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Archiv "Ambulante Versorgung: Fachärzte wollen Kooperation und freie Arztwahl" (22.06.2001)

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ur 35 Prozent der Patienten, die bei einem Facharzt vorstellig wer- den, konsultieren vorher einen Hausarzt. Von diesem Drittel werden zehn Prozent ohne Begleitdokumenta- tion und ohne Überweisungsschein ge- schickt, bei weiteren zehn Prozent sind die Angaben des Überweisungsscheins nicht verwertbar.

Das sind die Ergebnisse einer Um- frage der Gemeinschaft Fachärztlicher Berufsverbände (GFB), die bereits zu Beginn der Erhebungsphase im März dieses Jahres wütende Proteste der Hausärzte provozierte. Während die GFB bei der Vorstellung der Ergebnis- se am Rande des 104. Deutschen Ärzte- tages in Ludwigshafen von der „euro- paweit größten Online-Studie“ mit 250 000 Fragebogen sprach, bezeichne- te der Berufsverband der Allgemein- ärzte Deutschlands (BDA) die Unter- suchung als eine „pseudowissenschaftli- che Agitation“ gegen die Hausärzte.

Dass im Begleittext der Umfrage zu lesen sei: „Wenn wir nichts tun, droht das Primärarztsystem“, spricht nach Auffassung des BDA für die „Vorgabe der GFB“, möglichst negative Ergeb- nisse zu erhalten. „Ebenso könnte man eine Umfrage bei den Fröschen ma- chen, ob die Sümpfe ausgetrocknet werden sollen“, heißt es in einer Er- klärung des Hausärzteverbandes.

Tatsächlich schweigt sich die Presse- mitteilung, mit der die GFB die Ergeb- nisse der Umfrage verbreitet hat, über die näheren Umstände der Studie aus.

Sie beschränkt sich auf die Kernaussage, wonach „die Bevölkerung den direkten Zugang zum Facharzt wünscht“. Dies müsse man akzeptieren, sagte GFB- Präsident Dr. med. Jörg-Andreas Rüg- geberg, „ohne dass die medizinische Qualifikation der Hausärzte deswegen

entscheidende Defizite aufweist“. Die moderaten Töne der Gemeinschaft Fachärztlicher Berufsverbände lassen erkennen, dass ihr nicht unbedingt an einer Konfrontation mit den Hausärz- ten gelegen ist. Vielmehr dienen ihr die Ergebnisse der Befragung dazu, einen berufspolitischen Vorstoß zu unter- stützen, der auf eine Kooperation zwi- schen Haus- und Fachärzten sowie Krankenhäusern zielt, ohne den Zu- gang der Versicherten zu den verschie- denen Versorgungsebenen in irgendei- ner Weise zu beschränken.

„Gnaden- und würdeloser Verteilungskampf“

In einem Grundsatzpapier mit dem Ti- tel „Effizienz durch Qualität“ greift der Fachärzteverband das zentrale Pro- blem der GKV auf: Der Konflikt zwi- schen der Leistungssteigerung und den begrenzten Ressourcen spitzt sich dra- matisch zu. Alle bisherigen gesetzgebe- rischen Maßnahmen seien von Rationa- lisierungsreserven im Gesundheitswe- sen ausgegangen – doch die Rationali- sierung sei längst in eine offene Ratio- nierung übergegangen. Die Budgetie- rung habe bei den niedergelassenen Ärzten zu dramatischen Einnahmever- lusten geführt, sodass die Betroffenen inzwischen einen „gnaden- und wür- delosen Verteilungskampf“ untereinan- der ausfechten.

Für die GFB steht fest: Die Grenzen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Arztpraxen sind erreicht, die Konse- quenz daraus ist die Beschränkung auf Behandlungsangebote und Fallzahlen, die noch halbwegs rentabel erbracht werden können. Erste befristete Praxis- schließungen sollten der Politik die Au-

gen für den Ernst der Lage öffnen. Der Verteilungskampf ist aber nach Auffas- sung der fachärztlichen Berufsverbän- de nicht mit der Einführung eines Primärarztsystems zu lösen. Den „gate keeper“, den die Hausärzte gerne als Schleuse in das System einbauen wür- den, halten die Fachärzte für einen Po- panz. Die GFB gesteht zwar zu, dass die Koordinierung und Kommunikation bei der ambulanten Versorgung von Pa- tienten Defizite aufweist.

