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Abgrenzung zu ausgelassenen Themenbereichen .1 Jugendliteratur .1 Jugendliteratur

III. Typologie des Buch-Motivs 1 Zur Motivuntersuchung 1 Zur Motivuntersuchung

1.1 Zu Korpus und Motivuntersuchung

1.1.1 Korpus an untersuchten Romanen .1 Identifikation der Korpus-Titel .1 Identifikation der Korpus-Titel

1.1.1.3 Abgrenzung zu ausgelassenen Themenbereichen .1 Jugendliteratur .1 Jugendliteratur

Das Thema des lesenden Protagonisten, der in eine fiktive Welt einbezogen wird und diese ver-ändern oder sogar erschaffen kann, bzw. eine Vermischung von Fiktion und Realität mit intertex-tuellen Bezügen, tritt nicht nur in Literatur, die ein erwachsenes Lesepublikum ansprechen soll, auf, sondern auch in der aktuellen Jugendliteratur, die das öffentliche Bewusstsein, spätestens seit J. K. Rowlings Harry-Potter-Reihe, verstärkt zur Kenntnis nimmt. Hier zeigt sich eine wahre Flut an Titeln, vor allem aus dem Bereich Fantasy, die einen Bezug zu Büchern und Lesen aufweisen, womöglich ein neuer Trend von Erzählungen, deren doppelt fiktive Welt in die Welt der Erzäh-lung hineinragt.

Zu nennen wäre hier neben Jostein Gaarders Bibbi Bokkens magische Bibliothek (2001) vor allem Cornelia Funkes Tintenwelt-Trilogie, die zum Welterfolg und (natürlich) auch erfolgreich verfilmt wurde. Bereits 1979 machte Michael Endes Die unendliche Geschichte Furore. Auch hier ist der jugendliche Held dazu in der Lage, dem Gelesenen zum Leben zu verhelfen und selbst ein Teil der Erzählwelt zu werden. Dieses Buch, und sicher auch seine dreiteilige filmische Umsetzung, war so beliebt, dass sich der Jugendbuchautor Ralf Isau einer Sammlung von weiteren Geschich-ten aus dem fiktiven Fantasien annahm, die unter dem Titel Die geheime Bibliothek des Thaddäus Till-mann Trutz (2003) erschien. In seinem im Exil verfassten Jugendbuch Haroun and the Sea of Stories (1990) schildert Salman Rushdie anhand des Meers der Geschichten, das im Krieg zwischen zwei

Staaten zu versiegen droht, die Macht der Literatur. Auch hier muss eine fiktive Welt der Fantasie vor einer Bedrohung geschützt werden. Die Beispiele ließen sich noch beliebig fortsetzen.

Jedoch bleibt in dieser Untersuchung die Jugendliteratur ausgeklammert. Das Motiv ‚Buch’ ist in dieser Art Literatur anderen Gesetzen unterworfen als in den Romanen, denen sich diese Arbeit widmet. Bei Jugendbüchern kann man davon ausgehen, dass das ‚Buch’ stets einen fik-tionalen Inhalt bereithält, der das Leben des Protagonisten verändert und prägt, während dies in Romanen für ein vorwiegend erwachsenes Publikum nicht zwingend gegeben ist. Außerdem soll das ‚Buch’ in Jugendliteratur hauptsächlich, so kann man behaupten, als Mittel der Leseerziehung dienen116: Das Buch wird als spannende Möglichkeit gestaltet, fiktive Welten zu erschaffen − Löffler spricht von einem „Tummelplatz lesepädagogisch entflammter Jugendbuch-Autoren“117. In diesen Buchwelten kann der Leser derart versinken, dass er sich in seiner Position als Leser dazu in der Lage sieht, an diesem Abenteuer teilzuhaben, indem ihm der lesende jugendliche Held große Identifikationsmöglichkeiten bietet118. So wird der jugendliche Leser an das Lesen als Freizeitbeschäftigung herangeführt.

