Das Grundproblem sieht die GFB – nicht anders als der BDA – in der mitun- ter falschen Wahl der Versorgungsebene durch den Patienten. Es sei deshalb not- wendig, die Übergänge zu den Versor- gungsebenen zu vereinfachen, zugleich aber auch zu regeln. Die hausärztliche Versorgungsebene ist nach Auffassung der GFB durch die Basisversorgung und die Klärung von Befindungsstörungen gekennzeichnet, die fachärztliche Ebene durch den konkreten medizinischen Be- darf, und das Krankenhaus definiert sich über das Erfordernis der stationären Pflege. Darauf aufbauend empfiehlt die GFB eine Anleihe bei den Berufsgenos- senschaften und dem so genannten Durchgangsarztverfahren.
Übertragen auf die Zusammenarbeit von Haus- und Facharzt könnte die künftige Kooperation so aussehen:
❃Patienten, die primär von Hausärz- ten behandelt werden, bleiben dort, so- lange das Krankheitsbild keine gebiets- spezifischen diagnostischen und thera- peutischen Maßnahmen erfordert. Eine konsiliarische fachärztliche Zweitmei- nung wird notwendig, wenn Arbeitsun- fähigkeit von mehr als zehn Tagen be- scheinigt wird, die Behandlung länger als drei Wochen dauert, innovative Me- dikamente eingesetzt werden, Untersu- chungen mit Großgeräten veranlasst werden, Krankenhausbehandlung oder stationsersetzende Leistungen verord- net werden.
❃Patienten, die primär vom Fach- arzt behandelt werden, müssen mit ei- nem Bericht zum Hausarzt weiterge- leitet werden. Dieser legt die weiteren Behandlungsebenen fest. Der Hausarzt soll die patientenbezogenen Unterlagen dem Facharzt zur Verfügung stellen, um Doppeluntersuchungen zu vermeiden.
Insbesondere soll die medikamentöse Therapie besser koordiniert werden.
❃Nach einer stationären Behand- lung sollen die Patienten über den Facharzt in die jeweils richtige Versor- gungsebene geleitet werden.
Auf diese Weise, glaubt die GFB, würde die Zusammenarbeit von Haus- und Fachärzten sowie die Kooperation mit den Krankenhäusern sehr viel effi- zienter funktionieren. Zugleich würde der Patient nicht mehr länger „außer- halb seiner Kompetenz im System vaga-
bundieren“. Josef Maus
P O L I T I K
A
A1654 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 25½½½½22. Juni 2001
Bioethik-Diskussion
Gespaltene Fraktionen
Bei keiner anderen Frage gehen die Ansichten innerhalb der Parteien so auseinander wie bei der Bioethik.
Präimplantationsdiagnostik (PID) ja oder nein? Embryonale Stammzellfor- schung? Besonders die beiden Volks- parteien SPD und CDU/CSU können sich auf keinen gemeinsamen Nenner einigen.
Diametral unterschiedliche Positio- nen gibt es in der SPD-Fraktion. Für Bundeskanzler Gerhard Schröder ver- wirklicht sich die Würde des Menschen in erster Linie im Zugang zur Erwerbs- arbeit, wie er als Antwort auf die Berli- ner Rede von Bundespräsident Johan-
nes Rau (auch SPD) sagte. Dieser hatte am 18. Mai betont, dass es „Dinge gibt, die wir um keines tatsächlichen oder vermeintlichen Vorteiles willen tun dür- fen“. Sowohl PID als auch Embryonen- forschung lehnt Rau ab. Auch für Ju- stizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) ist beides nicht mit der Verfas- sung vereinbar. Anders verhalten sich die beiden SPD-Ministerinnen Ulla Schmidt (Bundesgesundheitsministe- rin) und Edelgard Bulmahn (Bundes- forschungsministerin). Sie wollen die PID in engen Grenzen erlauben und halten die embryonale Stammzellfor- schung für diskutabel. Unterstützt wer-
den sie von der Vorsitzenden der En- quete-Kommission des Deutschen Bundestages „Recht und Ethik der mo- dernen Medizin“, Margot von Renesse.
Sie meint, es liege in der Natur der Wis- senschaft, auch Tabus zu brechen.
Eine ausführliche bioethische Dis- kussion am 28. Mai brachte der CDU/
CSU-Fraktion ebenfalls keinen inner- parteilichen Konsens. Einig waren sich die Abgeordneten lediglich, dass sie die verbrauchende Embryonenforschung nicht zulassen wollen. Die CSU lehnt zudem die PID ab. Darauf kann (und will) sich die CDU aber nicht festlegen.
Im Vorfeld der Sitzung des CDU-Bun- desvorstandes, die gleichfalls am 28.
Mai stattfand, hatte der stellvertreten- de Parteivorsitzende der CDU, Jürgen Rüttgers, den Entwurf eines Grund- satzpapiers vorgelegt, in dem er die PID als „Diagnosemöglichkeit“ be- zeichnete. Die Parteivorsitzende Ange- la Merkel schloss sich dieser Meinung an. Auch sie neige dazu, die PID unter bestimmten Restrik- tionen zuzulassen.
Dies stieß auf inner- parteiliche Kritik, so dass schließlich Rütt- gers PID-Passagen im Positionspapier geän- dert wurden. Kein Ja, kein Nein, die Hal- tung der CDU bleibt offen. „Wir wollen die Diskussion weiter füh- ren“, erklärte Merkel.
Bereits vor Wo- chen hat sich die FDP mit ihrem Positions- papier eindeutig für PID und embryonale Stammzellfor- schung ausgesprochen. Sie betont die medizinischen und wirtschaftlichen Chancen der Biomedizin. Mitte Mai hat sich die Fraktion Bündnis 90/Die Grü- nen auf eine gemeinsame Position ver- ständigt. In ihrem Eckpunktepapier zur Gentechnikpolitik lehnt sie PID und Embryonenforschung ab und fordert zudem eine Präzisierung des Embryo- nenschutzgesetzes, um den Umgang mit „überzähligen“ Embryonen zu re- geln. Noch nicht positioniert hat sich die PDS, doch sie scheint in dieser Fra- ge die Ansicht der CSU und der Grü- nen zu teilen. Dr. med. Eva A. Richter
´ TabelleC´
Was soll man in der Biomedizin zulassen?
– Antworten der Parteien (Stand 6. Juni 2001)
PID Embryonale
Stammzellforschung
SPD unentschlossen, unentschlossen,
konträre Ansichten konträre Ansichten CDU/CSU CDU: unentschlossen CDU: nein
CSU: nein CSU: nein
FDP ja ja
B90/Die Grünen nein nein
PDS unentschlossen, unentschlossen,
eher nein eher nein