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as Budget führt zur Rationierung notwendiger Arzneimittel, sagen Ärzte, Apotheker sowie Vertreter von Pharmaindustrie und Patientenor- ganisationen. Das Gros von ihnen plä- diert für budgetablösende Richtgrößen.Das Budget ist ein geeignetes Mittel, um die Arzneimittelausgaben ohne Qua- litätsverluste für die Patientenversor- gung zu steuern, sagen die Krankenkas- sen. Dabei sind sich die Budgetgegner der Unterstützung von Union und FDP sicher, die Befürworter zählen auf die Vertreter der Regierungskoalition. Die- ses gewohnte Bild bot sich auch am 27.
September, als Sachverständige bei ei- ner Anhörung des Gesundheitsaus- schusses des Bundestags ihre Ansichten zum Arznei- und Heilmittelbudget ver- traten. Anlass war ein Antrag der FDP- Bundestagsfraktion, der die
Abschaffung der Budgetie- rung gefordert hatte.
Mit, wie er sagte, objekti- ven Daten versuchte Wolf- gang Schmeinck vom Bun- desverband der Betriebs- krankenkassen, die steuern- de Wirkung der Budgets zu belegen. Seit ihrer Ein- führung seien die Arznei- mittel-Verordnungen um 20 Prozent zurückgegangen.
Der Anteil der Generika- verordnungen sei um 15 bis 20 Prozent gestiegen, der Wert der Verordnungen so genannter umstrittener Arz- neimittel habe sich halbiert.
„Budgets fördern die Konzentration auf das medizinisch Sinnvolle“, und „die Vo- lumina reichen“, folgerte Schmeinck.
Als Beleg dafür dient ihm auch die Bi- lanz, die (erst!) jetzt für das Budgetjahr 1999 vorliegt. Danach sind die Arznei- und Heilmittelbudgets der 23 Kassen-
ärztlichen Vereinigungen (KVen) in Höhe von insgesamt 38,8 Milliarden DM bundesweit um 0,6 Prozent überschrit- ten worden. Allerdings fallen die Einzel- ergebnisse unterschiedlich aus. „Die KVen, die sich seit Jahren um eine ratio- nale und kostenbewusste Arzneimittel- therapie kümmern, konnten ihr Ausga- benlimit auch 1999 ohne Qualitätsver- lust bei der Patientenversorgung einhal- ten“, heißt es vonseiten der Kassen. Elf KVen haben ihre Budgets überschritten, die Haftungssumme liegt bei 588 Mil- lionen DM. Bis Ende nächsten Jahres haben die Betroffenen Zeit, das De- fizit auszugleichen. Angesichts dieser unterschiedlichen Ergebnisse forderte Schmeinck die Kassenärztliche Bundes- vereinigung (KBV) auf, mit den Kassen eine Bundesempfehlung für 2001 zu ver-
einbaren, die Hinweise zur Budgetsitua- tion und zu deren Weiterentwicklung enthält. Außerdem sieht er weiterhin Wirtschaftlichkeitspotenziale. Verord- neten die Ärzte noch mehr und noch preiswertere Generika sowie weniger teure Analogpräparate und verzichteten
sie gänzlich auf die Verordnung von Arz- neimitteln mit umstrittener Wirksam- keit, könnten sie mindestens 3,5 Milliar- den DM einsparen. Damit stehe genü- gend Geld für Innovationen bereit.
Der Verband Forschender Arzneimit- telhersteller hat dagegen in einer Studie die Unterversorgung gerade mit Innova- tionen und Spezialpräparaten belegt.
Auch Dr. med. Jürgen Bausch, im Vor- stand der KBV zuständig für Arzneimit- tel, sagte aufgrund eigener Analysen:
„Rationierung wird eindeutig sichtbar.“
Auf den Vertragsärzten laste der drohen- de doppelte Regress bei Budget- und Richtgrößenüberschreitung: „Alles wird auf unserem Rücken ausgetragen und hinterher sollen wir die Zeche zahlen.“
„Miserable Datenlage“
KBV-Hauptgeschäftsführer Dr. jur. Rai- ner Hess kritisierte, die Ausgangsbasis für die Budgets vor allem in den neuen Ländern sei viel zu niedrig angesetzt worden. Das eigentliche Problem sei je- doch die „absolut miserable Datenlage“.
An die Kassen gewandt fuhr er fort:
„Wir müssen erst mal eine gemeinsame Datenbasis schaffen, bevor wir eine Bundesempfehlung vereinbaren kön- nen.“ Dass die mangelnde Qualität der Daten und ihre späte Lieferung die Steue- rungswirkung der Budgets einschränken, darin stimm- te Prof. Dr. med. Dr. sc. Karl W. Lauterbach vom Institut für Gesundheitsökonomie und Klinische Epidemiolo- gie der Universität Köln mit Hess überein. Allerdings sei man in Deutschland gar nicht in der Lage, Unter-, Über- oder Fehlversorgung zu überprüfen, weil es kei- nen evidenzbasierten Stan- dard gebe. „Wir wissen nicht, ob die richtigen Pati- enten die richtigen Arznei- mittel bekommen“, sagte Lauterbach.
Entscheidend sei nicht die Frage „Gibt es ein Budget?“. Entscheidend seien Qua- litätssicherung und Fortbildung. Ergeb- nis der dreistündigen Anhörung: Die Po- sitionen der Kontrahenten blieben un- verändert. Heike Korzilius P O L I T I K
Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 97½½Heft 40½½6. Oktober 2000 AA2581
Arznei- und Heilmittelbudget
Ein Schaukampf
Eine Anhörung im Gesundheitsausschuss brachte zwar viele Argumente gegen die Budgetierung, aber wenig Hoffnung auf ihr baldiges Ende.
Quelle: IMS HEALTH