Wer aber bei einem effektiven Fall- management die Fäden in der Hand hal- ten soll, ist aus Sicht der Fachärzte eine noch offene Frage. In dem Grundsatzpa- pier der GFB heißt es dazu: „Es muss darum gehen, Versorgungswege einzu- führen, die den wechselnden Notwen- digkeiten des individuellen Kranken ge- recht werden. Es ist ebenso falsch, jeden Patienten in einer primären Basisversor- gung anzusiedeln wie alle Probleme mit dem aufwendigen Apparat fachärztli- cher Medizin anzugehen.“

Während der Hausarzt ein wesentli- ches Tätigkeitsmerkmal im so genann- ten abwartenden Beobachten sähe, sei die fachärztliche Versorgung durch ak- tive Diagnostik und Therapie geprägt.

Verblieben die Patienten mit Bagatel- lerkrankungen hingegen zu lange beim Facharzt, sei dies aus gesundheitsöko- nomischer Sicht ebenfalls nicht sinn- voll. Das Wesen der meisten Erkran- kungen bestehe in einem typischen Verlauf über erste banale Symptome zu schwerwiegenden Behandlungsnot- wendigkeiten und einer anschließenden Rehabilitationsphase. Alle Ebenen der Versorgungslandschaft würden mithin in beide Richtungen durchlaufen, was

„flexible Übergänge, Kooperation und Optimierung des Informationsflusses“

erforderlich mache. ✁

P O L I T I K

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 25½½½½22. Juni 2001 AA1653

Ambulante Versorgung

Fachärzte wollen Kooperation und freie Arztwahl

Nicht der Hausarzt soll Lotse sein, sondern das Krankheitsbild

der Patienten soll den Zugang zu medizinischen Leistungen bestimmen.

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Das Grundproblem sieht die GFB – nicht anders als der BDA – in der mitun- ter falschen Wahl der Versorgungsebene durch den Patienten. Es sei deshalb not- wendig, die Übergänge zu den Versor- gungsebenen zu vereinfachen, zugleich aber auch zu regeln. Die hausärztliche Versorgungsebene ist nach Auffassung der GFB durch die Basisversorgung und die Klärung von Befindungsstörungen gekennzeichnet, die fachärztliche Ebene durch den konkreten medizinischen Be- darf, und das Krankenhaus definiert sich über das Erfordernis der stationären Pflege. Darauf aufbauend empfiehlt die GFB eine Anleihe bei den Berufsgenos- senschaften und dem so genannten Durchgangsarztverfahren.

Übertragen auf die Zusammenarbeit von Haus- und Facharzt könnte die künftige Kooperation so aussehen:

❃Patienten, die primär von Hausärz- ten behandelt werden, bleiben dort, so- lange das Krankheitsbild keine gebiets- spezifischen diagnostischen und thera- peutischen Maßnahmen erfordert. Eine konsiliarische fachärztliche Zweitmei- nung wird notwendig, wenn Arbeitsun- fähigkeit von mehr als zehn Tagen be- scheinigt wird, die Behandlung länger als drei Wochen dauert, innovative Me- dikamente eingesetzt werden, Untersu- chungen mit Großgeräten veranlasst werden, Krankenhausbehandlung oder stationsersetzende Leistungen verord- net werden.

❃Patienten, die primär vom Fach- arzt behandelt werden, müssen mit ei- nem Bericht zum Hausarzt weiterge- leitet werden. Dieser legt die weiteren Behandlungsebenen fest. Der Hausarzt soll die patientenbezogenen Unterlagen dem Facharzt zur Verfügung stellen, um Doppeluntersuchungen zu vermeiden.

Insbesondere soll die medikamentöse Therapie besser koordiniert werden.

❃Nach einer stationären Behand- lung sollen die Patienten über den Facharzt in die jeweils richtige Versor- gungsebene geleitet werden.

Auf diese Weise, glaubt die GFB, würde die Zusammenarbeit von Haus- und Fachärzten sowie die Kooperation mit den Krankenhäusern sehr viel effi- zienter funktionieren. Zugleich würde der Patient nicht mehr länger „außer- halb seiner Kompetenz im System vaga-

bundieren“. Josef Maus

P O L I T I K

A

A1654 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 25½½½½22. Juni 2001

Bioethik-Diskussion

Gespaltene Fraktionen

Bei keiner anderen Frage gehen die Ansichten innerhalb der Parteien so auseinander wie bei der Bioethik.

