Die Information:
Bericht und Meinung
Vertreterversammlung der KBV: Muschallik
transparenz mit deutlicher Selbst- beteiligung zum Beispiel auf dem Arznei- und Heilmittelsektor ohne Schaden für die Gesundheit mög- lich wäre. Eine Benachteiligung sozial schwacher Gruppen und langfristig Kranker wäre durch Einbau entsprechender Kompo- nenten ausschließbar. Der alten Erfahrung, daß das, was nichts zu kosten scheint, auch als weniger wertvoll angesehen und im Um- fang entsprechend großzügig be- handelt zu werden pflegt, könnte so Rechnung getragen und der Bildung von kostspieligen „Müll- halden" verordneter, aber nicht verbrauchter Medikamente auf quasi marktwirtschaftliche Weise entgegengewirkt werden. Ein sol- ches in Modellversucher) prüfba- res Verfahren stärkt nach meiner Überzeugung die Mündigkeit des Versicherten, und es beseitigt Wunschvorstellungen ebenso wie manche Konflikte im Sprechzim- mer des Arztes.
Diese nur in einigen Schwerpunk- ten angesprochenen Überlegun- gen zur Stabilisierung und Weiter- entwicklung unserer sozialen Krankenversicherung in den acht- ziger Jahren werden den Einsatz der kassenärztlichen Selbstver- waltungsgremien und ihres wis- senschaftlichen Instituts in part- nerschaftlicher Korrespondenz zu den Krankenkassen erfordern, und ich habe die Zuversicht, daß es grundsätzlich möglich sein wird, im Rahmen solcher Zusammenar- beit eine tragfähige Brücke in die achtziger Jahre zu schlagen.
Der ökonomische Wachstumspfad der Kassenärzte ist zur Zeit schmal und weist manche Schlaglöcher auf. Diese erfordern anpassungs- fähiges Verhalten und stabile Stoßdämpfer. Die für 1979/80 von der Konzertierten Aktion im Ge- sundheitswesen auf dem Boden freier Selbstverwaltungsverein- barungen getroffenen Gesetzes- auslegungen und ökonomischen Empfehlungen geben mir den Op- timismus zu der Annahme, daß die gröbste „Schotterstrecke" hinter uns liegt.
Diskussion
Von „Ein gelungener Balanceakt"
bis zu „Große Bedenken für die langfristige Perspektive" erstreck- ten sich in der Diskussion, die sich an das Referat von Dr. Hans Wolf Muschallik anschloß, die Charak- terisierungen, die einzelne Mitglie- der der Vertreterversammlung fan- den, um ihr persönliches Urteil über die Honorarempfehlungen der Märzrunde der „Konzertierten Aktion im Gesundheitswesen"
auszudrücken.
Zur Vorgeschichte wurde daran erinnert, daß das Kostendämp- fungsgesetz nicht eigentlich we- gen der prekären Finanzlage der Krankenkassen entstanden ist — die im übrigen schon gar nicht von den niedergelassenen Ärzten zu verantworten war, deren relativer Honoraranteil ohnehin klein ist —, sondern vielmehr wegen der lang- fristigen finanziellen Schwierig- keiten der Rentenversicherung.
Und daran habe sich grundlegend wenig geändert. Weiter zweifelte ein Delegierter an, daß die Kran- kenkassen durch die Honorarver- einbarungen das Morbiditätsrisiko wieder voll übernommen hätten.
Aber dies blieben sehr vereinzelte kritische Stimmen. In seinem Schlußwort räumte Dr. Muschallik noch einmal ein, es gebe durchaus
„im Wein (der Honorarempfehlun- gen) auch bittere Tropfen"; im Rahmen demokratischer, partner- schaftlicher Verhandlungen war das Ergebnis jedoch das Bester- reichbare — und an dieser Stelle demonstrierte die Versammlung durch ihren starken Beifall noch einmal den Dank und die Anerken- nung dieser gewählten Vertreter der deutschen Kassenärzte für die erfolgreiche Verhandlungsfüh- rung ihres Vorstandes und seiner Mitarbeiter und für das erreichte Verhandlungsergebnis.
Zu einer sachlichen Klarstellung meldete sich KBV-Hauptge- schäftsführer Dr. Eckart Fiedler während der Diskussion zu Wort:
Unter das Fallpauschale, das die Kassen den KVen für die Laborlei-
stungen zahlen, kommen nur die kurativen, aber nicht die präventi- ven Leistungen der Zytologie. Ku- rative zytologische und histologi- sche Leistungen sind zugegebe- nermaßen kaum rationalisierbar (Frau Dr. Gertraud Bäcker wies darauf hin); dennoch kann die Honorierung durch die Honorar- verteilungsmaßstäbe der einzel- nen Kassenärztlichen Vereinigun- gen angemessen gestaltet werden.
Keine Überraschung war die spon- tane Diskussionsäußerung von Professor Siegfried Häußler, Mu- schalliks deutliche Fürsprache für
*den Gedanken einer Selbstbeteili- gung in der sozialen Krankenversi- cherung sei „Musik in meinen Oh- ren" gewesen; für diese anerken- nenden Worte erhielt Häußler auch starken Applaus. Er „über- zog" aber das Tempo, als er vor- schlug, sich nun auch gleich auf eine Methode der Ausgestaltung einer solchen Selbstbeteiligung zu einigen. Über die Methoden zu sprechen wird Aufgabe der näch- sten Zukunft sein.
Um den Grundgedanken jedoch, die Eigenverantwortung des Versi- cherten durch eine wirksame Selbstbeteiligung — wenn auch zu- nächst nur in Teilbereichen, und selbstverständlich mit dem Einbau von Sicherungen für sozial Schwache — zu stärken, wird es in Zukunft bei den Kassenärzten nicht mehr still werden; daran kann wohl kein Zweifel bestehen.
Von grundlegender Bedeutung für das Urteil über die Honoraremp- fehlungen der Konzertierten Ak- tion sind noch einige Angaben aus Dr. Muschalliks Schlußwort: Die Ausgaben der sozialen Kranken- versicherung für ambulante ärztli- che Behandlung betrugen im Jah- re 1978 schätzungsweise 13,4 Mil- liarden DM; das waren diesmal et- wa 18,7 Prozent der Gesamtausga- ben. Im Vergleich dazu sind die rund 14,7 Milliarden DM, die für Arzneimittel sowie für Heil- und Hilfsmittel ausgegeben wurden, so Muschallik, „eine Relation, die nicht ordnungsgemäß sein
kann". gb
1422 Heft 21 vom 24. Mai 1979 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT