ie Einigung über die künftige Rolle von Allgemeinärzten und Internisten in der ambu- lanten Versorgung kam im Septem- ber vergangenen Jahres für viele Be- obachter überraschend. Nach jahre- langem Gezerre um Honoraranteile und Zuständigkeiten in der Patien- tenversorgung war der Kassenärztli- chen Bundesvereinigung (KBV), dem Berufsverband der Allgemein- ärzte Deutschlands (BDA) und dem Berufsverband Deutscher Interni- sten (BDI) ein Kompromiss gelun- gen, der berechtigte Hoffnungen auf ein schiedlich-friedliches Miteinan- der weckte (siehe Deutsches Ärzte- blatt, Heft 36/1999). Doch die neue Harmonie zeigt bereits erste Risse.
Unter den niedergelassenen Fachärzten geht die Angst vor mas- siven Honorareinbrüchen um. Der Grund liegt nicht in der damals ver- einbarten Gliederung der Versor- gung. Vielmehr geht es um die ge- setzlich vorgeschriebene Trennung der kassenärztlichen Gesamtvergü- tung in einen hausärztlichen und fachärztlichen Anteil. Der Gesetz- geber hat damit im GKV-Gesund- heitsreformgesetz 2000 (§ 85 Abs.
4 a) den gemeinsamen Bewertungs- ausschuss von Kassenärztlicher Bun- desvereinigung und Krankenkassen beauftragt.
Eine zentrale Zielvorgabe war, bei der Berechnung der jeweiligen Vergütungsanteile das für die Haus- ärzte günstigste Jahr zwischen 1996 und 1999 heranzuziehen, denn die hausärztliche Versorgung soll nach
dem Willen des Gesetzgebers nach- haltig gestärkt werden. Hier kommt den Hausärzten die EBM-Reform aus dem Jahr 1996 entgegen, die (kurzfristig) eine Ausweitung und deutliche Besserbewertung von Ge- sprächsleistungen zur Folge hatte.
Bei der Aufteilung der Vergü- tung bewirkt dies nach Berechnun- gen des Bewertungsausschusses Ho- norarverschiebungen um rund sie- ben Prozent zulasten der Fachärzte.
Dies ist allerdings ein bundesweiter Durchschnittswert. In den Regionen kann es aufgrund der unterschiedli- chen Honorarverteilungsmaßstäbe zu sehr viel größeren Verwerfungen kommen. Im Einzelfall, so der Vor- sitzende der KBV, Dr. med. Manfred Richter-Reichhelm, seien durchaus Punktwertdifferenzen von bis zu 30 Prozent zwischen den Haus- und Fachärzten denkbar.
BDA-Attacke gegen den KBV-Vorstand
Für den Berufsverband der All- gemeinärzte war diese Einschätzung Grund genug, dem KBV-Vorstand die Fortsetzung „seiner hausarzt- feindlichen Politik“ vorzuwerfen.
Der BDA-Vorsitzende, Prof. Dr.
med. Klaus-Dieter Kossow, sieht fol- gerichtig im Ergebnis der Vergü- tungstrennung nicht mehr als die vom Gesetzgeber gewollte Existenz- sicherung der Hausärzte, die immer noch am Ende der Einkommensskala stünden.
Gleichwohl sind die Befürch- tungen der Fachärzte nicht von der Hand zu weisen. Sie sind nämlich von der Aufteilung der Vergütung in dreifacher Hinsicht betroffen: Ei- nerseits erhalten die Hausärzte ei- nen relativ höheren Anteil. Ande- rerseits lassen sich nach wie vor deutlich mehr Fachärzte nieder, so- dass der „kleinere Topf“ künftig für noch mehr Ärzte reichen muss. Und drittens werden auch die Honorare der Psychotherapeuten – einschließ- lich der Psychologischen Psychothe- rapeuten – aus dem Facharzt-Topf gespeist.
So richtet sich die Kritik des Be- rufsverbandes der Internisten auch nicht gegen die KBV, sondern gegen die rot-grüne Bundesregierung. Der BDI glaubt, dass hinter all dem der Versuch steckt, die niedergelassenen Fachärzte finanziell auszubluten. Der Regierung sei es vielleicht gar nicht so unlieb, mutmaßen die Internisten, wenn mehr und mehr Fachärzte auf der Strecke blieben. Gut möglich, denn Rudolf Dreßler (SPD) und an- dere Sprecher der Koalition haben wiederholt erklärt, dass es ohnehin zu viele niedergelassene Ärzte, vor allem Fachärzte, gebe.
Sitzt der „Feind“ demnach in Berlin? Die niedergelassenen Ärzte haben die Wahl, ob sie sich nun wie- der mit gegenseitigen Attacken läh- men oder gemeinsam verdeutlichen, dass die ambulante Vergütung insge- samt nicht ausreicht, um eine hoch- wertige Versorgung auf Dauer si- cherzustellen. Josef Maus A-965
P O L I T I K LEITARTIKEL
Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 15, 14. April 2000