Ein erwachsener Leser soll selbst das Lesen als Vergnügen für sich entdecken, wobei ihm Buch-Bücher, die rätselhafte Selbstbezüge und Identifikationsmöglichkeiten mit einem Leser-protagonisten bieten, als Entscheidungshilfe dienen sollen.

1.1.1.3.2 Romane um Bibliotheken und Buchhandlungen

Neben den Romanen, in denen das Buch als Motiv in Erscheinung tritt, sind gerade in den letzten Jahren auf dem deutschen Buchmarkt eine beträchtliche Anzahl an Romanen erschienen, die Bi-bliotheken und Buchhandlungen, Bibliothekare, Antiquare und Buchhändler sowie die Macht des Lesens in den Mittelpunkt stellen119: Essentiell für die vorliegende Untersuchung ist, dass sie nur Romane zulässt, die ein besonderes Buch in den Fokus rücken, und keine Romane untersucht, in denen Bücher vorrangig als Setting und stimmungsvolle Kulisse vorkommen, wie z. B. in Romanen, deren Protagonist oder Protagonistin in einer Buchhandlung oder Bibliothek lediglich tätig ist120.

Als Varianten des Büchermenschen tauchen Bibliothekarinnen und Bibliothekare in der Ro-manliteratur besonders häufig auf121, und das vor allem in Detektiv-122 oder Kriminalromanen.

116 Vgl. Siebeck (2009), S. 207.

117 Löffler (2005), S. 12.

118 Vgl. dazu Jost Schneider: Sozialgeschichte des Lesens. Zur historischen Entwicklung und sozialen Differenzierung der literarischen Kommunikation in Deutschland. Berlin & New York: de Gruyter, 2004, S. 418.

119 Vgl. dazu auch Löffler (2005), S. 8, die den Leser im Roman als „neuartige[n] Typus“ bezeichnet.

120 Dazu gehören u. a. Penelope Fitzgerald: Die Buchhandlung (1989/dt. 2000); Allen Kurzweil: Die Leidenschaften eines Bibliothekars (2001/dt. 2002); Regis de sa Moreira: Das geheime Leben der Bücher (2004/dt. 2005); Karen J. Fowler:

Der Jane-Austen-Club (2004/dt. 2005); Sheridan Hay: Die Antiquarin (2007/dt. 2007) oder Martin Zusak: Die Bücherdiebin (2008).

121 Eine umfangreiche Zusammenschau von Bibliotheken in Literatur und Film bietet Anne-Marie Chaintreau:

Drôles de bibliothèques. Le thème de la bibliothèque dans la littérature et le cinema, 2. éd., rev. et augm., Paris: Éd. du Cercle

Detektivromane jedoch sind im Korpus zu finden, z. B. Der Club Dumas − hier ist auch der biblio-phile und/oder literaturbegeisterte Detektiv anzutreffen. Die Bibliothek selbst ist ein beliebter Schauplatz für Verbrechen und damit Ausgangspunkt für Detektiv- oder Kriminalgeschichten, man denke nur an Agatha Christies typische Tote in der Bibliothek (1942). Offensichtlich werden in diesem Motiv zwei Dinge vereint, die nicht zusammenpassen: Das Erschreckende dringt in den ruhigen, wohlgeordneten Raum der Bibliothek ein, der einerseits ehrwürdig oder gemütlich und somit unverdächtig anmutet. Allerdings symbolisiert das in den Büchern angesammelte Wissen auch schon die Aufklärung des Verbrechens, Wissen ist aber auch oft dessen Grund.

Doch auch die Bibliothek wird nicht im Vordergrund meiner Untersuchungen stehen. In die Untersuchungen werden die Romane über Bibliotheken und Bibliothekare nicht einbezogen, da spätestens seit dem großen Erfolg von Der Name der Rose (1980) (historische) Bibliotheksromane bereits bestens erforscht sind123. Die Konnotationen, die der Bibliothek in fiktionalen Darstellun-gen zugesprochen werden, z. B. das Gemütliche, Altertümelnde und Rätselhafte, treffen auch auf die Atmosphäre zu, die die ‚Bücher in den Büchern’ hervorrufen.

Außerdem nicht zu vernachlässigen ist der Trend der Sachbücher über das Bücherlesen124 (vgl. Kap. III.6.3): Das Thema Bücher und Lesen ist heute populär und wird populär dargeboten.

Das Lesen werde allerdings laut Löffler „in den Sachbüchern beschrieben und erläutert, als handle es sich um eine ferne, halb verschollene Kulturtechnik“125. Der Literaturbetrieb, Autoren, Kritiker und andere Buch- und Lesefreunde, reflektiert sich selbst und seine tägliche Lesetätig-keit, möglicherweise mit dem Ziel, diese auch anderen Menschen, ob schon Leser oder nicht, interessant zu machen − hier lässt sich ein postmoderner Trend ausmachen, über das Lesen und das Schreiben zu schreiben. Neben Sachbüchern, die das Buch thematisieren, erscheinen ver-mehrt Sammlungen über das Lesen und den Leser in literarischen Darstellungen, die allerdings größtenteils nur Paraphrasen literarischer Leseszenen bieten, und keiner übergreifenden

de la Librairie, 1993, 11990, Gottfried Rost stellt in „Die vielen Bücher! Haben Sie die alle gelesen?“ Buch und Bibliothekar im Spiegel der Literatur betrachtet, Leipzig: Dt. Bücherei, 1981, literarische Darstellungen von Bibliothekaren vor. − Sammlungen von Romanen, Spielfilmen und TV-Serien, in denen Bibliotheken und Bibliothekare vorkommen, bieten die Websites [http://web.simmons.edu/~schwartz/bibmyst.html], [http://www.bibliomysteries.com] sowie [http://www.8ung.at/library_mistress/berufsbild/berufsbild-belletristik.html]. Interessanterweise liegt auch hier der Sammlungsschwerpunkt auf Detektivgeschichten.

Letztere Website führt auch Sekundärliteratur auf.

122 Vgl. Jane Merrill Filstrup: „The Shattered Calm: Libraries in Detective Fiction“, Wilson Library Bulletin 1978, Vol. 53, Issue 4, S. 320−327 & Issue 5, S. 392−98, hier S. 398.

123 Vgl. u. a. Stocker (1997), siehe auch Anm. 11 u. 12 zu diesem Kapitel.

124 Vgl. u. a. Daniel Pennac: Wie ein Roman (1992/dt. 1994); Alberto Manguel: Eine Geschichte des Lesens (1996/dt.

1998); Tagebuch eines Lesers (2004/dt. 2005), Die Bibliothek bei Nacht (2007/dt. 2007); Anne Fadiman: Ex Libris.

Bekenntnisse einer Bibliomanin (2000/dt. 2005); Matthew Battles: Die Welt der Bücher. Eine Geschichte der Bibliothek (2002/dt. 2003); Nick Hornby: Mein Leben als Leser (2004/dt. 2005); Ulrich Greiner: Leseverführer. Eine

Gebrauchsanweisung zum Lesen von schöner Literatur (2005); Steven Gilbar: Bibliomania. Ein listenreiches Buch über Bücher (2005/dt. 2006); Olaf Irlenkäuser & Rainer Vollmar: Das Buch der Bücher (2006); Stefan Bollmann: Warum Lesen glücklich macht (2007) oder Alexander Pechmann: Die Bibliothek der verlorenen Bücher (2007).

125 Löffler (2005), S. 8.

schungsfragestellung unterliegen. Die Thematisierung des Buchs wird hier lediglich als „leichte germanistische Fingerübung“ verstanden, die, von der Forschung abschätzig als „kommentierte Florilegien“126 bezeichnet, den Buchliebhaber erfreut, aber weniger als Gegenstand ernsthafter Forschungen in Betracht gezogen werden kann und soll127.