Präimplantationsdiagnostik (PID) ja oder nein? Embryonale Stammzellfor- schung? Besonders die beiden Volks- parteien SPD und CDU/CSU können sich auf keinen gemeinsamen Nenner einigen.

Diametral unterschiedliche Positio- nen gibt es in der SPD-Fraktion. Für Bundeskanzler Gerhard Schröder ver- wirklicht sich die Würde des Menschen in erster Linie im Zugang zur Erwerbs- arbeit, wie er als Antwort auf die Berli- ner Rede von Bundespräsident Johan-

nes Rau (auch SPD) sagte. Dieser hatte am 18. Mai betont, dass es „Dinge gibt, die wir um keines tatsächlichen oder vermeintlichen Vorteiles willen tun dür- fen“. Sowohl PID als auch Embryonen- forschung lehnt Rau ab. Auch für Ju- stizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) ist beides nicht mit der Verfas- sung vereinbar. Anders verhalten sich die beiden SPD-Ministerinnen Ulla Schmidt (Bundesgesundheitsministe- rin) und Edelgard Bulmahn (Bundes- forschungsministerin). Sie wollen die PID in engen Grenzen erlauben und halten die embryonale Stammzellfor- schung für diskutabel. Unterstützt wer-

den sie von der Vorsitzenden der En- quete-Kommission des Deutschen Bundestages „Recht und Ethik der mo- dernen Medizin“, Margot von Renesse.

Sie meint, es liege in der Natur der Wis- senschaft, auch Tabus zu brechen.

Eine ausführliche bioethische Dis- kussion am 28. Mai brachte der CDU/

CSU-Fraktion ebenfalls keinen inner- parteilichen Konsens. Einig waren sich die Abgeordneten lediglich, dass sie die verbrauchende Embryonenforschung nicht zulassen wollen. Die CSU lehnt zudem die PID ab. Darauf kann (und will) sich die CDU aber nicht festlegen.

Im Vorfeld der Sitzung des CDU-Bun- desvorstandes, die gleichfalls am 28.

Mai stattfand, hatte der stellvertreten- de Parteivorsitzende der CDU, Jürgen Rüttgers, den Entwurf eines Grund- satzpapiers vorgelegt, in dem er die PID als „Diagnosemöglichkeit“ be- zeichnete. Die Parteivorsitzende Ange- la Merkel schloss sich dieser Meinung an. Auch sie neige dazu, die PID unter bestimmten Restrik- tionen zuzulassen.

Dies stieß auf inner- parteiliche Kritik, so dass schließlich Rütt- gers PID-Passagen im Positionspapier geän- dert wurden. Kein Ja, kein Nein, die Hal- tung der CDU bleibt offen. „Wir wollen die Diskussion weiter füh- ren“, erklärte Merkel.

Bereits vor Wo- chen hat sich die FDP mit ihrem Positions- papier eindeutig für PID und embryonale Stammzellfor- schung ausgesprochen. Sie betont die medizinischen und wirtschaftlichen Chancen der Biomedizin. Mitte Mai hat sich die Fraktion Bündnis 90/Die Grü- nen auf eine gemeinsame Position ver- ständigt. In ihrem Eckpunktepapier zur Gentechnikpolitik lehnt sie PID und Embryonenforschung ab und fordert zudem eine Präzisierung des Embryo- nenschutzgesetzes, um den Umgang mit „überzähligen“ Embryonen zu re- geln. Noch nicht positioniert hat sich die PDS, doch sie scheint in dieser Fra- ge die Ansicht der CSU und der Grü- nen zu teilen. Dr. med. Eva A. Richter

´ TabelleC´

Was soll man in der Biomedizin zulassen?

– Antworten der Parteien (Stand 6. Juni 2001)

PID Embryonale

Stammzellforschung

SPD unentschlossen, unentschlossen,

konträre Ansichten konträre Ansichten CDU/CSU CDU: unentschlossen CDU: nein

CSU: nein CSU: nein

FDP ja ja

B90/Die Grünen nein nein

PDS unentschlossen, unentschlossen,

eher nein eher nein

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