier S. 628.

106 Huyssen (1986), S. 13.

107 Gumbrecht (2003), S. 136−140, hier S. 139.

leser und damit ein Massenpublikum kann den Text als ‚einfache’, unterhaltsame Geschichte genießen. Darüber hinaus wird dem vorgebildeten Leser ein ‚Erkennen’ der Verweise ermög-licht und, je mehr Chiffren er zu deuten und ‚Leerstellen’ zu füllen vermag, ein Mehr an intel-lektuellem Vergnügen beim Lesen zuteil. Der Autor wiederum kann auf diese Weise ebenfalls

eute, etwa 30 Jahre nach seiner Blütezeit, zwar nicht mehr rich-tungsweisend, seine Merkmale werden aber immer noch häufig angewandt. Dabei muss beachtet

rne, auch in der Literatur, keine chronologisch aufeinander

Moden und epochentpyischen Ten

erbunden ist die häufigere Verwendung

sein kulturelles Wissen und seine literarische Kenntnis unter Beweis stellen und in Kommuni-kation mit dem Leser treten, der als Deutungsinstanz an der Konstruktion des Textes betei-ligt ist und somit gegenüber dem Autor aufgewertet wird: „[…] postmodern writing challenges us because it requires its reader to be an active co-creator of meaning rather than a passive consumer.“108

Das postmoderne Schreiben ist h werden, dass Moderne und Postmode

folgenden oder aufbauenden Systeme sind, sondern, neutral formuliert, „Problematiken“109, die auch neben einander existieren.

10 Zusammenfassung

Es konnte gezeigt werden, dass es unabhängig von literarischen

denzen zu jeder Zeit Darstellungen von Büchern in Büchern gab und gibt. Das ‚Buch im Buch’ findet sich als literarisches Motiv gerade in aktueller Romanliteratur und den für das unter-suchte Korpus ausgewählten Titeln wieder. Gewandelt hat sich allerdings die Art und Weise, wie das Buch porträtiert wird und wie der Leser mit ihm interagiert.

Fiktionale Literatur ist untrennbar mit dem Medium Buch verbunden. Das Buch steht dabei im Kontext des Lesens zur Unterhaltung auch immer für die Gattung Roman, der seit seinem Aufstieg im ausgehenden 18. Jahrhundert zur erfolgreichsten Literaturgattung und damit zum Synonym für das Printmedium Buch wurde. Im Roman steht wie das ‚Buch im Buch’ aber auch der Leser im Vordergrund. Seit der Aufwertung des Lesers und seines Rezeptionsprozesses in der Literaturwissenschaft seit etwa den späten 1960ern wird in der Romanliteratur ein besonderer Akzent auf den Leser gesetzt. Erst durch den Leser und seine Textrezeption wird der Gegen-stand Buch lebendig und seiner Bestimmung zugeführt, ungelesen ist das Buch nutzlos. Der Leser animiert das Buch und wird gleichzeitig selbst aktiv. In den Romanen zeigt dies die Inter-aktion des Protagonisten mit dem Buch, figurativ ist hier der stärker in den Fokus gerückte Rezeptionsprozess des Lesers gemeint. Der Leser wird neben dem Autor aufgewertet, der nicht mehr allein für das Werk verantwortlich sein soll. Damit v

108 Bran Nicol: The Cambridge Introduction to Postmodern Fiction. Cambridge: Cambridge University Press, 2009, S. XIV.

109 Zima (22001), S. 25.

des

ch dem ‚einen’, besonderen und solitären Buch, was aus

ter kennenlernen mö

Motivs ‚Buch im Buch’ und elaborierter Erzähltechniken, die explizit Lesen und Buch als Teil der Handlung thematisieren und den Leser in die Fiktion einbeziehen. Der Status des Buchs als Fiktion in der Fiktion wird nun reflektiert, es ist außerdem möglich, dass der Protagonist auf der Fiktionsebene zu ahnen beginnt, dass er nur Fiktion ist.

In der aktuellen Romanliteratur findet eine Akzentverschiebung vom ‚lesenden Helden’, der durch seine Lektüre erzogen werden soll, hin zum Fokus auf das Buch und seine Interaktion mit dem (Leser-)Protagonisten statt. In den neueren Darstellungen des ‚Buchs im Buch’ als Motiv in der Romanliteratur erfährt der Protagonist durch ein Buch, das einen besonderen Eindruck auf ihn macht, eine Veränderung: Das Buch ist also neben dem Leser ebenso ein Protagonist. Hier kann es sehr wohl der Fall sein, dass das ‚Buch im Buch’ gar nicht gelesen wird, das bedeutet, es wird nicht der Leseprozess geschildert, sondern die Interaktion des Protagonisten mit dem gegenständlichen Buch. Das Buch wird nunmehr als Objekt wichtig. Das Buch zeigt sich hier mitunter als abgelöst von seinem Inhalt und erlangt als ‚Buchschatz’ Bedeutung, was mit der Erkenntnis des Buchs als Handelsware zusammenhängt. Heute ist ein beliebtes Motiv in der Romanliteratur die abenteuerliche Suche na

der Sicht des heutigen Buchmarkts und seiner sich immer schneller drehenden Massenpro-duktion fast paradox erscheint. Als Unikat wird das Buch rätselhaft, exotisch und geheimnisvoll, Charakteristika, die mit dem Buch-Motiv gekoppelt die Handlung steuern und mit dem Genre des Romans in Wechselbeziehung stehen.

In der literarischen Welt des 18. Jahrhunderts dagegen stand der Autor eindeutig im Vorder-grund, nicht der Leser. Mit der empathischen Lektüre ging ein besonderes Interesse am Autor einher, was exemplarisch die zeitgenössische Verehrung Rousseaus verdeutlicht. Die Bindung an den Text beförderte eine Bindung an den Autor, die auch im heutigen Literaturbetrieb und in

In der literarischen Welt des 18. Jahrhunderts dagegen stand der Autor eindeutig im Vorder-grund, nicht der Leser. Mit der empathischen Lektüre ging ein besonderes Interesse am Autor einher, was exemplarisch die zeitgenössische Verehrung Rousseaus verdeutlicht. Die Bindung an den Text beförderte eine Bindung an den Autor, die auch im heutigen Literaturbetrieb und in